TE UVS Steiermark 1997/01/22 30.5-14/96

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Veröffentlicht am 22.01.1997
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Reingard Steiner über die Berufung der Frau I. F., gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 19.12.1995, GZ.: CST-7937/95, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird die Berufung dem Grunde nach abgewiesen.

Hinsichtlich der verhängten Strafe wird der Berufung dahingehend Folge gegeben, daß über die Berufungswerberin gemäß § 19 VStG eine Strafe von S 500,--, im Uneinbringlichkeitsfall 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, welche binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten ist, verhängt wird.

Dadurch vermindert sich der Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz auf den Betrag von S 50,--; dieser ist binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten.

Text

Mit dem im Spruch näher bezeichneten Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin zur Last gelegt, eine Übertretung des § 20 Abs 2 StVO dadurch begangen zu haben, daß sie am 4.3.1995 um 12.41 Uhr in Graz, Kärntner Straße Nr. 59, in Richtung stadteinwärts als Lenkerin des Kraftfahrzeuges GS-INFR 1, die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 16 km/h überschritten habe (Radarmessung). Hiefür wurde gemäß § 99 Abs 3 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe von S 700,--, im Uneinbringlichkeitsfall 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt und gemäß § 64 VStG als Kostenbeitrag zum erstinstanzlichen Strafverfahren S 70,-- vorgeschrieben.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung vom 3.1.1996.

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark ist bei seiner Entscheidung, welche bei der im bekämpften Bescheid verhängten Geldstrafe von S 700,-- gemäß § 51 e Abs 2 VStG ohne Durchführung einer Verhandlung auf Grund der Aktenlage getroffen werden konnte, von nachstehender Sach- und Rechtslage ausgegangen:

Die Berufungswerberin bestreitet nicht, die ihr angelastete Verwaltungsübertretung begangen zu haben. Wie aus dem Berufungsvorbringen hervorgeht, vertritt die Berufungswerberin, wie bereits in ihrem Einspruch vom 29.6.1995, die Ansicht, der bereits im Juli 1994 der belangten Behörde überwiesene Betrag von S 1.000,-- sei im gegenständlichen Verfahren in Anrechnung zu bringen bzw. wäre die Berufungswerberin bereit, bei Überweisung des ihr zustehenden Betrages von S 1.000,-- die S 500,-- Anonymverfügung im vorliegenden Fall zur Einzahlung zu bringen.

Wie aus dem Akt der Vorinstanz hervorgeht, ist zur Anonymverfügungszahl 958003 007935, welche das gegenständliche Strafverfahren betrifft, keine Einzahlung erfolgt. Von der Berufungswerberin wurde in diesem Zusammenhang in ihrem Einspruch vom 29.6.1995 die Anonymverfügung Zahl 958003 008935 vom 10.4.1995 genannt. Die belangte Behörde stellt in diesem Zusammenhang zu der von der Berufungswerberin behaupteten Einzahlung des Geldbetrages von S 1.000,-- fest, daß sich dieser Geldbetrag auf ein anderes

Verfahren vor der belangten Behörde, und zwar zu GZ.:

CST-11.255/94 und nicht auf das gegenständliche

Verfahren bezieht. Dazu ist folgendes festzuhalten:

Zur Verfahrensbeschleunigung im Verwaltungsstrafrecht sieht § 49a VStG vor, daß die Ausforschung des unbekannten Täters vorerst unterbleiben und eine Geldstrafe ohne Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch Anonymverfügung vorzuschreiben ist. Gemäß § 49a Abs 5 VStG ist die Anonymverfügung einer Person zuzustellen, von der die Behörde mit Grund annehmen kann, daß sie oder ein für sie gemäß § 9 verantwortliches Organ den Täter kennt oder leicht feststellen kann. Gemäß § 49a Abs 6 leg. cit. wird auch die Anonymverfügung gegenstandslos, wenn nicht binnen vier Wochen nach Ausfertigung die Einzahlung des Strafbetrages mittels Beleges erfolgt.

Im gegenständlichen Berufungsfall steht unbestritten fest, daß die Berufungswerberin den ihr in der gegenständlichen Anonymverfügung vorgeschriebenen Betrag nicht einbezahlt hat, da sie offenbar der Meinung war, durch die Einbezahlung des Geldbetrages von S 1.000,-- zu einer einen anderen Vorfall betreffenden Anonymverfügung in einem ebenfalls bei der Bundespolizeidirektion Graz anhängigen Strafverfahren sei der ihr vorgeschriebene Strafbetrag von S 500,-- auf Grund dieses bestehenden "Guthabens", welches in Anrechnung zu bringen sei, abgedeckt. Da somit unbestritten der mit der gegenständlichen Anonymverfügung vorgeschriebene Geldbetrag nicht zur Einzahlung gelangt ist, wurden die gesetzlich vorgeschriebenen Folgen der Verweigerung, die Einleitung eines ordentlichen Verfahrens dadurch ausgelöst. Wie die belangte Behörde bereits im Rahmen des Rechtshilfeersuchens der Berufungswerberin gegenüber zum Ausdruck gebracht und auch im angefochtenen Straferkenntnis näher ausgeführt hat, ist auf Grund der bestehenden Rechtslage nur dann, wenn die Berufungswerberin im Verwaltungsstrafverfahren die verspätete Einzahlung des durch Anonymverfügung vorgeschriebenen Geldbetrages nachweist, in diesem durch die betreffende Anonymverfügung ausgelösten Verfahren der Strafbetrag zurückzuzahlen oder anzurechnen, wobei aus dem Nachweis der verspäteten Zahlung eindeutig hervorgehen muß, daß die Einzahlung des Strafbetrages mittels Beleges die gegenständliche Anonymverfügung betrifft.

Da ein solcher Nachweis nicht erbracht worden ist, und von der Berufungswerberin ein entsprechender Umstand auch nicht behauptet wurde, konnte dem Berufungsbegehren keine Folge gegeben werden.

Der Berufungswerberin kann auch auf Grund der bestehenden Rechtslage kein schuldausschließender Rechtsirrtum zugebilligt werden. Nach § 5 Abs. 2 VStG entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Die Unkenntnis eines Gesetzes kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann als unverschuldet angesehen werden, wenn jemandem

die Verwaltungsvorschrift trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist (siehe VwGH 27. September 1988, Zl. 88/08/0113, und die dort angeführte Vorjudikatur). Die Berufungswerberin kann sich deshalb nicht mit Erfolg darauf berufen, daß ihr die dargestellte Rechtslage nicht bekannt war, da man von einem geprüften Kraftfahrzeuglenker von vornherein annehmen kann, daß ihm die im Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges geltenden Bestimmungen bekannt sind. Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß gemäß § 19 Abs 1 VStG Grundlage hiefür stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen ist, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Die Bestimmung des § 20 Abs 2 StVO, wonach im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h gefahren werden darf, dient im Hinblick auf die in verbauten Gebieten gegebenen besonderen Verkehrsverhältnisse - Fußgänger, dichter Fahrzeugverkehr, Ein- und Ausfahrten, Kreuzungen etc. - im besonderen Maß der Verkehrssicherheit. Die Berufungswerberin hat durch das festgestellte Verhalten gegen diesen Schutzzweck verstoßen.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.

Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die Erstbehörde hat als strafmildernd oder straferschwerend nichts gewertet. Da im Verwaltungsstrafverfahren sinngemäß die im gerichtlichen Strafrecht maßgebenden Umstände in Betracht kommen, stellt die absolute Unbescholtenheit der Beschuldigten einen Milderungsgrund dar (VwSlg. 9755 A/1979). Die Nichtberücksichtigung eines Milderungsgrundes bedeutet eine inhaltliche Rechtswidrigkeit. Dadurch, daß die Behörde bei der Strafbemessung die Frage der Unbescholtenheit der Berufungswerberin als Milderungsgrund gar nicht in Erwägung gezogen hat, war es der Berufungsbehörde aufgetragen, unter Berücksichtigung der Unbescholtenheit der Berufungswerberin das Strafausmaß auf die im Spruch festgesetzte Höhe herabzusetzen.

Dieser nunmehr auf S 500,-- herabgesetzte Betrag ist im Hinblick auf den im Gesetz vorgesehenen Strafrahmen - gemäß § 99 Abs 3 lit. a StVO bis zu S 10.000,-- - auch den persönlichen Verhältnissen der Berufungswerberin, die ihren eigenen Angaben nach den Beruf einer Konsulentin für Finanz- und Rechnungswesen ausübt, angepaßt, zumal die verhängte Geldstrafe ohnehin nur im unteren Strafbereich liegt.

Schlagworte
Anonymverfügung Anrechnung Einzahlung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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