Gemäß §66 Abs4 AVG iVm §§24, 51 Abs1 und 51e Abs2 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß §45 Abs1 Z1 VStG eingestellt.
Begründung
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin vorgeworfen, sie habe etwa Mitte Dezember 1994 in der Wildschönau, Niederau, beim Hotel "V" den Schirm für eine "Schirmbar" aufgestellt bzw. montiert, ohne die für die Tätigkeit erforderliche Gewerbeberechtigung für die Ausübung des "Schlossergewerbes" zu besitzen. Dadurch habe sie eine Übertretung nach §366 Abs1 Z1 GewO 1994 begangen, weshalb über sie gemäß §336 Abs1 (gemeint §366 Abs1) GewO 1994 eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- verhängt wurde.
Dagegen wurde innerhalb offener Frist Berufung erhoben. In dieser wird zunächst darauf verwiesen, daß "nur" eine Gewerbeberechtigung für Montage und Zusammenbau von Rolläden und Sonnenschutz bestehe. Es möge suspekt klingen, daß dieses Gewerbe unter "Tapezierer und Bettwarenerzeugung" falle, es bestehe jedoch für Sonnenschutz keine eigene Branche.
Nach Rücksprache mit der Handelskammer und Gewerbebehörde sei man völlig überzeugt, daß ein Schirm, welche Größe auch immer, ein Sonnen- bzw. Wetterschutz sei.
Die Behauptung, daß die Herstellung von Großschirmen nur dem Schlosser zustehe, entspringe dem Gehirn des Herrn M (Anzeiger und Geschäftsführer eines Konkurrenzunternehmens).
Herr D übe den Beruf eines Werkzeugmachers aus und sei weithin bekannt, daß in diesem Beruf die Genauigkeit erst dort anfange, wo sie bei einem Schlosserbetrieb bereits aufhöre. Auch sei die Behauptung des Anzeigers nicht richtig, es gebe in bezug auf die Schirme keine Statik bzw. Einreichpläne.
Die Herstellung der Schirme erfolge durch absolute Fachfirmen. Die gesamte Hydraulik stamme von der Firma XY, H. W. KG. Auch seien die Monteure des Unternehmens der Berufungswerberin mindestens Schlosser oder Maschinenschlosser.
Die Firma M betreibe ihr Geschäft mit unsauberen Mitteln und stelle ungerechtfertigte Behauptungen auf.
Eine Gegendarstellung gegenüber der Erstbehörde sei auf Grund der Hektik vor der Urlaubszeit versehentlich unterblieben.
Auf seiten der Berufungsbehörde wurde eine Stellungnahme der Tiroler Wirtschaftskammer, Sektion Gewerbe, eingeholt. In dieser Stellungnahme vom 20.12.1995 wird im wesentlichen ausgeführt, daß die Montage eines Großschirmes fachmännische Erfahrungen und Kenntnisse voraussetze, welche sowohl nach Ansicht der Tiroler Innung der Schlosser, Landmaschinentechniker und Schmiede als auch der Sektion Gewerbe und Handwerk dem Schlosser vorbehalten sei.
Die Tiroler Innung der Schlosser, Landmaschinentechniker und Schmiede vertritt in ihrem Schreiben an die Sektion Gewerbe und Handwerk der Tiroler Wirtschaftskammer vom 19.12.1995 die Auffassung, daß Großschirme - auch für die Befestigung und Verankerung - infolge der stark anfallenden Windkräfte auf die gesamte Schirm-Anlage einer fachmännischen Erfahrung und Kenntnis bedürften, die eben nur ein Schlosser besitze. Diesen Erfordernissen Rechnung tragend, sei die Vermittlung dieser Kenntnisse sowohl im Berufsbild des Schlossers (2.-4. Lehrjahr) als auch des Bauschlossers (2. und 3. Lehrjahr) enthalten. Die Tätigkeit des Tapezierers würde sich wohl nur auf das Bespannen von Sonnenschutzanlagen dieser Größe beschränken.
In der Folge wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Dabei wurde der Ehegatte der Berufungswerberin, welcher im Verfahren als deren Vertreter einschritt, als Zeuge einvernommen.
Dabei machte er folgende Angaben:
"Die Riesenschirme wurden von mir in Gemeinsamkeit mit der Firma W entwickelt. Es erfolgten auch Berechnungen um die Festigkeit feststellen zu können. Die Schirme werden von verschiedenen Schloßereibetrieben erzeugt. Es sind dies die Firmen G und K. Die Stoffbespannung wird von der Firma B in Innsbruck erzeugt. Die komplette Hydraulik bzw. Steuerung des Schirmes von der Firma W. Genau genommen heißt die Firma W jetzt Firma XY. Unser Unternehmen ist damit befaßt, die Riesenschirme dann an Ort und Stelle aufzustellen. Die Bespannung wird auch an Ort und Stelle angebracht. Es wird der komplett fix und fertig zusammengebaute Masten aufgestellt. In der Folge werden dann bei einem 8 Meter Schirm die 16 Spriegel eingesetzt. In der Folge werden diese Spriegel mit der Stoffbespannung überzogen. Es müßten sämtliche elektrischen Anschlüsse bauseits erstellt werden. Die Riesenschirme sind mit einer Hydraulik mit elektrischem Betrieb ausgestattet. Ein derartiger Riesenschirm ist in ca. 2 Stunden, spätestens 2 1/2 Stunden fertig aufgebaut. Meines Wissens nach bestehen Europaweit nur 2 Firmen, welche die Montagen von derartigen Riesenschirmen durchführen. Dies ist einerseits die Firma M, von welcher die Anzeige stammt, sowie andererseits mein Unternehmen. Bisher wurden durch unser Unternehmen 34 Stück Riesenschirme montiert. Bei mir fängt ein Riesenschirm erst ab einem Durchmesser von 7 m an. Ich bin aber auch Generalvertreter für Schirme mit einem Durchmesser bis zu 6 m. Diese werden dann allerdings mit einem Kugelgetriebe betrieben.
Der im Akt befindliche Einreichplan wurde von mir in Auftrag gegeben, beim Baumeister S in Bad Häring. Die statische Berechnung stammt vom technischen Büro Ing. K. Diese statische Berechnung wurde auch von mir in Auftrag gegeben.
Der mir vorgelegte Einreichplan, welcher aus einem Doppelblatt besteht, ist vollständig.
Wenn mir der letzte Absatz des Schreibens der Wirtschaftskammer und davon die ersten 6 Zeilen vorgelesen werden, in welchen davon die Rede ist, daß die Firma D als Generalunternehmer tätig sei, so gebe ich an, daß die Darstellung grundsätzlich richtig ist, wobei die Beurteilung, ob unser Unternehmen Generalunternehmer ist, eine rechtliche Würdigung darstellt.
Das Tapezierer- und Bettwarenerzeuggewerbe, eingeschränkt auf Montage und Zusammenbau von Rolläden und Sonnenschutz wurde seinerzeit im Nachsichtswege erteilt. Damals lachte jeder, weil ich mit Tapezieren und Bettwaren überhaupt nichts zu tun habe."
Nach Durchführung dieser Verhandlung stellte der unabhängige Verwaltungssenat in Tirol beim Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten einen Antrag gemäß §349 Abs1 Z1 GewO 1994 zur Entscheidung über den Umfang einer Gewerbeberechtigung im Verhältnis zu einer anderen Gewerbeberechtigung. Darüber hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Bescheid vom 20.11.1996 wie folgt entschieden:
Für das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren ergibt sich damit folgendes:
Gemäß §366 Abs1 Z1 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen ist, wer ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.
Im gegenständlichen Fall war strittig, inwieweit das Aufstellen bzw. die Montage eines Großschirmes für eine Schirmbar vom Umfang der für das Unternehmen der Berufungswerberin bestehenden Gewerbeberechtigung erfaßt ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, daß in einem Verwaltungsstrafverfahren, in welchem die Überschreitung des Umfanges einer Gewerbeberechtigung eine zu lösende Vorfrage darstellt, gemäß §349 Abs3 GewO 1994 von Amts wegen ein Antrag auf Entscheidung gemäß §349 Abs1 leg cit zu stellen ist und das Unterlassen einer derartigen Antragstellung einen Verfahrensfehler darstellt.
Im vorliegenden Fall wurde seitens des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten gemäß §349 Abs1 Z1 GewO 1994 nach Maßgabe des §29 leg cit festgestellt, daß die Gewerbeberechtigung der Berufungswerberin für das "Tapezierer- und Bettwarenerzeugergewerbe, eingeschränkt auf Montage und der Zusammenbau von Rolläden und Sonnenschutz", unbeschadet der Befugnisse des Schlossergewerbes, die Befugnis zur Montage (zum Zusammenbau) von Riesenschirmen - im gegenständliche Fall mit einem Druchmesser bis zu 8 Metern - umfaßt.
Auf Grund dieser Beurteilung steht weiters fest, daß der Berufungswerberin in bezug auf die Aufstellung bzw. Montage des im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses näher bezeichneten Großschirmes die Ausübung eines Gewerbes, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben, nicht vorgeworfen werden kann.
Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.