Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Mag Fridl über die Beschwerde des Herrn Jose Luis V, vertreten durch Rechtsanwalt, vom 29.6.1995 wegen Art 129 a B-VG §§ 88 Abs 1 und 2 ua SPG in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 20.12.1996 entschieden:
I. Maßnahmenbeschwerde:
Der Beschwerdeführer (im folgenden: Bf) wurde nach seiner Festnahme am 16.6.1995, um 1.40 Uhr, vor dem Lokal A in Wien, Neue Donau, dadurch einer rechtswidrigen Behandlung durch ein Organ der Bundespolizeidirektion Wien unterzogen, als er - nachdem ihm bereits Handfesseln angelegt worden waren - von einem Sicherheitswachebeamten an den Haaren gerissen und gezerrt wurde; in weiterer Folge dadurch, als ihm in der Garage des Kommissariats D - ebenfalls in mit Handfesseln geschlossenem Zustand - zwei Beamte mindestens drei Ohrfeigen versetzten, als einer dieser beiden Beamten versuchte, ihn von hinten zwischen die Schenkel zu schlagen, und als er von einem dieser Beamten gegen eine Türe und zuletzt auf einer Treppe gestoßen wurde.
Gemäß § 67c Abs 4 AVG wird diese Ausübung von verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt.
Die Beschwerde wird, soweit der Versuch eines Beamten, dem Bf zwischen der Datenaufnahme und dem Anlegen von Handfesseln in die Hoden zu treten und das Versetzen eines Schlages ins Gesicht in diesem Zeitraum, sowie das Versetzen von Schlägen in das Gesicht des Beschwerdeführers bei Abgabe in die Haftzelle behauptet wird, gemäß § 67c Abs 4 AVG zurückgewiesen.
Die Beschwerde wird, soweit eine Verletzung des § 47 Abs 1 SPG behauptet wird, zurückgewiesen.
Der Bund (Bundesminister für Justiz) hat dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von S 18.920,-- binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren des Beschwerdeführers hinsichtlich des Schriftsatzauswandes wird als unbegründet abgewiesen.
II. Richtlinienbeschwerde:
Gemäß § 89 Abs 4 SPG wird festgestellt, daß § 6 Abs 1 Z 2 RLV und § 5 Abs 1 RLV nicht verletzt wurden.
Gemäß § 79a AVG iVm § 89 Abs 4 und 5 SPG iZm der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl Nr 855/1995, wird dem Beschwerdeführer als Kostenersatz zu Handen der belangten Behörde die Bezahlung von S 3.500,-- für den Verhandlungsaufwand, zahlbar binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution, auferlegt.
Begründung:
In der rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wird beantragt, die Amtshandlung der Bundespolizeidirektion Wien am 17.61.1995 (offensichtlich gemeint: 16.6.1995) gegenüber dem Beschwerdeführer insoweit für rechtswidrig zu erklären, als der Beschwerdeführer
1.)
in seinem Recht auf persönliche Freiheit,
2.)
seinem Recht gem Art 5 EMRK, unverzüglich über die Gründe der Festnahme unterrichtet zu werden,
3.)
in seinem Recht gem Art 3 EMRK,
4.)
im Recht gem § 6 Abs 1 Z 2 RLV,
5.)
in seinem Recht gem § 5 Abs 1 RLV
6.)
sowie durch Mißachtung der Menschenwürde und Schonung der Person
7.)
in seinem Recht gem § 47 Abs 1 SPG und
8.)
in seinem Recht auf ein faires Verfahren
verletzt worden sei.
Diese Beschwerde wurde mit mit Schriftsatz vom 26.7.1996 insofern eingeschränkt, als die Beschwerdeanträge hinsichtlich der behaupteten Verletzung der persönlichen Freiheit und des Rechts gem Art 5 EMRK, unverzüglich über die Gründe der Festnahme unterrichtet zu werden, zurückgezogen wurden.
Der nunmehr dieser Entscheidung verbleibende Sachverhalt wurde in der Beschwerdeschrift wie folgt dargestellt:
"Am 17.6.1995 hielt ich mich gegen 1.30 Uhr auf der Donauinsel in Wien in der Nähe des Lokal "A" auf, als ich von Beamten der belangten Behörde angehalten und durchsucht wurde. Die Beamten nahmen von mir meine persönlichen Daten auf. Während dieser Datenaufnahme versuchte mich einer der Beamten durch Beinstellen zu Fall zu bringen. Dabei kam der Beamte selbst zu Sturz. Der Beamte, von dem Ausdünstungen wie nach dem Alkoholkonsum ausgingen, versuchte hierauf, mir in die Hoden zu treten und versetzte mir einen Schlag ins Gesicht.
Dann legte mir der Beamte Handfesseln an und zog mich an meinem Haarschopf. Ich wurde zum Polizeikfz abgeführt und zum Komissariat D gefahren. In der Garage versetzten mir beide Beamten mehrere Schläge ins Gesicht. Ich wurde mit dem Gesicht gegen eine Türe gestoßen.
...
(Bei der Abgabe in die Haftzelle erhielt ich nochmals Schläge ins
Gesicht.
...
Von der Mißhandlung durch die Beamten trug ich eine Verletzung an
der Oberlippe sowie Rötung auf den Wangen und eine Kiefersperre
davon.
...
Ich wurde von den Gründen meine Festnahme nicht unterrichtet. II. Beschwerdegründe
Durch das Versetzen zahlreicher Schläge in sein Gesicht sowie das Stoßen seines Gesichts gegen eine Türe sei der Bf
...
in seinem Recht gem Art 3 EMRK im Verbot der unmenschlichen oder
erniedrigenden Behandlung
...
und in seinem Recht auf unvoreingenommene und nicht diskriminierende Behandlung sowie auf Achtung der Menschenwürde und Schonung der Person verletzt worden.
In der Gegenschrift der Bundespolizeidirektion Wien wird ausgeführt, daß - entgegen den Behauptungen in der Beschwerde - keinerlei Mißhandlungen des Bf erfolgten.
Sie stellt daher den Antrag die Beschwerde in diesen beiden Punkten als unzulässig zurückzuweisen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 24.10.1995, 12.12.1995, 16.2.1996 und 4.7.1996 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Bf und die Zeugen Insp Herbert Se, RvI Willibald Sto, Insp Renate Ro, Roman Pe, Helmut Sta, Isabel Du, (Mutter des Bf), Christian G, (Lebensgefährte der Mutter des Bf), Dr Sami Ay, Helmut Ch, Rubeye De, Skender Re vernommen wurden.
Beweis wurde ferner erhoben durch Einsicht in den Gerichtsakt 3bE Vr 8679/95 Hv 5309/95.
Gegen die drei bei der Amtshandlung beteiligten Beamten waren Strafanzeigen eingebracht worden, die mittlerweile gemäß § 90 zurückgelegt wurden. (Zahl 151 Ba 109633)
Der Bf wurde wegen § 15, 269, 107 Abs 1 StGB vom Landesgericht f Strafsachen Wien mit Urteil vom 15.1.1996 zu einer Geldstrafe verurteilt.
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens wird folgender Sachverhalt als erwiesen angenommen:
Der Bf hielt sich am 16.6.1995, gegen 1.30 Uhr mit seinen Freunden Helmut Ch, Rubeye De, Skender Re im Bereich Copa Cagrana auf. Vor der Discothek A machte er gegenüber dem dortigen Sicherheitsbeauftragten die Geste des Kopfabschneidens, nachdem er von diesem des Einbruchsdiebstahls verdächtigt worden war. Kurz darauf kam ein Funkstreifenwagen mit den Beamten Se, Sto und Ro. Während Sto und Ro wegen des Einbruchsverdachts bei einem nahegelegenen Bootshaus Nachschau hielten, sprach Se, der erst jetzt von Pe von der Drohgeste erfuhr, die Festnahme aus. Der Bf versetzte Se einen Stoß, sodaß dieser zu Sturz kam. Erst mit Hilfe des mittlerweile zurückkehrenden Beamten Sto und des Sicherheitsbeauftragten konnte der Bf überwältigt und mit Handschellen geschlossen werden. Danach wurde der Bf, der seine langen Haare zu einem Zopf geflochten hatte, an den Haaren gerissen und an den Haaren zum StKw gezerrt. Dort wurde der Bf gegen das Fahrzeug gedrückt und weiterhin an den Haaren gehalten. Die drei Freunde des Bfs und Gäste des A beobachteten das Geschehen, soweit es das Haarezerren betrifft. In der Folge wurden in der Garage der Kommissariats D dem Bf von den Beamten Se und Sto mindestens drei Ohrfeigen versetzt und es wurde von einem dieser Beamten versucht, ihm von hinten zwischen die Schenkel zu schlagen, was jedoch nicht gelang. Der Bf wurde gegen eine Türe gestoßen und fing sich mit der Schulter ab, um nicht mit dem Kopf gegen die Türe zu schlagen. Auf der Treppe wurde er noch einmal gestoßen, er lief jedoch mit, sodaß er nicht zu Sturz kam. Nicht festgestellt konnte werden, daß ein Beamter versuchte hätte, dem Bf zwischen der Datenaufnahme und dem Anlegen von Handfesseln in die Hoden zu treten und er ihm einen Schlag ins Gesicht versetzt hätte, ferner, daß dem Bf bei der Abgabe in die Haftzelle ins Gesicht geschlagen wurde.
Beweiswürdigung:
Was das Haarereißen betrifft, gründen sich die Feststellungen auf die im wesentlichen übereinstimmenden und glaubwürdigen Angaben der Zeugen Helmut Ch, Rubeye De, Skender Re und des Bf. Was die Mißhandlungen des Bf in der Garage betrifft, gründen sich die Feststellungen allein auf die Angaben des Bf.
Dazu ist folgendes auszuführen:
1. Wenn sich Sicherheitsheitswachebeamte schon in aller Öffentlichkeit nicht davor scheuen, einen Festgenommenen einer erniedrigenden Behandlung (an den Haaren Zerren) zu unterziehen, läßt schon dies den Schluß zu, daß sie dieses Verhalten außerhalb der Öffentlichkeit fortsetzen.
2. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat entstand überdies die Überzeugung, daß Insp Se gegen den Bf extrem aufgebracht war. Die Gründe dafür liegen nahe: Der Zeuge Se war bei der Auseinandersetzung mit dem Bf - ebenfalls in aller Öffentlichkeit - zu Sturz gekommen, er hatte dabei eine Abschürfung am Finger erlitten und er war trotz der augenscheinlichen körperlichen Unterlegenheit des eher schmalwüchsigen Bf sogar kurzzeitig auf die Hilfe anderer Personen angewiesen. Vor allem durch den Sturz war er also in eine - im wahrsten Sinn des Wortes - erniedrigende Situation geraten, die dem Allgemeinverständnis von Polizeihandeln diametral entgegenstand. Nach allen Regeln der Wahrscheinlichkeit war er daher einer hohen emotionalen Belastung ausgesetzt. Der Aggressionsstau entlud sich zwar nur teilweise - immerhin aber schon in dieser Situation deutlich nach außen erkennbar - am Haarereißen.
Die stark aggressionsgeladene Stimmung hatte der Zeuge Pe eindrucksvoll wie folgt illustriert: "Ich hatte nicht den Eindruck, daß der Bf schlecht oder außerhalb der Norm behandelt oder mißhandelt worden wäre. Im Gegenteil, ich hätte erwartet, daß er 'Salz' bekommt."
Im übrigen legt der Unabhängige Verwaltungssenat auf die Angaben dieses Zeugen nur wenig Gewicht. Dieser Zeuge zeigte sich in der Verhandlung als außerordentlich widerspenstig und nicht gewillt, an der Wahrheitsfindung ernsthaft mitzuwirken. Seine Angaben erschöpften sich nicht selten in zynischen Bemerkungen. Als Sicherheitsbeauftragter (vom Bf und dessen Freunden wurde er als "Türsteher" bezeichnet) dürfte er einem Milieu angehören, in dem die dem Bf angediehene Behandlung (an den Haaren Zerren) als durchaus normal empfunden wird.
Nicht gefolgt wird den Zeugen Se und Sto, daß sie den Bf nicht in der Garage geschlagen und getreten hätten.
Hingegen zeigte sich die Aufrichtigkeit des Bf schon darin, daß er die Beschwerdeausführungen relativierte und abschwächte. So machte er aus "mehrere(n) Schlägen" (in der Beschwerde) drei bis vier Ohrfeigen und korrigierte das Stoßen des Gesichts gegen eine Türe zu einem Versuch, den er abfangen konnnte.
Was die Aussagen der Freunde des Bfs betrifft, ist zu sagen, daß diese nicht in allen Details übereinstimmten. Dies schädigt ihre grundsätzliche Glaubwürdigkeit in der Kernfrage, ob der Bf an den Haaren gerissen wurde, aber nicht. Es handelt sich nach dem Eindruck des UVS bei diesen drei Zeugen um eher einfach strukturierte Persönlichkeiten, denen die Raffinesse zu übereinstimmend falschen - noch dazu mit aller Überzeugung vorgetragenen - Zeugenaussagen sicherlich fehlt.
Daß ein Beamter versuchte hätte, dem Bf zwischen der Datenaufnahme und dem Anlegen von Handfesseln in die Hoden zu treten, konnte deswegen nicht festgestellt werden, da in diesem Zeitraum der Sicherheitswachebeamte Se vom Bf bedrängt, ja sogar zu Boden gestoßen worden war, schließlich der Hilfe anderer Personen bedurfte, um des Bfs habhaft zu werden. Die Mißhandlung in der behaupteten Form ist angesichts dieser Situation weder von Seiten Ses (am Boden liegend) noch von Sto (der mit dem Anlegen von Handfesseln beschäftigt war) nachvollziehbar.
Daß dem Bf bei der Abgabe in die Haftzelle ins Gesicht geschlagen wurde, wurde schließlich vom Bf selbst in seiner Einvernahme nicht mehr aufrechterhalten.
Es wird aufgrund der Angaben des Bf, seiner Mutter Isabel Du und deren Lebensgefährten Christian G ferner als erwiesen angenommen, daß der Bf Schwellungen im Gesicht und eine geringfügig blutende Verletzung im Mundwinkel davontrug. Das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens reicht jedoch nicht aus, diese Mißhandlungsspuren auf die in der Garage erlittenen Mißhandlungen zurückzuführen. Dies deswegen nicht, da die meisten Attacken in der Garage gegen den Bf - wie er selbst ausführte - nicht gelangen und Ohrfeigen in aller Regel nicht zu blutenden Verletzungen im Mundbereich führen. Nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit wird daher als erwiesen angenommen, daß diese Mißhandlungsspuren auf die körperliche Auseinandersetzung mit den Sicherheitswachebeamten und dem Zeugen Pe vor dem Anlegen der Handfesseln zurückzuführen sind, wobei allerdings nicht mehr feststellbar ist, ob sie von den Sicherheitswachebeamten oder von Pe herrührten. Einzig der Zeuge De hatte von einem Schlag durch einen Polizisten im Bereich des A gesprochen, und auch das nur in der Möglichkeitsform ("ich glaube ..."). Das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens reicht daher auch nicht aus, diese Mißhandlungsspuren auf ein Verhalten der Sicherheitswachebeamten vor dem A zurückzuführen.
In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:
Gemäß Art 3 MRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Nach Art 1 Abs 4 PersFrG 1988 ist, wer festgenommen oder angehalten wird, unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person zu behandeln und darf nur solchen Beschränkungen unterworfen werden, die dem Zweck der Anhaltung angemessen oder zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung am Ort seiner Anhaltung notwendig sind.
Weder das Reißen an den Haaren noch die Schläge in der Kommissariatsgarage waren, nachdem der Bf bereits geschlossen war, zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung notwendig. Es kam nämlich kein Umstand hervor, daß vom Bf, nachdem ihm Fesseln angelegt worden waren, eine Gefährdung ausgegangen war, der nur durch Zerren an den Haaren begegnet hätte werden können. Dies trifft sinngemäß auf eine allenfalls angenommene Fluchtgefahr in diesem Zeitraum zu. Die Schläge in der Garage bedürfen keiner weiteren Erörterung.
Das Reißen an den Haaren vor dem Lokal A und die Schläge in der Garage sind daher als erniedrigende Behandlung, die unter Mißachtung der Menschenwürde gesetzt wurden, zu qualifizieren. Wie bereits oben dargestellt erfolgte das Reißen und Halten an den Haaren in der Öffentlichkeit, wurde auch von etlichen Personen (jedenfalls den als Zeugen vernommenen Freunden des Bf) beobachtet und ist daher als qualifiziert erniedrigende Behandlung anzusehen. Illustrativ hatte der Zeuge Ch dieses Halten an den Haaren mit dem Führen eines Hundes an der Leine verglichen.
Diese Maßnahmen waren daher als rechtswidrig zu erklären.
§ 47 Abs 1 SPG bestimmt:
Jeder nach § 45 Festgenommene oder nach § 46 Vorgeführte hat das Recht, daß auf sein Verlangen ohne unnötigen Aufschub und nach seiner Wahl ein Angehöriger, in den Fällen des § 45 Abs 1 Z 2 und des § 46 auch ein Rechtsbeistand von der Festnahme (Vorführung) verständigt wird. Bei der Festnahme (Vorführung) und Anhaltung ist auf die Achtung der Menschenwürde des Betroffenen und auf die möglichste Schonung seiner Person Bedacht zu nehmen. Mit dem Vorbringen der belangten Behörde, daß der Bf nicht dem in den §§ 45 und 46 umschriebenen Personenkreis (Geisteskranke, Unmündige etc) angehört, ist sie im Recht. Die Beschwerde war daher diesbezüglich zurückzuweisen.
Richtlinienbeschwerde:
Aufgrund der in der Verhandlung vom 16.2.1996 vorgelegten und dem BfV ausgehändigten Sachverhaltsmitteilung gem § 89 Abs 2 SPG vom 11.9.1995 samt Zustellschein (hinterlegt am 19.9.1995) steht fest, daß diese zwar an den Vertreter des Bf adressiert war, die Zustellung laut Rückschein jedoch an den Bf selbst erfolgte. Die belangte Behörde brachte vor, daß § 89 SPG ein formelles Verfahren nach dem AVG dezitiert ausschließe, und sich aus der einschlägigen Literatur ergebe, daß eine Mitteilung gem § 89 Sicherheitspolizeigesetz keinen Bescheid darstelle und deswegen auch die strengen Bestimmungen des AVG und ZustellG nicht anzuwenden seien, weswegen die Sachverhaltsmitteilung, welche innerhalb offener Frist dem Herrn V als Bf zugestellt worden sei, als rechtskräftig zugestellt betrachtet werden müsse. Im Sinne dieser Zustellung habe der Bf seine Frist gem § 89 Abs 4 SGP versäumt, weswegen schon aus diesem Grunde eine Zurückweisung erfolgen müsse.
Der unabhängige Verwaltungssenat teilt diese Auffassung nicht. § 9 Abs 1 Zustellgesetz bestimmt nämlich, daß dann, wenn eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt ist, die Behörde, sofern im Gesetz nichts anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen hat. Geschieht dies nicht, so gilt nach dieser Bestimmung die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.
Da in diesem Gesetz von Schriftstücken die Rede ist und zwischen Bescheiden und Nichtbescheiden nicht unterschieden wird, wäre die Sachverhaltsmitteilung jedenfalls dem Vertreter des Bf zuzustellen gewesen.
Es war daher zu prüfen, ob die Sachverhaltsmitteilung dem BfV zu einem Zeitpunkt zwischen dem 19.9.1995 und 16.2.1996 zukam. Der BfV brachte dazu vor, daß er bis zum 16.2.1996 keine Sachverhaltsdarstellung im Sinne des § 89 Abs 2 SPG erhalten habe. Es gibt keinen Grund, an der Richtigkeit dieses Vorbringes zu zweifeln. Ferner wurde die Mutter des Bf dazu vernommen. Sie gab an, nicht einmal eine Hinterlegungsanzeige vorgefunden zu haben. Diesem Vorbringen kommt zwar in rechtlicher Hinsicht keine Bedeutung zu, da das Schriftstück nicht an sie adressiert war, bekräftigt jedoch das oben dargestellte Vorbringen des BfV. Der Antrag gemäß § 89 Abs 4 SPG auf Entscheidung über die behaupteten Verletzungen der Richtlinie durch den UVS vom 19.2.1996 wurde von Seiten des Bf daher fristgerecht eingebracht. Gemäß § 5 Abs 1 RLV haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei der Erfüllung ihrer Aufgaben alles zu unterlassen, das geeignet ist, den Eindruck von Voreingenommenheit zu erwecken oder als Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes, der Rasse oder Hautfarbe, der Nationalität oder ethnischen Herkunft, des religiösen Bekenntnisses, der politischen Auffassung oder der sexuellen Orientierung empfunden zu werden. Der Bf ist chilenischer Staatsangehöriger und unterscheidet sich in seinem Äußeren (Typus, Gesichtsschnitt, Haar- und Hautfarbe) von einem Durchschnittsösterreicher.
Im Verfahren kam indes nichts hervor, daß die festgestellten Mißhandlungen in irgendeinem Zusammenhang mit der erkennbar nichteuropäischen Herkunft des Bf gestanden wären. Andere Gründe für Voreingenommenheit oder Diskriminierung kamen von vornherein nicht in Betracht und wurden auch nicht behauptet. Bei der aggressiven Haltung des Zeugen Se gegen den Bf handelt es sich nicht um "Voreingenommenheit" im Sinne dieses Gesetzesbestimmung, da der Bf diese Haltung durch sein Verhalten provoziert hatte (was jedoch nichts - wie oben ausgeführt - an der Rechtswidrigkeit des behördlichen Handelns ändert).
Gemäß § 6 Abs 1 Z 2 RLV ist dem (von einer Amtshandlung) Betroffenen der Zweck des Einschreitens bekanntzugeben, es sei denn, dieser wäre offensichtlich oder die Bekanntgabe würde die Aufgabenerfüllung gefährden.
Nach Auffassung des UVS ist dieser Beschwerdepunkt durch die Zurückziehung der Beschwerde gem Art 5 MRK ebenfalls erledigt. Es war daher nicht mehr näher darauf einzugehen.
Korrektur des Datums der Amtshandlung
Der Vertreter des Bfs führte in der Verhandlung aus, daß das Datum richtig zu lauten habe: 16.6.1995 und nicht wie in der Beschwerde ausgeführt: 17.61.1995. Dies treffe auch sinngemäß zu den Ausführungen zum Sachverhalt und zu den Beschwerdegründen (I. und II. der Beschwerde) zu.
Dazu führte der Vertreter der Behörde aus, die Beschwerde sei in allen Punkten eventualiter als unzulässig zurückzuweisen, da am 17.6.1995 keine Amtshandlung gegen den Bf stattgefunden habe. Dem ist entgegenzuhalten, daß sich schon aus der Formulierung "17.61.1995" zweifelsfrei ein offenkundiger Schreibfehler ergibt, der nicht zur Zurückweisung der Beschwerde berechtigt.
Kosten
Der Kostenzuspruch an die Beschwerdeführer gründet sich auf § 79a AVG und die Aufwandersatzverordnung UVS BGBl 855/95, wonach dem Beschwerdeführer als obsiegender Partei S 8.400,-- für Schriftsatzaufwand und S 10.400,-- für Verhandlungsaufwand zustehen. Daraus errechnet sich unter Berücksichtigung des weiteren Kostenersatzanspruches für eine Stempelmarke in Höhe von S 120,-- der Kostenersatzanspruch in Gesamthöhe von S 18.920,--. Die vom Bf zusätzlich bekämpften angeblichen Mißhandlungen vor dem A und bei Abgabe in die Haftzelle, sowie eine angebliche Verletzung des § 47 Abs 1 SPG stellen nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien - obzwar ein eigener Abspruch möglich ist - wegen ihres engen inhaltlichen Konnexes einen Teil der Beschwerde gegen die Amtshandlung vom 16.6.1995 dar, weswegen die Beschwerde iSd § 50 VwGG, "gegen einen Verwaltungsakt" gerichtet anzusehen ist. Die als Einheit zu beurteilende Beschwerde hatte demnach teilweise Erfolg und der Bf gilt als obsiegende Partei.
Kostenersatz für Verhandlungsaufwand betreffend Richtlinienbeschwerde:
Gemäß § 79a AVG steht der obsiegenden Partei der Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu. Demnach war dem Kostenbegehren der belangten Behörde von S 3.500,-- für Verhandlungsaufwand (gem BGBl 855/1995) als obsiegender Partei im beantragten Ausmaß stattzugeben. Hingegen war das Kostenbegehren des Bf abzuweisen.