Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied
Mag Obrist über die Berufung des Herrn , geboren am ,
wohnhaft in , vertreten durch die Herren
Rechtsanwälte ,
vom 26 09 1996, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 05 09 1996, Zl 300-9585-1995, wegen Bestrafung nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) 1960 zu Recht erkannt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs 1 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Laut Anzeige des Gendarmeriepostens vom 26 06 1995
lenkte am 24 06 1995 gegen 02 45 Uhr einen dem
Kennzeichen
nach bestimmten PKW auf dem Parkplatz vor der Diskothek
in . Direkt vor der Diskothek wollte er sein Fahrzeug
einparken. Gegenüber der Parklücke, am Rand des Parkplatzes standen
einige Personen, die sich unterhielten; unter diesen befand sich der
nunmehrige Berufungswerber . Im Zuge des
Einparkmanövers fuhr mit dem linken Vorderrad seines PKWs über
den rechten Fuß des dort stehenden . Da bei beiden
Unfallbeteiligten Alkoholisierungsmerkmale festgestellt wurden,
wurden sie zur Durchführung eines Alkomattestes aufgefordert. Laut
Anzeige hat Herr diesen verweigert.
Außerdem wurden der Lenker des Fahrzeuges ( ) sowie dessen
Beifahrer und der nunmehrige Berufungswerber von den Gendarmeriebeamten niederschriftlich einvernommen.
Herr sagte anläßlich seiner Einvernahme aus, er habe in die
Parklücke direkt vor der Diskothek rückwärts hineinschieben wollen.
Gegenüber der Parklücke, am linken Rand des Parkplatzes, seien ca fünf Personen gestanden, die sich unterhielten. Er sei knapp an dieser Personengruppe vorbeigefahren. Kurz bevor das Fahrzeug zum Stillstand gekommen sei, habe er einen kleinen Widerstand gespürt und
einen Schrei gehört. Anschließend habe sich herausgestellt, daß er Herrn über den Fuß gefahren sei. Ob dieser auf ihn zugetorkelt sei, wisse er nicht. Seiner Meinung nach müsse er mit seinem rechten Fuß vor das Rad gestiegen sein, da er ihn ansonsten am
Körper berührt hätte.
Der Beifahrer bestätigte bei seiner Befragung, daß einige Personen, die sich unterhielten, am Rand des Parkplatzes gestanden seien, er gab jedoch an, nicht zu wissen, wie es zum Unfall gekommen sei.
Herr sagte aus, daß er sich zur gegenständlichen Zeit mit
ca fünf Personen auf dem Parkplatz vor der Diskothek unterhalten habe. Die Namen dieser Personen seien ihm nicht bekannt. Plötzlich sei ihm ein PKW-Lenker über den Fuß gefahren.
Ohne eigene Erhebungen durchzuführen, erließ die
Bezirkshauptmannschaft das angefochtene Straferkenntnis. Darin wird
dem Beschuldigten unter näherer Bezeichnung der Zeit und des Ortes
der Verweigerung zur Last gelegt, er habe sich gegenüber einem
besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ
der
Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt
untersuchen zu lassen, obwohl er als Fußgänger verdächtig sei, in
einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen
Verkehrsunfall verursacht zu haben. Er sei als Fußgänger am
24 06 1995 um ca 02 45 Uhr im Ortsgebiet von auf dem
linken Rand des Parkplatzes vor dem Haus (Diskothek )
in einer Personengruppe stehend, vom an dieser vorbeifahrenden PKW,
Kennzeichen , gelenkt von aus , erfaßt und
am
Fuß verletzt worden. Wegen Übertretung des § 99 Abs 1 lit b iVm § 5
Abs 2 StVO wurde eine Geldstrafe von S 8 000,--
(Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Tagen) verhängt.
In der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung werden unrichtige rechtliche Beurteilung und Verjährung geltend gemacht.
Hierüber wurde folgendes erwogen:
Gemäß § 5 Abs 2 Z 2 StVO hat sich ein Fußgänger, der verdächtig ist, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, der Untersuchung der Atemluf auf Alkoholgehalt zu unterziehen, wenn er dazu aufgefordert wird.
Im vorliegenden Fall bestand der Verkehrsunfall nach der Aktenlage darin, daß der Berufungswerber (Fußgänger) am Rand eines Parkplatzes stand, als ihm der Lenker eines PKWs beim Einparken mit einem Rad über den Fuß fuhr. Für die Annahme, daß sich der Berufungswerber dem Fahrzeug irgendwie näherte, bietet der Akt keine Grundlage. Auch der Lenker des Fahrzeuges und sein Beifahrer haben nach ihren eigenen Angaben diesbezüglich nichts wahrgenommen; der Lenker hat lediglich Vermutungen darüber angestellt, wie es zum Verkehrsunfall gekommen sein könnte. Die Personen, welche mit dem Berufungswerber in einer Gruppe standen, als der Verkehrsunfall passierte, und allenfalls über
dessen Verhalten irgendwelche Angaben machen könnten, sind namentlich
nicht bekannt. Zum jetzigen Zeitpunkt bestehen keine Aussichten
mehr,
diese ausfindig zu machen.
Es ist daher in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon auszugehen, daß der Fußgänger am Rand des Parkplatzes stand, als der Unfall passierte. Voraussetzung dafür, daß sich ein Fußgänger einer Atemluftprobe unterziehen muß, ist nach der obzit Bestimmung, daß er verdächtig ist, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen
Verkehrsunfall verursacht zu haben. Entgegen der in der Berufung unter Punkt 1 vertretenen Ansicht geht es bei der Verursachung nicht um die Frage des Verschuldens; es ist nicht entscheidend, ob das zu diesem Unfall führende Verhalten des Berufungswerbers rechtswidrig und schuldhaft war. Es geht vielmehr darum, welches Verhalten für das
Entstehen des Unfalles (noch) kausal ist. Im Unterschied zu § 4 StVO,
wonach ein Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall IN URSÄCHLICHEM ZUSAMMENHANG stehen muß, stellt der Gesetzgeber im zit § 5 StVO darauf ab, daß ein Fußgänger einen Verkehrsunfall VERURSACHT hat.
Von den verschiedenen Kausalitätstheorien, die für das Strafrecht und
für das Schadenersatzrecht entwickelt wurden, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit § 4 StVO die Äquivalenztheorie anzuwenden. Demnach sind alle Bedingungen eines Erfolges gleichwertig; sie beschränkt sich bei Prüfung des Zusammenhanges zwischen Handlung und Erfolg auf das Element der Kausalität ohne Berücksichtigung zusätzlicher Bewertungskriterien. Dabei wird nach der Eliminationsmethode danach gefragt, ob der Erfolg, so wie er eingetreten ist, bei Hinwegdenken der auf ihre Ursächlichkeit zu prüfenden Handlung entfiele. Jede Handlung, die auch nur das geringste dazu beigetragen hat, daß der Erfolg in seiner
konkreten Gestalt eingetreten ist, ist für den Erfolg kausal.
Nach dieser Theorie wäre das Verhalten des Berufungswerbers für den Verkehrsunfall kausal gewesen (arg: wenn er nicht dort gestanden wäre, wäre der Unfall nicht passiert). Diese Theorie bei Prüfung der Frage, wer einen Verkehrsunfall verursacht hat, anzuwenden, erscheint zu weitgehend. Zum einen hat der Gesetzgeber in § 4 und in § 5 StVO diesbezüglich verschiedene Begriffe gewählt und ist deshalb anzunehmen, daß er verschiedenes ausdrücken wollte. Zum anderen erscheint dies auch nach Sinn und Zweck dieser Bestimmung - die in erster Linie auf das Lenken oder Inbetriebnehmen eines Fahrzeuges (bzw den Versuch hiezu) abstellt und auf Fußgänger eben nur im Zusammenhang mit der Verursachung eines Verkehrsunfalles anzuwenden ist - geboten. Dabei wird nicht übersehen, daß alle betrunkenen Straßenbenützer eine Gefahr im Straßenverkehr bilden können, was jedoch nicht als Argument für eine derart weite Auslegung dieser Bestimmung gesehen wird, zumal als Grundlage der Bestrafung vom Wortlaut des zit § 5 Abs 2 StVO auszugehen ist und der Gesetzgeber den Personenkreis der Fußgänger hier offensichtlich nicht derart weit
(wie den allgemein umschriebenen Personenkreis des § 4 StVO) gefaßt hat.
Aufgrund dieser Erwägungen erscheint hier die Anwendung der Adäquanztheorie geboten. Danach wird eine adäquate Verursachung verlangt, die lediglich dann vorliegt, wenn der Erfolg durch eine Handlung herbeigeführt wird, die nach allgemeiner Lebenserfahrung typischerweise geeignet ist, einen solchen Erfolg herbeizuführen.
Wenn nun im vorliegenden Fall davon auszugehen ist, daß einem am Rand
eines Parkplatzes - und in einer Personengruppe - stehenden Fußgänger
ein Fahrzeug über einen Fuß fährt, so kann dies nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht als typischer Erfolg einer solchen Handlung gesehen werden. Somit wurde der Beschuldigte zu Unrecht verdächtigt, den Verkehrsunfall verursacht zu haben. Damit mangelt es an der Erfüllung eines wesentlichen Tatbestandsmerkmales und war daher spruchgemäß zu entscheiden.