Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr Frey über die Berufung der Frau Hannelore P gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67 - Parkraumüberwachung vom 3.7.1996, MA 67-RV-102742/5/2, wegen einer Übertretung des § 23 Abs 2 StVO, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG wird das angefochtene Straferkenntnis in der Schuldfrage bestätigt.
Die Geldstrafe wird jedoch von S 800,-- auf S 600,-- und die für den Fall der Uneinbringlichkeit verhängte Ersatzfreiheitsstrafe von neunzehn Stunden auf vierzehn Stunden herabgesetzt. Der erstinstanzliche Kostenbeitrag vermindert sich demnach gemäß § 64 Abs 1 und 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG auf S 60,--.
Der Berufungswerberin wird gemäß § 65 VStG kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vorgeschrieben.
Begründung:
Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses hat folgenden Wortlaut:
"Sie haben am 29.03.1995 um 15.25 Uhr in Wien, O-gasse als Lenkerin des Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen W 37 folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Abstellen des Fahrzeuges nicht am Rande der Fahrbahn, sondern in
2. Spur.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 23 Abs 2 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO).
Gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO wird gegen Sie eine Geldstrafe in der Höhe von S 800,00, im Falle der Uneinbringlichkeit 19 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) zu zahlen:
S 80,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher S 880,00."
In der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung wird folgendes vorgebracht:
"Die dem Fahrzeugverkehr durch vorgezogene Stützbogen und Randsteine nach der Baumscheibe sowie durch die anschließend am markierten Parkstreifen für Fahrräder angebrachten drei bogenförmigen Fahrradständer entzogenen Teile der Fahrbahn sind nicht als Fahrbahn im Sinne der StVO zu werten (siehe dazu Messiner, StVO, 9. Auflage, Randziffer Anmerkung 5 zu § 23 sowie VwGH 23.11.1978, ZVR 1980/110 uva). Diese vorgezogenen Randsteine bzw bogenförmigen Fahrradständer bilden daher den Fahrbahnrand, entlang dessen ich mein Fahrzeug zur vorgeworfenen Tatzeit parallel hiezu abgestellt habe. Ich verweise dazu auf die bereits vorgelegten Lichtbilder, aus denen sich die Parksituation meines Fahrzeuges zur Tatzeit ergibt. Wie sich aus diesen Lichtbildern ergibt, befinden sich die den Fahrbahnrand bildenden drei Fahrradständer in Abstellrichtung meines Fahrzeuges gesehen jedoch
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entgegen der Skizzenausführung der Anzeigenlegerin vom 28.9.1995
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nicht links sondern rechts von der Baumscheibe samt Stützbogen, sodaß ich mein Fahrzeug in voller Länge entlang diesem durch die Baumscheibenabgrenzung und die drei Fahrradständer gebildeten Fahrbahnrand abgestellt habe.
Außerdem vertrete ich die Rechtsauffassung, daß auch dann, wenn man den durch bauliche Vorrichtungen abgegrenzten Parkstreifen für Fahrräder als Teil der Fahrbahn betrachtet, ein Herausragen meines parallel zum Fahrbahnrand abgestellten Fahrzeuges über die Baumscheibenbegrenzung kein rechtswidriges Abstellen meines Fahrzeuges begründen würde, da es sich bei dieser den Fahrbahnrand bildenden Baumscheibenabgrenzung nicht um eine Bodenmarkierung im Sinne der StVO handelt, deren Überragen einen Parkverstoß begründen würde."
Unbestritten steht somit folgender Sachverhalt fest:
Die Berufungswerberin (im folgenden: BW) hat am 29.3.1995 um 15.25 Uhr in Wien, O-gasse, als Lenkerin des Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen W 37 dieses Fahrzeug auf der Fahrbahn neben einer Baumscheibe und einer - in deren Verlängerung befindlichen - rechteckigen Fläche abgestellt, die auf drei Seiten mit einer Bodenmarkierung in Form einer nicht unterbrochenen weißen Linie und auf einer Seite - zum Gehsteig hin - durch (niveaugleiche) Randsteine abgegrenzt ist und auf der drei im Boden fest verankerte "bogenförmige" Fahrradständer in rechtem Winkel zum Gehsteigrand angebracht sind.
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich auf Grund des festgestellten Sachverhaltes folgendes:
Gemäß § 23 Abs 2 StVO ist ein Fahrzeug außerhalb von Parkplätzen, sofern sich aus Bodenmarkierungen oder Straßenverkehrszeichen nichts anderes ergibt, zum Halten oder Parken am Rande der Fahrbahn und parallel zum Fahrbahnrand aufzustellen. Zunächst ist festzustellen, daß die von der BW zitierte Anmerkung von Messiner, StVO, 9. Auflage, nicht jenen Inhalt hat, den sie laut den Berufungsausführungen zu haben scheint. In Wahrheit hat sie folgenden Wortlaut: "Auch ein vorgezogener Randstein nach einem Parkstreifen, bei Baumscheiben usw bildet den Fahrbahnrand, entlang dessen unter Beachtung der §§ 23 und 24 gehalten und geparkt werden darf" (Messiner, StVO, 9. Auflage, 1995, § 23, Anmerkung 5). Von Fahrradständern ist dort keine Rede. Gemäß § 2 Abs 1 Z 2 StVO gilt als Fahrbahn im Sinne dieses Gesetzes der für den Fahrzeugverkehr bestimmte Teil der Straße. Entgegen der Rechtsansicht der BW ist die gegenständliche Fläche nicht dem Fahrzeugverkehr entzogen:
Eine rechteckige Fläche, die auf drei Seiten mit einer Bodenmarkierung in Form einer nicht unterbrochenen weißen Linie und auf einer Seite - zum Gehsteig hin - durch (niveaugleiche) Randsteine abgegrenzt ist und auf der drei im Boden fest verankerte "bogenförmige" Fahrradständer in rechtem Winkel zum Gehsteigrand angebracht sind, dient zwar nicht dem fließenden Verkehr, aber doch dem ruhenden Verkehr, wenngleich auch nur dem ruhenden Fahrradverkehr. Eine solche Fläche ist somit ein für den Fahrzeugverkehr bestimmter Teil der Straße, also Fahrbahn im Sinne des § 2 Abs 1 Z 2 StVO, sodaß das Abstellen eines Fahrzeuges links von dem (auf der rechten Fahrbahnseite befindlichen) für Fahrräder bestimmten Parkraum nicht mehr am Fahrbahnrand im Sinne des § 23 Abs 2 StVO erfolgt.
Der Rechtsauffassung der BW, wonach auch dann, wenn man "den durch bauliche Vorrichtungen abgegrenzten Parkstreifen für Fahrräder" als Teil der Fahrbahn betrachtet, ein Herausragen ihres parallel zum Fahrbahnrand abgestellten Fahrzeuges über die Baumschreibenbegrenzung kein rechtswidriges Abstellen des Fahrzeuges begründen würde, weil es sich ja (bei der Baumscheibenabgrenzung) nicht um eine Bodenmarkierung im Sinne der StVO handle, deren Überragen einen Parkverstoß begründen würde, ist folgendes entgegenzuhalten:
Es ist theoretisch - losgelöst vom vorliegenden Fall - durchaus denkbar, daß ein abgestelltes Fahrzeug eine daneben auf dem Gehsteig befindliche Baumscheibe in den Ausmaßen überragt und dennoch am Fahrbahnrand abgestellt ist, sodaß kein Verstoß vorläge. Den Verstoß bildet im gegenständlichen Fall aber nicht das Überragen der Baumscheibe an sich, sondern der Umstand, daß das Fahrzeug mit seinem die Baumscheibe überragenden Teil zwar parallel zum Fahrbahnrand, aber nicht am Rand der Fahrbahn abgestellt war.
Der über die Baumscheibe hinausragende Teil des Fahrzeuges war somit rechtswidrig abgestellt. Da ein (fahrfähiges) Fahrzeug aber unteilbar ist, hätte die BW vom Abstellen des Fahrzeuges an der gegenständlichen Örtlichkeit gänzlich Abstand nehmen müssen. Somit ergibt sich, daß die BW § 23 Abs 2 StVO verletzt und sich - mangels Vorliegens eines Rechtfertigungsgrundes - rechtswidrig verhalten hat.
Gemäß § 5 Abs 1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Da zum Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört, genügt somit iS der vorzitierten gesetzlichen Bestimmung für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.
Gemäß § 5 Abs 2 VStG entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.
Eine Unkenntnis oder eine irrige Auslegung von Bestimmungen der StVO 1960 kann bei (geprüften) Kraftfahrzeuglenkern nicht als unverschuldet angesehen werden (VwGH 11.1.1973, 143/72, 10.10.1980 Slg 10262 A, 9.9.1981, 81/03/0082f).
Der BW fällt daher Fahrlässigkeit zur Last.
Zur Strafbemessung:
Die Strafe war aus folgenden Gründen herabzusetzen:
Gemäß § 49 Abs 2 letzter Satz VStG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 620/1995 darf in dem aufgrund eines Einspruches ergehenden Straferkenntnis keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.
Im vorliegenden Fall betrug die Strafe in der Strafverfügung vom 15.7.1995 S 600,-- (vierzehn Stunden Ersatzfreiheitsstrafe), im Straferkenntnis vom 3.7.1996 hingegen S 800,-- (neunzehn Stunden Ersatzfreiheitsstrafe), weshalb die im angefochtenen Straferkenntnis verhängte Strafe gemäß § 49 Abs 2 letzter Satz VStG auf das in der Strafverfügung ausgesprochene Ausmaß herabzusetzen war.
Als erschwerend war kein Umstand anzusehen, zumal die von der erstinstanzlichen Behörde offensichtlich gemeinte, als erschwerend gewertete einschlägige Vormerkung (Blatt 3) sich auf Herrn Wolfgang P und nicht auf die BW bezieht. Vielmehr kommt der BW der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zur gegenständliche Tatzeit zugute, da es sich bei den im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt (Blatt 22 verso) erwähnten Vormerkungen - wie eine Erhebung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien ergab - um nur eine Verwaltungsstrafe handelt, die zur gegenständlichen Tatzeit noch nicht rechtskräftig war.
Eine weitergehende Herabsetzung der Strafe kam jedoch aus folgenden Gründen nicht in Betracht:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist die Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40-46 VStG) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches (StGB) sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die Tat gefährdete in nicht unerheblichem Maße das Interesse an der Vermeidung von Verkehrsbeeinträchtigungen, da die für den Fließverkehr verbleibende Restfahrbahnbreite erheblich geschmälert wurde.
Deshalb war der Unrechtsgehalt der Tat an sich, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, nicht gering.
Das Verschulden der Berufungswerberin kann nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen war, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.
Da die BW der erstinstanzlichen Annahme, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien durchschnittlich und es treffe sie keine gesetzliche Sorgepflicht, nicht entgegengetreten ist, bestand für die Berufungsinstanz kein Anlaß, von dieser Annahme abzugehen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch genannte Gesetzesstelle.
Da im bekämpften Bescheid eine S 3.000,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt und die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt wurde, konnte eine solche gemäß § 51e Abs 2 VStG, BGBl Nr 52/1991, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 620/1995, unterbleiben.