TE UVS Wien 1997/01/23 04/A/28/241/95

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Veröffentlicht am 23.01.1997
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch Mag Pfeifer als Vorsitzende, Mag Zotter als Berichter und Dr Königshofer als Beisitzer über die Berufung des Herrn Christian S, vertreten durch RA, vom 3.5.1995 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 18.4.1995, Zl MBA 23 - S 1606/95, wegen Übertretungen ad A) § 28 Abs 1 in Verbindung mit § 7 und § 9 des Arbeitszeitgesetzes BGBl Nr 461/1969 in der derzeit geltenden Fassung und ad B) § 28 Abs 1 in Verbindung mit § 12 des Arbeitszeitgesetzes BGBl Nr 461/1969 in der derzeit geltenden Fassung, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 14.1.1997, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Begründung:

Das angefochtene Straferkenntnis enthält folgenden Spruch:

"Sie haben als verantwortlich Beauftragter Filialleiter der "B-Aktiengesellschaft" im Sinne des § 9 Abs 1 VStG 1991 zu verantworten, daß diese Gesellschaft mit dem Sitz in K in der Filiale in Wien, K-straße, am 5., 6. und 7. September 1994

A) die in der Beilage A, die einen Bestandteil des

"Straferkenntnisses" bildet, genannten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen an den in dieser Beilage genannten Tagen zu den in der Beilage A genannten Stunden länger als maximal 10 Stunden täglich beschäftigt hat und,

B) den in der Beilage B, die einen Bestandteil des

"Straferkenntnisses" bildet, genannten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen nach Beendigung der Tagesarbeitszeit nur die in der Beilage B genannte Ruhezeit, und somit keine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden gewährt hat,

Sie haben dadurch folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

Ad A) 44 Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs 1 in Verbindung mit § 7 und § 9 des Arbeitszeitgesetzes BGBl Nr 461/1969 in der derzeit geltenden Fassung

Ad B) 44 Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs 1 in Verbindung mit § 12 des Arbeitszeitgesetzes BGBl Nr 461/1969 in der derzeit geltenden Fassung.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

1 mal Schilling 88.000,-- oder Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tag(en) und 1 mal Schilling 64.000,-- oder Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tag(en)

Gesamt: Schilling 152.000,-- (pro Arbeitnehmer S 2.000,--), Summe der Ersatzfreiheitsstrafen 28 Tag(e) gemäß § 28 leg cit in Verbindung mit § 9 VStG 1991

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

15.200,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10 % der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 167.200,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."

In der dagegen erhobenen Berufung wurde zunächst Verjährung eingewendet.

In der vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien am 29.6.1995 durchgeführten Berufungsverhandlung hat der Vertreter des Berufungswerbers den Einwand der Verjährung zurückgezogen und die Verwirklichung eines strafbaren Sachverhaltes in Abrede gestellt. Im weiteren Verfahren hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien aufgrund der im angefochtenen Straferkenntnis erfolgten Umschreibung der Verantwortlichkeit ("verantwortlich beauftragter Filialleiter im Sinne des § 9 Abs 1 VStG") der Erstbehörde aufgetragen, Nachweise betreffend die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Berufungswerbers einzuholen. Daraufhin übermittelte der Vertreter des Berufungswerbers eine Mitteilung, wonach der Berufungswerber gemäß § 9 Abs 2 VStG zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden wäre. Diesem Schreiben ist ein Dienstvertrag zwischen dem Berufungswerber der B-AG vom 16.10.1991 angeschlossen. Darin heißt es unter anderem, daß der Berufungswerber gemäß § 9 Abs 2 VStG für die Einhaltung aller Verwaltungsvorschriften im Markt verantwortlich ist. Der Dienstvertrag wurde vom Berufungswerber und einem Vertreter des Dienstgebers unterfertigt. Am 23.10.1995 übermittelte die Erstbehörde ein Schreiben der BH Wien-Umgebung vom 4.9.1996, worin dem MBA 23 mitgeteilt wird, daß das gegen den Berufungswerber eingeleitete Strafverfahren eingestellt werden könne, da von der BH Wien-Umgebung ein Vorstandsmitglied der Firma B-AG als das zur Vertretung nach außen berufene Organ gemäß § 9 Abs 1 VStG in dieser Angelegenheit rechtskräftig bestraft worden sei. In der am 14.1.1997 fortgesetzten Berufungsverhandlung beantragte die Vertreterin des Berufungswerbers die Einstellung des Verfahrens, da er verwaltungsstrafrechtlich nicht verantwortlich sei.

Der Vertreter des Arbeitsinspektorates brachte vor, er gehe nicht davon aus, daß der Berufungswerber Bevollmächtigter gemäß § 28 Arbeitszeitgesetz sei und wies darauf hin, daß ein gemäß § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener für den gegenständlichen Sachverhalt bereits zur Verantwortung gezogen worden sei.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

§ 9 Abs 1, 2 und 4 VStG haben folgenden Wortlaut:

(1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

(4) Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

Gemäß § 23 Abs 1 Arbeitsinspektionsgesetz (ArbIG) wird die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 und 3 VStG für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes erst rechtswirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des/der Bestellten eingelangt ist.

Ungeachtet des Umstandes, daß die über die angebliche Bestellung des Berufungswerbers zum verantwortlichen Beauftragten übermittelte Urkunde (Dienstvertrag vom 16.10.1991) den Anforderungen insbesondere des § 9 Abs 4 VStG nicht entspricht, da der für den seiner Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis nicht zugewiesen ist, wurde die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten auch dem Arbeitsinspektorat gemäß § 23 Abs 1 ArbIG nicht bekanntgegeben. Aus diesen Gründen ist eine Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit an den Berufungswerber nicht rechtswirksam erfolgt. Dies wurde auch in einem betreffend die gegenständlichen Übertretungen eingeleiteten Verfahren gegen einen gemäß § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufenen des Arbeitgebers rechtskräftig festgestellt. Aus dem Grunde des § 9 Abs 2 VStG ist der Berufungswerber daher verwaltungsstrafrechtlich nicht verantwortlich.

Gemäß § 28 des Arbeitszeitgesetzes (AZG) in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung sind für Verstöße gegen dieses Bundesgesetz jeweils der Arbeitgeber und dessen Bevollmächtigte zur Verantwortung zu ziehen.

Im vorliegenden Fall war daher zu prüfen, ob der Berufungswerber als Bevollmächtigter des Arbeitgebers anzusehen und in dieser Funktion verantwortlich ist.

Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof jüngst folgendes festgestellt:

Bei der Bestellung eines Bevollmächtigten nach § 28 Abs 1 AZG müssen nicht die strengen Voraussetzungen des § 9 Abs 4 VStG (zum Beispiel die nachweisliche Zustimmung des Beauftragten) eingehalten werden und besteht demnach keine Identität zwischen den verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs 2 VStG und dem Bevollmächtigten nach § 28 Abs 1 AZG, durch den demgemäß im Sinne des § 9 Abs 1 VStG insofern anderes bestimmt wird. Bevollmächtigte im Sinne des § 28 Abs 1 AZG sind Personen, die mit ihrem Einverständnis vom Arbeitgeber mit der Überwachung der Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen betraut und von diesem mit den entsprechenden Anordnungsbefugnissen und Entscheidungsbefugnissen zu ihrer Durchsetzung ausgestattet werden. Die Zuständigkeit eines Arbeitnehmers für einen bestimmten Aufgabenbereich begründet noch nicht seine Stellung als Bevollmächtigter im Sinne des § 28 Abs 1 AZG (VwGH vom 30.1.1996, 95/11/0087).

Im Sinne dieser Rechtsprechung ist davon auszugehen, daß der Berufungswerber nicht Bevollmächtigter im Sinne des § 28 Abs 1 AZG ist. Im Dienstvertrag sind seine Zuständigkeiten aufgelistet, jedoch findet sich darin kein Hinweis darauf, daß er mit der Überwachung der Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen betraut und vom Arbeitgeber mit den entsprechenden Anordnungs- und Entscheidungsbefugnissen zu ihrer Durchsetzung ausgestattet wurde. Da die Zuständigkeit des Arbeitnehmers allein für einen bestimmten Aufgabenbereich nach der zitierten Judikatur nicht seine Stellung als Bevollmächtigter im Sinne des § 28 Abs 1 AZG begründet, ist der Berufungswerber auch nicht auf Grundlage dieser Bestimmung für Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Daher war das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren gegen den Berufungswerber einzustellen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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