Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr Leitner über die Beschwerde des Herrn Guido F, pA (des Fahrzeughalters) G AG, wegen behaupteter rechtswidriger Entfernung (Abschleppung) des nach Nummern zuordbaren PKW mit dem Kennzeichen W-13 am 12.2.1996, um 22.35 Uhr, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10.6.1996 entschieden:
Gemäß § 67c Abs 3 AVG wird der auf § 67a Abs 1 Z 2 AVG gestützen Beschwerde stattgegeben und die Entfernung (Abschleppung gemäß § 89a StVO) des PKW W-13 durch Organe der Magistratsabteilung 48 am 12.2.1996, um 22.35 Uhr, von Wien, B-gasse für rechtswidrig erklärt.
Dem Beschwerdeführer werden zu eigenen Handen gemäß § 79a als
Kosten zugesprochen:
Schriftsatzaufwand S 8.400,--; Verhandlungsaufwand
S 10.400,--; Stempelgebühren S 120,--.
Der Rechtsträger, die Stadt Wien, wird angewiesen diesen Betrag binnen 14 Tagen an den Beschwerdeführer zu leisten.
Begründung:
1.) Der Beschwerdeführer brachte am 11.3.1996 - sohin fristgerecht - gegen die umseitig beschriebene Entfernung (Abschleppung) seines Fahrzeuges eine auf § 67a Abs 1 Z 2 AVG gestützte Maßnahmenbeschwerde ein, worin im wesentlichen vorgebracht wurde, daß einerseits keine Behinderung durch sein vorschriftswidrig abgestelltes Fahrzeug vorgelegen habe und darüberhinaus das Abstellen in einer bloßen Halteverbotszone keine Abschleppung gemäß § 89a StVO rechtfertige.
Es wird der Antrag gestellt, der Unabhängige Verwaltungssenat Wien möge die durch die Magistratsabteilung (48) vorgenommene Abschleppung für rechtswidrig erklären.
1.1.) Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien ersuchte die Magistratsabteilung 46 um Vorlage des bezughabenden Verwaltungsaktes und wurde der Verwaltungsakt zur Zl V1-101/96 am 15.4.1996 vorgelegt. Diesem Akt ist der genaue Abschleppzeitpunkt als auch die Verbringung des Fahrzeuges in die Verwahrungsstelle der Magistratsabteilung 48 zu entnehmen. Als Fahrzeugabholer scheint der Beschwerdeführer am 13.2.1996 auf. Gegen den Kostenbescheid gemäß § 89a Abs 7 und 7a StVO wurde Vorstellung erhoben.
Die belangte Behörde führte in ihrer Stellungnahme zur Zl MA 48/V1-101/96 im wesentlichen aus, daß seitens eines Beamten der BPD Wien mit der Dienstnummer 62 die Entfernung des Fahrzeuges aufgrund des Abstellens in einem absoluten Halteverbot veranlaßt worden war.
1.2.) Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien anberaumte für den 10.6.1996 eine öffentliche mündliche Verhandlung, zu der die beiden Verfahrensparteien als auch der einschreitende Sicherheitswachebeamte vorgeladen worden waren.
Der Beschwerdeführer gab eingangs zu Protokoll:
Der Bf legt 5 Fotos bei (Beilage 1), auf welchen der verfahrensgegenständliche Kreuzungsbereich festgehalten ist. Die B-gasse ist einbahnmäßig geführt und mündet in die M-gasse. Auf dem Foto ist das VZ gemäß § 52 Z 2 zu ersehen, rückseitig ist das verfahrensgegenständliche HV-Ende montiert. Der Bf bezeichnet die Abstellposition seines FZ in etwa mit der des grauen FZ mit dem KZ W-21, sohin innerhalb des HV und innerhalb des Bereiches von weniger als 5 m vom nächsten Schnittpunkt einander kreuzender Fahrbahnränder.
Der Bf berichtigt nunmehr, daß sein FZ nicht im sogenannten 5-Meter-Bereich abgestellt war, sondern stand sein FZ soweit vom Schnittpunkt der Kreuzung entfernt, daß vor seinem FZ noch ein FZ abgestellt werden hätte können. Ich stand daher gewissermaßen in der Mitte des HV-Bereiches. Der auf dem Bild zu sehende rote Lieferwagen stand gewissermaßen hinter meinem FZ.
Diese Fotos beziehen sich aber nicht auf den Tatzeitpunkt.
Der Abschleppgrund lag für die MA 48 aus folgenden Gründen vor:
Absolutes HV-Verbot, wobei der ML vor Ort den Behinderungsgrund mitteilt. Der Behinderungsgrund wird von uns nicht nachgeprüft. Der Beh-V legt ein Auftragsprotokoll vor, wonach um 21.44 Uhr die Erfassung dieses Abschleppauftrages registriert ist. Der Beh-V weist darauf hin, daß der Grund einer Verordnung eines absoluten HV darin gelegen ist, Verkehrsbeeinträchtigungen hintanzuhalten bzw zu vermeiden. Die konkrete Behinderung stellt aber der ML fest.
Der Zeuge, Insp Peter S, gab folgendes zu Protokoll:
"Der verfahrensgegenständliche Kreuzungsbereich ist ziemlich unfallgefährdet, weshalb auch in der M-gasse eine Stoptafel angebracht wurde. Wenn nun in der B-gasse der Kreuzungsbereich im Sinne des Tatortes verparkt ist, ist die Sicht für ein vor der Stoptafel Anhaltenden erschwert bzw unmöglich gemacht. Aus diesem Grund befindet sich dort das HV, und wurde durch das Abstellen des FZ durch den Bf die Sicht für den Wartepflichtigen (in der M-gasse) genommen.
Ich mache in diesem Rayon seit etwa 4 Jahren Dienst und überwache auch regelmäßig diese Kreuzung. Ich achte auch immer darauf, daß diese HV-Verbots-Zone freigehalten wird.
Das HV ist deutlich sichtbar angebracht und kann ich mir nicht vorstellen, daß es durch Witterungseinflüssen und dgl verdeckt gewesen sein könnte.
Wenn mir die Fotos des Bf vorgelegt werden, erkenn ich auf diesem den verfahrensgegenständlichen HV-Bereich. Es ist jener Bereich, wo ua dieser rote Lieferwagen zu sehen ist. Ich weiß heute nicht mehr die Abstellposition des FZ des Bf, würde aber sagen ungefähr in der Mitte des HV-Bereiches."
Der Bf stellt den Antrag auf Überprüfung des VO-Aktes zum gegenständlichen HV, ob tatsächlich das HV aus diesem Grund erlassen wurde, welcher vom ML genannt wurde.
Darüberhinaus bestreitet der Bf nach wie vor, daß ein Abschleppgrund vorgelegen hat.
Der Beh-V stellt keine weiteren Anträge.
Die Verfahrensparteien erklären sich damit einverstanden, daß zur Klärung dieser Rechtsfrage kein weiterer Verhandlungstermin anzuberaumen ist und zu allfällig neuen Aktenteilen im Wege der schriftlichen Zusendung Stellung genommen werde. Sie verzichten darüberhinaus auf die Teilnahme an der mündlichen Verkündung des Bescheides und stimmen der Zusendung der schriftlichen Ausfertigung zu. Dem Bf wird darüberhinaus zur Kenntnis gebracht, daß er kein Einsichtsrecht in den VO-Akt hat.
Beide Verfahrensparteien stellen den Antrag auf Zuerkennung der Verfahrenskosten.
1.3.) In einer nachträglichen Stellungnahme vom 12.6.1996 führt die belangte Behörde aus, daß eine Tatortbesichtigung mit dem Betriebsbeamten vorgenommen worden war. Es wird ausdrücklich festgehalten, daß "keine Beeinträchtigung des Fließverkehrs durch den vorschriftswidrig abgestellten PKW vorlag und der Betriebsbeamte keine Entfernung veranlaßte sondern nur Anzeige gelegt hätte". Die belangte Behörde weiter:
"Für einen aus der M-gasse kommenden Lenker mag wohl der Sichtbereich eingeschränkt sein. Daß durch ein gezwungermaßen um mehr Sicht zu haben weiter in den Kreuzungsbereich gefahrenes Fahrzeug eine Beeinträchtigung entstehen könnte, erschien dem Betriebsbeamten als Begründung für die Entfernung als zu weitgehend."
1.4.) Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien ersuchte die Magistratsabteilung 46 um Beischaffung des bezughabenden Verordnungsaktes.
Die Magistratsabteilung 46 teilte am 5.7.1996 zur Zl MA 46-A 4-3791/96 mit, daß die in Rede stehende Verordnung in Verstoß geraten wäre (der Mangel werde durch nunmehrige Nachverordnung behoben).
2.) Die Beschwerde ist begründet.
Beide Verfahrensparteien bestreiten nicht, daß das Fahrzeug im Bereich eines Halteverbotes gemäß § 52 Z 13b StVO abgestellt war und somit der Verwaltungsstrafbestand des § 24 Abs 1 lit a StVO iVm § 99 Abs 3 lit a StVO verwirklicht wurde.
Das gegenständliche Halteverbot stellt jedoch ein bloßes Halteverbot ohne zusätzliche Auflagen dar. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar im Erkenntnis vom 3.10.1990 zur Zl 89/02/0195 oder vom 22.3.1991 zur Zl 88/8/0329 unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß es für die Rechtsmäßigkeit der Entfernung gemäß § 89 Abs 2 StVO nicht erforderlich ist, daß eine Behinderung bereits eingetreten ist. Es genügt die begründete Besorgnis, daß eine Behinderung eintreten werde (vgl auch VwSlG 2030 A).
In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof in VwSlg 13275 A zum Ausdruck gebracht, daß etwa in den Fällen des § 89a Abs 2 lit g u lit h das "bloße Abstellen eines Fahrzeuges auf einer der darin genannten Verkehrsflächen zur Annahme einer solchen Verkehrsbeeinträchtigung im Sinne der begründeten Besorgnis der Hinderung des Verkehrs ausreicht" (Verweis auf VwGH vom 26.3.1987, Zl 86/02/0184 sowie vom 27.4.1988, Zl 87/03/0058). Nach Ansicht der erkennenden Behörde liegen jedoch die Gründe für die Anwendung dieser "Besorgnisjudikatur" im gegenständlichen Fall nicht vor.
Die Verwirklichung des bloßen Verwaltungsstraftatbestandes, somit das Abstellen in einem lediglich als Halteverbots-Bereich gekennzeichneten Bereich (ohne Erfüllung der gemäß Abs 2a leg cit geforderten Qualitfikationsmerkmale wie etwa einer Sicherheitszone, Buszone, Behindertenzone, etc) stellt für sich gesehen noch keine Verkehrsbeeinträchtigung und somit keine Grundlage für die Entfernung gemäß § 89a StVO dar. Der VwGH hat im Erkenntnis vom 31.10.1990 zur Zl 90/02/0096-2 in diesem Sinne zum Ausdruck gebracht: Das gilt auch für eine allfällig dadurch bewirkte Sichtbehinderung.
Im Lichte der dargelegten Judikatur, in Verbindung mit dem unbestrittenen Beschwerdeinhalt sowie der Tatsache, daß (in Ermangelung des Nachweises eines anders lautenden Verordnungsinhaltes) es sich ausschließlich um ein bloßes Halteverbot am Tatort handelte, war die durch die Magistratsabteilung 46 als belangte Behörde vorgenommene Entfernung - ohne vorangegangenes Verfahren - nicht gerechtfertigt.
Die verfahrensgegenständliche Abschleppung war demnach rechtswidrig.
3.) Der obsiegenden Partei war gemäß § 79a AVG im Sinne des im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung gestellten Antrages auf Kostenzuspruch im Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandsersätze für den Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand im Verfahren vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (BGBl Nr 855/1995) gemäß § 1 Z 1 und 2 leg cit der umseits ausgesprochene Verfahrenskostenersatz zuzusprechen.