TE UVS Wien 1996/10/16 03/P/08/3493/96

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Veröffentlicht am 16.10.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Pipal über die Berufung des Herrn Kersten V gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Penzing, vom 6.8.1996, Zl S 234475-P/95-Ka/Fu, betreffend Übertretung der StVO 1960, entschieden: Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Abänderung bestätigt, daß statt "Frau" "Herrn", statt "Lenkerin" "Lenker", statt "BH-77" "BN-77" und statt des Halbsatzes "soferne ... erfolgt" "(§ 49a Abs 9 VStG)" steht.

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG wird daher ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 160,-- vorgeschrieben, das sind 20 % der verhängten Strafe.

Text

Begründung:

I. Der Berufung liegt folgendes Verfahren in der ersten Instanz zugrunde:

1. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lautet:

"Sie haben am 24.10.1995 um 16.06 Uhr in Wien, A-straße in Höhe ONr 3 Richtung E-straße als Lenkerin des Kfz mit dem Kennzeichen BH-77 die durch Verbotszeichen gem § 52 Z 10a StVO kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h überschritten, weil die Fahrgeschwindigkeit 75 km/h betrug, wobei die Überschreitung mit einem Meßgerät festgestellt wurde.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 99 Abs 3 lit a StVO iVm § 52 Z 10a StVO

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende

Strafe verhängt:

Geldstrafe von Schilling 800,-- falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Std gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO. Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Der zur Anonymverfügung vom 23.11.1995, Numeratornummer 9526 13 024377 verspätet einbezahlte Betrag in der Höhe von S 600,-- wird auf die mit diesem Bescheid verhängte Strafe aufgerechnet, soferne die Einzahlung des Restbetrages von S 280,-- freiwillig erfolgt. Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 zu zahlen:

80,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10 % der Strafe (je ein Tag Arrest wird gleich S 200,-- angerechnet);

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 280,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG)."

2. Dieser Vorwurf ergab sich aus einer Anzeige aufgrund automatischer Überwachung.

Laut dem im Akt befindlichen Deckblatt für Anonymverfügungen wurde eine im gegenständlichen Fall erlassene Anonymverfügung vom 23.11.1995 mit einem Strafbetrag von S 600,-- am 28.12.1995 eingezahlt.

Im Einspruch gegen eine entsprechende Strafverfügung wurde vorgebracht, der Strafbetrag sei rechtzeitig bezahlt worden. Aus dem beigelegten Erlagscheinabschnitt ist die Zahlung am letzten Einzahlungstag, dem 21.12.1995, mittels des Originalbeleges bei der G, Filiale M-platz, ersichtlich.

Bei seiner Vernehmung am 21.2.1996 wurde dem Berufungswerber der Akteninhalt zur Kenntnis gebracht.

3. In der rechtzeitigen Berufung wurde das bisherige Vorbringen wiederholt.

II. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

1. Zuerst war die Schuldfrage zu überprüfen:

1.1. Der objektive Tatbestand war folgendermaßen zu beurteilen:

1.1.1. Die verletzte Verwaltungsvorschrift lautet:

Gemäß § 52 Z 10a StVO 1960 zeigt das Zeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung erlaubte Höchstgeschwindigkeit" an, daß das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

1.1.2. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens nimmt der Unabhängige Verwaltungssenat Wien den im Spruch angeführten Sachverhalt als erwiesen an. Dieser wird im übrigen vom Berufungswerber ausdrücklich eingestanden. Dabei wurden mehrere offensichtliche Schreibfehler richtiggestellt.

1.1.3. Die Beurteilung der Rechtsfrage ergab, daß der als erwiesen angenommene Sachverhalt den objektiven Tatbestand der verletzten Verwaltungsvorschrift erfüllt.

Zu den Berufungsausführungen wird folgendes bemerkt:

Gemäß § 49a Abs 4 VStG ist der Anonymverfügung ein zur postalischen Einzahlung des Strafbetrages geeigneter Beleg beizugeben.

Nach Abs 6 der zitierten Bestimmung wird die Anonymverfügung gegenstandslos, wenn nicht binnen vier Wochen nach Ausfertigung die Einzahlung des Strafbetrages mittels Beleges (Abs 4) erfolgt. Ist die Anonymverfügung gegenstandslos geworden, so hat die Behörde gemäß § 34 vorzugehen.

Nach Abs 7 der angeführten Bestimmung hat die Behörde von der Ausforschung des unbekannten Täters endgültig Abstand zu nehmen und jede Verfolgungshandlung zu unterlassen, wenn der Strafbetrag mittels Beleges (Abs 4) fristgerecht einbezahlt wird. Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich zweifelsfrei, daß der Gesetzgeber hier eine bestimmte Zahlungsform vorgeschrieben hat, nämlich die "postalische Einzahlung mittels Beleges" im Sinne des § 49a Abs 4 in Verbindung mit Abs 6 bzw 7 VStG.

Nun führt bereits eine einfache Wortinterpretation zu dem Ergebnis, daß die Formulierung "mittels Beleges" eine Einzahlung "durch" diesen Beleg verlangt. Der Beleg stellt dabei das "Mittel" dar, durch welches die Einzahlung bewirkt wird.

Die Zahlungsform der Banküberweisung ist also nur in einem Fall gesetzmäßig im Sinne des § 49a VStG, nämlich wenn sie unmittelbar mittels des in Rede stehenden Beleges durchgeführt wird. Diese Auslegung der gegenständlichen Gesetzesbestimmung ergibt sich auch zwingend, wenn man den Sinn und Zweck der Regelung über die Anonymverfügung betrachtet. Durch die Verwendung des Beleges zur Einzahlung des Strafbetrages wird die Kontrolle der Einzahlung, insbesondere bei Einsatz von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen, wesentlich vereinfacht (vgl VwGH 21.10.1992, 92/02/0200).

Daß gegen eine derartige Vorschreibung einer bestimmten Zahlungsform keine verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere im Hinblick auf Art 7 B-VG, bestehen, hat der Verfassungsgerichtshof zur vergleichbaren Regelung des § 50 VStG bereits dargetan (Erkenntnis vom 28.9.1973, B 208/73). Zur Beantwortung der Frage, ob im gegenständlichen Fall die Einzahlung des in der Anonymverfügung vorgeschriebenen Strafbetrages rechtzeitig erfolgt ist, ist vorerst zu klären, in welchem Zeitpunkt eine "postalische Einzahlung mittels Beleges", wie sie § 49a Abs 4 in Verbindung mit Abs 6 bzw 7 VStG fordert, bewirkt wird.

Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich - wie erwähnt - zweifelsfrei, daß der Gesetzgeber eine bestimmte Zahlungsform vorgeschrieben hat, nämlich die postalische Einzahlung mittels des dafür vorgesehenen Beleges.

Diese Einschränkung hinsichtlich der Zahlungsform ist auch für die Frage der Rechtzeitigkeit der Zahlung von Bedeutung:

Die Einzahlung wird mit dem Einlangen des Betrages bei der Postsparkasse bzw beim Postamt bewirkt. Dabei steht es dem Einzahlenden, sofern er die gesetzlich vorgeschriebene Form (postalische Einzahlung mittels Beleges) einhält, durchaus frei, entweder den Betrag selbst einzuzahlen oder einen Dritten damit zu beauftragen. Die postalische Einzahlung mittels Beleges im Sinne des § 49a Abs 4 in Verbindung mit Abs 6 bzw Abs 7 VStG ist in jedem Falle erst am Tage des Einlangens des Betrages bei der Postsparkasse bzw beim Postamt bewirkt, nicht bereits mit einer Zahlung an einen beliebigen Dritten, etwa an eine andere Bank. Nur dadurch kann der verwaltungsökonomische Zweck von Anonymverfügungen erreicht werden, schnell und eindeutig feststellen zu können, ob die Einzahlung erfolgt ist oder nicht (vgl auch VwGH 24.5.1996, Zl 95/17/0466).

Im vorliegenden Fall wurde der Betrag zwar rechtzeitig bei der G eingezahlt, jedoch erst nach Fristablauf dem Konto der Bundespolizeidirektion Wien bei der Postsparkasse gutgeschrieben. Daher war die postalische Einzahlung verspätet.

Es war also aus diesem Grund gemäß § 49a Abs 6 VStG die Ausforschung des Täters und die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens durchzuführen.

1.2. Das Verschulden war folgendermaßen zu beurteilen:

1.2.1. Nach § 5 Abs 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

1.2.2. Da die im vorliegenden Fall verletzte Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt und auch zu ihrem Tatbestand der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört, hätte also der Berufungswerber glaubhaft machen müssen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Solche schuldbefreienden Umstände haben sich jedoch nicht ergeben.

Daher ist auch das Verschulden als erwiesen anzusehen.

2. Sodann war die verhängte Strafe zu überprüfen:

2.1. Die Strafbestimmung lautet:

Gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 10.000,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 2 Wochen, zu bestrafen, ua wer als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Absätzen 1, 2 oder 4 zu bestrafen ist.

2.2. Über die Strafbemessung bestimmt § 19 VStG folgendes:

(1) Grundlage für die Bemessung der Strafe ist stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

2.3. Die Tat schädigte in nicht unerheblichem Ausmaß das Interesse an der Verkehrssicherheit.

Sonst zog die Tat keine nachteiligen Folgen nach sich. Mildernd war die bisherige Unbescholtenheit zu werten, Erschwerungsgründe lagen nicht vor.

Das Verschulden war angesichts der näheren Umstände der Tat nicht bloß geringfügig, weil auch nicht anzunehmen ist, daß womöglich die Übertretung aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.

Weiters waren bei der Bemessung der Geldstrafe das monatliche Nettoeinkommen von ca S 20.000,-- sowie das Fehlen von Vermögen und Sorgepflichten zu berücksichtigen.

2.4. Bei diesen Strafbemessungsgründen und dem gesetzlichen Strafrahmen kam eine Herabsetzung der Strafe nicht in Betracht, weil eine geringere Strafe auch nicht geeignet wäre, den Berufungswerber und andere in Frage kommende Personen in Zukunft wirksam von der Begehung derartiger Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 64 VStG.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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