Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Monika Gasser-Steiner über die Berufung des Herrn H. S., wohnhaft in St.-weg Nr. 19, L., gegen die Punkte 1.), 2a), 2b), 4.), 5A), 5B1) und 5B2) des Bescheides der Bundespolizeidirektion Leoben vom 19.2.1996, GZ: St 4005/94, nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung, wie folgt entschieden:
Hinsichtlich der Spruchpunkte 1.), 2a), 2b), 4.), 5A) und 5B1) des bekämpften Bescheides wird die Berufung gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) abgewiesen.
Hinsichtlich Spruchpunkt 4.) wird die Tatzeit mit "gegen 21.45 Uhr" berichtigt.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens insgesamt einen Betrag von S 1.200,-- binnen vier Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides bei sonstigem Zwang zu entrichten.
Hinsichtlich des Spruchpunktes 5B2) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis in diesem Umfang behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt. Dadurch vermindert sich der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens anteilsmäßig auf den Betrag von S 600,--. Dieser Kostenbeitrag ist binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten.
I.) Mit dem Straferkenntnis vom 19.2.1996 hat die belangte Behörde dem Berufungswerber insgesamt acht Verwaltungsübertretungen zur Last gelegt, wovon eine, der Spruchpunkt 3.), aufgrund der dort ausgesprochenen Geldstrafe von S 25.000,-- von einer Kammer zu entscheiden war. Hinsichtlich der übrigen Spruchpunkte ist die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben. Die einzelnen Tatbestände werden im Straferkenntnis wie folgt umschrieben:
Der Berufungswerber habe am 5.7.1994
1.) um 21.17 Uhr in L., als Lenker des PKW's mit dem Kennzeichen St 160.024, vom Parkplatz "Familia", J.-H.- Straße Nr. 40, etabliert, bei der Kreuzung mit der J.-H.- Straße durch Einbiegen nach links in die J.-H.-Straße den Vorrang eines im fließenden Verkehr in Richtung Innenstadt fahrenden PKW's nicht beachtet und den Lenker genötigt, sein Fahrzeug unvermittelt abzubremsen;
2.) habe der Berufungswerber um 21.19 Uhr, in L., als Lenker des schon näher bezeichneten PKW's in der J.-H.- Straße, auf Höhe des Hauses Nr. 25 (Jello Schuhmarkt), trotz Verlangen eines Organes der Straßenaufsicht nicht a.) den Führerschein und b.) den Zulassungsschein zur Überprüfung ausgehändigt.
Weiters habe der Berufungswerber um 21.25 Uhr in L., im Wachzimmer Funktstreife, J.-H.-Straße Nr. 14 etabliert, durch Bezeichnung des Sicherheitswachebeamten BI T. mit den Worten "Schwein und Mafiapolizist", den öffentlichen Anstand verletzt (Punkt 4.) und um ca. 22.10 Uhr an der gleichen Örtlichkeit A) durch Bezeichnung des Sicherheitswachebeamten T. mit den Worten "Schwein", den öffentlichen Anstand verletzt und B) dadurch, daß er sich, nachdem er sich im dortigen Kommandantenraum
auf einen Sessel gesetzt hat, zu Boden habe fallen lassen und auf allen vieren in Richtung des Sozialraumes gekrochen sei 1.) den öffentlichen Anstand verletzt und 2.) die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört.
Wegen Übertretung der Rechtsvorschriften der § 19 Abs 7 iVm § 19 Abs 6 StVO (Punkt 1.), § 102 Abs 5 lit a KFG (Punkte 2a und 2b), § 1 LGBl. 158/75 erster Fall (Punkte 4, 5A und 5B1) und § 81 Abs 1 SPG (Punkt 5B2) wurden über den Berufungswerber unter Hinweis auf die einschlägigen Verwaltungsstrafbestimmungen zu den einzelnen Spruchpunkten jeweils eine Geldstrafe von S 1.000,-- (jeweils 50 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt und als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens anteilig der Betrag von S 700,-- vorgeschrieben.
II.) In seiner rechtzeitig erhobenen Berufung führte der Berufungswerber zu den ersten beiden Tatvorwürfen im wesentlichen aus, er habe die Vorrangverletzung nicht bemerkt und entgegen der Angaben des Beamten ihm die Fahrzeugpapiere ausgehändigt. Weiters bestritt er den Punkt 4.), wonach er den Sicherheitswachebeamten T. nicht mit dem Wort "Schwein" beschimpft, sondern er nur gemeint habe, die Vorgangsweise des Beamten sei gegenüber seiner Person eine Schweinerei gewesen, wobei er das Wort "Schwein" nur betont habe.
Ebensowenig habe er ihn Mafiapolizist genannt. Das den Vorwürfen hinsichtlich der Punkte 5A), 5B1) und 5B2) zugrundeliegende Verhalten (neuerliche Beschimpfung des Sicherheitsbeamten T. mit "Schwein", vom Sessel fallen lassen) wurde vom Berufungswerber zwar nicht bestritten. Die Beschimpfung des Beamten führte er auf einen Schock und Verletzungen sowie auf Übergriffe seitens des Beamten zurück; er habe sich auch nicht vom Sessel fallen lassen, er sei aufgrund eines Schwindelgefühles vom Sessel gefallen. Unrichtig sei weiters, daß er auf allen vieren in Richtung Sozialraum gekrochen sei. Er sei vielmehr nach dem Sturz vom Sessel aufgesprungen und habe gesagt, daß er
erbrechen müsse.
Der Berufungswerber beantragte, das Straferkenntnis in
allen Punkten zu beheben.
III.) Am 29.10.1996 hat vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat unter Mitwirkung des Berufungswerbers eine öffentliche, mündliche Verhandlung stattgefunden, in der die Zeugen BI H. T., BI A. St., RI K. Tr. und Oberstleutnant L. K. zur Sache befragt wurden.
Aufgrund der Ergebnisse des Beweisverfahrens werden folgende Feststellungen getroffen:
Am 5.7.1994 fuhr der Berufungswerber mit seinem PKW, Kennzeichen St 160.024, gegen 21.17 Uhr vom Parkplatz des Geschäftes "Familia" in L., J.-H.-Straße Nr. 40, auf die Fahrbahn der J.-H.-Straße, um in der Folge in Richtung Innenstadt nach links einzubiegen. Bei diesem Einbiegevorgang mißachtete der Berufungswerber den Vorrang eines aus Richtung G. bereits auf der J.-H.- Straße in Richtung Innenstadt fahrenden PKW-Lenkers, der aufgrund des Fahrverhalten des Berufungswerbers genötigt war, sein Fahrzeug unvermittelt abzubremsen, um einen Verkehrsunfall zu verhindern.
BI H. T., der diesen Vorfall als Lenker eines hinter dem behinderten Fahrzeug fahrenden Motorrades
beobachtete, hielt den Berufungswerber bei der nächsten Gelegenheit - diese bot sich in der J.-H.-Straße Nr. 25, am Parkplatz des Jello-Schuhmarktes - an. Der Beamte stellte sein Motorrad vor dem PKW des Berufungswerbers ab, legte den Helm auf der Beifahrersitzbank ab und ging zum Fahrzeug des Berufungswerbers zurück. Im Inneren des Wagens befanden sich der Berufungswerber und noch zwei weitere Personen, das Ehepaar H. und G. D. Der Beamte grüßte den Berufungswerber und fragte ihn nach den Fahrzeugpapieren. Der Berufungswerber verließ sein Fahrzeug; er suchte die Fahrzeugpapiere. Dem Beamten fiel gleich auf, daß der Berufungswerber nach Alkohol riecht und er fragte ihn deshalb, ob er etwas getrunken habe. Zu diesem Zeitpunkt war der Berufungswerber gerade im Begriffe, BI T. seine Fahrzeugpapiere hinzuhalten; als der Beamte aber nach ihnen greifen wollte, zog der Berufungswerber seine Hand plötzlich zurück und machte Anstalten, davonzulaufen. Der Beamte eilte dem Berufungswerber nach, holte ihn nach ca. 3 bis 4 m ein und packte ihn mit einem Handgriff beim T-Shirt von hinten über die Schulter. Gleichzeitig forderte er mittels des eingesteckten Funkgerätes Verstärkung an. Bereits im Festhalten forderte der Beamte den Berufungswerber neuerlich auf, ihm seine Fahrzeugpapiere zu geben und - mit der Begründung,
daß der Berufungswerber nach Alkohol rieche - einen Alkotest abzulegen. Der Berufungswerber verweigerte sowohl die Herausgabe der Fahrzeugpapiere als auch die Durchführung eines Alkotestes mit dem Hinweis, er habe schon zweimal den Führerschein verloren bzw. das alles keinen Sinn hätte.
Nachdem BI T. den Berufungswerber nicht kannte und dieser sich einer Amtshandlung entziehen wollte, sprach der Beamte die Festnahme gemäß § 35 VStG aus.
Wenige Minuten nach der Festnahme erschien die angeforderte Verstärkung am Anhalteort. Da einem der eingetroffenen Beamten, RI H. So., der Berufungswerber aus einer anderen Amtshandlung her schon bekannt war, hob BI T. die Festnahme wieder auf und forderte den Berufungswerber vor seinen Kollegen nochmals zum Alkotest auf. Der Berufungswerber sagte daraufhin, daß er den Alkotest aus den schon angegebenen Gründen verweigere und er ohnedies schon so oft aufgefordert worden wäre. Damit war für den Beamten BI T. die Amtshandlung betreffend der von ihm festgestellten Verwaltungsübertretungen gegen 21.25 Uhr beendet.
Nachdem der Berufungswerber aber behauptete, von BI T. während der Amtshandlung verletzt worden zu sein, bot der Beamte - auch zu seiner eigenen Absicherung - dem Berufungswerber an, sich vom Amtsarzt
untersuchen zu lassen. Dieser willigte ein und fuhr mit einem Streifenwagen zu der nur etwa 150 m entfernten Bundespolizeidirektion Leoben mit.
Kurz vor 21.45 Uhr kamen die Beamten BI T., RI So.
sowie die Verstärkungsmannschaft mit dem Berufungswerber in das Wachzimmer Funkstreife, in dem mehrere Beamten, unter anderem BI St. und RI K. Tr. ihren Dienst versahen. Bereits mit dem Eintreffen des Berufungswerbers im Wachzimmer stellte sich eine gewisse Unruhe ein, nachdem er lautstark BI T.
bezichtigte, ihn während der Amtshandlung geschlagen zu haben. Gleichzeitig beschimpfte er den Beamten.
Gegen 21.45 Uhr betrat Oberstleutnant K., der den Beamten Vorgesetzte - noch in Zivilkleidung - das Wachzimmer. Als ihn der Berufungswerber erblickte und offenbar als Kommandanten erkannte, zeigte er gleich mit der Hand in Richtung des Beamten T. und sagte:
"Dieses Schwein hat mich verletzt." "Mafiapolizist."Der Berufungswerber war aufgebracht. Oberstleutnant K. ließ sich vom Beamten T. über das bisher Vorgefallene informieren und bedeutete gleichzeitig gegenüber dem Berufungswerber, sich seiner Behauptungen
anzunehmen, indem er ihm unter anderem seine Visitenkarte aushändigen wollte. Der Berufungswerber reagierte auf diese Kalmierungsversuche nicht; er blieb aggressiv und aufgebracht.
Bereits während der Bemühungen von Oberstleutnant K., eine Gesprächsbasis mit dem Berufungswerber zu
finden, wurde der Polizeiarzt gerufen, der gegen 22.00 Uhr eintraf und den Berufungswerber nach den von ihm behaupteten Verletzungen untersuchte. Während der ärztlichen Untersuchung am Berufungswerber kleidete sich Oberstleutnant K. in seinem Dienstzimmer um. Als er anschließend ins Wachzimmer zurückkehrte, fand er eine im wesentlichen unveränderte Situation vor: Der Berufungswerber war weiterhin aufgebracht. Offenbar war der Berufungswerber mit den von der Polizei eingeleiteten Schritten zur Objektivierung der Sachlage - die veranlaßte Untersuchung durch den Polizeiarzt - noch nicht zufrieden gestellt. Er versuchte lautstark ein Ungerechtigkeitserlebnis kundzutun, indem er durch gespielte Schmerzenskundgebungen ein Schauspiel vorführte: Ihm sei schlecht, ihm sei übel, er müsse erbrechen. Er setzte weiterhin bewußt Beschimpfungen und bezeichnete BI T. neuerlich als "Schwein". Das Verhalten des Berufungswerbers gipfelte darin, daß er sich plötzlich aus einer Sitzposition am Sessel auf den Boden fallen ließ und in der Folge auf allen vieren im Kommandantenraum in Richtung Sozialraum krabbelte.
Dieser Vorfall führte Oberstleutnant K. vor Augen, daß seitens des Berufungswerbers Selbstverletzungsgefahr bestand. Er ließ die Rettung rufen, die gegen 22.30 Uhr eintraf. Das Rettungspersonal wirkte ihrerseits auf den Berufungswerber ein. Nachdem dieser sich vorerst sträubte, mitzufahren, wurde ihm ein Formular vorgelegt, das er unterschreiben sollte, falls er die Mitfahrt verweigere. Dieses Verlangen hatte eine ernüchternde Wirkung. Er fuhr letztendlich mit dem Roten Kreuz ins Landeskrankenhaus Leoben.
Während des gesamten Geschehens im Wachzimmer Funkstreife wechselte der Berufungswerber mehrmals die dortigen Räumlichkeiten. Er war immer unter Aufsicht von Beamten, nachdem sein Verhalten unvorhersehbar war. Zwischenzeitig machte er den Eindruck, als hätte er sich beruhigt, um plötzlich wieder mit seinen Behauptungen fortzufahren bzw. Schmerzzustände zu mimen. Solange sich der Berufungswerber im Wachzimmer befand, war kein störungsfreier Parteienverkehr möglich. Zeitweilig mußten Personen im Vorzimmer der Dienststelle bedient werden, nachdem der Berufungswerber den dafür vorgesehenen Parteienraum "okkupierte". Andere Besucher der Dienststelle zogen es wiederum vor, ohne ihr Anliegen vorgebracht zu haben, das Wachzimmer aufgrund des vernehmbaren "Wirbels" zu verlassen.
IV.) Die Feststellungen zur Vorrangverletzung und zum Nichtaushändigen der Fahrzeugpapiere konnten anhand der glaubhaften Aussage von BI T. getroffen werden. Die Vorrangverletzung an sich wird vom Berufungswerber im Ergebnis auch nicht bestritten, indem er bei seiner Rechtfertigung nur darauf verwies, diese nicht bemerkt zu haben. Wenn der Berufungswerber behauptet, er habe dem Beamten auf Aufforderung seine Fahrzeugpapiere ausgehändigt, so war dies im Zusammenhang mit dem weiteren Geschehen vor Ort unglaubwürdig, zumal es völlig unlogisch erscheint, daß ein Beamter gegenüber einer ihm fremden Person eine Festnahme ausspricht, obwohl er anhand der Fahrzeugpapiere seine Identität hätte feststellen können.
Die Feststellungen zu den einzelnen Anstandsverletzungen waren anhand der glaubwürdigen und zweifelsfrei vorgetragenen Schilderungen von Oberstleutnant K. zu treffen, der das Verhalten des Berufungswerbers während seines Aufenthaltes im Wachzimmer Funkstreife bis auf eine kurze Unterbrechung zur Gänze mitverfolgen konnte. Der Zeuge vermittelte ein sehr anschauliches Bild über das Gesamtverhalten des Berufungswerbers, dessen Einzelaktionen offenbar von Beginn an darauf ausgerichtet waren, die Exekutive zu provozieren und zu einem Fehlverhalten zu verleiten. Der Berufungswerber selbst konnte diesen Schilderungen nichts substantielles entgegensetzen. Er bemühte sich im wesentlichen nur, das entstandene Bild zu seinen Gunsten zu beschönigen bzw. es damit zu rechtfertigen, daß er einen Schock gehabt habe und verletzt gewesen sei. Nachdem sich für die letzteren Behauptungen weder im Ablauf des Geschehens noch im Befund des Polizeiarztes Anknüpfungspunkte finden, waren sie im Hinblick auf einen möglichen Schuldausschließungsgrund nicht weiter zu verfolgen.
Die rechtliche Beurteilung ergibt folgendes:
Zu Spruchpunkt 1.) des bekämpften Bescheides:
Die Vorrangregel des § 19 Abs 6 StVO bestimmt, das Fahrzeuge im fließenden Verkehr den Vorrang gegenüber Fahrzeugen, die von Nebenfahrbahnen, von Fußgängerzonen, von Wohnstraßen, von Haus- oder Grundstücksausfahrten, von Garagen, von Parkplätzen, von Tankstellen, von Feldwegen und dergleichen
kommen. Im vorliegenden Fall traf den Berufungswerber als Lenker eines Fahrzeuges, welches vom Parkplatz eines Einkaufszentrums auf die J.-H.-Straße fahren wollte, die Wartepflicht gegenüber den Fahrzeuglenkern, die sich bereits im fließenden Verkehr in der J.-H.-Straße befunden haben. Dem geforderten Verhalten entgegengesetzt, fuhr der Berufungswerber, ohne auf den fließenden Verkehr zu achten, mit einem Linksabbiegemanöver in die J.-H.-Straße ein und nötigte damit einen PKW-Lenker sein Fahrzeug abzubremsen.
Durch dieses Verhalten hat der Berufungswerber eine Vorrangverletzung gesetzt und diese zu verantworten. Zu den Spruchpunkten 2a) und 2b) des bekämpften Straferkenntnisses:
Die Vorschrift des § 102 Abs 5 lit a bzw. lit b KFG legt Fahrzeuglenkern die Verpflichtung auf, auf Ersuchen von Sicherheitswachebeamten den Führerschein und den Zulassungsschein auszuhändigen. Der Berufungswerber hat diese Rechtsvorschrift dadurch verletzt, indem er das Etui mit den Fahrzeugpapieren dem auffordernden Beamten BI T. zwar hingehalten, das Etui jedoch - ohne die Papiere auszuhändigen - wieder zurückgezogen und zu sich genommen hat.
Zu den Spruchpunkten 4.), 5A), 5B1) des bekämpften Bescheides:
Zufolge § 1 des Stmk. Landesgesetzes vom 25.6.1975, betreffend die Anstandsverletzung, Lärmerregung und Ehrenkränkung, LGBl. Nr. 158/75 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer a) den öffentlichen Anstand verletzt oder b) ungebührlicherweise störenden Lärm erregt. Personen, die gegen diese Bestimmung verstoßen, sind gemäß § 3 des zitierten Gesetzes von der Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde von dieser, mit Geldstrafe bis zu S 3.000,-- oder mit Arrest bis zu 2 Wochen zu bestrafen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird der Tatbestand der Verletzung des öffentlichen Anstandes durch ein Verhalten erfüllen, daß mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht im Einklang steht und daß einen groben Verstoß gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden Pflichten darstellt (vgl. z.B. das HG-Erkenntnis vom 8.6.1983, Slg. 11.077/A). So können insbesondere auch Ausdrücke wegen ihrer Derbheit und ihres ungeziemten Inhaltes geeignet sein, den Anstand zu verletzen.
Es bedarf keiner näheren Erörterung, daß die vom Berufungswerber geäußerten Beschimpfungen gegenüber dem Beamten BI T. als "Schwein" und "Mafiapolizist" die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien der Strafbarkeit erfüllt. Gleiches gilt für das Herunterfallenlassen von einem Sessel und das Kriechen auf allen vieren am Boden. Es kann weder ein Zweifel daran bestehen, daß ein solches Verhalten objektiv geeignet ist, Ärgernis zu erregen und einen Zustand zu schaffen, der geordneten Verhältnissen an einem öffentlichen Ort widerspricht, noch daran, daß dieses Verhalten einen groben Verstoß gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden Pflichten darstellt. Wie festgestellt werden mußte, hat das Verhalten des Berufungswerbers die Ordnung auf dem Wachzimmer Funkstreife gestört, insbesondere hat es einen störungsfreien Parteienverkehr nicht zugelassen.
Die belangte Behörde hat auch zu Recht an die einzelnen Tathandlungen angeknüpft und drei Übertretungen des § 1 erster Fall des schon zitierten Stmk. Landesgesetzes angenommen, nachdem jedes Tatverhalten für sich geeignet war, den öffentlichen Anstand zu verletzen. Zu Spruchpunkt 4.) war die Tatzeit im Hinblick auf die Aktenlage, die sich mit den Beweisergebnissen im Verfahren deckten, auf 21.45 Uhr zu berichtigen. Dies war möglich, weil dem Berufungswerber noch innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist von 6 Monaten der gesamte Akteninhalt und damit auch der den richtigen Tatzeitpunkt enthaltende Bericht von Oberstleutnant K. vom 6.7.1994 zur Kenntnis gebracht worden ist. Die Akteneinsicht erfolgte am 20.12.1994 anläßlich einer Niederschrift über die Vernehmung des Beschuldigten.
Zu Spruchpunkt 5B2) des bekämpften Bescheides:
Der unter Punkt 5B2) angeführte Tatvorwurf, der Berufungswerber habe dadurch, daß er sich von einem Sessel auf den Boden habe fallen lassen und auf allen vieren in Richtung Sozialraum gekrochen sei, die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört, war in dieser Form aus folgenden Gründen nicht aufrechtzuerhalten:
§ 81 Abs 1 des SPG ordnet an, daß derjenige, der durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört, eine Verwaltungsübertretung begeht und mit Geldstrafe bis zu S 3.000,-- zu bestrafen ist. Wie bereits dem Gesetzestext zu entnehmen ist, verlangt die Tatbestandsumschreibung ein "besonders rücksichtsloses Verhalten" des Täters. Ein Einzelverhalten - hier das zu Bodenfallenlassen und am Boden kriechen - das zwar für sich gesehen nicht "besonders rücksichtslos" ist, kann unter Berücksichtigung der konkreten Umstände durch seine Wirkung zu einem solchen werden. In einem solchen Fall ist es aber erforderlich, die Tatumschreibung unter Einbezug dieser Umstände zu formulieren und sie als rücksichtsloses Verhalten gegenüber dem Beschuldigten auszuweisen, damit er auch die Möglichkeit hat, sich entsprechend des Vorwurfes zu verteidigen. Da dies im vorliegenden Fall nicht geschehen ist, dh. von der Behörde keine alle Tatbestandsmerkmale des § 81 Abs 1 SPG umfassende Verfolgungshandlung gesetzt wurde,
war das Straferkenntnis in diesem Spruchpunkt zu
beheben.
Zur Strafbemessung ist auszuführen:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Zu Punkt 1.): Die vom Berufungswerber übertretene Vorrangregel zielt, wie nahezu sämtliche Bestimmungen der StVO darauf ab, die mit dem Straßenverkehr naturgemäß verbundenen Gefahren und Gefährdungsmomente auf ein Mindestmaß zu
reduzieren, nicht zuletzt um Personen- und Sachschäden zu vermeiden. Durch die Nichtbeachtung des Vorranges hat der Berufungswerber einen anderen Verkehrsteilnehmer zu einem Abbremsmanöver
verursacht, welches gerade jenes Gefährdungsmoment enthält, welches durch die Einhaltung der Vorrangregel vermieden werden soll.
Zu den Punkten 2a) und 2b): Die Verpflichtung der Fahrzeuglenker auf Aufforderung, die Fahrzeugpapiere bei einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle Sicherheitswachebeamten auszufolgen, dient unter anderem der Verfolgung von wahrgenommenen Verwaltungsübertretungen, indem anhand der Fahrzeugpapiere die Identität der Fahrzeuglenker festgestellt werden kann. Der Berufungswerber ist nicht nur seiner Aushändigungspflicht nicht nachgekommen; er hat in der Folge durch das Verharren in seiner Verweigerung kurzfristig eine Festnahme seiner Person erforderlich gemacht. Dieser nicht zu vernachlässigende hohe Unrechtsgehalt der Tat hat bei der Strafbemessung Ausdruck zu finden.
Zu den Punkten 4.), 5A) und 5B1): Die vom Berufungswerber gesetzten Anstandsverletzungen stellen einen groben Verstoß gegen den Schutzzweck der Bestimmung des § 1 LGBl. Nr. 158/75 dar, der eine anständige Begegnung zwischen Menschen in
öffentlichem Raum fordert. Durch sein völlig inadäquates Verhalten im Wachzimmer der Bundespolizeidirektion Leoben hat der Berufungswerber nicht nur einzelne Personen beschimpft, sondern gleichzeitig einen öffentlichen Ort durch seine Unmutsäußerungen und durch seine "Darbietungen" den eigentlichen Zweck, Arbeitsstelle für Beamte und Anlaufstelle für Anliegen von Bürgern zu sein, entzogen. Diese nachteiligen Folgen der Taten und deren objektiver Unrechtsgehalt rechtfertigen bereits das von der belangten Behörde festgesetzte Strafausmaß von einem Drittel der zulässigen Höchststrafe.
§ 19 Abs 2 VStG normiert, daß bei der Bemessung der Strafhöhe nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommende Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen sind, wobei auf das Ausmaß
des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen ist.
In Sinne dieser Bestimmung hat die Berufungsbehörde als mildernd nichts, als erschwerend hinsichtlich der Punkte 2a) und 2b) zwei einschlägige Vormerkungen (Straferkenntnisse vom 26.8.1991 und vom 10.9.1992) zu werten.
Die von der belangten Behörde vorgenommene Strafbemessung entspricht den oben zitierten Zumessungskriterien. Die verhängten Strafen sind im Hinblick auf den § 19 Abs 1 VStG gerechtfertigt und unter Einbezug der teilweise wissentlich und absichtlich gesetzten Verwaltungsübertretungen (Anstandsverletzung, Verweigerung der Herausgabe der Fahrzeugpapiere) auch schuldangemessen.
Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Berufungswerbers (derzeit arbeitslos, Arbeitslosenunterstützung in noch nicht festgesetzter Höhe, letzter monatlicher Gehalt in Höhe von S 10.000,--, Sorgepflichten für ein minderjähriges Kind, kein Vermögen, Kreditverpflichtungen) sind vor diesem Hintergrund nicht geeignet, die einzelnen Strafhöhen herabzusetzen. Die verhängten Strafen befinden sich teilweise ohnehin noch im untersten Bereich des möglichen Strafrahmens und sollen grundsätzlich einen spürbaren Nachteil darstellen, um der neuerlichen Begehung derartiger Übertretungen wirksam
vorzubeugen.
Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.