TE UVS Wien 1996/12/05 04/G/20/565/96

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Veröffentlicht am 05.12.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Schopf über die Berufung der Frau Amelie E, wohnhaft in Wien, N-gasse, vertreten durch RA, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 10. Bezirk, vom 23.07.1996, Zl MBA 10 - S 7439/96, wegen Übertretung des § 367 Ziffer 25 Gewerbeordnung 1994 in Verbindung mit Punkt 12 des Bescheides vom 22.11.1983, MBA 10 - Ba 29473/1/83 entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß in der verbalen Tatumschreibung nach dem Wort "Verkaufsraum" der Klammerausdruck "(bei den Kühlvitrinen)" tritt und daß die verletzten Rechtsvorschriften wie folgt lauten: "§ 367 Ziffer 25 GewO 1994 iVm Punkt 12 des Betriebsanlagenbescheides vom 22.11.1983, MBA 10 - BA 29473/1/83, im Zusammenhalt mit der Ö-Norm B 3850 (in der Fassung vom 01.05.1976), Punkt 3.6". Die Berufungswerberin hat daher gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von Schilling 600,--, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen.

Text

Begründung:

Das angefochtene Straferkenntnis enthält folgenden Spruch:

"Sie haben es als Filialgeschäftsführerin der B-Aktiengesellschaft zu verantworten, daß in deren Betriebsanlage in Wien, L-Straße, am 14.05.1996 die folgende Auflage des nachstehend angeführten rechtskräftigen Bescheides nicht eingehalten wurde.

Bescheid vom 22.11.1983, MBA 10 - Ba 29473/1/83:

Punkt 12, wonach die einflügelige Tür vom Verkaufsraum in den Lagerraum brandhemmend (T30) gemäß Ö-Norm B 3850 auszuführen ist, wurde insoferne nicht eingehalten, als die brandhemmende Tür vom Verkaufsraum in den Lagerraum nicht den Anforderungen der Ö-Norm B 3850 entsprach, da die Selbstschließeinrichtung außer Funktion war.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 367 Ziffer 25 Gewerbeordnung 1994 in Verbindung mit Punkt 12 des oben angeführten rechtskräftigen Bescheides.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von S 3.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen, gemäß § 367 Einleitungssatz GewO 1994.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen: S 300,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10% der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher S 3.300,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerechte Berufung der Beschuldigten, in welcher diese im wesentlichen ausführt, daß der ihr im Straferkenntnis zur Last gelegte Sachverhalt nicht strafbar sei. Durch Punkt 12 des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides vom 22.11.1983, sei die Ausführung einer genau bezeichneten Türe als "brandhemmend (T30) gemäß Ö-Norm B 3850" vorgeschrieben worden. Die Eigenschaft "brandhemmend (T30)" sei eine in Ö-Norm B 3850 genau definierte Fähigkeit der jeweiligen Türe, einem Brand zu widerstehen. Durch eine derartige Vorschrift werde aber keinesfalls eine Ausführung der Türe auch im Hinblick auf andere Ausführungsmerkmale, wie sie allenfalls in der Ö-Norm B 3850 enthalten sind, vorgeschrieben. Darüberhinaus hätte es einer wörtlichen Anführung des entsprechenden Punktes der Ö-Norm (in der am 22.11.1983 geltenden Fassung) bedurft, um das Tatbild hinreichend zu konkretisieren. Weiters könne selbst dann, wenn durch den Auflagepunkt die Ausführung der Tür im Hinblick auf sämtliche in der Ö-Norm B 3850 enthaltenen Momente vorgeschrieben wäre, nur die Ausführung der Tür gemeint sein, nicht aber ein bestimmter Zustand der Türe. Es liege sohin jedenfalls keine Verwaltungsübertretung vor, wenn die Tür entsprechend ausgeführt ist; eine zeitweilige Funktionsstörung des Selbstschließmechanismus sei, selbst bei größter Sorgfalt, nicht zu vermeiden und vermöge jedenfalls keinen Mangel in der Ausführung der Türe darzutun.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 26.11.1996 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher Werkmeister W zeugenschaftlich befragt aussagte:

"Bei der Besichtigung konnte festgestellt werden, daß die Tür nicht selbständig ins Schloß fiel und der Selbstschließemechanismus damals außer Funktion war. Möglicherweise war die Feder zu schwach oder es lag am Mechanismus.

Über Befragen des BV gebe ich an, daß die (erg) Türe ordnungsgemäß eingebaut war, der Selbstschließemachanismus war aber defekt. Am 13.9. bei der Nacherhebung war der Mangel dann behoben."

Gemäß § 367 Ziffer 25 GewO 1994 (GewO) begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit Geldstrafe bis zu S 30.000,-- zu bestrafen ist, wer Gebote oder Verbote von gemäß § 82 Abs 1 oder § 82a Abs 1 erlassenen Verordnungen nicht befolgt, oder die gemäß den Bestimmungen der § 74 bis 83 und 359b in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält. Mit Bescheid vom 22.11.1983, MBA 10 - Ba 29473/1/83, wurde unter

Punkt 12 folgende Auflage vorgeschrieben:

"12) Folgende einflügelige Türen sind brandhemmend (T 30) gemäß

Ö-Norm B 3850 auszuführen: die Türen vom Verkaufsraum in die Lagerräume und in das Stiegenhaus, die Türen vom Lagerraum in den Personalraum und in den Arbeitsraum der Fleischer, die Türe zum Lagerraum für Altpapier sowie die Türen des Heizraumes und die Türe vom Kältemaschinenraum in den Kellergang."

Anläßlich einer Revision am 14.05.1996 konnte von einem Organ der MA 36/A festgestellt werden, daß die brandhemmende Tür vom Verkaufsraum in den Lagerraum insofern nicht den Anforderungen der Ö-Norm B 3850 entsprochen hat, da die Selbstschließeinrichtung außer Funktion war.

Für den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien bestand keinerlei Veranlassung, den unter Wahrheitspflicht und der Strafsanktionsdrohung des § 289 StGB einvernommenen Werkmeister W keinen Glauben zu schenken. Der Zeuge vermittelte einen durchaus überzeugenden Eindruck und konnte sich vor Ort ein Bild über die tatsächlichen Gegebenheiten verschaffen. Seine Ausführungen sind durchaus schlüssig und nachvollziehbar. Gleichwertige entgegenstehende Beweise liegen nicht vor.

Punkt 3.6 der Ö-Norm B 3850 (in der im Berufungsfall anzuwendenden Fassung vom 01.05.1976) über die "Selbstschließung" der Brandschutzabschlüsse bestimmt, daß Brandabschlüsse so eingerichtet sein müssen, daß sie von selbst ins Schloß fallen. Bei Selbstschließvorrichtungen dürfen keine auf Verdrehung beanspruchten Flachfedern verwendet werden.

Im Hinblick auf diese Vorschreibung der Selbstschließung hinsichtlich der "Ausführung und Konstruktion" einer Brandschutztüre, entspricht die Tatumschreibung im Straferkenntnis durchaus den Anforderungen des § 44a Ziffer 1 VStG, da Brandschutzabschlüsse so eingerichtet sein müssen, daß sie von selber ins Schloß fallen, was aber bedeutet, daß dann, wenn der Selbstschließmechanismus aus welchen Gründen auch immer, außer Funktion gesetzt ist, eine Selbstschließung nicht mehr gewährleistet ist, weshalb es keiner näheren Umschreibung bedarf, welcher Umstand den Selbstschließmechanismus in seiner Funktion beeinträchtigt hat.

Im Erkenntnis des VwGH vom 28.05.1991, 90/04/0202, sprach der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich einer Verwaltungsübertretung nach § 367 Ziffer 26 GewO 1973 aus, daß das in der Auflage vorgesehene Ersichtlichmachen der Eckpunkte durch Markierungssteine nicht eine bloße Verpflichtung zum einmaligen Herbeiführen der Sichtbarkeit, sondern die Verpflichtung zum dauernden Aufrechterhalten der Sichtbarkeit der Eckpunkte durch die bezeichneten Markierungssteine enthält.

Analog dazu ist der Unabhängige Verwaltungssenat Wien der Auffassung, daß die Verpflichtung in einer Auflage, eine Türe brandhemmend (T 30) gemäß Ö-Norm B 3850 auszuführen, nicht bloß die Verpflichtung zum Einbau einer solchen Brandschutztüre beinhaltet, sondern - entsprechend der eigentümlichen Bedeutung der zur Umschreibung der Verpflichtung verwendeten Worte in ihrem Zusammenhang und entsprechend dem im angefochtenen Bescheid angeführten, die Einhaltung des Genehmigungsumfanges betreffenden Zweck der Anlage, den Durchtritt von Feuer und Rauch trotz begehbarer Öffnungen in Wänden durch die Bildung von Brandabschnitten zu verhindern - auch die Verpflichtung zum dauernden Aufrechterhalten der Brandhemmung. Für den konkreten Fall bedeutet dies, daß es nicht genügt, daß die Türe einmal anläßlich des Einbaues mit einer funktionierenden Selbstschließvorrichtung ausgestattet wurde, sondern muß der durch die Auflage gebotene Zustand der Türe auch aufrecht gehalten werden, was jedoch nicht gegeben war, da der Selbstschließmechanismus - unbestrittenermaßen - außer Funktion war.

Da im vorliegenden Fall somit durch das Nichtfunktionieren der Selbstschließvorrichtung ein selbsttätiges Schließen nach dem Öffnungsvorgang dieser Tür nicht gewährleistet war und diese somit nicht den an eine Brandschutztüre im Sinne der Ö-Norm B 3850 gestellten selbstschließenden Anforderungen entsprochen hat, war vom Vorliegen des objektiven Tatbestandes auszugehen. Zur subjektiven Seite - somit zum Verschulden - ist auszuführen, daß es sich bei der vorliegenden Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamsdelikt handelt, weil zum Tatbestand weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört und die Verwaltungsvorschrift über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts bestimmt. In einem solchen Fall ist gemäß § 5 Abs 1 VStG Fahrlässigkeit anzunehmen - wenn der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Das bedeutet, daß der Beschuldigte initiativ alles darzulegen hat, was für seine Entlastung spricht, was in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch die Beibringung von Beweismitteln bzw die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen hat. Dem Vorbringen der Berufungswerberin, sie hätte zwar die ihr unterstehenden Mitarbeiter entsprechend geschult und laufend (zumeist täglich) kontrolliert, daß es dennoch bisweilen zu Unlänglichkeiten kommen könne, liege in der auch von ihr nicht beseitigbaren Unvollkommenheit ihrer Mitarbeiter, ist entgegenzuhalten, daß solche allgemeinen Behauptungen darüber, daß Überprüfungen laufend erfolgen, nicht geeignet sind, mangelndes Verschulden im Sinne des § 5 Abs 1 2. Satz VStG glaubhaft zu machen.

Die Spruchänderung diente einer genaueren Tatumschreibung sowie der Anführung des Unterpunktes 3.6 der Ö-Norm B 3850 (vgl VwGH 22.12.1992, 92/04/0168).

Zur Strafbemessung ist folgendes auszuführen:

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist die Grundlage der Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß Abs 2 leg cit sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen, die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Die Tat schädigte in nicht unerheblichem Maße das durch die gesetzliche Vorschrift geschützte Interesse an der Einhaltung von Bescheidauflagen für gewerbliche Betriebsanlagen, die ein gefahrloses Betreiben der Betriebsanlage gewährleisten. Deshalb war der Unrechtsgehalt der Tat an sich, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, groß, zumal im Brandfall durch das Nichtfunktionieren der Selbstschließvorrichtung die Bildung von Brandabschnitten nicht gewährleistet und dadurch eine flächenmäßige Ausbreitung eines Brandes begünstigt gewesen wäre. Das Verschulden der Berufungswerberin kann nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen war, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.

Die zur Tatzeit vorliegenden einschlägigen Vormerkungen wurden erschwerend gewertet.

Auf die doch eher überdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse und die Vermögenslosigkeit wurde Bedacht genommen. Sorgepflichten konnten mangels lediglichen Hinweises bei der Strafbemessung keine Berücksichtigung finden.

Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und auf den bis zu S 30.000,-- reichenden gesetzlichen Strafsatz, ist die verhängte Geldstrafe durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, zumal im Verfahren keine Milderungsgründe hervorgetreten sind. Zum Vorbringen der Berufungswerberin, auf Grund des geringen Verschuldens wäre gemäß § 21 VStG von einer Strafe abzusehen, ist zu bemerken, daß Voraussetzung für ein Vorgehen nach § 21 VStG einerseits die Geringfügigkeit des Verschuldens und andererseits das unbedeutende Ausmaß der Folgen der festgestellten Übertretung ist. Auflagezweck der Ausgestaltung der Tür vom Verkaufsraum in den Lagerraum als brandhemmend ist aber einerseits nicht nur eine Vermeidung einer Gefährdung des im § 71 Abs 1 GewO angeführten Rechtsgutes des Lebens und der Gesundheit von Personen, sondern auch andererseits die Möglichkeit einer raschen Brandbekämpfung und eine Verhinderung des Ausbreitens eines Brandes. Auf Grund dieser in Kauf genommenen Gefährdungen kann aber von einem unbedeutenden Ausmaß der Folgen der festgestellten Übertretung nicht gesprochen werden (vgl dazu VwGH vom 28.03.1989, 88/04/0170).

Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs 1 und 2 VStG.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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