TE UVS Wien 1996/08/12 07/L/08/63/96

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.08.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Pipal über die Berufung der Frau Anna M gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den

21. Bezirk vom 27.2.1996, Zl MBA 21-S 9806/93, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 65 Abs 2 Z 4 des Weingesetzes 1985, BGBl Nr 444/1985 idgF, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung am 7.5.1996 entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Gemäß § 65 VStG wird daher kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vorgeschrieben.

Text

Begründung:

I. Der Berufung liegt folgendes Verfahren in der ersten Instanz zugrunde:

1. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lautet:

"Sie haben es als Erzeuger von Trauben, aus denen Wein gewonnen wird mit der Betriebsstätte in Wien, M-straße zu verantworten, daß in dem genannten Betrieb am 13.5.1993 Grüner Veltliner - 3 Flaschen Veltliner a 2 l - durch Lagerung in der Schank in Verkehr gebracht wurde, der insoferne nicht den Bestimmungen des Weingesetzes entsprochen hat, als bei diesem der Gehalt an freier schwefeliger Säure über der zulässigen Höchstgrenze von 50 Milligram pro Liter gelegen ist, nämlich laut Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung:

Subzahl A: freie schwefelige Säure (berechnet als SO2) G/L: 0.058 gesamte schwefelige Säure (berechnet als SO2) G/L: 0.158

Subzahl B: freie schwefelige Säure (berechnet als SO2) G/L: 0,055 Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 65 Abs 2 Z 4 des Weingesetzes 1985, BGBl Nr 444/1985 in der derzeit geltenden Fassung

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Schilling 2.400,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen, gemäß § 65 Abs 2 leg cit Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

240,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10% der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 2.640,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.

Gemäß § 64 Abs 3 des Verwaltungsstrafgesetzes haben Sie außerdem die in diesem Strafverfahren entstandenen Barauslagen zu ersetzen:

7.532,50 Schilling als Ersatz der Barauslagen für Untersuchungskosten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung zur U-Zahl 10151/93."

2. Dieser Vorwurf ergab sich aus einer Anzeige der Magistratsabteilung 59 vom 13.10.1993 samt Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung Wien:

"... Subzahl A:

freie schweflige Säure

(berechnet als S02) G/L : ... 0.058

Gesamte schweflige Säure

(berechnet als S02) G/L : ... 0.158

Subzahl B:

freie schweflige Säure

(berechnet als S02) G/L : ... 0.055..."

Über Aufforderung rechtfertigte sich die Berufungswerberin bei

ihrer Vernehmung am 31.3.1994 folgendermaßen:

"Der Kellereiinspektor war Anfang Juli 1993 in unserem Betrieb. Von diesem haben wir dann erfahren, daß Wein aus unserem Betrieb beanstandet wurde, da dieser "überschwefelt" war. Von diesem Beamten wurde uns geraten, ein Gegengutachten erstatten zu lassen. Laut diesem Gutachten (der Grüne Veltliner stammt aus der gleichen Abfüllung) liegt der Gehalt an schwefeliger Säure unter der zulässigen Höchstgrenze. Bemerken möchte ich, daß ich niemals eine Verständigung durch das Marktamt erhalten habe, daß die gezogene Probe den Bestimmungen des Weingesetzes nicht entsprochen hat."

Dazu legte sie ein Untersuchungsergebnis der Höheren Bundeslehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau mit Institut für Bienenkunde vom 22.7.1993 vor, wonach eine von Herrn Wolfram M am 13.7.1993 eingereichte Probe "Grüner Veltliner 92" 14 mg/l freie Schweflige Säure (als S0 2), Acid und 126 mg/l gesamte Schweflige Säure (als SO 2), Acid aufgewiesen habe.

Dazu nahm die Bundeskellereiinspektion mit Schreiben vom 11.5.1994 Stellung:

"Aufgrund des Untersuchungszeugnisses der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung wurde am 7.7.1993 im oa Betrieb eine Nachschau durchgeführt.

Dabei wurde von Frau M angegeben, daß vom beanstandeten Wein kein Vorrat mehr vorhanden ist. Es wurden die vorrätigen Weine verkostet und da kein Verdacht bestand, daß die vorrätigen Weine ebenfalls überschwefelt sind, keine weiteren Proben entnommen. Frau M wurde jedoch aufgetragen, die Weine trotzdem in einer Untersuchungsanstalt auf den Gehalt an freiem S0 2 überprüfen zu lassen und dem BKI ein Gutachten zu übersenden. Das Gutachten der HBLVA Klosterneuburg liegt im Akt ebenfalls bei.

Hätte Frau M gegenüber dem BKI die gleiche Aussage wie anläßlich der Strafverhandlungsschrift am MBA 21 am 31.3.1994 (Wein stammt aus der selben Füllung) gemacht, so wäre der Wein ohne vorausgehender Probenziehung vorläufig beschlagnahmt und zum Zwecke der endgültigen Klärung eine weitere amtliche Weinprobe entnommen worden. Betreffend der Erstellung eines Gegengutachtens ist Frau M mit Sicherheit auf die, vom Organ des MA 59 ausgehändigte Gegenprobe, welche versiegelt ist, hingewiesen worden..."

Die Beschuldigte wies in ihrer Stellungnahme vom 25.5.1994 darauf hin, ihr sei erst am 7.7.1993 vom Bundeskellereiinspektor mitgeteilt worden, daß der Verdacht auf einen überhöhten Gehalt an freier Schwefliger Säure bestehe. Daher habe sie von den versiegelten Proben keinen Gebrauch machen können, zumal nach einem Zeitraum von fast acht Wochen keine brauchbare vergleichende Analyse des Weins mehr möglich sei.

Nach einer abermaligen Stellungnahme der Bundeskellereiinspektion vom 31.5.1994 wurden von der Erstbehörde keine weiteren Ermittlungen mehr durchgeführt. Nach der Gewährung des Parteiengehörs im Februar 1996 wurde am 21.2.1996 der angefochtene Bescheid erlassen.

3. In der rechtzeitigen Berufung wurde die Verwaltungsübertretung bestritten. Die Erstbehörde legte das Rechtsmittel am 6.3.1996 dem UVS zur Entscheidung vor.

II. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

1. Zuerst war die Schuldfrage zu überprüfen:

1.1. Der objektive Tatbestand war folgendermaßen zu beurteilen:

1.1.1. Die verletzte Verwaltungsvorschrift lautet:

Gemäß § 3 Z 1 der Weinverordnung, BGBl Nr 630/1992, darf Schweflige Säure dem Wein nur in einer Menge zugesetzt werden, daß er bei Abgabe an den Verbraucher nicht mehr als die nachfolgend angeführten Werte enthält:

Weiß- und Rosewein: freie Schweflige Säure 50 Milligramm S0 2 pro Liter.

Nach § 65 Abs 2 Z 4 Weingesetz 1985 in der Fassung BGBl Nr 10/1992 begeht, wer Wein, der entgegen § 19 aufgebessert wurde oder der bei Abgabe an den Verbraucher schwefelige Säure, L-Ascorbinsäure, Kupfer oder Calcium über das in einer Verordnung gemäß § 6 Abs 5 festgelegte Ausmaß enthält, in Verkehr bringt, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geld bis zu S 60.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu vier Wochen zu bestrafen. Gemäß Art 15 Abs 1 der Verordnung (EWG) Nr 822/87 des Rates vom 16.3.1987 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein idgF sind bei den in Anhang I Nummern 1 bis 7, 10 bis 13 und 15 definierten Erzeugnissen sowie bei den konzentrierten Traubenmosten, rektifizierten konzentrierten Traubenmosten und Schaumweinen gemäß den Definitionen in Anwendung von Artikel 1 Absatz 4 Unterabsatz 2 nur die in diesem Titel, in Anhang VI oder in anderen Gemeinschaftsvorschriften für Wein genannten oenologischen Verfahren und Behandlungen zugelassen.

Nach Abs 2 Unterabsatz 1 dieses Artikels können in Abweichung von Absatz 1 die Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang VI genannten oenologischen Verfahren und Behandlungen strengere Vorschriften anwenden, die die Beibehaltung der wesentlichen Merkmale für Qualitätsweine bA und für die gemäß Artikel 72 Abs 2 bezeichneten Tafelweine, die in ihrem Gebiet erzeugt werden, gewährleisten sollen.

Gemäß Art 72 Abs 2 dieser Verordnung können die Mitgliedstaaten die Verwendung einer geographischen Angabe zur Bezeichnung eines Tafelweins insbesondere von der Bedingung abhängig machen, daß der betreffende Wein vollständig aus bestimmten ausdrücklich bezeichneten Rebsorten gewonnen wird und ausschließlich aus dem genau abgegrenzten Gebiet, dessen Namen er trägt, stammt. Der Anhang VI dieser Verordnung enthält unter Punkt 3g) die Verwendung von Schwefeldioxyd oder Kaliummetabisulfit, auch Kaliumdisulfit oder Kaliumbisulfit oder Kaliumpyrosulfit genannt, unter den in der Gemeinschaftsregelung vorgesehenen Bedingungen. Aus diesen unionsrechtlichen Bestimmungen ergibt sich, daß die Republik Österreich für Qualitätsweine und für Landweine, die in ihrem Gebiet erzeugt werden, die strengere Vorschrift des § 3 Z 1 Weinverordnung anwenden darf, während für Tafelweine dieser Grenzwert nicht mehr anzuwenden ist.

1.1.2. Der Sachverhalt wurde auf folgende Weise festgestellt:

Da im erstinstanzlichen Verfahren noch keine diesbezüglichen Ermittlungen vorgenommen wurden, holte der UVS Wien ein Ergänzungsgutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung Wien zu der Frage ein, ob es sich bei der gegenständlichen Probe um Tafelwein, Landwein oder Qualitätswein handelte. Die Bundesanstalt übermittelte am 6.5.1996 ein Sachverständigengutachten, wonach es sich um Landwein handelte. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 7.5.1996 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, bei welcher sich der Vertreter der Berufungswerberin als allgemein beeideter gerichtlicher Sachverständiger für Weine, Moste udgl auswies und folgendes vorbrachte:

"Es wird bezweifelt, daß es sich um Landwein handelte. Der gegenständliche Wein wurde nicht als Landwein angeboten. Die Einreihung als Tafelwein, Landwein oder Qualitätswein ist mir nicht möglich. Im Zweifel ist der Wein als Tafelwein zu führen. Die Untersuchung der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung ist gesetzwidrig. Dies ergibt sich zB aus der sensorischen Beschreibung, wonach der Wein einen Geruch und einen Geschmack nach etwas SO 2 aufweisen soll. Im Untersuchungszeugnis scheint ein Verkostungsergebnis durch eine Weinkostkommission nicht auf, dies wäre aber nach § 47 Abs 4 des Weingesetzes zwingend erforderlich gewesen. Bezüglich der Analytik hinsichtlich schwefeliger Säure hätte im Sinne von § 4 der Methodenverordnung das angewandte Verfahren erwähnt werden müssen, dies war nicht der Fall. Gemäß dem amtlich verbindlichen Methodenbuch für Weinanalysen in Österreich, das auch der BALUF verbindlich vorgeschrieben ist, hätte eine Beanstandung gemäß Artikel A 13 nur nach Bestätigung durch beide Verfahren, das ist die Acidmetrische Methode und die Jodometrische Methode, erfolgen dürfen, wobei nach beiden Methoden eine Überschreitung des Grenzwertes, auch unter Berücksichtigung der jeweiligen Analysenstreuung, ausgewiesen werden müßte (Erlaß des BM für Gesundheit und Umweltschutz vom 15.7.1980, Zl III-50.963/4-5a/80). Bezüglich der analytischen Qualität der Befunderstellung durch die BALUF ist ferner darauf hinzuweisen, daß die relative Dichte in illusorischer Weise auf 5 Dezimalstellen ausgewiesen ist, obwohl in der Methodenverordnung nach 4 Dezimalstellen anzuführen ist.

Ich weise auf § 47 Abs 9 Weingesetz hin, wonach von einer Anzeige auch die Partei zu verständigen ist.

Der Vertreter gibt an, daß er Leiter des Institutes für Getränkeanalytik am Bundesamt und Forschungszentrum für Landwirtschaft in Wien ist, er ist allgemein beeideter gerichtlicher Sachverständiger für Weine, Moste und dergleichen. Zu dem Nachtragsgutachen vom 3.5.1996 wird ausgeführt, daß in derartigen Grenzfällen (geringfügig über 50 mg S0 2 pro Liter) ein schlüssiges Gutachten über die Gegenprobe nach einem Zeitraum von sechs Wochen nach der Probenziehung nicht mehr möglich ist, umso mehr nach knapp zwei Monaten.

Es wird beantragt, die Analysendokumentation und die Analysenstreuung beizuschaffen. Nach der Verordnung (EWG) Nr 2676/90 (25. Schwefeldioxyd, Punkt 2.2.3.4.2) gilt eine zu akzeptierende Analysenstreuung von 6 mg Pro Liter für das Labor. Weiters wird die Einvernahme des Analytikers der BALUF bei dem Gutachten vom 21.9.1993 beantragt."

Da dem Anzeigegutachten auf gleicher fachlicher Ebene und durchaus schlüssig entgegengetreten wurde, war die Einholung eines Gutachtens eines weiteren Sachverständigen erforderlich.

3. Gemäß § 31 Abs 3 VStG darf ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt werden, wenn seit dem im Absatz 2 bezeichneten Zeitpunkt drei Jahre vergangen sind. Eine Strafe darf nicht mehr vollstreckt werden, wenn seit ihrer rechtskräftigen Verhängung drei Jahre vergangen sind. Die Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof, vor dem Verwaltungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sowie Zeiten, während deren die Strafvollstreckung unzulässig, ausgesetzt, aufgeschoben oder unterbrochen war, sind nicht einzurechnen. Nach dem - in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmenden - Eintritt der im § 31 Abs 3 erster Satz VStG normierten Strafbarkeitsverjährung darf auch ein Straferkenntnis von der Berufungsbehörde nicht mehr bestätigt werden; die Berufungsbehörde hat in einem solchen Fall vielmehr das erstinstanzliche Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren einzustellen (vgl das Erk des VwGH vom 25.10.1994, Zl 94/07/0020). Im vorliegenden Fall war die Einholung eines Gutachtens eines weiteren Sachverständigen und die darauffolgende Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung in dem bis zum Eintritt der Strafbarkeitsverjährung verbleibenden Zeitraum von 6 Tagen nicht mehr möglich.

Daher war der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 VStG einzustellen.

4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 65 VStG.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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