Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Klaus Stühlinger über die Berufung des Herrn Ing. J. H., V., S.-gasse 1, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg vom 9.5.1996, GZ.: 15.1 1995/4860, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird die Berufung mit der Maßgabe abgewiesen, daß die im Uneinbringlichkeitsfall verhängte Ersatzfreiheitsstrafe mit 1 Tag festgesetzt sowie die Verwaltungsstrafe auf Rechtsgrundlage des § 366 Abs 1 GewO 1994, Einleitungssatz, sowie des § 370 Abs 2 leg cit ausgesprochen wird.
Auf Grundlage des der gemäß § 51 Abs 1 VStG sachlich und örtlich zuständigen Berufungsbehörde vorliegenden Verfahrensaktes der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz in Verbindung mit durch die Berufungsbehörde ergänzend durchgeführten Erhebungen ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit dem im Spruch dieses Bescheides näher gekennzeichneten Straferkenntnis vom 9.5.1996 war über Ing. J. H. auf Rechtsgrundlage des § 366 Abs 1 Z 2 Gewerbeordnung 1994 eine Verwaltungsstrafe in Höhe
von S 5.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall 5 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt worden, da er zumindest bis zum 30.1.1996 als gewerberechtlicher Geschäftsführer der X Dienstleistungs- und Handels-GesmbH. mit Sitz in V., wie durch die Gemeinde S. am 29.9.1995 festgestellt worden sei, am Grundstück Nr. 827, KG G.-S., (Grundeigentümer ist Herr F. Z.) eine Kompostieranlage und somit eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung betrieben hätte, obwohl die Anlage geeignet sei, die Nachbarn durch Geruch zu belästigen.
Dieses Straferkenntnis wird im wesentlichen damit begründet, daß der Tatbestand durch die Anzeige der Gemeinde S. sowie die dienstliche Wahrnehmung eines wasserbautechnischen Amtssachverständigen der Baubezirksleitung Graz-Umgebung erwiesen sei.
Ing. J. H., der den Sachverhalt nicht bestritt, verantwortete sich dahingehend, daß er der Meinung sei, daß keine Betriebsanlagengenehmigung notwendig sei, da die Kompostierung für einen Landwirt durchgeführt werde. Hinsichtlich der Strafbemessung wurde von den Angaben des Beschuldigten
ausgegangen, wonach er über ein monatliches
Einkommen von S 16.000,-- verfügt, weder Vermögen
noch Schulden habe und für ein Kind sorgepflichtig sei. Gegen dieses Straferkenntnis hat Ing. J. H. fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung eingebracht und diese sinngemäß damit begründet, die Leitlinien zur dezentralen Kompostierung in der Steiermark würden bei landwirtschaftlicher Kompostierung die von ihm betriebene Anlage von den Bestimmungen des Gewerberechtes ausnehmen.
Die Berufungsbehörde ist bei ihrer Entscheidung von
folgenden Überlegungen ausgegangen:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde,
sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht im Verwaltungsstrafverfahren den Parteien das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung.
Gemäß § 51e Abs 2 VStG ist, wenn in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige, rechtliche Beurteilung behauptet wird, eine öffentliche, mündliche Verhandlung vor der Berufungsbehörde nur dann anzuberaumen,
wenn dies in der Berufung ausdrücklich verlangt wurde. Dies ist im konkreten Fall nicht geschehen.
Gemäß § 74 Abs 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die in den Ziffern 1 bis 5 angeführten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder sonstigen nachteiligen Einwirkungen hervorzurufen.
Gemäß § 366 Abs 1 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen ist, wer (Z 2) eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.
Gemäß § 2 Abs 1 Z 2 Gewerbeordnung 1994 ist diese auf die Tätigkeiten der Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft nicht anzuwenden. Der Begriff des Nebengewerbes der Land- und Forstwirtschaft im Sinne der Gewerbeordnung 1994 wird in § 2 Abs 4 Z 4 Gewerbeordnung 1994 hinsichtlich des Dienstleistungsbereiches näher umschrieben, wobei in lit. b die Verwertung von organischen Abfällen (Sammeln
und Kompostieren von fremden, kompostierbaren
Abfällen mit den in der Land- und Forstwirtschaft üblichen
Methoden) angeführt wird.
Die Einführung dieser Bestimmung verfolgte den Zweck, daß "die im sogenannten 'Kommunalerlaß' (Note des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. Jänner 1991, Zl. 30.553/1-III/1/91) genannten Tätigkeiten, die durch Land- und Forstwirte im Rahmen eines nicht vom Anwendungsbereich der Gewerbeordnung 1973 erfaßten land- und forstwirtschaftlichen Nebengewerbes ausgeübt werden dürfen, in das Gesetz eingebaut werden. Allgemein gilt auch für diese Tätigkeiten, daß sie im Hinblick auf die Kriterien des § 2 Abs 4 Z 3 GewO 1993 nur mit land- und forstwirtschaftlichen Betriebsmitteln, die im eigenen Betrieb verwendet werden, verrichtet werden dürfen."
(Vgl. Raschauer-Schulev-Steindl, Gewerbeordnung 1973 (1993) 16).
Dem Begriff des Nebengewerbes der Land- und Forstwirtschaft wohnen "die Merkmale einer mit der Land- und Forstwirtschaft organisatorisch eng verbundenen Erscheinungsform und der Unterordnung der
gewerblichen Tätigkeiten gegenüber der Land- und Forstwirtschaft inne" (vgl. Gerscha - Steuer, Kommentar zur Gewerbeordnung (1993), Anmerkung 20 zu § 2 Gewerbeordnung).
Daraus ist ersichtlich, daß die Normadressaten dieser Bestimmungen Land- und Forstwirte sind, die neben ihrer Land- und Forstwirtschaft eine mit dieser organisatorisch eng verbundene Tätigkeit ausüben, nicht jedoch Gewerbetreibende, die für Land- und Forstwirte gewerbliche Tätigkeiten wie die Betreibung einer Kompostieranlage ausüben.
Die X. Dienstleistungs- und Handels-GesmbH. betreibt neben dem nichtbewilligungspflichtigen, gebundenen Handelsgewerbe gemäß § 124 Z 11 Gewerbeordnung
1994 auch in Voitsberg das freie Gewerbe des Betriebes einer Kompostieranlage (Gewerbeschein der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg vom 3.3.1993, GZ: 4.0-385/95). Als deren gewerberechtlichen Geschäftsführer und somit gemäß § 370
Gewerbeordnung 1994 Verantwortlichem hätte Ing. J. H. bekannt sein müssen, daß die Ausnahmeregelung des § 2 Abs 1 Z 2 Gewerbeordnung 1994 für den Betrieb einer gewerblich betriebenen Kompostieranlage nicht anwendbar ist; für eine solche muß eine gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung im Sinne der Bestimmungen der §§ 74 ff Gewerbeordnung 1994 vorhanden sein.
Das gewerberechtliche Verwaltungsstrafverfahren ist vom Grundsatz getragen, daß jeder, der gewerbliche Tätigkeiten betreibt, sich zeitgerecht über die das Gewerbe regelnden Vorschriften informieren müsse (vgl. VwGH 28.4.1992, 91/04/0323).
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß der VfGH mit Erkenntnis vom 28.6.1995, G 89/94, § 2 Abs 5 und 6 Gewerbeordnung 1994 gemäß Art. 140 Abs 1 B-VG als verfassungswidrig aufgehoben hat. Für das Außerkrafttreten dieser Regelung wurde keine Frist bestimmt, sodaß gemäß Art. 140 Abs 5 B-VG die Aufhebung am Tage der Kundmachung in Kraft tritt. Die Kundmachung erfolgte durch das BGBl. 1995/691 am 17.10.1995. Gemäß Art. 140 Abs 7 B-VG ist das aufgehobene Gesetz auf die vor Aufhebung verwirklichten Tatbestände weiter anzuwenden.
Die auf dieser Bestimmung beruhende, vom Berufungswerber in seiner Verantwortung angesprochene Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der Arten von Anlagen zur Ausübung von Nebengewerben der Land- und Forstwirtschaft bezeichnet werden, die der Genehmigungspflicht nicht unterliegen, BGBl. 1994/543, ist demgemäß auf Sachverhalte, die bis zum 16.10.1995 verwirklicht worden sind, anzuwenden, nach diesem Zeitpunkt besteht die Verordnung mangels gesetzlicher Grundlage nicht mehr (vgl. VfSlg. 4420). Unabdingbare Voraussetzung für die Anwendung dieser Verordnung
wäre jedoch, daß ein Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft betrieben wird. Dies ist im konkreten Fall, wie bereits ausgeführt wurde, beim Gewerbebetrieb des Berufungswerbers nicht der Fall.
Hinsichtlich der Strafbemessung sind noch folgende
Feststellungen zu treffen:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.
Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Der Berufungswerber hat im Zuge des Berufungsverfahrens hinsichtlich seiner Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse jene Umstände als richtig bestätigt, von denen hinsichtlich der Strafbemessung im erstinstanzlichen Verfahren ausgegangen worden war.
Regelungsgegenstand des gewerberechtlichen Betriebsanlagen-Genehmigungsverfahrens ist unter anderem die Wahrung des Nachbarschafts-, Umwelt-, Arbeitnehmer- und Kundenschutzes insofern, als durch dieses Verfahren sichergestellt werden soll, daß Anlagen wie die verfahrensgegenständliche in einer solchen Weise betrieben werden, daß die vom Gewerberecht geschützten diesbezüglichen Interessen nicht nachteilig beeinträchtigt werden. Diesem öffentlichen Interesse an einer rechtsordnungskonformen Art und Weise des Betriebes der Anlage hat der Berufungswerber, wie das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren ergeben hat, nicht entsprochen und dadurch massiv in das öffentliche Interesse an einer ordnungsgemäßen Gewerbeausübung eingegriffen, weshalb sich die festgesetzte Geldstrafe als richtig bemessen erweist.
Was die Herabsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe betrifft, sei festgestellt, daß gemäß § 16 VStG, wenn eine Geldstrafe verhängt wird, zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen ist, die, wenn nichts anderes bestimmt ist, 2 Wochen nicht übersteigen darf.
Auch wenn im Verwaltungsstrafrecht die für den Fall der Uneinbringlichkeit einer Geldstrafe festzusetzende Ersatzarreststrafe nicht nach einem festen Umrechnungsschlüssel zu bemessen ist (vgl. VwGH 25.1.1988, 87/10/0055), erscheint die Beachtung einer gewissen Verhältnismäßigkeit in diesem Zusammenhang erforderlich, weshalb die von der Erstinstanz verhängte Ersatzfreiheitsstrafe entsprechend herabzusetzen war. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren dem Berufungswerber gemäß § 65 VStG nicht aufzuerlegen, da von einem "Bestätigen" des Straferkenntnisses im Sinne des § 64 Abs 1 VStG nicht gesprochen werden kann, wenn auch nur die Ersatzfreiheitsstrafe durch die Berufungsbehörde herabgesetzt wird (vgl. VwGH vom 21.11.1985, 85/02/0235).
Die Spruchpräzisierung erfolgte in Vollziehung der Bestimmungen des § 66 Abs 4 AVG.