TE UVS Wien 1996/08/06 04/03/1069/94

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Veröffentlicht am 06.08.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Wilfert über die Berufung des Herrn Nikolaus H, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 23. Bezirk, vom 16.11.1994, Zl MBA 23 - S 8907/94, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Gemäß § 65 VStG hat der Berufungswerber keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Begründung:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber beschuldigt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung der L-Gesellschaft mbH nach außen Berufener im Sinne des § 9 Abs 1 VStG zu verantworten, daß diese Gesellschaft mit dem Sitz in Wien, O-Straße, in der weiteren Betriebsstätte in Wien, L-straße, im Zeitraum zwischen 30.3.1994 und 28.4.1994 fünf Arbeitnehmerinnen über die Höchstgrenze der täglichen Arbeitszeit von 10 Stunden beschäftigt hat, obwohl die Tagesarbeitszeit von 10 Stunden nicht überschritten werden darf. Wegen Verletzung der Bestimmungen des § 28 Abs 1 iVm § 9 Arbeitszeitgesetz wurden über den Berufungswerber fünf Geldstrafen in der Höhe von insgesamt S 8.000,-- sowie fünf Ersatzfreiheitsstrafen in der Höhe von insgesamt 15 Tagen verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die Berufung vom 15.12.1994, in welcher der Berufungswerber im wesentlichen Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens geltend macht. Mit Schriftsatz vom 9.2.1995 erstattete das Arbeitsinspektorat für den 4. Aufsichtsbezirk eine Stellungnahme.

2. Die Berufung ist begründet.

Gemäß § 9 Abs 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Gemäß Abs 2 leg cit sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden. Gemäß Abs 4 leg cit kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Gemäß § 23 Abs 1 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 - ArbIG ist die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 und 3 VStG für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes erst rechtswirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des/der Bestellten eingelangt ist. Dies gilt nicht für die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten auf Verlangen der Behörde gemäß § 9 Abs 2 VStG.

Gemäß Abs 2 leg cit können Arbeitnehmer/innen für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes zu verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 und 3 VStG rechtswirksam nur bestellt werden, wenn sie leitende Angestellte sind, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind.

Wie sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt ergibt, wurde dem Arbeitsinspektorat für den 4. Aufsichtsbezirk am 26.4.1994 die Bestellung des Herrn Johann P zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG für die Filiale L-straße, unter anderem auch für den Verantwortungsbereich des Arbeitszeitgesetzes und des Arbeitsruhegesetzes, angezeigt.

In der Anzeige vom 24.5.1994 vertrat das Arbeitsinspektorat für den 4. Aufsichtsbezirk die Ansicht, daß keine wirksame Bestellung vorliege, weil Herr P kein leitender Angestellter sei, dem maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übergeben sind. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 7.4.1995, Zl 94/02/0470, klargestellt hat, geht es im ArbIG darum, daß Arbeitnehmer, die zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden und damit dem Arbeitgeber die diesbezügliche Verantwortlichkeit abnehmen, im Sinne der grundsätzlichen Regelung des § 9 Abs 4 VStG auch eine entsprechende Anordnungsbefugnis haben sollen, die es ihnen ermöglicht, Verstöße zu verhindern, für die sie verantwortlich gemacht werden können. Dies werde im Hinblick auf die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten für einen bestimmten räumlich oder sachlich abgegrenzten Bereich des Unternehmens ein Arbeitnehmer sein, der für diesen Bereich eine spezifische Leitungsfunktion ausübt. Dazu ist es aber nicht erforderlich, daß ihm ein Enfluß auf die Unternehmensführung zukommt.

Herr P ist Filialleiter der verfahrensgegenständlichen Filiale. Es liegt im Wesen der Funktion eines Filialleiters, am Ort des Geschehens für die Einhaltung der Arbeitszeit durch entsprechende Anweisungen zu sorgen. Die Überwachung der Arbeitszeit ist eine geradezu typische Angelegenheit, die sinnvollerweise in den Verantwortungsbereich eines Filialleiters übertragen werden kann. Die grundsätzlich gegebene Anwesenheit in den Räumlichkeiten der Filiale ermöglicht ihm die Wahrnehmung von Verstößen dieser Art, seine Eigenschaft als Vorgesetzter der übrigen Arbeitnehmer in der Filiale wird ihm regelmäßig auch die Befugnisse der Verhinderung bzw Abstellung dieser Verstöße vermitteln.

Dementsprechend hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien in seinem Berufungsbescheid vom 25.4.1995, Zl UVS - 04/A/16/73/95, das gegen Herrn P wegen derselben Verwaltungsübertretung erlassene Straferkenntnis vom 17.1.1995, Zl MBA 23 - S 8908/94, mit der Maßgabe bestätigt, daß Herr P gemäß § 9 Abs 2 VStG verantwortlich ist.

Da somit den Berufungswerber für die verfahrensgegenständlichen Verwaltungsübertretungen keine Verantwortlichkeit trifft, war spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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