TE UVS Wien 1996/10/04 04/A/40/41/96

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Veröffentlicht am 04.10.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Grünstäudl über die Berufung des Herrn Peter P vom 18.1.1996 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 3.1.1996, Zahl MBA 12 - S 4024/95, wegen Übertretung des Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetzes (KJBG) entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Begründung:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt:

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Peter P Gesellschaft mbH mit Sitz in Wien, R-allee zu verantworten, daß diese Gesellschaft in Wien, T-straße die Bestimmungen des Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetzes nicht eingehalten hat, als bei einer am 10.3.1995 durch ein Organ des Arbeitsinspektorates für den 2. Aufsichtsbezirk durchgeführten Betriebsprüfung festgestellt wurde, daß für die Jugendlichen Vesna St geb am 8.3.1978 und Nilüfer S, geb am 8.6.1977, in der Zeit vom 2.1.1995 bis 10.3.1995 keine Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden geführt wurden.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 30 in Verbindung mit § 26 Abs 1 Pkt 5 des Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetzes, BGBl Nr 599/1987 in der geltenden Fassung

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

2 Geldstrafen zu je Schilling 7.500,--, zusammen Schilling 15.000,--, falls diese uneinbringlich sind, 2 Ersatzfreiheitsstrafen von je 7 Tagen, zusammen 14 Tagen. gemäß § 30 KJBG

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

1.500,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10 % der Strafe."

Diesem Straferkenntnis, dessen zugrundeliegende Verfolgungshandlungen sich mit dem Wortlaut der Tatumschreibung decken, lag folgende Strafanzeige des Arbeitsinspektorates vom 27.3.1995 zugrunde:

"...1) § 26 Abs1 Punkt 5:

Für folgende Jugendliche wurden keine Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden geführt, es konnte daher auch am 10. März 1995 keine Aufzeichnungen für die Zeit vom 2.Jänner 1995 - 10. März 1995 vorgelegt werden.

St Vesna Friseurlehrling geb 8.März 1978

S Nilüer Friseurlehrling geb 8.Juni 1977

Laut Aussage von Herrn K wird kein Verzeichnis geführt. Es gibt nur eine Anwesenheitsliste. ....."

In der gegen das Straferkenntnis rechtzeitig erhobenen Berufung wendet der Beschuldigte im wesentlichen ein, daß von seinen Mitarbeitern sehr genaue Anwesenheitslisten geführt würden.

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien erwogen:

Die übertretene Vorschrift des § 26 KJBG lautet:

"(1) In jedem Betrieb, in dem Jugendliche beschäftigt werden, ist ein Verzeichnis der Jugendlichen zu führen. Das Verzeichnis hat zu enthalten:

1.

Familiennamen und Vornamen sowie Wohnort der Jugendlichen,

2.

Tag und Jahr der Geburt,

3.

Tag des Eintrittes in den Betrieb,

4.

Art der Beschäftigung

5.

Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung (§ 26 Abs 1 des Arbeitszeitgesetzes, BGBl Nr 461/1969),

6.

die Zeit, während der den Jugendlichen Urlaub gewährt wurde,

7.

Namen und Wohnort der gesetzlichen Vertreter der Jugendlichen

(2) Das Verzeichnis ist jeweils richtigzustellen. Bei Neuanlage des Verzeichnisses sind die vorher geführten Verzeichnisse bis zum Ablauf von zwei Jahren nach der letzten Eintragung aufzubewahren.

(3) Den Organen der Arbeitnehmerschaft des Betriebes ist auf Verlangen Einsicht in das Verzeichnis zu gewähren."

Der Wortlaut dieser Bestimmung zeigt, daß der Arbeitgeber ein Verzeichnis zu führen hat, das bestimmten inhaltlichenv Mindestanforderungen (so auch Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden der Jugendlichen) zu entsprechen hat. Die unterlassene Führung von Aufzeichnungen über die Arbeitsstunden bildet somit (nur) insoweit eine Verwaltungsübertretung, als dadurch das gesamte Verzeichnis nach § 26 Abs 1 KJBG nicht (gesetzeskonform) geführt wird, zumal die Arbeitsaufzeichnungen kein eigenständiges Verzeichnis sondern nur einen Bestandteil desselben darstellen (vgl zur Einheit des Verzeichnisses VwGH vom 8.7.1993, Zl93/18/0022)

Ginge man hingegen - wie die Behörde erster Instanz offenbar vermeint - davon aus, daß das Fehlen von Arbeitstundenaufzeichnungen (§ 26 Abs 1 Z 5) für sich alleine einen strafbaren Tatbestand darstellt, dann wäre auch beispielsweise die fehlende Angabe des Namens und des Wohnortes des gesetzlichen Vertreters eines Jugendlichen (Z 7 leg cit) ein eigener übertretungsfähiger Tatbestand usw, wodurch in weiterer Konsequenz ein Arbeitgeber, der gar kein Verzeichnis führt, nicht wegen dieser einen Verwaltungsübertretung sondern wegen insgesamt sieben Übertretungen (je eine für jede der einzelnen Ziffern des § 26 Abs 1 KJBG) zu bestrafen wäre. Dies würde jedoch dem Sinn als auch dem Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmung widersprechen, sodaß davon auszugehen ist, daß die nicht ordnungsgemäße (weil nicht alle inhaltlichen Voraussetzungen erfüllende) Führung des Verzeichnisses der gänzlich unterlassenen Führung des Verzeichnisses gleichzustellen ist und jeweils dieselbe Übertretung (nämlich des § 26 Abs 1 KJBG) darstellt. Diese Lösung findet auch Deckung in jener Judikatur des VwGH, wonach nur eine Verwaltungsübertretung vorliegt, wenn Arbeitsaufzeichnungen hinsichtlich mehrerer Jugendlicher nicht geführt werden (vgl Erk vom 9.3.1995, Zl 93/18/0114). Daher muß auch ein von diesem Erkenntnis gezogener Größenschluß zu dem Ergebnis führen, daß auch das Fehlen einzelner Bestandteile des Verzeichnisses nach § 26 Abs 1 leg cit nur die Verwirklichung eines einheitlichen Deliktes bedingt (nämlich die unterlassene Führung des Verzeichnisses nach § 26 Abs 1 KJBG).

Nun hat zwar die Behörde erster Instanz lediglich die unterlassene Führung der Arbeitsaufzeichnungen (und nicht auch die damit gleichzeitig unterlassene (ordnungsgemäße) Führung des Verzeichnisses) angelastet und bestraft, doch wäre diese Tatanlastung für eine Bestrafung ausreichend bestimmt gewesen (vgl VwGH vom 4.2.1993, Zl 91/19/0093), sodaß der Berufungsbehörde eine diesbezügliche klarstellende Ergänzung möglich wäre.

Dennoch war das Straferkenntnis zu beheben:

Wie das Arbeitsinspektorat bereits in seiner Strafanzeige vom 27.3.1995 ausführte, wurde der Beschuldigte bereits mit Straferkenntnis vom 24.3.1994, Zahl MBA 10 - S 12052/93 ua wegen Verletzung des § 26 Abs 1 des Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetzes bestraft, da er am 8.11.1993 kein Verzeichnis der Jugendlichen geführt hat. (Dieses Straferkenntnis wurde im übrigen in seinem Schuldspruch durch die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien, Zahl UVS-04/20/00313/94 bestätigt).

Schon durch dieses Straferkenntnis und dem vom Arbeitsinspektorat zitierten Schreiben vom 26.4.1993, mit dem der Berufungswerber vom Arbeitsinspektorat aufgefordert wurde, dafür zu sorgen, daß derartige Übertretungen von gesetzlichen Bestimmungen nicht erfolgen, ergibt sich, daß der Berufungswerber genaue Kenntnis von seiner rechtlichen Verpflichtung hatte, somit im gegenständlichen Fall die unterlassene Führung des Verzeichnisses nach § 26 Abs 1 KJBG offensichtlich bewußt in Kauf nahm und damit zumindest bedingt vorsätzlich handelte.

Als entscheidungsrelevante Tatsache kommt nun hinzu, daß der Berufungswerber durch ein weiteres Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 3.11.1995, Zahl MBA 4/5 - S 7593/95 neuerlich wegen Übertretung des § 26 Abs 1 KJBG bestraft wurde, da er am 6.7.1995 kein Verzeichnis (für die Jugendliche Valentine K) geführt hatte. Dieses Straferkenntnis wurde ihm am 21.11.1995 zugestellt und mit Berufungsbescheid der Unabhängigen Verwaltungssenates Wien, Zahl 04/A/41/00540/95, in seinem Schuldspruch bestätigt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber allerdings neuerlich dafür bestraft, daß er Arbeitszeitaufzeichnungen in der Zeit von 2.1.1995 bis 10.3.1995 hinsichtlich zweier Jugendlicher nicht geführt hat, was entsprechend den obigen Ausführungen nichts anderes als die gänzlich unterlassene (ordnungsgemäße) Führung des Verzeichnisses darstellt (wobei letzteres im übrigen ausdrücklich laut Strafanzeige erfolgte).

Damit hat der Berufungswerber aber im verfahrensgegenständlichen Tatzeitraum das gleiche Delikt verwirklicht, wie es ihm bereits in den genannten zuvor ergangenen Straferkenntnissen angelastet wurde, sodaß die Frage zu prüfen war, ob es sich hiebei um ein sogenanntes fortgesetztes Delikt handelt:

Zwar gilt gemäß § 22 VStG im Verwaltungsstrafverfahren das sogenannte Kumulationsprinzip. Das bedeutet, daß für jedes Delikt eine eigene Strafe, bei einer Mehrheit von Delikten somit nebeneinander mehrere Strafen zu verhängen sind.

Eine Ausnahme von diesem Prinzip besteht (unter anderem) bei einem fortgesetzten Delikt (VwSlg 6932 A/1966).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl VwGH verst Sen vom 19.5.1980, Slg 10138/A sowie Erkenntnisse vom 22.2.1985, 85/28/0028, vom 16.4.1968, 84/11/0270 und vom 10.7.1987, 86/27/0017) ist unter einem fortgesetzten Delikt eine Reihe von gesetzwidrigen Einzelhandlungen zu verstehen, die vermöge der Gleichartigkeit der Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines (noch erkennbaren) zeitlichen Zusammenhanges sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzeptes des Täters zu einer Einheit zusammentreten. Ein fortgesetzes Delikt wird nicht etwa in jedem Augenblick neu begangen, vielmehr handelt es sich dabei um ein Delikt, weshalb tatbestandsmäßige Einzelhandlungen bis zur Erlassung eines Straferkenntnisses nur als eine Verwaltungsübertretung anzusehen und dementsprechend auch nur mit einer Strafe zu bedenken sind, solange der Täter nicht nach außen hin erkennbar seine deliktische Tätigkeit aufgegeben hat (VwGH 3.11.1981, 1211, 1725, 3523/80).

Zweifellos handelt es sich in den zitierten Fällen um eine Reihe von gesetzwidrigen Einzelhandlungen, die entsprechend obigen Ausführungen auch das für ein fortgesetztes Delikt geltende Erfordernis der Übertretung desselben Tatbestandes (zB VwGH vom 26.2.1990, Zl 90/19/0042 mit weiteren Nachweisen) erfüllt (es wurde jeweils unterlassen, dieses eine Verzeichnis zu führen!), auch wenn dadurch als Auswirkung die Arbeitszeiten unterschiedlicher Jugendlicher nicht festgehalten wurden (vgl das bereits obzitierte Erk des VwGH 93/18/0114).

Am Vorliegen eines einheitlichen Willensentschlußes, der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Abgrenzung verschiedener selbständiger Taten von den Fällen, wo nur eine einzige Tat vorliegt, herangezogen wird, kann im Hinblick auf die obigen Ausführungen betreffend den bedingten Vorsatz des Berufungswerbers nicht gezweifelt werden. Dies bestätigt sich durch die Ausführungen in der Berufung, wonach "der Friseurberuf derzeit mit großen finanziellen Problemen zu tun hat und wir schon 1995 Konkursanträge der Sozialversicherung hatten. Es ist fraglich, ob wir das heurige Jahr überstehen. Jede weitere Belastung erschwert nur den Weiterbestand unserer Firma". Auch damit zeigt der Berufungswerber seinen einheitlichen Willensentschluß, solche Belastungen wie die gegenständliche Führung des Verzeichnisses nicht tragen zu wollen.

Ein noch erkennbarer zeitlicher Zusammenhang liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes dann vor, wenn die einzelnen Handlungen nicht durch einen großen Zeitraum unterbrochen sind. Der Zusammenhang muß sich demnach äußerlich durch zeitliche Verbundheit objektivieren lassen (vgl dazu VwGH vom 27.1.1981, Slg 10352/A und vom 5.7.1982, Zahl 3593/80). Der verfahrensgegenständliche Tatzeitraum liegt vor jenem des obgenannten, bereits rechtskräftigen Straferkenntnisses vom 3.11.1995.

Der gegenständlichen Einzelhandlung im Zeitraum Jänner bis März 1995 folgte die im obgenannten Straferkenntnis vom 3.11.1995 angelastete Tathandlung vom Juli 1995. Da sich feste Regeln für die zur Annahme eines Fortsetzungszusammenhanges noch hinreichende Zeitspanne zwischen den einzelnen Handlungen nicht aufstellen lassen, ist in jedem Fall das Wesen der Umstände entscheidend, die den Vorwurf begründen (VwGH vom 20.9.1984, Zahl 84/16/0052 bis 0056). Diese Umstände lassen sich im gegenständlichen Fall in der Tatsache, daß der Berufungswerber offensichtlich für eine größere Anzahl seiner beschäftigten Jugendlichen keine Aufzeichnungen führte und dies bereits über einen langen Zeitraum hinweg, erkennen.

Zusammenfassend ergibt sich somit, daß die bereits mit Straferkenntnis vom 3.11.1995 bestrafte Einzelhandlung mit der verfahrensgegenständlichen Einzelhandlung ein fortgesetztes Delikt darstellt. Dadurch wurden aber bereits mit Erlassung des Straferkenntnisses vom 3.11.1995 (Zahl MBA 4/5-S 7593/95) durch Zustellung am 21.11.1995 alle bis zu diesem Zeitpunkt gesetzten Einzelhandlungen abgegolten. Eine neuerliche Bestrafung durch das gegenständliche Straferkenntnis wegen Tathandlungen, die in den vor der ersten Bestrafung umfaßten Tatzeitraum fallen, verstößt gegen das Verbot der Doppelbestrafung (VwGH vom 30.6.1987, Zahl 87/04/0018 ua).

Angesichts der Erlassung des Straferkenntnisses Zl MBA 4/5 - S 7593/95 am 21.11.1995 können daher nur mehr die nach dieser Bestrafung gesetzten gleichartigen Tathandlungen im Falle einer weiteren Fortsetzung derselben bestraft werden. Da die gegenständlichen Tathandlungen allerdings vor diesem Zeitpunkt liegen, war spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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