Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Mag Schwächter über die Berufung des Herrn Alois P, vertreten durch RA, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 15. Bezirk, vom 10.11.1995, Zl MBA 15 - S 6326/95, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach § 367 Z 25 GewO 1994 iVm Punkt 2) des Betriebsanlagenbescheides vom 14.4.1981, Zl MBA 15 - Ba 14.088/1/80, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung vom 18.11.1996, 13.1.1997 und 7.2.1997, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Gemäß § 65 VStG wird dem Berufungswerber ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens nicht auferlegt.
Begründung:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe als Betriebsinhaber der Betriebsanlage im Standort Wien, N-gasse, zur Ausübung des Fleischergewerbes, am 29.6.1995 die aufgrund der Gewerbeordnung erlassenen Bestimmungen insofern nicht eingehalten, als er entgegen Punkt 2) des Bescheides vom 14.4.1981, Zl MBA 15 - Ba 14088/1/80, Kunststoffwannen, in denen sich noch Blutreste befunden haben, im Hof zum Trocknen aufgestellt habe, obwohl jedes Lagern (auch Zwischenlagern) sowie jedes Arbeiten im Hof verboten sei. Er habe dadurch § 367 Z 25 GewO 1994, BGBl Nr 194/1994, iVm Punkt 2) des Bescheides vom 14.4.1981, Zl MBA 15 - Ba 14088/1/80, verletzt, weswegen über ihn gemäß § 367 GewO 1994 eine Geldstrafe von S 1.200,--, im Falle der Uneinbringlichkeit 1 Tag Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt und ihm ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von S 120,-- auferlegt wurde. Dagegen richtet sich die vorliegende Berufung, in der der Berufungswerber Verletzung von Verfahrensvorschriften, unrichtige Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht. Wie er bereits im Einspruch ausgeführt habe, könne die gegenständliche Bescheidauflage in keiner Weise dermaßen eng ausgelegt werden, daß bereits das Abstellen von - ohnedies gesäuberten Kunststoffwannen - ein Lagern darstelle. Bei einer derart überzogenen Auslegung müßte bereits das Abstellen einer Wanne zum Öffnen des Tores eine verwaltungsstrafrechtliche Handlung darstellen, was im Hinblick auf seine Betriebsanlagengenehmigung jedenfalls einen unangemessenen Eingriff in sein Gewerberecht darstellen würde.
In der am 18.11.1996 und 13.1.1997 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde der Berufungswerber als Partei, Herr Dr Bruno G und Herr Kurt B, Organwalter der Magistratsabteilung 15, als Zeugen einvernommen. Am 7.2.1997 wurde der Berufungsbescheid verkündet.
Die Berufung war aus folgenden Gründen begründet:
Gemäß § 367 Z 25 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit Geldstrafe bis zu S 30.000,-- zu bestrafen ist, wer Gebote oder Verbote von gemäß § 82 Abs 1 oder § 82a Abs 1 erlassenen Verordnungen nicht befolgt oder die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 und 359b in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält. Gemäß Auflagenpunkt 2) des Betriebsanlagenbescheides vom 14.4.1981, Zl MBA 15 - Ba 14088/1/80, ist jedes Lagern (auch Zwischenlagern) sowie jedes Arbeiten im Hof verboten. Der Berufungswerber gab als Patrei einvernommen an, daß zum fraglichen Zeitpunkt lediglich etwa drei saubere Kunststoffwannen kurzfristig abgestellt gewesen seien, da ein Lieferant sie hätte abholen sollen. Die Ware werde von verschiedensten Lieferanten in Plastikboxen geliefert, wobei der jeweilige Lieferant die gereinigten Boxen wieder mitnehme. Diesbezüglich rufe er meist noch am selben Tag den jeweiligen Lieferanten an und erkundige sich, ob bzw wann der jeweilige Fahrer bei ihm sein werde. Wenn diese telefonische Verbindung klappe, so seien die ihm mitgeteilten Zeitangaben relativ genau und habe er dann die Boxen für den Abtransport bereitgestellt, und zwar zum Teil im Hof bzw im Betrieb, je nach dem, wie er gerade Platz gehabt habe. Der Hauptgrund, warum er diese Kisten bereits im Hof bereitgestellt habe, sei der gewesen, damit der Abholvorgang rascher vor sich gehe, zumal die LKW's aufgrund der verparkten Ladezone in zweiter Spur halten mußten und den Verkehr behindert hätten. Es komme zum Teil auch vor, daß der Lieferant die vereinbarte Abholzeit aus verkehrstechnischen Gründen nicht einhalten könne und eben zu einem späteren Zeitpunkt komme. Wie lange die Boxen am 29.6.1995 im Hof gestanden seien, könne er heute jedoch nicht sagen. Sie stünden in jedem Fall nur kurzfristig dort, er würde sagen maximal 1-2 Stunden, keinesfalls aber einen ganzen Vormittag lang. Herr Dr Bruno G gab an, daß er die gegenständliche Erhebung vom 29.6.1995 zwar selbst nicht durchgeführt habe, über diese Erhebung aber ausführlich mit Herrn Sanitätsoberrevisor Kurt B, der die Kontrolle durchgeführt habe, gesprochen habe. Dieser habe ihm erklärt, daß im Hof einige Kunststoffwannen zum Trocknen aufgestellt gewesen seien, in denen sich jedoch noch etwas blutiges Wasser befunden habe. Im übrigen habe es jedoch im Hof keine Fleischreste, Blut am Boden oder dgl gegeben, von denen Verwesungsgeruch hätte ausgehen können. Dieser Verwesungsgeruch sei angeblich in einem Umkreis von 4-5 m wahrnehmbar gewesen. Bei entsprechend warmen Temperaturen sei es wahrscheinlich, daß auch ganz geringe Mengen Blut, die mit Wasser verdünnt seien, nach einigen Stunden einen Geruch verursachen, der als Verwesungsgeruch bezeichnet werde. Wären diese Wannen tatsächlich mit unverdünnten Blutresten behaftet gewesen, so wäre der Geruch sicherlich auch für die Nachbarn wahrnehmbar gewesen, da ja aufgrund der oxidativen Vorgänge bei einer größeren organischen Substanz intensivere und weiterreichende Geruchsentwicklungen zu erwarten seien bzw aufgetreten wären. Er sei deshalb zur heutigen Verhandlung gekommen, da er den gegenständlichen Betrieb sehr gut kenne und die Angaben seines Mitarbeiters daher besser qualifizieren und quantifizieren könne. Er sei insgesamt in den letzten zwölf Jahren etwa 40 bis 50 Mal - zum Teil auch unangesagt - in diesem Betrieb gewesen und würde er sagen, daß Herr P sehr bemüht sei, seinen Betrieb ordentlich zu führen.
Der Zeuge Kurt B gab an, daß er am 29.6.1995 in der gegenständlichen Betriebsanlage aufgrund einer telefonischen Beschwerde des Herrn H, der vorgegeben habe, ein Freund des Bezirksvorstehers zu sein, eine Erhebung durchgeführt habe, an die er sich noch ganz gut erinnern könne. Ca 15 Minuten nach diesem Anruf sei er bereits in der Wohnung des Herrn H gewesen, wo er aber den von Herrn H behaupteten Verwesungsgeruch nicht feststellen habe können. Dieser habe ihm damals erklärt, daß sich der Geruch inzwischen verflüchtigt hätte. Nachdem er in der Wohnung keinen Verwesungsgeruch habe wahrnehmen können, sei er in den Hof gegangen und habe dort etwa 4-5 Kunststoffwannen vorgefunden, die dort offensichtlich zum Trocknen aufgestellt gewesen waren. Diese Wannen seien an und für sich sauber gewesen, es seien "lächerliche" verdünnte Blutspritzer in bzw auf diesen Wannen gewesen. Daß diese Wannen zum Trocknen aufgestellt gewesen seien, nehme er deshalb an, da diese noch etwas naß, unterhalb dieser Wannen ausgeronnenes Wasser sichtbar und diese Wannen zum Abrinnen an die Hauswand angelehnt gewesen seien. Diese Wannen seien jedoch keinesfalls übereinander gestappelt gewesen. In diesem Hof habe er auch einen "erträglichen" Verwesungsgeruch wahrnehmen können, der zum Teil auch von den Wannen ausgeströmt sei, da man unmittelbar bei diesen Wannen diesen Geruch stärker wahrnehmen habe könne. Er sei in den letzten 15 Jahren sicherlich schon 40 Mal in dieser Betriebsanlage gewesen, habe aber bei diesen Erhebungen einen nennenswerten Verwesungsgeruch nicht wahrnehmen können und wisse er auch, daß sich Herr P bisher vorbildlich verhalten habe, so würden zB Blutflecke auf der Straße sofort weggewaschen. Auf die Frage, ob der Geruch auch durch andere Ursachen als durch die zum Trocknen aufgestellten Wannen verursacht worden sein könnte, gebe er an, daß es sich um den typischen Geruch der gegenständlichen Betriebsanlage gehandelt habe, wobei während dieser Erhebung eine Türe bzw ein Fenster der Betriebsanlage nicht offen gewesen sei.
Aufgrund der Angaben des Zeugen B, der in der mündlichen Verhandlung einen sehr glaubwürdigen und äußerst gewissenhaften Eindruck hinterließ, wird als erwiesen festgestellt, daß am 29.6.1995 im Hof der gegenständlichen Betriebsanlage etwa 4-5 ausgewaschene Kunststoffwannen zum Abrinnen bzw Trocknen an die Hauswand angelehnt waren, in und auf denen sich noch einige mit Wasser verdünnte Blutspritzer befanden.
Das Wort "lagern" bedeutet begrifflich ein Aufbewahren, bis später eine andere Situation herbeigeführt wird und läßt der allgemeine Sprachgebrauch es zu, auch ein Bereithalten von Gegenständen für einen nur kurzen Zeitraum (worunter etwa auch das vom Berufungswerber geschilderte Bereitstellen von Plastikboxen im Hof zwecks Abholung durch einen Lieferanten zu verstehen sein wird) als ein "Lagern" anzusprechen, wie dies etwa im Wort "Zwischenlagerung" (bis eine andere Situation herbeigeführt wird) zum Ausdruck kommt (vgl die diesbezüglichen Ausführungen im E VwGH 27.3.1990, 89/04/0183). Da die Wortinterpretation im gegenständlichen Fall hinsichtlich der Abgrenzung zwischen einem bloßen "Abstellen" (wie etwa das Abstellen von Plastikboxen zum Öffnen des Tores) und einem "Lagern" zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, war hinsichtlich der Interpretation der in der gegenständlichen Bescheidauflage vorgeschriebenen Verbote auf den mit der jeweiligen Auflage verfolgten Zweck Bedacht zu nehmen. Zweck der gegenständlichen Auflage, wonach jedes Lagern (auch Zwischenlagern) sowie jedes Arbeiten im Hof verboten ist, ist - wie sich auch aus dem Zusammenhang mit den übrigen in diesem Bescheid enthaltenen Auflagen ergibt -, die Nachbarn vor Belästigungen durch Geruch, Lärm oder in anderer Weise zu schützen. Wenn nun der Berufungswerber im Tatzeitpunkt 4-5 ausgewaschene Plastikwannen im Hof zum Trocknen an die Hauswand angelehnt hat, so ist im Hinblick auf den Zweck der Auflage, Geruchs- und Lärmbelästigungen der Nachbarn auf ein zumutbares Maß zu beschränken, davon auszugehen, daß es sich dabei nicht um ein "Lagern" im Sinne des gegenständlichen Auflagenpunktes gehandelt hat und somit vom normativen Gehalt dieser Auflage nicht erfaßt ist.
Da die dem Berufungswerber zur Last gelegte Tat somit keine Verwaltungsübertretung bildet, war spruchgemäß zu entscheiden.