Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Hrdliczka über die Berufung des Herrn Dr Klaus L vom 17.9.1996 gegen den Zurückweisungsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, vom 13.8.1996, Zahl S 233.245/S/95, in Angelegenheit einer Übertretung des § 103 Abs 2 KFG, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Zurückweisungsbescheid wegen Unzuständigkeit der Bundespolizeidirektion Wien ersatzlos aufgehoben.
Der Berufungswerber hat gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Begründung:
Dem Inhalt des angefochtenen Bescheides zufolge wies die Bundespolizeidirektion Wien (sic !) den Einspruch des Berufungswerbers vom 28.4.1996 gegen die Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Innsbruck (sic !) vom 26.3.1996 gemäß § 49 Abs 1 VStG als verspätet zurück.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat auf Grund der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung erwogen:
Mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 26.3.1996, Zahl ST-V-2510/96, wurde der Berufungswerber schuldig erkannt, er habe als das gemäß § 9 VStG nach außen berufene Organ des vom Zulassungsbesitzer zur Auskunftserteilung benannten Ö des PKW S-42 trotz behördlicher Aufforderung (RSb-Brief der Bundespolizeidirektion Wien, zugestellt am 18.01.1996) keine Auskunft darüber erteilt, wer dieses Kraftfahrzeug am 10.11.1995 um 20.08 Uhr in Wien, O-gasse, Richtung E-straße, gelenkt habe bzw keine Person benannt, die diese Auskunft erteilen könne oder der er das Fahrzeug vermietet habe.
Wegen Übertretung des § 103 Abs 2 KFG wurde gemäß § 134 KFG eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage) verhängt.
Laut RSa-Postzustellschein wurde die Strafverfügung nach zwei vergeblichen Zustellversuchen vom 10.4.1996 und vom 11.4.1996 beim Postamt hinterlegt und dort ab dem 12.4.1996 zur Abholung bereitgehalten.
Gemäß § 17 Abs 3 Zustellgesetz hätte die zweiwöchige Einspruchsfrist (§ 49 Abs 1 VStG) mit dem ersten Tag der Abholfrist (12.4.1996) begonnen und am 26.4.1996 geendet. Der Einspruch wurde mit 28.4.1996 datiert und laut Poststempel auf dem Briefumschlag am 29.4.1996 eingeschrieben zur Post gegeben. Er wäre demnach verspätet.
Ohne näher prüfen zu müssen, ob der Einspruch tatsächlich verspätet eingebracht wurde oder nicht, war eine Zuständigkeit der Bundespolizeidirektion Wien zur Erlassung des Zurückweisungsbescheides aus folgenden Gründen keinesfalls gegeben:
Gemäß § 49 Abs 1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.
Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht wird, dann ist gemäß § 49 Abs 2 VStG das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund eines Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.
Wenn der Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben wird, dann ist § 49 Abs 3 VStG zufolge die Strafverfügung zu vollstrecken. Gemäß § 6 Abs 1 AVG iVm § 24 VStG hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu verweisen.
Im konkreten Fall hat die Bundespolizeidirektion Innsbruck im Hinblick auf die neueste Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Tatort einer Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs 2 KFG der Sitz der anfragenden Behörde (hier: Wien) ist (VwGH verstärkter Senat, 31.1.1996, 93/03/0156), die Strafverfügung vom 26.3.1996 als örtlich unzuständige Behörde erlassen.
Im Falle der verspäteten Erhebung des Einspruches wäre diese Strafverfügung jedoch rechtskräftig und gehörte weiterhin dem Rechtsbestand an.
Ein mangelhafter bzw verspäteter Einspruch ist durch verfahrensrechtlichen Bescheid der Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, zurückzuweisen (vgl VwSlg 15.855 F; VwGH 11.5.1983, 83/03/0046).
Demnach wäre zur Erlassung des Zurückweisungsbescheides nicht die Bundespolizeidirektion Wien, sondern die Bundespolizeidirektion Innsbruck zuständig gewesen.
Nur dann, wenn der (volle) Einspruch als fristgerecht eingebracht anzusehen und dadurch die gesamte Strafverfügung außer Kraft getreten wäre, hätte die Bundespolizeidirektion Innsbruck das Verfahren zulässigerweise gemäß § 27 Abs 1 VStG an die Bundespolizeidirektion Wien als örtlich zuständige Behörde abtreten dürfen (vgl sinngemäß VwGH 11.4.1984, 82/11/0358), welche gemäß § 49 Abs 2 VStG das ordentliche Ermittlungsverfahren einzuleiten gehabt hätte.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.