Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch Dr. Klaus Stühlinger als Kammervorsitzender, Dr. Peter Schurl als Berichter und Dr. Michael Herrmann als Beisitzer über die Berufung des Herrn Dir. H. Sp., vertreten durch Dr. G. R. und Dr. R. Z., Rechtsanwälte in Graz, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 22.5.1995, GZ.: A4-St 617/1- 1994/307, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde Dir. H. Sp. als gemäß § 15 Abs 5 des AWG gestellter Geschäftsführer der K. Schrott GmbH Nachfolge KG mit je S 15.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall je 3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, deshalb bestraft, da er es zu verantworten habe, daß 1.) am 2.5.1994 auf dem Frachtenbahnhof in G. und 2.) in der Zeit vom 10. bis 12.5.1994 auf dem Bahnhof V.-Süd versucht wurde, durch Bereitstellung zum Abtransport, vorsätzlich demnach durch eine zur wirklichen Ausübung führende Handlung, jeweils 2 Waggons, die neben Eisen- und Stahlschrott auch Abfälle im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes enthielten, entgegen dem § 35 AWG nach Italien auszuführen, wobei die beabsichtigte Ausfuhr nur durch das behördliche Einschreiten unterblieben ist. Er habe dadurch gegen die Bestimmungen der §§ 39 Abs 1 lit b Z 23 und 39 Abs 2 und 3 iVm § 35 und § 15 Abs 5 AWG verstoßen.
In seiner rechtzeitigen Berufung brachte Dir. Sp. vor, die vier beanstandeten Waggons seien mit unlegiertem Eisenschrott beladen gewesen. Dieser Abfall sei jedoch gemäß § 3 Abs 3 Z 5 AWG ausdrücklich vom Anwendungsbereich des Abfallwirtschaftsgesetzes ausgenommen. Daß - unbestrittenermaßen - die Ladung auch geringe Anteile an Nichtmetallen, wie Holz, Kunststoffe etc. enthalten habe, ändere nichts an der Eigenschaft des Gesamtstoffes als "unlegierter Eisenschrott", da derartige Verunreinigungen bei Autowracks und Haushaltsschrott unumgänglich seien und der umweltgerechten Verwertung durch
Einschmelzen keinen Abbruch tue.
Dieser Verantwortung, welche schon im Verfahren erster Instanz geltend gemacht wurde, steht der Rechtsstandpunkt des Bundesministeriums für Umwelt entgegen, der von der Behörde erster Instanz im wesentlichen zur Begründung des Straferkenntnisses übernommen wurde. Dieser Ansicht zufolge trifft § 3 Abs 3 Z 5 AWG nur dann zu, wenn es sich um sortenreinen oder jedenfalls mit so geringfügigen Verunreinigungen versehenen unlegierten Eisenschrott handelt, daß die umweltgerechte Verwertung dadurch nicht unverhältnismäßig erschwert wird. Dies treffe bei Autowracks nur dann zu, wenn sie von sämtlichen Nichtmetallen und Flüssigkeiten befreit (geschreddert) wurden. Ähnliches treffe auf Haushaltsschrott zu.
Jedenfalls dürfe im Sinne der Ausnahmeverordnung die Verunreinigung durch Nichtmetalle nicht über 5 Masseprozent liegen. Dies sei jedoch bei den beanstandeten Abfällen der Fall gewesen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt und entscheidet daher über die dagegen eingebrachte Berufung gemäß § 51 c VStG der Unabhängige Verwaltungssenat als Kammer.
Da bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aus nachstehenden Gründen zu beheben ist, konnte gemäß § 51 e Abs 1 VStG von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden.
Gemäß § 39 Abs 1 Z 23 begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe in Höhe von S 50.000,-- bis S 500.000,-- zu bestrafen, wer Abfälle oder Altöle entgegen den §§ 34 bis 36 a einführt, ausführt oder durchführt; werden Abfälle oder Altöle entsprechend den zollrechtlichen Vorschriften zum Zollamt verbracht und diesem ordnungsgemäß gestellt und erklärt, so tritt die Strafbarkeit erst ein, wenn die Abfälle oder Altöle trotz Fehlens der erforderlichen Bewilligung gemäß den §§ 34 und 35 in einer für die Ein-, Aus- oder Durchfuhr vorgesehenen Art des Zollverfahrens abgefertigt worden sind.
Gemäß § 39 Abs 2 ist bei diesem Tatbestand der Versuch strafbar.
Gemäß § 39 Abs 3 sind die Geldstrafen gegen den
gemäß § 15 Abs 5 bestellten Geschäftsführer zu
verhängen.
Dem klaren Wortlaut des § 39 Abs 1 Z 23 ist zu entnehmen, daß die Strafbarkeit in jenen Fällen, in denen ein Zollverfahren durchzuführen ist, erst dann eintritt, wenn dieses abgeschlossen ist. Dies ist bei beiden Tatbeständen nicht der Fall, da die beanstandeten Waggons am Frachtenbahnhof in G.
einem Zollverfahren überhaupt noch nicht zugeführt wurden, bei der Fracht der Waggons auf dem Bahnhof V.-Süd nach den vorgelegten Unterlagen noch nicht abgeschlossen war. Allein aus diesem Grunde wäre das Straferkenntnis zu beheben gewesen, da es mit den Bestimmungen des AWG nicht in Einklang steht.
Gemäß § 3 Abs 3 Z 5 gilt dieses Bundesgesetz nicht für unlegierten Eisenschrott, mit Ausnahme von Verpackungen. Eine Definition, was unlegierter Eisenschrott darstellt, enthält die zitierte Bestimmung in der geltenden Fassung nicht mehr, doch wurde zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung (1.7.1990) durch einen Klammerausdruck auf das Schrottlenkungsgesetz verwiesen. Da weder der Gesetznoch Verordnungsgeber mittlerweile eine neue Definition durchgeführt hat, ist das in der Zwischenzeit außer Kraft gesetzte Schrottlenkungsgesetz nach wie vor zur Begriffsbestimmung heranzuziehen. Diesem Gesetz und den dazu ergangenen Schrottlenkungsverordnungen ist zu entnehmen, daß Autowracks und Haushaltsschrott als unlegierter Eisenschrott gilt, wobei ein Prozentsatz einer Verunreinigung durch Nichtmetalle nicht gesondert geregelt war. Dies ist durchaus verständlich, da das Schrottlenkungsgesetz ein Wirtschafts- und kein Umweltgesetz gewesen ist und somit ein anderer Regelungsbedarf gegeben war.
Eine Grenze findet die Begriffsbestimmung erst dort, wo der Eisenschrott im Vergleich zu den Verunreinigungen einen geringeren Volumsprozentsatz ausmacht bzw. dort, wo der Schrott zum gefährlichen Abfall im Sinne des § 2 Abs 5 wird. Dazu zählen Autowracks dann, wenn sie Betriebsflüssigkeiten wie Öle, Brems- und Kühlflüssigkeiten, Batterien etc. enthalten. Daß dies der Fall war, kann dem durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht entnommen werden.
Wie aus den Erhebungsberichten der Organe des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie bzw. dem Magistrat Graz hervorgeht, wurde zwar aus der Tatsache, daß an Wrackteilen Ölspuren gesichtet worden sind, der Schluß gezogen, die Autowracks seien vor ihrer Verpressung nicht trockengelegt, dh. aller Flüssigkeiten befreit worden, doch ist ein Beweis dafür weder erhoben, schon gar nicht erbracht worden. Daß Autowracks selbst dann, wenn die Flüssigkeiten abgelassen wurden, Ölspuren aufweisen, ist eine Erfahrung des täglichen Lebens und läßt im übrigen die Verordnung des Bundesministers für Umwelt, Jugend
und Familie über die Ausnahme bestimmter Abfälle von der Bewilligungspflicht für die Einfuhr und die Ausfuhr sowie für die Bestätigungspflicht für die Durchfuhr (Ausnahmeverordnung) derartige Verunreinigungen bis 5 Massenprozent zu. Dies würde im gegenständlichen Fall bedeuten, daß mehrere 100 Liter Öl vorhanden hätten sein können, ohne gegen diese Verordnung zu verstoßen. Derartige Beobachtungen wurden jedoch von den erhebenden Organen nicht getroffen. Es wurde nämlich lediglich eine Besichtigung der Waggonladungen oberflächig durchgeführt und keine Entladung und genauere Kontrolle der Wracks veranlaßt.
Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß es sich bei den beanstandeten Waggonladungen um unlegierten Eisenschrott im Sinne des § 3 Abs 3 Z 5 gehandelt hat, sodaß die Bestimmungen des AWG keine Anwendung finden. Das Straferkenntnis war daher zu beheben.