TE UVS Steiermark 1996/09/30 30.16-72/96

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Veröffentlicht am 30.09.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl-Heinz Liebenwein über die Berufung des Herrn W. M., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg vom 08.04.1996, GZ.: 15.1 1995/1621, nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 30.09.1996, wie folgt entschieden:

I.) Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird die Berufung hinsichtlich der Punkte 1.), 2.) und 3.) mit der Maßgabe abgewiesen, a) als der Spruch zu Punkt 1.) bei ansonsten gleichbleibendem Wortlaut zu lauten hat:

"... von 80 km/h erheblich überschritten ..." und

b) der Spruch zu Punkt 2.) insoferne konkretisiert wird, als er

zu lauten hat:

"... den Lenker des PKW KZ KL-70 BY ohne Betätigung des

Blinkers nach links überholten, wodurch sich der Lenker dieses Fahrzeuges auf den Überholvorgang nicht einstellen konnte". Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von S 800,-- binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.

II.) Hingegen wird der Berufung zu Punkte 4.) bis 9.) Folge gegeben, der Bescheid in diesen Punkten behoben und das Strafverfahren zu Punkt 4.), 5.) und 7.) gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG und zu Punkte 6.), 8.) und 9.) gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 10.04.1995, um 07.20 Uhr, in Modriach und Edelschrott, auf der Südautobahn A 2, aus Richtung Klagenfurt kommend, in Richtung Graz, als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen G 76 JSC (Kombi)

1.) die durch Straßenverkehrszeichen im dortigen Bereich (kurz vor dem Herzogbergtunnel) erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um mindestens 40 km/h überschritten und

2.) den Lenker des PKW, Kennzeichen KL-70 BY, ohne Betätigung des Blinkers nach links überholt, wobei er

3.)

die dort befindliche Sperrfläche überfuhr.

4.)

Weiters habe er unmittelbar nach dem Herzogbergtunnel die im dortigen Bereich zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um mindestens 40 km/h überschritten, wobei er

 5.) beim Hintereinanderfahren zum nächsten vorderen Fahrzeug keinen solchen Abstand einhielt, der ein rechtzeitiges Anhalten ermöglicht hätte, da der Abstand nur ca. 5 m betrug und er

 6.) einen LKW ohne Betätigung des Blinkers nach links überholte.

 7.) Weiters habe er die dort befindliche Sperrfläche überfahren.

 8.) Nach dem Überholvorgang habe er sich ohne Betätigung des Blinkers nach rechts wieder auf den rechten Fahrstreifen eingereiht.

 9.) Unmittelbar danach habe er ohne Betätigung des Blinkers nach links einen weiteren LKW überholt.

Er habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

zu 1.) und 4.):    § 20 (1) iVm § 52a Z 10a StVO

zu 2.), 6.), 8.) und 9.):   § 15 Abs 3 StVO

zu 3.) und 7.):    § 9 Abs 1 StVO und

zu 5.):    § 18 Abs 1 StVO 1960.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden daher über den Berufungswerber jeweils auf der Rechtsgrundlage des § 99 Abs 3 lit a StVO Geldstrafen zu 1.) und 4.): in der Höhe von je S 2.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall je 2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe)

zu 2.), 3.), 5.) und 6.) bis 9.) : in der Höhe von je S

1.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall je 1 Tag Ersatzfreiheitsstrafe) und

zu 5.): in der Höhe von S 700,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 18 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe),

somit insgesamt Geldstrafen in der Höhe von S 10.700,-- (Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von 10 Tagen und 18 Stunden) verhängt. Gleichzeitig wurden gemäß § 64 VStG S 1.070,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung in der ua. unter Hinweis auf die Einspruchsangaben ausgeführt wurde, daß beim

Überholen keine Gefährdung eines anderen Fahrzeuglenkers eingetreten wäre. Der Berufungswerber könne sich nicht an den gegenständlichen Vorfall erinnern, doch schließe er aus, nach einer unfallsfreien Fahrzeit von 14 Jahren, Überholvorgänge ohne Blinker jemals getätigt zu haben. Hinsichtlich der weiteren Übertretungen könne ihn der Anzeiger gar nicht mehr gesehen haben; im übrigen halte er bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h mehr als 5 m Abstand zum Vordermann und wäre es schlußendlich auch uneinsichtig, sich zweimal rechts einzuordnen, da er normalerweise bei einem solchen Überholmanöver weiterhin den linken Fahrstreifen benütze.

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 30.09.1996, bei der neben dem Berufungswerber auch der Zeuge Ch. K. gehört wurden, erwogen:

Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung.

Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde,

sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den

angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung

abzuändern.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesonders der im Zuge der öffentlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisse wird nachstehender

Sachverhalt als erwiesen angenommen und der Berufungsentscheidung zugrundegelegt:

Der Berufungswerber befuhr zur angegebenen Tatzeit mit dem näher beschriebenen Kraftfahrzeug die A 2 aus Richtung Klagenfurt kommend in Richtung Graz. In einem vor dem Herzogbergtunnel bestehenden Bereich, für den eine 80 km/h Geschwindigkeitsbeschränkung verordnet ist, was außer Streit gestellt wurde, überholte er den mit rund 80 km/h fahrenden Zeugen, wobei er die verordnete Höchstgeschwindigkeit wesentlich überschritt, ohne den Überholvorgang anzuzeigen, wodurch sich der Zeuge nicht auf den Überholvorgang einstellen konnte und auch in seiner Sicherheit gefährdet wurde. Vor der Einfahrt in den Herzogbergtunnel wurde nach bzw. im Zuge des erwähnten Überholmanövers auch eine auf der Fahrbahn befindliche Sperrfläche überfahren.

Im Herzogbergtunnel mußte der Berufungswerber zwangsläufig wegen eines vor ihm fahrenden LKW seine Geschwindigkeit kurzfristig verringern, wobei er ohne Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstandes (der Abstand betrug nur ca. 5 m) zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug fuhr. Unmittelbar nach Verlassen des Herzogbergtunnels überfuhr der Berufungswerber eine zwischen den Richtungsfahrbahnen Graz und Klagenfurt angebrachte doppelte Sperrlinie und befuhr sodann rund 250 m nach der Tunnelausfahrt einen mit 100 km/h geschwindigkeitsbeschränkten Straßenbereich neuerlich mit einer wesentlich erhöhten Geschwindigkeit, wobei er zunächst den vor ihm fahrenden LKW ohne Verwendung des Blinkers

überholte, sich in der Folge ohne Betätigung des Blinkers wieder auf den rechten Fahrstreifen einordnete und unmittelbar danach einen weiteren LKW mit überhöhter Geschwindigkeit ohne Betätigung des Blinkgebers nach links überholte.

Diese Feststellungen stützen sich vor allem auf die Angaben der Zeugen K., dem zugebilligt werden muß,

daß er als Gendarmeriebeamter - wenngleich zur Tatzeit auch außer Dienst - ohne weiteres in der Lage ist, Verkehrsvorgänge auf Straßen mit öffentlichem Verkehr besonders genau zu beobachten. Des weiteren wurden hinsichtlich der Tatörtlichkeiten die seitens der belangten Behörde in Vorlage gebrachten Straßenpläne in entsprechender Weise berücksichtigt. Der Zeuge hinterließ einen durchaus glaubwürdigen Eindruck und konnte seine Aussage schlüssig und in sich widerspruchsfrei der Entscheidung zugrundegelegt werden.

Die Rechtfertigungsangaben des Berufungswerbers erscheinen im Lichte der bei der öffentlichen, mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisse im wesentlichen als reine Schutzbehauptungen, wobei sich der Berufungswerber einerseits an die angezeigten Umstände größtenteils ohnedies nicht erinnern konnte und die Unwahrscheinlichkeit der ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen mehr oder weniger ausschließlich auf die von ihm üblicherweise gewählte Fahrweise zurückgeführt hat, welche derartige Übertretungen quasi ausschließen würden.

Im einzelnen ist zu den dem Berufungswerber

angelasteten Verwaltungsübertretungen auszuführen:

Zu Punkt 1.), 2.) und 4.):

Im verfahrensgegenständlichen Bereich sind hintereinander zwei durch entsprechende Verordnungen geschwindigkeitsgeregelte Bereiche. Während vor dem Herzogebergtunnel eine 80 km/h Verordnung besteht, folgt ca. 250 m nach dem Tunnel eine 100 km/h Geschwindigkeitsverordnung. Der Straßenzug wurde vom Berufungswerber in einem Zug befahren, weshalb die erkennende Behörde unter Berücksichtigung des § 22 VStG davon ausging, daß nicht verschiedene selbständige Taten begangen wurden, sondern im Hinblick auf den zeitlichen Zusammenhang, die gleiche Begehungsform und die Ähnlichkeit der äußeren Tatbestände Deliktseinheit anzunehmen ist (vgl. VwGH 3.7.1979, 754/79, ÖJZ 1980, 360).

Wenngleich der Berufungswerber auch kurzfristig seine Geschwindigkeit verlangsamen mußte, so erfolgte dies ausschließlich unbeabsichtigt (langsam fahrender LKW), weshalb auch diese Unterbrechung nichts daran zu ändern vermag, daß von ihm im Verlauf einer längeren Strecke quasi ohne Unterbrechung der Entschluß, mit wesentlich überhöhter Geschwindigkeit weiterzufahren, ständig aufrecht erhalten wurde (vgl. VwGH 28.1.1983, 82/02/0214). Da er somit jedoch im Sinne dieser Ausführungen nur ein Delikt nach § 52 Z 10a StVO zu verantworten hat, war das Strafverfahren zu Punkt 4.) einzustellen.

Für die Übertretung der erwähnten gesetzlichen Bestimmung ist die ziffernmäßige Feststellung kein Tatbestandsmerkmal. Es war daher unter Berücksichtigung der konkreten Tatumstände davon auszugehen, daß der Zeuge vor dem Herzogbergtunnel, wie er sich durch einen Blick auf den Tacho seines Fahrzeuges überzeugte, mit rund 80 km/h fuhr, dabei vom Berufungswerber in der dargestellten Weise überholt wurde und deshalb mit Sicherheit von diesem eine wesentlich überhöhte Geschwindigkeit eingehalten wurde. Da im übrigen objektiv verwertbare Hinweise fehlen, daß der Berufungswerber die erlaubte Höchstgeschwindigkeit tatsächlich um mindestens 40 km/h überschritten hat, wurde der diesbezügliche Schuldspruch im Sinne der obigen Ausführungen daher dementsprechend

abgeändert, womit sich nichts daran ändert, daß vom Berufungswerber das ihm angelastete Tatbild verwirklicht wurde.

Gemäß § 9 Abs 1 StVO 1960 dürfen Sperrlinien (§ 55 Abs 2) nicht überfahren, Sperrflächen (§ 55 Abs 4) nicht befahren werden.

Da der Berufungswerber im Zuge seines

Überholmanövers vor dem Herzogbergtunnel laut der schlüssigen und in sich widerspruchsfreien Aussage des Zeugen K., eine in diesem Bereich befindliche Sperrfläche zumindest teilweise überfuhr, wurde der diesbezügliche Tatbestand ebenfalls verwirklicht.

Hinsichtlich der zu Punkt 2.) erfolgten Verurteilung mußte eine Spruchkorrektur bzw. -ergänzung deshalb erfolgen, da es zum Tatbild des § 15 Abs 3 StVO gehört, daß der Lenker des überholenden Fahrzeuges den

bevorstehenden Überholvorgang nach § 11 über den Wechsels des Fahrstreifens rechtzeitig anzuzeigen hat. Dies bedeutet, daß die zu § 11 Abs 2 StVO ergangene Judikatur sinngemäß auch auf Übertretungen des § 15 Abs 3 StVO anzuwenden ist. Demnach ist im Sinne des § 44a Z 1 VStG wesentliches Sprucherfordernis und Tatbestandsmerkmal, daß sich andere Straßenbenützer nicht auf den Fahrbahnwechsel einstellen haben können (vgl. VwGH 22.3.1995, 94/03/0319).

Eine Spruchkorrektur außerhalb der Frist des § 31 Abs 2 VStG war möglich, da in der verfahrensgegenständlichen Anzeige vom 11.04.1995, welche im Zuge der Vernehmung des Beschuldigten am 06.09.1995 im Rechtshilfewege über die Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg als taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs 2 VStG diesem vorgehalten wurde, ausdrücklich davon gesprochen wird, daß der Zeuge durch das Überholmanöver des Berufungswerbers sein Fahrzeug sogar verreißen mußte, wodurch zweifelsfrei auch hervorgeht, daß er sich auf den ohne Anzeige durchgeführten Fahrstreifenwechsel nicht rechtzeitig einstellen konnte.

Zu Punkt 5.) war das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, da sich im Zuge der Zeugeneinvernahme anläßlich der öffentlichen, mündlichen Verhandlung herausstellte, daß die Übertretung offenbar im Herzogbergtunnel stattfand und nicht, wie dem Berufungswerber angelastet worden war, nach dem Herzogbergtunnel, wobei sich vor allem aus der Textierung der Anzeige für die belangte Behörde bereits Zweifel hinsichtlich des Tatortes hätten ergeben müssen. Zu Punkt 7.) ist auszuführen, daß sich im diesbezüglichen Tatortbereich, wie auch der Berufungswerber dazu zutreffend ausgeführt hat, keine Sperrflächen sondern Sperrlinien befinden. Während zwar in der diesem Verfahren zugrundeliegenden Anzeige ausdrücklich vom Überfahren der auf der Fahrbahn gut sichtbar angebrachten doppelten Sperrlinie die Rede ist, wurde dem Berufungswerber fortwährend, einschließlich des Spruches des angefochtenen Bescheides aus nicht erfindlichen Gründen jeweils vorgehalten bzw. angelastet, "... die dort befindlichen Sperrflächen ..."

überfahren zu haben.

Wenngleich die diesbezüglichen Angaben in der Anzeige dem Berufungswerber im Rahmen dessen erwähnter Einvernahme vor der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg am 06.09.1995 vorgehalten wurden, konnte seitens der erkennenden Behörde keine diesbezügliche Sanierung im Spruche des Berufungsbescheides mehr erfolgen, da

eine solche einer Auswechslung der als erwiesen angenommenen Tat gleichgekommen wäre, wozu die Berufungsbehörde jedoch nach § 66 Abs 4 AVG nicht berechtigt ist (vgl. VwGH 27.9.1962, Slg. 5871 A, 15.3.1979, 3055/78 ua.).

Zu Punkt 8.) ist auszuführen, daß ein allfälliger Fahrstreifenwechsel nach einem Überholvorgang gemäß § 11 Abs 2 StVO, hingegen der beabsichtigte Fahrstreifenwechsel anläßlich eines bevorstehenden Überholvorganges im § 15 Abs 3 StVO geregelt ist (siehe VwGH 14.3.1975, 276/24, ZVR 1975/239), wobei

jedoch grundsätzlich eine falsche rechtliche Subsumption im Sinne des § 44a Z 2 VStG durch die Berufungsbehörde ohne Verletzung der Rechtsposition des Berufungswerbers saniert werden kann (vgl. etwa VwGH 22.5.1985, 85/03/0081).

Einer unter diesem Gesichtspunkt möglichen Abänderung steht jedoch der Umstand entgegen, daß es dem diesbezüglichen Spruch eines wesentlichen Tatbestandsmerkmales einer Übertretung nach § 11 Abs 2 StVO ermangelt, nämlich, wie zuvor bereits kurz erwähnt, daß sich andere Straßenbenützer nicht auf den beabsichtigten Vorgang einstellen konnten (vgl. VwGH 17.4.1996, 95/03/0030).

Der belangten Behörde ist diesbezüglich zugute zu halten, daß sich aus der Anzeige auch keinerlei diesbezügliche Feststellungen entnehmen lassen und auch der Zeuge K. im Rahmen der mündlichen

Verhandlung vom 30.9.1996 ausdrücklich ausgesagt hat, daß nur er mit Sicherheit durch den zu Punkt 2.) durchgeführten Fahrstreifenwechsel gefährdet worden wäre, respektive sich darauf nicht rechtzeitig habe einstellen können. Inwieweit diese Umstände auch bei dem zu Punkt 8.) angezeigten Tatbestand zutreffen, konnte der Zeuge nicht angeben. Es war daher das Verwaltungsstrafverfahren zu diesem Punkt allein schon in Ermangelung einer tauglichen Verfolgungshandlung im Sinne des § 31 Abs 2 VStG, welche alle Tatbestandselemente im Sinne des § 44a Z 1 VStG zu enthalten gehabt hätte, einzustellen.

Bezüglich der Verwaltungsübertretungen zu Punkt 6.) und

 9.) wird um Wiederholungen zu vermeiden, auf die bereits getroffenen Feststellungen hingewiesen, wonach sinngemäß die zu § 11 Abs 2 StVO herrschende Judikatur zu berücksichtigen ist. Weder aus der Anzeige noch der Zeugenaussage anläßlich der Verhandlung vom 30.9.1996 ergaben sich konkrete Anhaltspunkte dafür, inwieweit die Überholmanöver des Berufungswerbers, respektive die damit verbundenen Wechsel der Fahrstreifen in einer solchen Weise erfolgt sind, daß sich andere Straßenbenützer nicht auf den beabsichtigten Vorgang haben einstellen können. Es fehlt somit an einem wesentlichen Tatbestandsmerkmal dieser Übertretungen, welches den Berufungswerber innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist (§ 31 Abs 2 VStG) vorzuhalten gewesen wäre, um überhaupt von einer tauglichen Verfolgungshandlung sprechen zu können. Da somit eine den Kriterien des § 44a Z 1 VStG entsprechende Verfolgungshandlung auch hinsichtlich dieser beiden Punkte nicht vorlag, war das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Zur Strafbemessung ist auszuführen:

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Die übertretene Norm des § 20 Abs 1 StVO zielt wie nahezu alle Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung darauf ab, die mit dem Straßenverkehr naturgemäß verbundenen Gefahren und Gefährdungsmomente auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Daher ist die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen.

Durch die vom Berufungswerber gefahrene

Geschwindigkeit wurde in erheblichem Ausmaß gegen

den Schutzzweck der übertretenen Norm verstoßen,

wobei nicht unberücksichtigt bleiben soll, daß dieser offensichtlich bewußt auf einem längeren Straßenstück die zulässige Höchstgeschwindigkeit erheblich überschritt, wodurch es, bedingt durch die beiden verordneten Höchstgeschwindigkeiten, unter Hinweis auf die Regelung des § 22 VStG nur zu einer, allerdings von einem Gesamtvorsatz getragenen Übertretung der erwähnten Rechtsvorschriften kam, welche auch nur durch eine Strafe zu ahnden war.

Auch den Schutzzweck des § 15 Abs 3 StVO, nämlich einen bevorstehenden Fahrstreifenwechsel anzuzeigen, um den übrigen Fahrzeuglenkern die Möglichkeit zu bieten, sich darauf rechtzeitig einzustellen, hat der Berufungswerber offenkundig gröblich verletzt. So mußte der Zeuge bedingt durch diesen unerwarteten Überholvorgang sein Fahrzeug sogar verreißen.

Schließlich wurde auch gegen den mit der Aufbringung von Sperrflächen verfolgten Schutzzweck, nämlich durch diese verkehrsregelnde und - und leitende Maßnahmen auch zur Verkehrssicherung entscheiden beizutragen, offenkundig verstoßen.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß

anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Mildernde Umstände lagen nicht vor, als erschwerend war eine einschlägige rechtskräftige Strafvormerkung zu werten.

Auch die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Berufungswerbers (mtl.

Nettoeinkommen von S 19.000,-- bis S 20.000,--, kein Vermögen, keine Schulden, Sorgepflichten für zwei minderjährige Kinder) sind nicht geeignet, die Strafhöhe herabzusetzen, zumal sie sich ohnehin schon im unteren Bereich des Strafrahmens befindet und die Strafe grundsätzlich einen spürbaren Nachteil darstellen soll, um der neuerlichen Begehung derartiger Übertretungen wirksam vorzubeugen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Geschwindigkeitsüberschreitung fortgesetztes Delikt Fahrstreifenwechsel überholen Tatbestandsmerkmal
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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