Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl-Heinz Liebenwein über die Berufung des Herrn M. R., gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 22.12.1995, GZ.: A3-K-St 465/1995-1, nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 10.9.1996, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 12.10.1995 in den Nachmittagsstunden im E-Gebäude des LSKH
Graz, Wagner-Jauregg-Platz 1, rezeptpflichtige Arzneimittel zur entgeltlichen Abgabe angeboten und dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 6 Abs 1 Z 2 in Verbindung mit § 1 Abs 2 Rezeptpflichtgesetz, BGBl. Nr. 413/1972 i.d.g.F. begangen.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn auf der Rechtsgrundlage des § 6 Abs 1 Z 2 Rezeptpflichtgesetz eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- (im Falle deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Tagen) verhängt.
Ferner wurden gemäß § 64 VStG S 300,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.
Gegen dieses Straferkenntnis wurde fristgerecht Berufung erhoben und die angelastete Verwaltungsübertretung entschieden in Abrede gestellt. Der Berufungswerber gab an, nie mit solchem Zeug etwas zu tun gehabt zu haben, geschweige denn habe er damit gehandelt. Er besuche das Cafe des LSKH, da dort die Preise niedrig wären und er sich nichts anderes leisten könne. Gelegentlich spiele er dort Karten und Schach.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat erwogen:
Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde,
sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder
Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache
selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den
angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung
abzuändern.
Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung im Sinne
des § 32 leg. cit. vorgenommen worden ist; die Verjährungsfrist bei einer Verwaltungsübertretung, wie der verfahrensgegenständlichen, beträgt 6 Monate,
diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat.
Als verjährungsunterbrechende Verfolgungsschritte gelten
alle Handlungen der Behörde, die nach Art und Bedeutung die Absicht der Behörde zum Ausdruck
bringen, den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden Verdacht auf eine im Verwaltungsstrafgesetz vorgeschriebene Weise zu
prüfen, sohin den behördlichen Verfolgungswillen in Richtung einer bestimmten strafbaren Handlung zu verwirklichen (VwGH 12.5.1989, 87/17/0152). Eine Verfolgungshandlung muß, damit sie den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließt, wegen eines bestimmten (strafbaren) Sachverhalts erfolgen. Dies erfordert unter anderem, daß sie sich auf alle, die Tat betreffenden Sachverhaltselemente zu beziehen hat.
Eine Verfolgungshandlung unterbricht somit nur dann die Verjährung, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat
(VwGH 19.9.1984, Slg 11525A, vgl. auch VwGH 22.12.1992, Zl. 91/04/0199).
Gemäß § 44 a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was das erstgenannte Erfordernis anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zur
vorgeworfenen Straftat stehende wörtliche Ausführungen
erforderlich.
Im Gesamtzusammenhang mit den bisherigen
Ausführungen ergibt sich, daß durch die Erstinstanz dem
nunmehrigen Berufungswerber sowohl im Ladungsbescheid vom 28.11.1995 als auch im Spruch
des nunmehr angefochtenen Bescheides angelastet
wurde "...... rezeptpflichtige Arzneimittel zur entgeltlichen
Abgabe angeboten" zu haben. Auch in der diesem Verfahren zugrunde liegenden Anzeige finden sich keinerlei nähere Ausführungen, vielmehr wird in dieser nur von "diversen Medikamenten" gesprochen.
Im § 2 Abs 1 des Rezeptpflichtgesetzes 1972 ist jedoch ausdrücklich normiert, daß mit Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz zu bestimmen ist, welche Arzneimittel im Sinne des § 1 Abs 1 und 2 des Rezeptpflichtgesetzes einerseits als rezeptpflichtige Arzneimittel zu gelten haben, die andererseits aber wiederum nur in Apotheken zur Abgabe bereitgehalten, angeboten oder abgegeben werden
dürfen (siehe Rezeptpflichtverordnung, BGBl. Nr. 475/1973 i.d.g.F.).
In Zusammenschau mit der auch nicht außer Betracht zu bleibenden Tatzeit ist aber festzustellen, daß zwar in der Anzeige vom 23.11.1995 der Bundespolizeidirektion
Graz, Zl. III-4662/3-95 ausgeführt wird, daß der nunmehrige Berufungswerber gemeinsam mit einem
gewissen F. mit Medikamenten einen Handel betreiben soll, wobei diverse Beruhigungstabletten wie Valium, Rohypnol etc. angeboten worden sein sollen. Am 13.10.1995 soll F. einem Patienten 25 Stück Valium verkauft haben. Dazu wird darauf hingewiesen, daß Herr E. F. wegen eben des ihm konkret vorgeworfenen
Verkaufes von 25 Stück Valium rechtskräftig verurteilt wurde (siehe UVS 30.12-22/96-19 vom 24.6.1996).
Hinsichtlich des Berufungswerbers R. finden sich aber neben den bereits erwähnten überaus allgemein
gehaltenen Feststellungen in der Anzeige keinerlei konkrete Hinweise, daß dieser zu der ihm angelasteten Tatzeit und am angegebenen Tatort tatsächlich rezeptpflichtige Medikamente verkauft hat, insbesonders um welche Arzneimittel im Sinne der §§ 1 ff Rezeptpflichtgesetz 1972 i.d.g.F. es sich gehandelt hat. Vorallem um die in der Anzeige angeführten Angaben des Arztes Dr. M. zu verifizieren, die offensichtlich kausal für die Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses der belangten Behörde waren, wonach nämlich der Berufungswerber am 12.10.1995 in den Nachmittagsstunden im E-Gebäude des LSKH in Graz
einigen Patienten "diverse Medikamente" angeboten
habe, fand am 10.9.1996 vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark eine öffentliche, mündliche Verhandlung statt. Wenngleich auch der Berufungswerber zu dieser Verhandlung unentschuldigt nicht erschienen ist, weshalb diese im Sinne des § 51 f Abs 2 VStG in seiner Abwesenheit durchgeführt wurde, ist von verfahrensrelevanter Bedeutung, daß der einvernommene Zeuge Dr. M. dabei seine Angaben in der zitierten Anzeige dahingehend relativert hat, daß er selbst den Berufungswerber zur angegebenen Zeit und am angegebenen Ort beim Handel mit rezeptpflichtigen Medikamenten nicht gesehen hat. Vielmehr beziehen sich seine diesbezüglichen Angaben auf Mitteilungen, die ihm von Patienten zugegangen sind.
Gerade diese Aussage unterstreicht aber nach
Dafürhalten der erkennenden Behörde die unabdingbare
Notwendigkeit nach dem Erfordernis, den Spruch bei
einer Übertretung wie es die verfahrensgegenständliche darstellt, insoferne zu konkretisieren, als zumindest anzugeben wäre, welche rezeptpflichtigen Medikamente zur entgeltlichen Abgabe tatsächlich angeboten wurden. Wie bereits eingangs erwähnt, finden sich diesbezüglich jedoch weder in der Anzeige vom 13.10.1995, dem Ladungsbescheid vom 28.11.1995 noch im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses vom 22.12.1995
jedwede konkreten Hinweise. Da somit von keiner tauglichen Verfolgungshandlung, die geeignet gewesen wäre Grundlage für ein Verwaltungsstrafverfahren durch Unterbrechung der Verfolgungsverjährungsfrist zu
werden, auszugehen ist, war im Sinne der angeführten gesetzlichen Bestimmungen spruchgemäß zu
entscheiden.