Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied,Dr. Gerhard Wittmann über die Berufung des Herrn Dir. G. J., vertreten durch Dr. G. L., p.A. ST. Bau Aktiengesellschaft, W., gegen Punkt 1.) des Straferkenntnisses des Bürgermeisters der Stadt Graz, Gewerbeamt, vom 15.1.1996, GZ.: A 4 - St 972/1-1994/302, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung gegen Punkt 1.) des Straferkenntnisses Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesem Punkt behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 15.1.1996 wurde dem Berufungswerber im Punkt 1.) vorgeworfen, er sei als Vorstandsmitglied der ST. Bau-AG mit Sitz in W., dafür verantwortlich, daß, wie anläßlich einer am 21.9.1994 durch das Arbeitsinspektionsorgan durchgeführten Kontrolle der Baustelle V., Hochwasser Entlastungsgerinne-Querung der C.- v. H.-straße, vor dem Haus Nr. 29 festgestellt worden sei, diese Baustelle, die seit 13.9.1994 bestanden habe, zumindest nicht bis 21.9.1994 dem zuständigen Arbeitsinspektorat gemeldet worden sei, obwohl Baustellen, die vorraussichtlich länger als 6 Tage dauern, spätestens am Tag des Arbeitsbeginnes dem zuständigen Arbeitsinspektorat zu melden sind.
Wegen einer Übertretung des § 5 Abs 1 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl. 1954/267, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von S 3.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 1 Tag Ersatzarrest)verhängt.
In der fristgerecht eingebrachten Berufung wies der Berufungswerber zunächst daraufhin, daß er dem Vorstand der ST. Bau-AG nie angehört habe. Er sei Prokurist und schließe diese Funktion die gleichzeitige Zugehörigkeit zum Vorstand natürlich aus. Da die belangte Behörde seine Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten als rechtsunwirksam qualifiziert habe, hätte gegen ihn persönlich gemäß § 9 VStG überhaupt kein Straferkenntnis erlassen werden dürfen. In weiterer Folge führte der Berufungswerber noch aus, daß es die belangte Behörde auch unterlassen habe die Verschuldensfrage von Amts wegen zu klären.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark ist bei seiner Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen:
Gemäß § 9 Abs 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Gemäß § 9 Abs 2 VStG sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich- oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zum verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.
Gemäß § 9 Abs 4 VStG kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Eine Aktiengesellschaft wird nach außen durch ihre Vorstandsmitglieder vertreten. Laut einem im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt befindlichen Firmenbuchauszug der ST. Bau-AG mit Sitz in W., bestand der Vorstand im September 1994 aus Dipl. Ing. D. Sch., Ing. E. F. und Dr. M. D. Damit ist der Tatvorwurf - wie in der Berufung auch richtig ausgeführt wird - der Berufungswerber sei als Vorstandsmitglied der ST. Bau-AG für die Verwaltungsübertretung verantwortlich, nicht richtig. Am 5.7.1993 richtete die ST. Bau-AG ein Schreiben an das Arbeitsinspektorat für den 11. Aufsichtsbezirk in Graz, worin die Bestellung des Berufungswerbers zum verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung des Arbeitsinspektionsgesetzes bzw. aller Arbeitnehmerschutz-vorschriften für den Bereich der Zweigniederlassungen in G. und L. mitgeteilt wurde. Diesem Schreiben liegt eine entsprechende Bestellungserklärung vom 19.4.1993 bei, die vom Berufungswerber am 30.6.1993 mit seiner Unterschrift zur Kenntnis genommen wurde. Dieses Schreiben hat folgenden Inhalt:
"Betr.: Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften
Sehr geehrter Herr Direktor J.!
Sie werden für den Bereich der von Ihnen geleiteten Zweigniederlassungen G. und L. gemäß § 9 Abs 2 VStG 1991 zum "Verantwortlichen für die Einhaltung der geltenden Verwaltungsvorschriften" bestellt. Es obliegt Ihnen dafür zu sorgen, daß alle Verwaltungsvorschriften, welche im Rahmen der Tätigkeit der genannten Zweigniederlassungen zu beachten sind, eingehalten werden. Zu diesen Vorschriften zählen insbesondere auch die zum Schutze der Dienstnehmer erlassenen Regelungen (Arbeitnehmerschutzgesetz, Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetz, Arbeitsinspektionsgesetz etc.), die Vorschriften über die Beschäftigung von Ausländern, sowie baurechtliche Regelungen. Für die Einhaltung der unter das Arbeitnehmerschutzgesetz fallenden Regelungen steht es Ihnen frei, Bevollmächtigte (§ 31 leg. cit.) zu bestellten, welche für die Einhaltung der betreffenden Vorschriften und ihre Kontrolle im Bereich einer oder mehrerer Baustellen zu sorgen haben. Die Verantwortung für eine entsprechende Auswahl und Beaufsichtigung dieser Bevollmächtigten verbleibt in Ihren Händen. Wir ersuchen Sie zum Zeichen Ihrer Zustimmung zur gegenständlichen Beauftragung die beiliegende Zweitschrift dieses Schreibens zu fertigen und zu Handen der Personalabteilung zu retournieren."
Vom Vorstand der ST. AG wurde auch Dipl. Ing. H. H. zum verantwortlichen Beauftragten bestellt. Der räumliche Zuständigkeitsbereich von Dipl. Ing. H. ist wie folgt umschrieben:
"Österreich, die Zuständigkeit ist sachlich eingeschränkt auf die Tätigkeit (Spezialtiefbaustellen), welche von der, von Herrn H. geleiteten, Spezialabteilung G. geführt werden."
Die entsprechende Bestellungsurkunde vom 16.3.1993 hat folgenden Inhalt:
"Betr.: Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften
Sehr geehrter Herr Dipl.-Ing. H.!
Sie werden für den Bereich der von Ihnen geleiteten Spezialabteilung G. gemäß § 9 Abs 2 VStG 1991 zum "Verantwortlichen für die Einhaltung der geltenden Verwaltungsvorschriften" bestellt. Es obliegt Ihnen dafür zu sorgen, daß alle Verwaltungsvorschriften, welche im Rahmen der Tätigkeit der Spezialabteilung G. zu beachten sind, eingehalten werden. Zu diesen Vorschriften zählen insbesondere auch die zum Schutze der Dienstnehmer erlassenen Regelungen (Arbeitnehmerschutzgesetz, Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetz etc.), die Vorschriften über die Beschäftigung von Ausländern, sowie baurechtliche Regelungen.
Für die Einhaltung der unter das Arbeitnehmerschutzgesetz fallenden Regelungen steht es Ihnen frei, Bevollmächtigte (§ 31 leg. cit.) zu bestellten, welche für die Einhaltung der betreffenden Vorschriften und ihre Kontrolle im Bereich einer oder mehrerer Baustellen zu sorgen haben. Die Verantwortung für eine entsprechende Auswahl und Beaufsichtigung dieser Bevollmächtigten verbleibt in Ihren Händen. Wir ersuchen Sie zum Zeichen Ihrer Zustimmung zur gegenständlichen Beauftragung die beiliegende
Zweitschrift dieses Schreibens zu fertigen und zu Handen der Personalabteilung zu retournieren."
Ebenfalls zum verantwortlichen Beauftragten wurde vom Vorstand der ST. Bau-AG Dipl. Ing. H. Ja. bestellt. Dessen räumlicher Zuständigkeitsbereich ist wie folgt umschrieben:
"Österreich; die Zuständigkeit ist sachlich eingeschränkt auf die Tätigkeit (Tiefbaubaustellen), welche von der, von Herrn Ja. geleisteten Abteilung Tiefbau und Ausland geführt werden."
Die Bestellungserklärung vom 16.3.1993 hat folgenden Inhalt:
"Betr.: Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften
Sehr geehrter Herr Dipl.-Ing. Ja.!
Sie werden für den Bereich der von Ihnen geleiteten Abteilung Tiefbau und Ausland gemäß § 9 Abs 2 VStG 1991 zum "Verantwortlichen für die Einhaltung der geltenden Verwaltungsvorschriften" bestellt. Es obliegt Ihnen dafür zu sorgen, daß alle Verwaltungsvorschriften, welche im Rahmen der Tätigkeit der Abteilung Tiefbau und Ausland zu beachten sind, eingehalten werden. Zu diesen Vorschriften zählen insbesondere auch die zum Schutze der Dienstnehmer erlassenen Regelungen (Arbeitnehmerschutzgesetz, Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetz etc.), die Vorschriften über die Beschäftigung von Ausländern, sowie baurechtliche Regelungen.
Für die Einhaltung der unter das Arbeitnehmerschutzgesetz fallenden Regelungen steht es Ihnen frei, Bevollmächtigte (§ 31 leg. cit.) zu bestellten, welche für die Einhaltung der betreffenden Vorschriften und ihre Kontrolle im Bereich einer oder mehrerer Baustellen zu sorgen haben. Die Verantwortung für eine entsprechende Auswahl und Beaufsichtigung dieser Bevollmächtigten verbleibt in Ihren Händen. Wir ersuchen Sie zum Zeichen Ihrer Zustimmung zur gegenständlichen Beauftragung die beiliegende Zweitschrift dieses Schreibens zu fertigen und zu Handen der Personalabteilung zu retournieren."
Daneben befinden sich im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt noch Bestellungserklärungen zum verantwortlichen Beauftragten für Frau Ch. K. und Herrn Ing. D. G., die aber auf Grund des in den jeweiligen Bestellungserklärungen genau abgegrenzten Verantwortungsbereiches für das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren keine Bedeutung haben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner ständigen Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß die Bestellung und Namhaftmachung von verantwortlichen Beauftragten für räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche eines Unternehmens dann nicht rechtswirksam ist, wenn dieser Bereich nicht klar abgegrenzt ist, sodaß die Verwaltungsstrafbehörde die Bestellung auf Grund der Ergebnisse von hiezu erforderlichen Ermittlungen einer Interpretation zu unterziehen hat. Die Bestellungen (Namhaftmachungen) dürfen keine Zweifel über den Umfang der Übertragung der Verantwortlichkeit offen lassen (vgl. VwGH 21.2.1993, 92/11/0258; 28.6.1994, 94/11/0051; 9.8.1994, 94/11/0207, 0208).
Eine solche eindeutige und zu keinen Zweifeln Anlaß gebende Umschreibung des Verantwortungsbereiches liegt darüberhinaus nur dann vor, wenn für die in räumlicher, sachlicher und allenfalls auch zeitlicher Hinsicht abgegrenzte, verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit immer nur eine von vornherein feststehende Person in Betracht kommt. Wird im Bereich der Tätigkeit einer juristischen Person oder Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit von der gesetzlichen Grundregel der Strafbarkeit (aller) ihrer zur Vertretung nach außen berufenen Organe abgegangen und von der Möglichkeit der Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit auf andere Personen mit entsprechender Anordnungsbefugnis Gebrauch gemacht, dann kann für ein- und denselben Verantwortungsbereich nur ein verantwortlicher Beauftragter bestellt werden. Bei einer Delegierung soll somit die Verantwortlichkeit möglichst klar definiert werden. Dies ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn aufgrund überlappender Verantwortungsbereiche wiederum mehrere Personen nebeneinander und wiederum auch kumulativ für einen bestimmten Verstoß gegen eine Verwaltungsvorschrift bestraft werden können.
In seinem Erkenntnis vom 7.4.1995, Zahl: 94/02/0470 - auf dieses Erkenntnis stützt sich auch die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides - war der Verwaltungsgerichtshof mit dem Sachverhalt konfrontiert, daß sowohl eine Filialleiterin als auch der ihr übergeordnete Bezirksverkaufsleiter im Bereich eines Warenhandelsunternehmens zu verantwortlichen Beauftragten bestellt waren. Der Verwaltungsgerichtshof entschied in diesem Fall, daß die Bestellungen der Filialleiterin bzw. des Bezirksverkaufsleiters zu verantwortlichen Beauftragten nicht rechtswirksam gewesen sei, und zwar mit der Begründung, daß die unterscheidungslose Übertragung der Verantwortlichkeit für die Einhaltung sämtlicher Dienstnehmerschutzbestimmungen auf verschiedene Arbeitnehmer, die noch dazu einander im Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen, von denen also der eine gegenüber dem anderen die Funktion eines Vorgesetzten mit Anordnungsbefugnis ausübt, für den selben Verantwortungsbereich nicht zulässig sei.
Bei der Baustelle in V., an der am 21.9.1994 vom Arbeitsinspektor Verwaltungsübertretungen festgestellt wurden, handelt es sich um eine Baustelle im Bereich des Tiefbaues. Nach den vorliegenden Bestellungserklärungen zum verantwortlichen Beauftragten gibt es drei Personen, die als Verantwortliche für die gegenständliche Nichtmeldung der Baustelle in V. in Frage kommen. Zunächst einmal den Berufungswerber, der für sämtliche Arbeitnehmerschutzvorschriften für die von ihm geleiteten Zweigniederlassungen G. und L. (darunter fällt auch V.) zum Verantwortlichen bestellt wurde, weiters Dipl. Ing. H., der für Spezialtiefbaustellen in Österreich, welche von der von ihm geleiteten Spezialabteilung G. geführt werden, zum Verantwortlichen bestellt wurde und schließlich Dipl. Ing. Ja., dessen Verantwortungsbereich sich auf Tiefbaubaustellen erstreckte, die von der von ihm geführten Abteilung Tiefbau und Ausland durchgeführt werden. Aus diesen genannten Bestellungserklärungen ergibt sich teilweise ein überlappender Verantwortungsbereich, sodaß nicht von vornherein feststeht, wer tatsächlich für welche (Tiefbau) Baustelle die Verantwortung trägt. Diese Unsicherheit hinsichtlich der Verantwortlichkeit wurde auch seitens der ST. Bau-AG erkannt und - in einem anderen Zusammenhang - in einem Schreiben an die Arbeitsinspektorate für den 1. bis 6. Aufsichtsbezirk und für Bauarbeiten in W. vom 8.4.1994 von der Rechtsabteilung der ST. Bau-AG zum Ausdruck gebracht. Dieses Schreiben hat folgenden Inhalt:
"Betr.: Bestellung gemäß § 9 Verwaltungsstrafgesetz bzw. § 23 Arbeitsinspektionsgesetz
Sehr geehrtes Arbeitsinspektorat!
Wir haben Ihnen mitgeteilt, daß für den Bereich Ihres Aufsichtsbezirkes grundsätzlich Herr Direktor Dipl.-Ing.W. G. als örtlich zuständiger Filial- bzw. Zweigniederlassungsleiter für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verantwortlich ist. Wir haben Ihnen desweiteren mitgeteilt, daß in diesem örtlichen Bereich auch unsere überregional tätigen Abteilungen G. und Tiefbauabteilung tätig sind und für Baustellen, die in deren Zuständigkeit fallen, die Leiter dieser beiden Abteilungen, nämlich Herr Dipl.-Ing. H. H. und Herr Direktor Dipl.-Ing. H. Ja., die Verantwortlichkeit für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften trifft.
Aufgrund des Erlasses des zentralen Arbeitsinspektorates vom 31. Jänner 1994 in dem die Auffassung vertreten wird, daß die Nominierung mehrerer Personen für künftige Baustellen generell nicht möglich ist, haben wir uns zu folgender Vorgangsweise entschlossen:
Die Verantwortlichkeit für alle Baustellen im örtlichen Bereich Ihres Aufsichtsbezirkes liegt grundsätzlich beim Filialleiter Herrn Direktor Dipl.-Ing. W. G. Wird eine Baustelle in diesem örtlichen Bereich von der Spezialabteilung G. oder der Tiefbauabteilung geführt, so wird anläßlich der Baustelleneröffnungsanzeige bekanntgegeben, daß die Zuständigkeit für diese spezielle Baustelle nicht beim Filialleiter, sondern beim Leiter der betreffenden Abteilung, somit bei Direktor Dipl.-Ing. Ja. für Baustellen der Tiefbauabteilung bzw. Prok. Dipl.-Ing. H. für Baustellen der Spezialabteilung G. liegt. Erhalten Sie diese Mitteilung nicht, so gilt der Filialleiter als verantwortlich.
Wir hoffen mit dieser Vorgangsweise zur Klarstellung der jeweiligen Verantwortlichkeit beigetragen zu haben und verbleiben mit vorzüglicher Hochachtung"
Bereits die Bestellungserklärungen müssen eindeutig zum Ausdruck bringen, welche Personen für welchen konkret abgegrenzten örtlichen und sachlichen Aufgabenbereich zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden. Dies ist bei den Bestellungserklärungen für den Berufungswerber, für Dipl. Ing. H.l und für Dipl. Ing. Ja. nicht der Fall. Auch das Schreiben der Rechtsabteilung der ST. Bau-AG vom 8.4.1994 bringt keine ausreichende Klärung, da dieses Schreiben einerseits an die Arbeitsinspektorate für den 1. bis 6. Aufsichtsbezirk und für Bauarbeiten gerichtet war, dieses Schreiben nicht vom Vorstand (nur dieser kann rechtswirksam die Verantwortlichkeit delegieren bzw. auch klarstellen) ausging und auch von der betroffenen Person, die zum verantwortlichen Beauftragten bestellt wurde, nicht mit ihrer Unterschrift zur Kenntnis genommen wurde. Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, daß wegen des teilweise überlappenden Verantwortungsbereiches mit anderen Bestellungserklärungen der Berufungswerber nicht rechtswirksam zum verantwortlichen Beauftragten bestellt wurde. Da der Berufungswerber zum Tatzeitpunkt auch nicht Vorstandsmitglied der ST. Bau-AG war, kommt eine Bestrafung als Verantwortlicher im Sinne des § 9 VStG nicht in Betracht.
Im erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde als Strafbestimmung § 31 Abs 2 lit. p ASchG herangezogen. Diese Bestimmung lautet:
"Arbeitnehmer und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der auf Grund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder
den auf Grund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, begehen eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen.
Gemäß § 33 Abs 7 ASchG gelten bei Zuwiderhandlung gegen die im Absatz 1 genannten Rechtsvorschriften (darunter wird unter anderem die Bauarbeiterschutzverordnung 1954 angeführt) die Bestimmungen des § 31 sinngemäß.
Im Unterschied zur Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten bleibt bei einem Bevollmächtigten die grundsätzliche verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Arbeitgebers (bei juristischen Personen der zur Vertretung nach außen Berufenen) aufrecht. Weiters müssen bei einem Bevollmächtigten die strengen Formvorschriften, die für die Bestellungen eines verantwortlichen Beauftragten gelten, nicht eingehalten werden. Aus der Aktenlage ergibt sich eindeutig, daß vom Unternehmen her der Berufungswerber für die Meldung der Baustelle in Voitsberg verantwortlich sein sollte. In diesem Zusammenhang wurde auch vorgebracht, daß es sich bei den paralelllaufenden Strafverfahren gegen Ch. K., Dipl. Ing. H., Dipl. Ing. Ja. und Ing. G. nur um Mißverständnisse handeln könne. Der Berufungswerber selbst bestritt nie, daß er sich für die Baustelle in V. (und damit für die Meldung) seitens der ST. Bau-AG verantwortlich fühle, da diese in den Bereich seiner Filialdirektion falle. Wenn man auch grundsätzlich davon ausgeht, daß der Berufungswerber als Bevollmächtigter im Sinne des § 31 Abs 2 ASchG anzusehen ist, so ist zu berücksichtigen, daß mit 1.1.1995 ein neues Arbeitnehmerschutzgesetz in Geltung steht. Die neue Strafbestimmung des § 130 Abs 1 ASchG lautet, daß ein Arbeitgeber, der diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen zuwiderhandelt, eine Verwaltungsübertretung begeht, die mit Geldstrafe von S 2.000,-- bis S 100.000,--, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von S 4.000,-- bis S 200.000,-- zu bestrafen ist.
Gemäß § 1 Abs 1 VStG kann eine Tat (Handlung oder Unterlassung) als Verwaltungsübertretung nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war. Nach Absatz 2 richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, daß das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre.
Die Strafbarkeit einer Tat richtet sich im Anwendungsbereich des VStG nach § 1 Abs 2 leg. cit. nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, daß das zur Zeit der Fällung des Bescheides erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre. § 1 Abs 2 VStG hat nur die "Strafe", also die Sanktion, die nach § 44 a Z 3 VStG im Spruch des Straferkenntnisses anzuführen ist, zum Gegenstand (vgl. VwGH 19.6.1979,1429/77; 13.11.1986, 86/08/0117). Zum Tatzeitpunkt am 21.9.1994 war gemäß § 31 Abs 2 lit. p ASchG auch ein Bevollmächtigter neben dem Arbeitgeber strafbar. Die belangte Behörde erließ das erstinstanzliche Straferkenntnis am 15.1.1996, also nach Inkrafttreten des neuen Arbeitnehmerschutzgesetzes, welches nur mehr den Arbeitgeber (bei juristischen Personen: die zur Vertretung nach außen Berufenen bzw. rechtsmäßig bestellte verantwortliche Beauftragte) mit Strafe bedroht, jedoch nicht mehr Bevollmächtigte. Wenn auch der neue Strafrahmen des ASchG mit 1.1.1995 hinaufgesetzt wurde, so ist die neue Strafbestimmung im konkreten Fall für den Berufungswerber günstiger, da eine Bestrafung eines Bevollmächtigten überhaupt nicht mehr vorgesehen ist.
Da der Berufungswerber weder zur Vertretung der ST. Bau-AG nach außen
berufen war, nicht rechtmäßig zum verantwortlichen Beauftragten bestellt wurde und auch nicht als Bevollmächtigter bestraft werden kann, ist er für die ihm im erstinstanzlichen Straferkenntnis im Punkt 1.) vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht verantwortlich. Es war daher bereits aus diesem Grund der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.