Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch die Mitglieder Dr Wintersberger als Vorsitzende, Mag Engelhart als Berichterin und Dr Wilfert als Beisitzer über die Berufung des Herrn Ing Richard L, vertreten durch Rechtsanwälte vom 1.7.1993, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 6./7. Bezirk, Zahl MBA 6/7 - S/6/10936/92, vom 21.5.1993, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung am 11.7.1995 entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe auf S 30.000,--, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 10 Tage herabgesetzt wird.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG verringert sich der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz auf S 3.000,--, das sind 10 % der nunmehr milderen Geldstrafe.
Im übrigen wird das Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß die durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschriften "§ 18 Abs 2 iZm § 20 Abs 2 AAV, BGBl Nr 218/1983 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl Nr 486/1983 iVm § 31 Abs 2 lit p ASchG, BGBl Nr 234/1972 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl Nr 650/1989" zu lauten haben.
Begründung:
1. Das angefochtene Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 21.5.1993 ist gegen den nunmehrigen Berufungswerber als Beschuldigten gerichtet und enthält folgenden Spruch:
"Sie haben als Arbeitgeber zu verantworten, daß auf der Baustelle in Wien, G-Straße am 26.8.1992 die Absturzkante der Decke über das Kellergeschoß (Bereich rechte Seite über Kellergeschoß Eingangsöffnung, gesehen von der G-Straße) nicht durch Wehren gegen Absturz gesichert war, obwohl eine Absturzhöhe von ca 3,50 m gegeben war.
Sie haben dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 18 Abs 2 in Verbindung mit (iVm) § 20 Abs 2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV), BGBl Nr 218/83 in der geltenden Fassung (idgF) begangen.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt: Geldstrafe von S 40.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 40 Tagen, gemäß § 100 AAV iVm § 31 Abs 2 lit p, BGBl Nr 234/1972 Arbeitnehmerschutzgesetz idgF Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen: S 4.000,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10% der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher S 44.000,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG)."
2.1. Dagegen richtet sich die Berufung des Beschuldigten vom 1.7.1993, worin er beantragt, das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
Der Berufungswerber bringt im wesentlichen vor, der Umfang seines Unternehmens erscheine beträchtlich. Pro Jahr würden ca 800 Baustellen abgerechnet, diese seien über weite Teile Österreichs verstreut.
Für jede dieser Baustellen sei ein Mitarbeiter in jeder Hinsicht, auch was die Sicherheits- und damit auch die Arbeitnehmerschutzproblematik anlange, verantwortlich:
Jeder Mitarbeiter, der eine - oft weit entfernte - Baustelle zur selbständigen Betreibung übertragen erhalte bzw übernehme, handle hinsichtlich derselben a priori nach seiner eigenen Disposition. Entgegen der Rechtsansicht des Arbeitsinspektorates hafte dieser für die Baustelle in jeder Hinsicht Verantwortliche dann, wenn er in diesem seinem Bereich selbst und höchstpersönlich gegen gesetzliche Bestimmungen verstoße, dafür auch verwaltungsstrafrechtlich selbst und höchstpersönlich. Und zwar nicht nur dann, wenn eine ausdrückliche diesbezügliche schriftliche Delegierung iSd § 9 VStG vorliege, sondern auf Grund eigenen deliktischen Verhaltens originär und nicht auf Grund einer diesbezüglichen Vereinbarung an Stelle des Berufungswerbers. Es könne auch keine Rede davon sein, daß er nicht den Beweis erbracht habe, daß es ihm ohne sein Verschulden unmöglich war, die verletzte Verwaltungsvorschrift einzuhalten: Er habe darauf hingewiesen, daß das von ihm betriebene Unternehmen einen beträchtlichen Umfang aufweise, daß zB im Jahr ca 800 Baustellen abgerechnet würden, wobei diese über weite Bereiche Österreichs verstreut liegen. Praktisch jede dieser Baustellen werde einem Mitarbeiter zur in jeder Hinsicht verantwortlichen Führung übertragen bzw von ihm übernommen. Die betreffenden Mitarbeiter hätten alle zumindest einmal einen einwöchigen Unfallverhütungskurs bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt besucht bzw absolviert. Sie seien also auch in dieser Hinsicht, zusätzlich zu ihrer allgemeinen Ausbildung in dieser Richtung, auf ihre Aufgaben gut vorbereitet. Wenn ein solcher eigenverantwortlicher Mitarbeiter weit entfernt von der Unternehmensleitung, in deren Räumlichkeiten der Berufungswerber örtlich tätig sei, gegen ihm bekannte arbeitnehmerschutzrechtliche Vorschriften wissentlich verstoße, habe er dies zu vertreten und nicht (auch) der Berufungswerber. Im übrigen erscheine auch die Höhe der Strafe, vor allem im Hinblick darauf, daß er keine einschlägigen verwaltungsrechtlichen Vorstrafen aufweise, bei weitem zu hoch gegriffen.
2.2. Das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten hielt mit schriftlicher Stellungnahme vom 22.7.1993 den Strafantrag aufrecht.
Es führte dazu aus, den Verwaltungsvorschriften sei zu entnehmen, daß grundsätzlich der Arbeitgeber oder ein verantwortlicher Beauftragter für Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften zur Verantwortung gezogen werden könne. Gegenständlich liege eine Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten nicht vor. Bezüglich der Strafhöhe sei darauf hinzuweisen, daß durch die Verwaltungsübertretung eine akute Gefährdung des Lebens und der Gesundheit für die Arbeitnehmer bestanden habe, da sich unmittelbar unter der Absturzstelle lotrechte Steckeisen befunden hätten. Es habe daher auch die große Gefahr bestanden, daß Arbeitnehmer abstürzen und von den Steckeisen gepfählt werden bzw schwerste innere Verletzungen erleiden.
Der Berufungswerber sei bereits mehrfach schriftlich zur Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften aufgefordert worden.
3. In der Sache wurde am 11.7.1995 vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.
Der Berufungswerber und das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten haben an der Verhandlung durch ihre Vertreter teilgenommen, der Magistrat der Stadt Wien hat nach Ladung zu der Verhandlung keinen Vertreter entsandt.
Der Vertreter des Berufungswerbers brachte ergänzend vor, daß Herr G für die Baustelle alleinverantwortlich gewesen sei. Eine Absicherung sei erfolgt und nur im Zuge von Isolierarbeiten kurzfristig entfernt worden.
Der Vertreter des Arbeitsinspektorates brachte ergänzend vor, daß mit Mängelbehebungsauftrag vom 12.5.1992 ein dem verfahrensgegenständlichen Sachverhalt vergleichbarer Mangel schon einmal zur Behebung aufgetragen worden sei.
In dieser Verhandlung wurden Herr Ing Siegfried R, Beamter, und Herr Rudolf G, Polier, als Zeugen vernommen, ergänzende Beweisanträge wurden nicht gestellt.
Der Berufungsbescheid wurde mündlich verkündet.
4. Die - zulässige - Berufung ist lediglich zur Strafhöhe begründet.
4.1. Gemäß § 31 Abs 2 lit p Arbeitnehmerschutzgesetz - ASchG, BGBl Nr 234/1972 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl Nr 650/1989, begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der auf Grund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den auf Grund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.
Gemäß § 31 Abs 5 ASchG sind Arbeitgeber neben ihren Bevollmächtigten strafbar, wenn die Übertretung mit ihrem Wissen begangen wurde oder wenn sie bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Betriebes oder bei der Auswahl oder der Beaufsichtigung der Bevollmächtigten es an der erforderlichen Sorgfalt haben fehlen lassen.
Gemäß § 9 Abs 3 VStG kann eine physische Person, die Inhaber eines räumlich oder sachlich gegliederten Unternehmens ist, für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche ihres Unternehmens einen verantwortlichen Beauftragten bestellen. Gemäß § 9 Abs 4 VStG kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Festgestellt wird, daß der Berufungswerber von der k Botschaft beauftragt war, auf der im Straferkenntnis näher bezeichneten Baustelle ein Wohnhaus umzubauen und einen Zubau zu errichten. Festgestellt wird weiters, daß zur Tatzeit Arbeitnehmer des Berufungswerbers auf dieser Baustelle an den im Straferkenntnis angeführten absturzgefährdeten Stellen Arbeiten durchgeführt haben.
Diese Feststellungen erfolgen insbesondere nach Einsichtnahme in den Strafantrag des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten vom 10.9.1992 und die beigeschlossenen Photos im Zusammenhalt mit der Zeugenaussage des Arbeitsinspektors Ing R, sowie weiters auf Grund der Zeugenaussage des für die Baustelle verantwortlichen Poliers G in der Verhandlung. Dieser Sachverhalt und damit die Arbeitgebereigenschaft wurde vom Berufungswerber im Verfahren auch nicht bestritten.
Unmittelbarer Täter der in § 31 Abs 2 ASchG genannten Verwaltungsübertretungen kann nur der Arbeitgeber (bzw dessen Bevollmächtigter) sein, nicht aber Dritte (VwGH 9.7.1992, Zl 90/19/0579).
Der Berufungswerber bestreitet nun aber seine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit.
Er bringt dazu im wesentlichen vor, es sei ausschließlich Herr G als jener Mitarbeiter, dem die Baustelle zur verantwortlichen Führung übertragen worden sei bzw der die Baustelle übernommen habe, originär für die Einhaltung (auch) der Arbeitnehmerschutzbestimmungen verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich.
Zutreffend ist, daß nach § 31 Abs 2 ASchG unmittelbarer Täter der in dieser Bestimmung genannten Verwaltungsübertretungen neben dem Arbeitgeber auch dessen Bevollmächtigter sein kann (VwGH 9.7.1992, Zl 90/19/0579).
Jedoch befreit nach der geltenden Rechtslage ausschließlich ein nach § 9 Abs 3 und 4 VStG rechtswirksam bestellter verantwortlicher Beauftragter den Arbeitgeber von seiner verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit, bei einem nach § 31 Abs 2 ASchG bestellten Bevollmächtigten ist dies nicht der Fall (vgl VwGH 25.2.1988, Zl 87/08/0240). Vielmehr ist der Arbeitgeber nach § 31 Abs 5 ASchG neben dem Bevollmächtigten strafbar, wenn ihm nach dieser Bestimmung ein Verschulden trifft (VwGH 13.10.1993, Zl 93/02/0104).
Im vorliegenden Fall war nach der Beweislage, insbesondere da der Behörde kein die Zustimmung eines verantwortlichen Beauftragten betreffendes Beweisergebnis vorgelegt wurde, und auch von den Verfahrensparteien unbestritten nicht von einer iSd § 9 Abs 3 und 4 VStG rechtswirksamen Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten auszugehen.
Die allfällige Bestellung des Herrn G zum Bevollmächtigten nach § 31 Abs 2 ASchG befreit aber, wie dargestellt, den Arbeitgeber nicht von seiner verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit. Ob eine solche Bestellung tatsächlich vorliegt, ist daher erst bei der Beurteilung der Verschuldensfrage rechtlich relevant, da § 31 Abs 5 ASchG im Falle der Bestellung eines Bevollmächtigten eine besondere Regelung des Verschuldens des Arbeitgebers enthält (siehe 4.3.).
Insgesamt war in diesem Verfahren daher davon auszugehen, daß der Berufungswerber als Arbeitgeber für eine allfällige Verwaltungsübertretung nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz strafrechtlich verantwortlich war.
4.2. Gemäß § 31 Abs 2 lit p ASchG begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der auf Grund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den auf Grund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.
Gemäß § 18 Abs 2 erster Satz Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung - AAV, BGBl Nr 218/1983 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl Nr 486/1983, müssen erhöhte Standplätze, wie Podeste oder Zwischendecken, von welchen ein Absturz von 1 m oder mehr möglich ist, durch Geländer oder durch Brüstungen, sofern ein Absturz von mehr als 2 m möglich ist, auch durch Fußleisten gesichert sein.
Gemäß § 20 Abs 2 AAV müssen Arbeitsstellen im Freien derart beschaffen sein oder es müssen solche Vorkehrungen getroffen sein, daß die Arbeitsbedingungen den Erfordernissen des Arbeitnehmerschutzes entsprechen; insbesondere sind solche Arbeitsstellen bei Bedarf den Arbeiten entsprechend ausreichend zu beleuchten. Weiters ist zumindest im unumgänglich notwendigen Ausmaß für Maßnahmen im Sinne der §§ 11 und 16 bis 18 zu sorgen. Festgestellt wird, daß auf der im Straferkenntnis näher bezeichneten Baustelle an der näher umschriebenen Arbeitsstelle, von welcher ein Absturz von Arbeitnehmern des Berufungswerbers von ca 3,50 m möglich war, zur Tatzeit keine Absturzsicherung angebracht war.
Diese Feststellung erfolgt insbesondere nach Einsichtnahme in den Strafantrag des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten vom 10.9.1992 samt Photos im Zusammenhalt mit der Zeugenaussage des Arbeitsinspektors Ing R und des Poliers G in der Verhandlung. Der Berufungswerber hat diesen Sachverhalt nur insoweit bestritten, als er bereits mit erstinstanzlicher Stellungnahme vom 26.11.1992 und vom 31.1.1993 vorgebracht hat, die Absturzhöhe habe nicht ca 3,50 m betragen, sondern lediglich genau 2,98 m. Sein Vertreter gab dazu befragt in der Verhandlung an, dieses Vorbringen beruhe auf einer Information von Herrn G, welche sich auf eine Messung auf der Baustelle gründe.
Der Arbeitsinspektor sagte dazu in der Verhandlung als Zeuge aus, auf der Zwischendecke sei eine Kreissäge aufgestellt gewesen, der auf dem Photo abgebildete Arbeitnehmer der Fa L sei auf dieser Decke arbeitend angetroffen worden. Sowohl an diesem Tag, als auch anläßlich einer weiteren Überprüfung am 11.12.1992 sei die Absturzhöhe gemessen worden. Er lege dazu ein Photo vor, welches die Messung am 11.12.1992 zeige. Die Meßlatte sei 3 m, die damalige Kante habe sich noch 50 cm darüber befunden. Der Zeuge G sagte aus, es komme darauf an, von welchem Bezugspunkt man bei der Messung ausgehe. Wenn ihm die vom Arbeitsinspektor angefertigten Photos vorgehalten werden, gebe er an, daß er selbst nicht von der Zwischendecke, auf welcher der Arbeitnehmer stand, gemessen habe, von diesem Bezugspunkt aus sei es möglich, daß die vom Arbeitsinspektor gemessene Höhe richtig ist. Er selbst habe vom Schalungsvorsprung aus gemessen, von welchem die Hauptarbeiten durchgeführt wurden.
Bei einer zusammenfassenden Würdigung dieser Beweisergebnisse steht daher das Ausmaß der möglichen Absturzhöhe mit 3,50 m, sohin entsprechend der Tatanlastung, zweifelsfrei fest.
Insgesamt war daher die objektive Tatseite der dem Berufungswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretung erwiesen.
4.3. Gemäß § 5 Abs 1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Gemäß § 31 Abs 5 ASchG sind Arbeitgeber neben ihren Bevollmächtigten strafbar, wenn die Übertretung mit ihrem Wissen begangen wurde oder wenn sie bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Betriebes oder bei der Auswahl oder der Beaufsichtigung der Bevollmächtigten es an der erforderlichen Sorgfalt haben fehlen lassen.
Bei einem Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs 1 VStG besteht von vornherein die Vermutung eines Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, welche von diesem jedoch widerlegt werden kann, ihm obliegt es, glaubhaft zu machen, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich war. Der Beschuldigte hat hiezu initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht; dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch die Beibringung von Beweismitteln bzw die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen.
§ 31 Abs 5 ASchG regelt das Verschulden, das den Arbeitgeber im Falle der Bestellung eines Bevollmächtigten treffen muß, um diesen strafbar zu machen. Enthält eine Verwaltungsvorschrift aber besondere Bestimmungen über das für die Begehung einer Verwaltungsübertretung erforderliche Verschulden, dann kommt die für Ungehorsamsdelikte iSd § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG angeordnete Umkehr der Beweislast nicht zur Anwendung. In diesem Fall hat somit nicht der Täter den Entlastungsbeweis, sondern die Behörde den Nachweis des Verschuldens zu erbringen (vgl VwGH 13.10.1993, Zl 93/02/0104 und die dort genannte Vorjudikatur).
Dem Prinzip der materiellen Wahrheit entsprechend hat die Behörde das Vorliegen der subjektiven Tatbestandselemente des § 31 Abs 5 ASchG von Amts wegen zu ermitteln. Dieser Verfahrensgrundsatz befreit die Partei jedoch nicht von der Verpflichtung, dabei zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen (vgl VwGH 20.6.1991, Zl 91/19/0098 und die dort genannte Vorjudikatur). Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen, Herr G sei für die Baustelle alleine verantwortlich gewesen, war sohin vorerst zu prüfen, ob Herr G zum Bevollmächtigten nach § 31 Abs 2 ASchG bestellt war.
Ein Bevollmächtigter muß mit seinem Einverständnis vom Arbeitgeber mit der Überwachung der Einhaltung der jeweiligen arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen betraut und von diesem auch mit den entsprechenden Anordnungs- und Entscheidungsbefugnissen zu ihrer Durchsetzung ausgestattet worden sein (VwGH 9.6.1988, Zl 88/08/0104).
Herr G sagte in der Verhandlung dazu befragt, ob er mit der Überwachung der Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften beauftragt worden war, aus, diese müßten immer eingehalten werden. Es sei im Rahmen einer langjährigen Tätigkeit eine Selbstverständlichkeit, daß er das mache. Er sei weder bei der alten, noch bei der neuen Firma direkt über die Verantwortlichkeit eingewiesen worden. Die Verantwortlichkeit wachse mit der Aufgabe. Die Verantwortlichkeit sei einfach gegeben, es komme der Bauleiter, die Subunternehmen oder auch der Auftraggeber immer zum Polier und würden diesem sagen, was zu tun ist. Es sei einfach immer der Polier zuständig, man müsse auch berücksichtigen, daß der größte Teil der Arbeiter aus Ausländern bestehe, die kaum deutsch sprechen.
Aus dieser Aussage kann nun nicht entnommen werden, daß Herr G mit seinem Einverständnis mit der Überwachung der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften auf der Baustelle betraut worden wäre.
Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, daß Herr G zum Bevollmächtigten nach § 31 Abs 2 ASchG bestellt war, so hat es der Berufungswerber unterlassen, im Rahmen der ihn treffenden Mitwirkungspflicht darzutun, daß er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl VwGH 23.4.1990, Zl 90/19/0068). Lediglich der Umstand, daß Herr G einen Unfallverhütungskurs absolviert hat, reicht nicht aus. Entscheidend ist die Erteilung von konkreten Weisungen und deren wirksame Kontrolle, wobei vom Arbeitgeber das bezügliche Kontrollsystem darzulegen ist (vgl VwGH 27.9.1988, Zl 88/08/0088). Dies wurde vom Berufungswerber jedoch nicht einmal behauptet. Auch nach Durchführung des Beweisverfahrens, insbesondere nach zeugenschaftlicher Einvernahme des Herrn G, ist lediglich das Bestehen einer gewissen Unternehmenshierarchie (Arbeitgeber-Bauleiter-Polier) hervorgekommen.
Der Berufungswerber hat zu seinem mangelnden Verschulden bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht, die Absicherung, die sonst immer angebracht gewesen sei, habe aus organisatorisch-technischen Gründen während des relativ kurzen Zeitraumes der Durchführung von Isolierarbeiten entfernt werden müssen.
Er führte dazu mit erstinstanzlicher Stellungnahme vom 26.11.1992 aus, im Beanstandungszeitpunkt seien Isolierungsarbeiten durchgeführt worden, die in Frage stehende Decke sei "vorgestrichen" und zweifach "aufgeflämmt" worden. Die Isolierarbeiten hätten sowohl die Ebene, welche die in Rede stehende Absturzkante gebildet habe, als auch den darunterliegenden Bereich, in dem sich die Steckeisen befunden hätten, betroffen.
Das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten hat dazu mit erstinstanzlicher Stellungnahme vom 16.12.1992 ausgeführt, zum Beanstandungszeitpunkt seien keine Isolierarbeiten durchgeführt worden. An Hand der Beweisphotos sei deutlich erkennbar, daß die in Frage stehende Decke weder vorgestrichen wurde, und daß auf dieser auch nicht aufgeflämmt worden ist.
Der Berufungswerber wurde mit Ladungsbescheid vom 6.6.1995 ausdrücklich aufgefordert, in der Verhandlung zur behaupteten Durchführung von Isolierarbeiten das Bautagebuch vorzulegen. Dieses wurde nicht vorgelegt.
Herr G sagte in der Verhandlung als Zeuge aus, es sei ursprünglich eine Absperrung, bestehend aus Ständern und Latten, zum Schutz der Arbeitnehmer angebracht gewesen. Am Tag der Überprüfung hätte ein Subunternehmen mit den Isolierarbeiten beginnen sollen. Die Arbeiter der Firma L hätten deshalb die Absperrung entfernt gehabt und die Zwischendecke soweit gereinigt, daß die Isolierarbeiten möglich gewesen wären. Jedoch sei das Subunternehmen an diesem Tag vereinbarungswidrig nicht erschienen. Dem Arbeitsinspektor habe er die unmittelbar vor der Überprüfung abmontierten Ständer und Latten nicht gezeigt, dieser habe danach auch nicht konkret gefragt. Nach Vorhalt des Photos, auf welchem ersichtlich ist, daß die Zwischendecke zum Überprüfungszeitpunkt in hohem Ausmaß verschmutzt war - so liegen etwa ein Schlauch, Bretter und ein Baustahlgitter auf der Decke - gab der Zeuge an, auf dem Photo sei nur ein Teil der Baustelle ersichtlich, mit den Reinigungsarbeiten sei auch gerade erst begonnen worden.
Der Arbeitsinspektor sagte dazu aus, er habe keinerlei Absturzsicherung wahrgenommen. Es seien weder Verankerungspunkte von früher angebrachten Absturzsicherungen wahrnehmbar gewesen, noch seien solche auf der Baustelle herumgelegen bzw habe ihm Herr G solche auch nicht gezeigt. Er habe Herrn G gegenüber das Fehlen der Absturzsicherung beanstandet, hätte dieser darauf hingewiesen, daß die Absturzsicherung erst kurz zuvor entfernt wurde, hätte er sich die Teile angesehen und allenfalls keine Anzeige erstattet. Nach Durchführung des Beweisverfahrens war insgesamt davon auszugehen, daß eine Absturzsicherung zum Tatzeitpunkt möglich war und dem Berufungswerber das Fehlen derselben daher zum Vorwurf gemacht werden kann. Während der Berufungswerber ursprünglich angegeben hatte, es seien zur Tatzeit gerade Isolierarbeiten durchgeführt worden, sagte der Zeuge G nunmehr aus, es seien Reinigungsarbeiten, um die Durchführung der Isolierarbeiten zu ermöglichen, durchgeführt worden. Das Bautagebuch, aus welchem der genaue Arbeitsablauf ersichtlich gewesen wäre, wurde vom Berufungswerber trotz ausdrücklicher Aufforderung nicht vorgelegt. Auch widerspricht es der Lebenserfahrung, daß ein erfahrener Baupolier anläßlich der Beanstandung nicht sofort auf die nur kurzfristig abmontierten Teile hingewiesen hätte und der Arbeitsinspektor bei der Begehung der Baustelle keinerlei Hinweis auf eine solche nur kurzfristig entfernte Absturzsicherung wahrgenommen hätte. Auch ist nach Durchführung des Beweisverfahrens nicht hervorgekommen, daß die behaupteten Reinigungsarbeiten bei Belassen der Absturzsicherung nicht möglich gewesen wären.
Sohin war auch die subjektive Tatseite, zumindest in der Form fahrlässigen Verhaltens des Berufungswerbers, erwiesen.
4.4. Gemäß § 10 VStG richten sich Strafart und Strafsatz nach den Verwaltungsvorschriften, soweit in diesem Gesetz nicht anderes bestimmt ist.
Unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 31 Abs 2 ASchG war von einem bis zu S 50.000,-- reichenden gesetzlichen Strafrahmen auszugehen.
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die gegenständliche Strafdrohung dient dem Interesse an der Hintanhaltung einer möglichen Gefährdung des Lebens und der Gesundheit von Arbeitnehmern. Im vorliegenden Fall befanden sich unmittelbar unter der Absturzstelle lotrechte Steckeisen, weshalb, worauf das Arbeitsinspektorat zutreffend hingewiesen hat, die große Gefahr bestand, daß Arbeitnehmer abstürzen und von den Steckeisen gepfählt werden bzw schwerste innere Verletzungen erleiden. Der objektive Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretung war daher bedeutend.
Wie bereits ausgeführt, hat der Berufungswerber jedenfalls fahrlässig gehandelt. Das Verschulden konnte nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen war, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte, oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.
Der Berufungswerber weist nach der Aktenlage zur Tatzeit mehrere rechtskräftige, jedoch nicht einschlägige verwaltungsrechtliche Vormerkungen auf. Die erstinstanzliche Behörde hat zu Unrecht als mildernd berücksichtigt, daß der Berufungswerber "keine einschlägigen verwaltungsstrafrechtlichen Vorstrafen besitzt", da das Fehlen einschlägiger Verwaltungsstrafen keinen Milderungsgrund bildet; ein solcher ist nur in der gänzlichen, dh absoluten verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zu erblicken (VwGH 25.9.1990, Zl 90/05/0043 uva).
Der Berufungswerber hat trotz dazu gebotener Gelegenheit zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen keine Angaben gemacht. Im Hinblick auf den von ihm selbst dargestellten Umfang seines Unternehmens wurde von günstigen Vermögens- und Einkommensverhältnissen ausgegangen. Die nach den Angaben des Berufungswerbers bestehende Sorgepflicht für 1 Kind wurde berücksichtigt.
Unter Bedachtnahme auf die dargestellten Strafzumessungsgründe erweist sich die von der erstinstanzlichen Behörde verhängte Geldstrafe im Ausmaß von S 40.000,-- im Hinblick auf die gesetzliche Strafobergrenze von S 50.000,-- und den Umstand, daß der Berufungswerber zur Tatzeit nicht einschlägig vorbestraft war, als überhöht; die von der Erstinstanz verhängte Ersatzfreiheitsstrafe von 40 Tagen überschreitet zudem das gesetzlich zulässige Höchstmaß. Es wurde deshalb die Strafe spruchgemäß herabgesetzt. Eine weitere Strafherabsetzung kam insbesondere unter Bedachtnahme auf den bedeutenden objektiven Unrechtsgehalt der Tat und unter Berücksichtigung der günstigen allseitigen Verhältnisse des Berufungswerbers nicht in Betracht, da die Strafe in ihrer Höhe geeignet sein soll, den Berufungswerber in Hinkunft wirksam zu rechtstreuem Verhalten zu veranlassen.
5. Gemäß § 51f Abs 2 VStG erfolgte die Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit des Magistrates der Stadt Wien, die Fällung des Erkenntnisses in Abwesenheit aller Verfahrensparteien.