Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Helmut Pollak über die Berufung des Herrn P. H. L., wohnhaft G., B.-gasse 108/2, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 13.05.1996, GZ.: 15.1 1995/9825, ohne Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung im Punkt 1.) keine Folge gegeben.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von S 200,-- binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.
In dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung wurde der Berufungswerber im Punkt 1.) wegen einer Übertretung des § 103 Abs 2 KFG mit einer Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe) bestraft, da dieser in seiner Eigenschaft als Zulassungsbesitzer eines nach dem Kennzeichen bestimmten Fahrzeuges binnen zwei
Wochen der Behörde keinen Lenker bekanntgegeben
hat, der an einem genau angegebenen Tatort und präzisierten Tatzeitpunkt das Fahrzeug gelenkt hat. Im Punkt 2.) dieses Straferkenntnisses wurde der Berufungswerber als Lenker des nach dem Kennzeichen bestimmten Kraftfahrzeuges an einem genau
angegebenen Tatzeitpunkt und präzisierten Tatort wegen einer Übertretung des § 20 Abs 2 StVO mit einer Geldstrafe im Ausmaß von S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe) bestraft.
Im Punkt 1.) erhob der Berufungswerber das Rechtsmittel der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark und erläuterte dieser, er habe die ihm zugestellte Lenkerauskunft niemals gesehen. Nach dem begründeten Ersuchen, die Unterschriften auf den entsprechenden Rückscheinformularen zu überprüfen, brachte der Berufungswerber vor, zwei Bewohner von D. seien mit ihm namensgleich. Daher könne es durchaus sein, daß eine Verwechslung vorliege. Zum einen hat der Berufungswerber die wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung ausgesprochene Geldstrafe im Ausmaß von S 1.500,-- zwischenzeitlich auf das Konto der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung einbezahlt. Letztendlich ersuchte der Berufungswerber nach Prüfung der Sachlage mangels
des Verschuldens das Strafverfahren einzustellen.
Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Die Anberaumung einer öffentlich, mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, da die Lösung des gegenständlichen Falles von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhängt und in der Berufung keine öffentlich, mündliche Verhandlung beantragt wurde.
Folgender Sachverhalt wird aufgrund des Akteninhaltes und der vom Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark gepflogenen Erhebungen festgestellt:
Über Anzeige des Landesgendarmeriekommando für Steiermark wurde dem Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten Kraftfahrzeuges an einem
genau angegebenen Tatort und Tatzeitpunkt eine Übertretung des § 20 Abs 2 StVO zur Last gelegt, da das Fahrzeug im Ortsgebiet anstelle von erlaubten 50 km/h mit 85 km/h abzüglich der Meßtoleranz gemessen wurde. Hierauf erließ die Behörde erster Instanz an den Zulassungsbesitzer Herrn P. L. die Aufforderung zur Bekanntgabe des Lenkers vom 02.08.1995, welche mit Formular 4 zu § 22 ZustG an den Berufungswerber zugestellt wurde. Anhand des Rückscheinformulares ist festzustellen, daß Frau H. L. in ihrer Eigenschaft als Postbevollmächtigte für RSb-Briefe am 04.08.1995 Lenkerauskunft behob. Mit Schreiben vom 04.12.1995 teilte Herr P. L. mit wie folgt:
"Bezugnehmend auf unser Schreiben vom 07.10.1995 bestätigen wir hiermit nochmals, daß das Fahrzeug am 14.07.1995 von mir gelenkt wurde."
In weiterer Folge erließ die Behörde mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 17.11.1995 wegen der Übertretung des § 103 Abs 2 KFG eine alle Tatbestandselemente umfassende, taugliche Verfolgungshandlung. In weiterer Folge wurde das Straferkenntnis erlassen und darin über den Berufungswerber die angeführte Strafe verhängt. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark übermittelte dem Berufungswerber eine Kopie des Formulars 4 zu § 22 ZustG und lud diesen ein, innerhalb einer angegebenen Frist eine Stellungnahme abzugeben. Diese langte mit Schreiben vom 04.08.1996 beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark ein. Darin erläutert der Berufungswerber, daß es sich bei der Postbevollmächtigten um seine Gattin H. L. handle und er zwischenzeitlich von ihr geschieden sei. Zwischenzeitlich habe er mit seiner Ex-Gattin keinen bzw. nur wenig Kontakt. Seine Gattin habe zwar seine Lenkerauskunft irrtümlich bei der Post bekommen, dem Berufungswerber dieses Schriftstück jedoch niemals ausgehändigt. Der Berufungswerber habe diesen Umstand der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung schon mitgeteilt und ersuchte er den Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark abschließend ausnahmsweise von jeglicher Strafe abzusehen.
Den vom Berufungswerber angezogenen Gründen in der Stellungnahme kommt keine Berechtigung zu. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark ermittelte beim Amtsleiter des Postamtes D., ob Frau H. L. zum Zeitpunkt der Zustellung der Lenkererhebung am 04.08.1995 über eine Postvollmacht, diese ausgestellt von ihrem Gatten, verfügte. Der Postamtsleiter Herr Sch. teilte mit, daß die Postvollmacht vom 05.09.1989 auch zum Zeitpunkt der Erhebung am 06.08.1996 weiterhin aufrecht sei. Weiters teilte der Postamtsleiter mit, er habe den Berufungswerber bereits im Dezember 1995 darauf aufmerksam gemacht, daß es tunlich sei, die Postvollmacht für seine Exgattin zu widerrufen. Der Berufungswerber kam diesem Ratschlag des Postamtsleiters jedoch nicht nach.
Rechtlich ist zu erläutern, daß eine aufrechte Vollmacht, im Außenverhältnis eine gültige Zustellung bewirkt und einen Zustellvorgang der Lenkererhebung nicht der geringste Fehler gefunden werden kann. Auch für den Fall, daß aufgrund von persönlichen Problemen eine Information nicht von der Zustellbevollmächtigten an den Berufungswerber ergangen ist, so wirkt diese mangelnde Information lediglich im Innenverhälntis. Im Außenverhältnis ist von einer aufrechten Postvollmacht auszugehen. Somit hätte der Berufungswerber bis zum Freitag, dem 18.08.1995 die entsprechende Auskunft zu erteilen gehabt.
Zum Ausmaß des Verschuldens:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Gemäß § 103 Abs 2 KFG 1967 kann die Behörde
Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Fall von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen (Verfassungsbestimmung).
Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.
Die Wichtigkeit des selbständigen Rechtsinstitutes der Lenkerauskunft kann daran gemessen werden, daß die Notwendigkeit, eine derartige Verpflichtung zu normieren, bereits früh erkannt und eine vergleichbare Regelung bereits im Jahre 1930 in die österreichische Rechtsorndung aufgenommen wurde; siehe auch § 80 Abs 3 KFV 1930. Ohne diese Sondervorschrift ist die eine Ausforschung des Lenkers nicht denkbar. Die Auskunftspflicht über die Verwendung des Kraftfahrzeuges dient dabei nicht nur der Feststellung eines etwaigen einer Verwaltungsübertretung schuldigen Lenkers, obwohl dies den häufigsten Fall darstellt. Die Bestimmung des § 103 Abs 2 KFG ermöglicht, daß
sowohl auf dem Gebiet der Verwaltungsübertretungen der Kraftfahrzeuglenker, wie auch im Zusammenhang mit der Ausforschung von Zeugen und Straftätern, geordnete und zielführende Amtshandlungen möglich sind. Ferner stellt diese Bestimmung eine vertragliche Verpflichtung, wie sie der Artikel 25 des Genfer Abkommens und der Artikel 10 des Pariser Übereinkommens enthalten. Ohne die Bestimmung des § 103 Abs 2 KFG ist eine geordnete und wirksame Kontrolle im Straßenverkehr nicht mehr möglich, weil alle Delikte eines Kraftfahrzeuglenkers, bei denen er nicht persönlich betreten wird, nicht mehr geahndet werden können. In Anbetracht der Tatsachen, daß einem Täter von Verkehrsdelikten ein rasches Fortbewegungsmittel zur Verfügung steht, kann hier mit dem klassischen Instrumentarium der Feststellung eines Täters im fließenden Verkehr (z.B. Fahrerflucht nach einem schweren Verkehrsunfall) nicht das Auslangen gefunden werden; selbst das Zeichen zum Anhalten eines Exekutivorganes (§ 97 Abs 5 StVO) kann straflos mißachtet werden, was unter anderem auch die Vollziehung der verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionen vereitelt.
Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.
Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß
anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Erschwerend waren elf einschlägige Vorstrafen zu werten, mildernd konnte nichts gewertet werden, sodaß auch im Hinblick auf die Tatsache, daß über das Vermögen des Berufungswerbers der Konkurs vermerkt wurde, die nunmehr ausgesprochene Strafe dem Ausmaß des Verschuldens angepaßt und gerechtfertigt ist und den Berufungswerber von weiteren Übertretungen der gleichen Art abzuhalten. Erläuternd ist zu bemerken, daß schon vor dem Datum der Scheidung im Mai 1995 von Frau H. L. der Berufungswerber in mehreren Fällen keine Lenkerauskunft erteilte, sodaß nicht nur familiäre Probleme für das Nichterteilen der Lenkerauskunft ausschlaggebend gewesen sein müßten