Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Herbert Thaller über die Berufung des Herrn Thomas N, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans L, Kgasse 8, G, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 13.09.1996, GZ.: III/S 20230/95, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und 3 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 23.09.1996 um ca. 02.15 Uhr in G 1, im Taxi der Funkgruppe 878 während der Fahrt auf der Glacisstraße durch eine verbale Auseinandersetzung mit dem Taxifahrer Marius M den öffentlichen Anstand verletzt.
Es wurde daher über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 900,-- bzw. eine Ersatzarreststrafe von 30 Stunden wegen der Übertretung des § 1 erster Fall LGBl. Nr. 158/1975 verhängt.
In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung wird im wesentlichen die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft und ausgeführt, daß es sich bei einem Taxi nicht um einen öffentlichen Ort handelt, bzw. daß eine verbale Auseinandersetzung nicht jedenfalls den öffentlichen Anstand verletzt.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark beraumte eine öffentliche, mündliche Verhandlung an, in der neben dem Berufungswerber auch die Zeugen Marius M (Taxifahrer) und die im Taxi mitfahrende Beatrix F einvernommen wurden. Daraus ergibt sich folgender als erwiesen angenommener Sachverhalt:
Am 23.09.1995, um ca. 02.15 Uhr stiegen der Berufungswerber, Beatrix F, die Freundin des Berufungswerbers und Roman B in das Taxi des Marius M der Funkgruppe 878. Der Lenker des Taxis war unfreundlich, grüßte nicht und kannte die Destination Grillparzerstraße nicht. Aufgrund einer am Vortag gesehenen Sendung mit dem Titel "Thema" wollte der Berufungswerber dem Lenker die Chance geben, das angegebene Ziel auch ohne Wegweisung zu erreichen.
Der Taxilenker begann die Fahrt, indem er vom Glockenspielplatz über die Bürgergasse nach rechts in die Hofgasse einbog. Er war aber über das Verhalten des Berufungswerbers verärgert und äußerte er teilweise auf Deutsch, teilweise in einer ausländischen Sprache unfreundliche Worte. Als der Berufungswerber erkannte, daß der Taxilenker vor dem Burgtor in die Burggasse nach rechts einbiegen wollte, tippte er ihm auf die Schulter, was den Taxilenker dazu veranlaßte, eine abrupte Abbremsung des Autos vorzunehmen. Bereits zuvor hatte sich der Berufungswerber über das Verhalten des Taxifahrers in der Art geäußert, daß er meinte, der Taxilenker sei aufgrund seiner Unkenntnisse und seiner unfreundlichen Art unfähig diesen Beruf auszuüben.
Darüber entstand zwar eine verbale Auseinandersetzung, der Berufungswerber hat aber jedenfalls die Worte Depp und dergleichen dem Taxilenker gegenüber nicht geäußert. Der Zeuge M hat aber glaubhaft angegeben, daß der Berufungswerber ihm gegenüber das Wort "Scheiß Ausländer" gebraucht hatte.
Der so ermittelte Sachverhalt ergibt sich im wesentlichen aus den Zeugenaussagen der einvernommenen
Personen. Dabei war markant, daß die Version des Berufungswerbers sowohl Deckung in der Version der Zeugin F fand, als auch großteils in der Aussage des Taxilenkers. Hinsichtlich des Verwendens von Schimpfworten konnte der Taxilenker das auch in der Zeugeneinvernahme des Taxilenkers vor der belangten Behörde am 15.02.1996 aufscheinende Wort "Depp" nicht mehr wiedergeben, weshalb davon auszugehen war,
daß dieses Wort nicht gefallen ist. Dieser Ausdruck fehlt
im übrigen in der Anzeige.
Die Rechtsbeurteilung ergibt:
Gemäß § 1 des Landesgesetzes vom 25.06.1975, LGBl. Nr. 158/1975 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer den öffentlichen Anstand verletzt. Unter Anstand versteht man jene ungeschriebenen Regeln, deren Einhaltung im sozialen Miteinanderleben gefordert werden muß. Ob eine verbale Auseinandersetzung eine Anstandsverletzung darstellt, hängt davon ab, in welcher Form, in welcher Situation und in Verwendung welcher Worte dies geschieht. Wie der Verwaltungsgerichtshof in mehrfachen Judikaten bereits ausgesprochen hat, hängt die Beurteilung einer Anstandsverletzung nicht nur von einem bestimmten Verhalten ab, sondern auch von den Umständen, innerhalb derer dieses Verhalten gesetzt wird. Im vorliegenden Fall entwickelte sich eine Diskussion über die Unfähigkeit eines Taxilenkers in wissensmäßiger Hinsicht bzw. wegen des Verhaltens des Taxilenkers. Das Wort "Depp", welches dem Berufungswerber in der Aussage des Taxilenkers angelastet wurde, konnte im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat nicht nachgewiesen werden. Bei diesem Wort hätte es sich jedenfalls um eine Anstandsverletzung gehandelt. Die dem Berufungswerber vorgeworfene Tat, er habe eine verbale Auseinandersetzung gehabt, stellt für sich allein jedoch keine Anstandsverletzung dar. So kann eine verbale Auseinandersetzung, welche sich im Rahmen einer sachlichen Diskussion abspielt, jedenfalls nicht als Anstandsverletzung gewertet werden. Selbst dann nicht, wenn das Wort "unfähig" im Rahmen dieser Diskussion gegenüber dem Diskussionspartner gefallen ist.
Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat (z. B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was das erstgenannte Erfordernis anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zur vorgeworfenen Straftat stehende wörtliche Ausführungen erforderlich.
Zufolge der als Verfolgungshandlung zu wertenden Akteneinsicht des Rechtsanwaltes des Berufungswerbers am 20.03.1996, welche innerhalb der 6-monatigen Verfolgungsverjährungsfrist erfolgte, mußte geprüft werden, ob die in der Zeugenaussage vom 15.02.1996 vor der belangten Behörde vom Taxilenker geäußerten Worte "Depp und dergleichen" tatsächlich gesetzt wurden. Aufgrund des Ermittlungsergebnisses vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat kam jedoch hervor, daß dieses Schimpfwort vom Berufungswerber nicht geäußert worden war. Die somit vorgeworfene Tat der verbalen Auseinandersetzung unter Verwendung des Schimpfwortes "Depp" wurde vom Berufungswerber somit nicht begangen. Das vom Zeugen in der Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark geäußerte Schimpfwort "Scheiß Ausländer" ist dem Berufungswerber in keiner Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen worden. Das bedeutet, daß der Berufungswerber wegen dieser Worte nicht mehr verfolgt werden kann. Die im Straferkenntnis aufscheinende Beschuldigung, der Berufungswerber habe durch die verbale Auseinandersetzung den öffentlichen Anstand verletzt, war aber zufolge der Bestimmung des § 44 a Z 1 VStG zu allgemein formuliert, als daß daraus dem Berufungswerber zu Recht der Vorwurf der Verletzung des öffentlichen Anstandes gemacht werden konnte, selbst wenn von ihm die Worte "Scheiß Ausländer" geäußert worden wären, zu welcher Tat es keine taugliche Verfolgungshandlung gibt und somit gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG nicht mehr verfolgt werden darf. Da der Vorschrift des § 44 a Z 1 VStG nicht entsprochen wurde, war dem Berufungsantrag Folge zu geben, das Straferkenntnis zu beheben und das gegen den Berufungswerber eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.