TE UVS Wien 1997/02/04 06/08/437/95

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Veröffentlicht am 04.02.1997
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch Dr Rotter als Vorsitzende, Dr Pipal als Berichter und Mag Fritz als Beisitzer über die Berufung des Herrn Manfred S, vertreten durch Frau Dr Elisabeth U, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 16. Bezirk, vom 30.6.1995, Zl MBA 16-S 1553/95, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 39 Abs 1 lit a Z 1 iVm § 15 Abs 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl Nr 325/1990, idgF, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 2.10.1996 und am 28.10.1996 entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Gemäß § 65 VStG wird daher kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vorgeschrieben.

Text

Begründung:

I. Der Berufung liegt folgendes Verfahren in der ersten Instanz zugrunde:

1. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lautet:

"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener der M-Handelsgesellschaft mbH zu verantworten, daß diese Gesellschaft am 03.02.1995 in Wien, H-gasse, bestückte Leiterplatten (Elektronikschrott) und somit gefährlichen Abfall im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes gesammelt und behandelt hat, ohne hiefür eine Erlaubnis des Landeshauptmannes gemäß § 15 Abs 1 Abfallwirtschaftsgesetz besessen zu haben.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 39 Abs 1 lit a Z 1 iVm § 15 Abs 1 Abfallwirtschaftsgesetz, BGBl 325/1990 idgF

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Schilling 50.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Wochen.

gemäß § 39 Abs 1 lit a Abfallwirtschaftsgesetz in Verbindung mit § 9 VStG 1991

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

5.000,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10% der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 55.000,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."

2. Dieser Vorwurf ergab sich aus einer Verhandlungsschrift des Magistrates der Stadt Wien vom 3.2.1995 über eine Überprüfung der Betriebsanlage im Standort Wien, H-gasse: "... Weiters wurde festgestellt, daß in einigen Fässern und auf einer Palette mit Aufsatz Leiterplatten gelagert wurden. Auch hiebei handelt es sich um einen gefährlichen Abfall. Die Betriebsinhaberin hat keine Genehmigung nach § 15 AWG zur Lagerung und Sammlung von gefährlichen Abfällen. ..."

Die Magistratsabteilung 22 teilte mit Schreiben vom 20.2.1995 ua

mit: "... Bestückte Leiterplatten (Elektronikschrott) gelten als

gefährlicher Abfall; sie können toxische Schwermetalle enthalten.

..."

Der Beschuldigte brachte in seiner Rechtfertigung vom 20.3.1995

vor: "... Wir haben bestückte Leiterplatten nicht gesammelt und

behandelt. Falls die Kommission, die am 03.03.1995 auf dem Firmengelände der M-Handelsgesellschaft mbH war, derartiges Material gesehen haben sollte (mein anwesender Vater Manfred S sen wurde darauf nicht aufmerksam gemacht), kann es sich nur um ein Einzelstück handeln, das irrtümlich zusammen mit anderen Waren erworben worden ist. ..."

3. In der rechtzeitigen Berufung wurde ua ergänzend vorgebracht, daß die bis 1987 in diesem Standort tätige Buntmetallgroßhandlung

S & Sohn auch bestückte Leiterplatten verarbeitet habe und die bei der Überprüfung beanstandeten daher noch aus den Beständen dieser Firma stammten.

II. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

1. Zuerst war die Schuldfrage zu überprüfen:

1.1. Der objektive Tatbestand war folgendermaßen zu beurteilen:

1.1.1. Die verletzte Verwaltungsvorschrift lautet:

Gemäß § 15 Abs 1 erster Satz AWG bedarf, wer gefährliche Abfälle oder Altöle sammelt (abholt oder entgegennimmt) oder behandelt (verwertet, ablagert oder sonst behandelt), hiefür einer Erlaubnis des Landeshauptmannes.

Nach § 39 Abs 1 lit a Z 1 dieses Gesetzes begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von S 50.000,-- bis S 500.000,-- zu bestrafen, wer die Tätigkeit eines Abfall(Altöl)sammlers oder Abfall(Altöl)behandlers ausübt, ohne im Besitz der gemäß § 15 Abs 1 erforderlichen Erlaubnis zu sein, oder sie entgegen § 15 Abs 5 oder 6 oder nach einer Entziehung gemäß § 15 Abs 8 ausübt.

Gemäß § 1 der Verordnung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die Festsetzung gefährlicher Abfälle, BGBl Nr 49/1991, wird für die Festsetzung von gefährlichen Abfällen, deren ordnungsgemäße Behandlung besondere Umsicht und besondere Vorkehrungen im Hinblick auf die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs 3 des Abfallwirtschaftsgesetzes) erfordert und deren ordnungsgemäße Behandlung jedenfalls weitergehender Vorkehrungen oder einer größeren Umsicht bedarf, als dies für die Behandlung von Hausmüll entsprechend den Grundsätzen des § 1 Abs 3 erforderlich ist, die ÖNORM S 2101, "Überwachungsbedürftige Sonderabfälle", ausgegeben am 1.12.1983, für Altmedikamente mit der Maßgabe des § 2 Z 18 und 19 sowie für Altöle mit der Maßgabe des § 2 Z 24, für verbindlich erklärt.

Nach § 2 Z 21 dieser Verordnung gelten als gefährliche Abfälle weiters toxische Schwermetalle enthaltende Produkte, wie insbesondere Akkumulatoren, Batterien, Cartridges von Kopiergeräten und Laserdruckern, Gasentladungslampen, anzugeben mit der jeweils in der ÖNORM S 2100 angeführten Schlüsselnummer. In der ÖNORM S 2101 (Katalog gefährlicher Abfälle) finden sich unter der Schlüssel-Nummer 35327 "NE-Metallemballagen und -behältnisse mit Restinhalten, ausgenommen sind Emballagen mit nicht gefährlichen Restinhalten".

1.1.2. Der Sachverhalt wurde auf folgende Weise festgestellt:

a) Das Ermittlungsverfahren brachte nachstehende Ergebnisse:

Da aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt nicht nachvollziehbar war, welche Art von Leiterplatten in welchem Umfang vorgefunden wurden und welche Beweismittel es dafür gibt, wurde die Erstbehörde um diesbezügliche Angaben ersucht, worauf die Namen der "anwesenden Sachverständigen der MA 36-A, Dr D, und der MA 22, Dr F", mitgeteilt wurden.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 2.10.1996 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, bei welcher der Berufungswerber folgendes angab:

"Unsere Firma war ein Rohstoffhändler, der Sitz der Firma ist in Wien, D-gasse. In Wien, H-gasse war der Lagerplatz der Firma. Es könnten damals auch Materialien der Fa Carl G (KG, Komplementär ist die genannte GmbH, Kommanditisten mehrere Familienangehörige) auf diesem Lagerplatz gewesen sein, genau kann ich mich aber nicht mehr erinnern.

Ob zum Tatzeitpunkt Leiterplatten auf diesem Lagerplatz gewesen sind, weiß ich nicht, weil ich damals zu kurz dort war. Später haben wir unbestückte Leiterplatten entsorgen lassen, und zwar als Kunststoffabfälle bei der Firma E (ca 10 kg). Möglicherweise waren diese Leiterplatten noch von der früheren Tätigkeit der Buntmetallgroßhandlung S & Sohn dort vergessen worden. Diese Firma hat Leiterplatten gekauft und zur Edelmetallbeschaffung weiterverkauft.

Das Areal hat ca 600 m2, es wurden dort alle Arten von Rohstoffen gelagert. Damals waren wir gerade beim Übersiedeln mit der Carl G KG, möglicherweise sind dabei die Leiterplatten zum Vorschein gekommen. Die Rohstoffe waren normalerweise nur wenige Tage dort zwischengelagert. Möglicherweise sind die Leiterplatten wegen des ständigen Wechsels bis zu diesem Zeitpunkt nicht aufgefallen.

Über Befragen der Vertreterin des Bw:

Wann haben Sie zum ersten Mal davon erfahren, daß sich dort Leiterplatten befinden?: Durch den Bescheid.

Sie meinen, durch die Aufforderung zur Rechtfertigung?: Ja. Meine Firma hat nie Leiterplatten angekauft, verkauft oder behandelt.

Meiner Erinnerung nach befanden sich auf den Leiterplatten nur

noch Kunststoff und Keramikteile."

Herr Manfred S sen sagte als Zeuge aus:

"Ich will aussagen.

Die Buntmetallgroßhandlung S & Sohn wurde von der Firma H eingeladen, edelmetallhaltige Abfälle einschließlich Leiterplatten zur Edelmetallrückgewinnung anzubieten, was wir auch getan haben. Diese Leiterplatten haben wir im wesentlichen von der Elektroindustrie gekauft, in Kartons verpackt und zu H geschickt. Dies begann ca im Jänner 1987 und wir haben dann ca 2 oder 3 Lieferungen im Laufe von ca 1 1/2 Jahren getätigt. Im Februar 1995 hatte ich keine Funktion mehr in der Firma, ich habe aber kurzfristig ausgeholfen, weil mein Sohn einen Termin hatte. Es war dort ein Gefäß mit einem Inhalt von ca 30 - 40 Liter, möglicherweise wurden die Leiterplatten seit 1987 vergessen. Ich glaube, es waren nur die Widerstände auf den Leiterplatten. Einer der Beamten hat mich danach gefragt und dann habe ich gesagt, daß wir das Material vor Jahren verwerten haben lassen.

Über Befragen der Vertreterin des Bw:

Wir haben die gesamten Leiterplatten umarbeiten lassen auf Edelmetallinhalt. Die Widerstände bestehen aus einer Stahl-Nickellegierung."

Herr Dr F gab als Zeuge folgendes an:

"Wir führten damals eine unangesagte Überprüfung durch. Ich habe in einer Palette (ca 40 cm hoch, ca 50 cm breit, ca 80 cm lang) und in mehreren Fässern (die genaue Anzahl weiß ich nicht mehr) bestückte und unbestückte Leiterplatten gesehen. Wir haben deshalb eine entsprechende Anzeige gelegt, weil Leiterplatten toxische Schwermetalle enthalten, wie Blei, Nickel, Kupfer.

Ich habe Herrn S sen dort gesehen, aber nicht mit ihm gesprochen, weil wir noch auf den Betriebsinhaber gewartet haben. Dann hat uns Herr S jun der Anlage verwiesen. Über die Frage, was dort gelagert wird, ist kein Gespräch zustandegekommen. Das Tor war offen, als wir bei dem Lagerplatz eintrafen. Ob dort auch andere Firmen ansässig sind, weiß ich nicht.

Über Befragen der Vertreterin des Bw:

In der Verhandlungsschrift vom 3.2.1995 ist deshalb von "Leiterplatten" die Rede, weil es sich um bestückte und unbestückte Leiterplatten handelte. Außerdem ist es unerheblich für den Gehalt an toxischen Schwermetallen, weil auch unbestückte Leiterplatten diese enthalten.

Enthalten alle Leiterplatten toxische Schwermetalle?: Sie enthalten auf jeden Fall Kupfer. Ich stütze mich dabei auf die Studie der AK aus 1996.

Wissen Sie noch, was auf den bestückten Leiterplatten darauf war?:

Nein. Über Vorhalt der Angaben des Zeugen S sen, wonach die Widerstände darauf waren: Das ist möglich. Auf die Frage, welche Teile noch auf den Leiterplatten waren, habe ich kein großes Augenmerk gelegt, weil es für die Frage der Gefährlichkeit nicht erheblich ist, ob es sich um bestückte oder unbestückte handelt. Die Widerstände bestehen aus Keramik und Metall, welches Metall weiß ich im Augenblick nicht."

Herr Dr D machte bei seiner Zeugeneinvernahme folgende Angaben:

"Wir waren im Jahre 1995 zweimal in dieser Betriebsanlage. Es gab später noch eine zweite Überprüfung der Betriebsanlage. Ich habe dort Fässer im Hof gesehen. Mit den Leiterplatten habe ich mich nicht beschäftigt, weil dies Sache der MA 22 ist."

b) Bei der Beweiswürdigung waren folgende Erwägungen maßgebend:

Bereits die Frage, womit die vorgefundenen Leiterplatten bestückt waren, konnte durch das Ermittlungsverfahren nicht geklärt werden. Die Verhandlungsschrift vom 3.2.1995 hält dazu nur folgendes fest:"... Weiters wurde festgestellt, daß in einigen Fässern und auf einer Palette mit Aufsatz Leiterplatten gelagert wurden. Auch hiebei handelt es sich um einen gefährlichen Abfall. ..." Es ist allerdings nicht einmal nachvollziehbar, welche Personen an der Amtshandlung teilnahmen und wer die Verhandlungsschrift abfaßte. Proben gemäß § 33 Abs 3 AWG wurden offensichtlich nicht genommen. Die beiden von der Erstbehörde angegebenen Zeugen konnten in der Verhandlung dazu auch keine zweifelsfreie Auskunft geben. Zur Gefährlichkeit von Leiterplatten durch Gehalt an toxischen Schwermetallen führte die Magistratsabteilung 48 im November 1994 Untersuchungen durch. Demnach sind bestückte Leiterplatten als gefährlicher Abfall einzustufen, während dies für entstückte Leiterplatten nicht generell zutrifft (vgl Erlaß des BMU zum AWG und seinen Verordnungen vom 16.8.1995, Zl 473504/404-III/9/95, in Brezovich, Das neue Österreichische Abfallwirtschaftsrecht, Band 1, Register 3, Kapitel 7.1, Seite 31ff).

1.1.3. Die Beurteilung der Rechtsfrage ergab, daß der nachweisbare Sachverhalt den objektiven Tatbestand der verletzten Verwaltungsvorschrift nicht erfüllt.

Denn während bestückte Leiterplatten gefährlichen Abfall darstellen, verlieren sie diese Eigenschaft, je nachdem wieweit sie schadstoffentfrachtet wurden.

Daher war der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 VStG einzustellen.

2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 65 VStG.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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