TE UVS Burgenland 1996/07/10 02/06/96175

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Veröffentlicht am 10.07.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied

Mag Obrist über die Berufung des Herrn                    , geboren

am           , wohnhaft in                               , vertreten

durch Rechtsanwalt                               , vom 02 05 1996,

gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom 17 04 1996, Zl 300-820-1996, wegen Bestrafung nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) 1960 - und zwar:

I  wegen Übertretung des § 4 Abs 2 und II wegen Übertretung des § 4 Abs 1 lit c

zu Recht erkannt:

 

Hinsichtlich Spruchpunkt I wird der nur gegen die Strafhöhe gerichteten Berufung gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs 1 VStG dahingehend Folge gegeben, daß die verhängte Geldstrafe auf S 5 000,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 5 Tage herabgesetzt werden. Der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens I Instanz verringert sich daher auf S 500,--.

 

Hinsichtlich Spruchpunkt II wird der Berufung gemäß § 66 Abs 4 AVG in

Verbindung mit § 51 Abs 1 VStG Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesem Punkt behoben und das diesbezügliche Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber für schuldig erkannt, er sei am 02 02 1996 um 01 30 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten PKW`s an einer näher bezeichneten Örtlichkeit in Nikitsch mit einem Verkehrsunfall, bei dem Personen verletzt worden sind, in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe

I  nicht sofort die nächste Gendarmeriedienststelle verständigt und II an der Feststellung des Sachverhaltes nicht mitgewirkt, indem er sein Fahrzeug von der Unfallstelle entfernt und im Rahmen der Gendarmerieerhebungen zunächst die Beteiligung am Unfall bestritten und zum Tathergang wissentlich falsche Angaben gemacht habe.

 

Gemäß § 99 Abs 2 lit a Straßenverkehrsordnung (StVO) 1960 wurde zu Punkt I und II je eine Geldstrafe von S 10 000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von je 10 Tagen) verhängt.

 

In der Berufung bringt der Beschuldigte im wesentlichen folgendes vor:

1) Zu der ihm in Spruchpunkt I vorgeworfenen Verwaltungsübertretung bekannte er sich audrücklich für schuldig; er bekämpfte jedoch die Höhe der verhängten Strafe als nicht tat- und schuldangemessen. Insbesonders führte er aus, daß der Umstand der Verletzung von Personen ihm nicht als erschwerend angelastet werden könne, da dies Gegenstand eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens sei. Weiters seien verschiedene Milderungsgründe (ordentlicher Lebenswandel, Unbesonnenheit, reumütiges Geständnis) nicht berücksichtigt worden.

2) Die Begehung der ihm in Spruchpunkt II vorgeworfenen Verwaltungsübertretung wurde im wesentlichen damit bekämpft, daß es notwendig gewesen sei, das Fahrzeug von der Unfallstelle zu entfernen, um einen der Verletzten unverzüglich zum Arzt zu bringen. Außerdem verwies er unter Zitierung eines Verwaltungsgerichtshoferkenntnisses darauf,daß für ihn keine allgemeine Aussagepflicht, wie etwa für Zeugen, bestanden habe.

3) Weiters regte er unter Hinweis auf den vom EGMR entschiedenen Fall G         an, der Verwaltungssenat möge beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der §§ 4 Abs 2 und 4 Abs 1 lit c StVO stellen.

 

Er beantragte hinsichtlich Punkt 2 die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses bzw (zu 1 und 2) die Herabsetzung der verhängten Geldstrafe auf das gesetzliche Mindestmaß oder gänzliche Nachsicht der Strafe.

 

Zu den einzelnen Punkten der Berufung wurde folgendes erwogen:

 

Zu Punkt 1):

Hinsichtlich Punkt I des angefochtenen Straferkenntnisses wird lediglich die Strafhöhe bekämpft. Der Berufung war diesbezüglich spruchgemäß Folge zu geben, weil von der Behörde I Instanz bei der Strafbemessung teilweise von unrichtigen Voraussetzungen ausgegangen wurde. Die Rechtsgrundlage hiefür stellt § 19 VStG dar. Nach Abs 1 der genannten Bestimmung ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient

und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich

gezogen hat. Gemäß Abs 2 leg cit sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen (VwGH vom 30 08 1991, Zl 91/09/0134).

 

Die Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf hat als erschwerend angenommen, daß zwei Fußgänger schwer verletzt wurden und daß durch das Leugnen des Beschuldigten ein hoher Kostenaufwand (wegen der deshalb notwendigen Fahndung nach dem Lenker) entstanden ist. Diese Umstände bilden jedoch keine Erschwerungsgründe.

 

Was die Verletzung von Personen betrifft, wird festgestellt, daß dies

nicht als nachteilige Folge der dem Beschuldigten in diesem Verfahren

zur Last gelegten Verwaltungsübertretung (Nichtverständigung der Gendarmerie) gesehen werden kann. Mit anderen Worten: kausal für den Verkehrsunfall (und damit für die Verletzung) war nicht die Unterlassung dieser Verständigung. Schon deshalb kann also die Verletzung von zwei Personen nicht als nachteilige Folge der dem Beschuldigten angelasteten Tat gesehen werden. Der Umstand, daß beim Verkehrsunfall Personenschaden entstand, ist im übrigen Gegenstand eines Gerichtsverfahrens nach § 88 StGB und sind eben diese Verletzungen Tatbestandsmerkmal dortiges Verfahrens. Als Strafbemessungsgrund ist dieser Umstand im gegenständlichen Verfahren

sohin nicht zu berücksichtigen. Auf die Tatsache, daß aufgrund des Verkehrsunfalles auch ein Gerichtsverfahren anhängig ist, wird im übrigen nocht unten zu Punkt 3 eingegangen. Weiters vermag ein der Behörde für die Ausforschung des Täters entstandener Aufwand keinen Erschwerungsgrund zu bilden. Die Behörde übersieht hiebei, daß es zu den - auf die jeweils zuständigen staatlichen Organe - übertragenen gesetzlichen Aufgaben zählt, ua verwaltungsstrafrechtlich relevante Sachverhalte aufzuklären und hierüber die erforderlichen Nachforschungen anzustellen. Deshalb kommt die Anlastung des dabei entstandenen Aufwandes als Erschwerungsgrund nicht in Betracht.

 

Weiters ist die Behörde I Instanz davon ausgegangen, daß keine Milderungsgründe vorliegen. Dies ist aktenwidrig, da gegen den Beschuldigten keine verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen aufscheinen. Dieser Umstand ist daher im Sinn des Berufungsvorbringes

(bisheriger ordentlicher Lebenswandel) als Milderungsgrund zu werten.

Den übrigen in diesem Zusammenhang in der Berufung angeführten Umständen kommt allerdings keine Bedeutung zu. Unbesonnenheit scheidet bei Fahlässigkeitsdelikten als Milderungsgrund von vorneherein aus (ZVR 1984/24) und das Vorliegen eines reumütigen Geständnisses ist nach der Aktenlage ebenfalls zu verneinen, zumal ein bloßes Zugeben von Tatsachen nicht als solches gilt (und es somit

auch dahingestellt bleiben kann, ob bzw wann der Beschuldigte sein Verhalten im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall überhaupt zugegeben hat).

 

Was den Antrag des Berufungswerbers betrifft, von der Strafe abzusehen, wird unter Hinweis auf § 100 Abs 5 StVO festgestellt, daß dies beim gegenständlichen Delikt von vorneherein nicht in Frage kommt.

 

Die der Bestrafung zugrundeliegende Handlung schädigte in nicht unerheblichem Maße das in solchen Fällen bestehende Interesse an der raschen Unfallaufnahme durch Gendarmerie oder Polizei, dem die Strafdrohung dient. Der objektive Unrechtsgehalt der Tat kann selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen nicht als gering angesehen werden.

 

Daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder, daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, ist weder hervorgekommen noch auf Grund besonderer Tatumstände anzunehmen

und kann daher das Verschulden des Berufungswerbers nicht als geringfügig angesehen werden.

 

Gleichzeitig  war auf  die  Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Berufungswerbers, wie im Straferkenntnis zutreffend ausgeführt, Bedacht zu nehmen.

 

Unter Bedachtnahme auf den gesetzlichen Strafsatz, den Unrechtsgehalt

der Tat und das Verschulden des Berufungswerbers konnte die

verhängte

Strafe sohin spruchgemäß herabgesetzt werden.

 

Zu Punkt 2):

Die spruchgemäße Einstellung des Verfahrens (betreffend Punkt II des Straferkenntnisses) hatte zu erfolgen, da der Beschuldigte die ihm in

diesem Punkt vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht begangen hat. Er wurde damit einerseits bestraft, weil er sein Fahrzeug von der Unfallstelle entfernte und andererseits deswegen, weil er zunächst seine Beteiligung am Unfall bestritt und den Tathergang falsch darstellte.

 

Was nun den erstgenannten Umstand betrifft, ist zu bedenken, daß beim

gegenständlichen Verkehrsunfall zwei Personen schwer verletzt wurden.

Der Beschuldigte war daher auch zur Hilfeleistung verpflichtet und lag insofern ein Widerspruch zwischen diesen Pflichten vor, der eine Interessensabwägung erforderlich machte. Der Beschuldigte ist der Hilfeleistungspflicht insofern nachgekommen, als er - zumindest einen

der beiden Verletzten - sofort in seinen PKW setzte und zum Gemeindearzt brachte. In einem solchen dringenden Fall (der Fußgänger

war schwer verletzt, der Unfall ereignete sich in der Nacht um ca 01 30 Uhr und es war Winter, weshalb davon auszugehen ist, daß dies

-

und nicht eine telefonische Herbeiholung einer Hilfe - die zweckmäßigste Art einer Ersten-Hilfe-Leistung war) kann dem Beschuldigten nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er in Entsprechung der Hilfeleistungspflicht gegen die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes - konkret indem er gegen das Verbot, die Stellung des beteiligten Fahrzeuges zu verändern - verstoßen hat.

 

Hinsichtlich des zweiten von der Bezirkshauptmannschaft für die Verwirklichung des Tatbestandes herangezogenen Umstandes kommt dem Berufungsvorbringen ebenfalls Berechtigung zu. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht die Verpflichtung des § 4 Abs 1 lit c StVO nur so weit, als es zur Feststellung von Sachverhaltselementen (Spurensicherung oder Feststellungen zur Person

des Lenkers) erforderlich ist. Eine allgemeine Aussagepflicht, wie etwa für Zeugen, ist durch die genannte Gesetzesstelle für den hier in Betracht kommenden Personenkreis nicht umfaßt. § 4 Abs 1 lit c leg cit dient daher vor allem nicht dazu, unter Strafandrohung ein Geständnis zu erzwingen. Der Tatbestand einer Verwaltungsübertretung nach der zit Bestimmung wird ferner auch von jener Person nicht verwirklicht, die zunächst ein Verschulden am Verkehrsunfall bestritten hat. Die Behörde I Instanz hat nach dem diesbezüglichen Tatvorwurf des Straferkenntnisses zum Ausdruck gebracht, daß der Beschuldigte verpflichtet gewesen wäre, seine Beteiligung an dem in Rede stehenden Unfall zuzugeben, also ein Geständnis abzulegen. Eine derart weitreichende Verpflichtung kann dieser Bestimmung aber entsprechend der höchstgerichtlichen Judikatur nicht entnommen werden. Daher kann die dem Berufungswerber angelastete Behauptung, am

Zustandekommen des Unfalles nicht beteiligt gewesen zu sein, sowie seine ursprünglich falschen Angaben zum Unfall (etwa daß er erst später dazu gekommen sei) nicht als Verstoß gegen die Pflicht qualifiziert werden, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

 

Zu Punkt 3):

Zur diesbezüglichen Anregung, hinsichtlich der in diesem Verfahren angezogenen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) 1960 ein Gesetzesprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu beantragen, wird bemerkt, daß ein solches im Hinblick auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (veröffentlicht ua in

ZfVB 1982/1/168) nicht für erforderlich erachtet wird. Demnach stellen die Tatsache, daß der zur Verständigung Verpflichtete die Verständigung unterläßt, und die weitere Tatsache, daß er es verabsäumt, an der er Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken, zwei verschiedene Verwaltungsübertretungen dar, was gemäß § 22 VStG zur Folge hat, daß zwei Strafen nebeneinander zu verhängen sind. Im übrigen ist der Beschuldigte im vorliegenden Fall infolge der Einstellung des Verfahrens zu Spruchpunkt II hievon nicht

betroffen.

 

Soweit sich der Berufungswerber in diesem Zusammenhang auf den Fall G         bezieht, wird bemerkt, daß es sich dabei insofern um einen anders gelagerten Fall handelte, als dort die Zulässigkeit der Bestrafung einer Person für das gleiche Verhalten durch ein Gericht und eine Verwaltungsbehörde, beurteilt wurde. Im vorliegenden Fall ist jedoch der vom Gericht zu beurteilende Tatbestand (Körperverletzung) nicht jener, dessentwegen die Verwaltungsstrafe verhängt wurde. Das inkriminierte Verhalten in diesem Verfahren lag in der Verletzung der Meldepflicht; diese Zuwiderhandlung ist vom Tatbestand des § 88 StGB verschieden und wird sie demnach durch die Bestrafung des Täters im gerichtlichen Verfahren nicht absorbiert.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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