TE UVS Steiermark 1997/02/19 30.12-112/96

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Veröffentlicht am 19.02.1997
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Wigbert Hütter über die Berufung des Herrn Hermann F, geb. am 17.8.1936, vertreten durch die Rechtsanwälte Sch, B, T, & Partner, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom 20.11.1996, GZ.: 15.1 1995/3974, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 2 und 3 VStG eingestellt.

Text

Die belangte Behörde warf dem Beschuldigten im angeführten Straferkenntnis folgenden Sachverhalt vor: Er sei als verantwortlicher Beauftragter der A-fleisch KG mit Sitz in St dafür verantwortlich, daß am 29.3.1995 um

11.30 Uhr in der Filiale 9 der H KG in Bischofshofen, Bahnhofstraße 17, die verpackte Ware "Balkangemüse" durch die A-fleisch KG als Erzeuger nicht den Bestimmungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (LMKV 1993) entsprechend gekennzeichnet in Verkehr gebracht worden sei. Laut Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Salzburg UZ 818/95 vom 5.4.1995 sei dem Verzeichnis der Bestandteile das Wort "Zutaten" nicht vorangestellt gewesen, die Zusatzstoffe nicht mit der Klasse und den spezifischen Namen oder den E-Nummern gekennzeichnet gewesen, der Hinweis

auf die Datumsangabe nicht mit "mindestens haltbar bis

Ende" angegeben gewesen und der Chargennummer

nicht der Buchstabe "L" vorangestellt gewesen.

Dadurch sei § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 i.V.m. § 4 Z 4, 5 und 7 LMKV 1993 verletzt worden. Nach § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 wurde eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzarrest 26 Stunden) verhängt.

Der Beschuldigte berief und machte Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend, weil er als verantwortlicher Beauftragter der A-fleisch KG (mit Sitz in St) in Bischofshofen keine Inverkehrbringungshandlungen setzen habe können, schon gar nicht in einer Filiale der H KG. Verwaltungsstrafrechtlich relevante Handlungen und Unterlassungen könne er allenfalls am Ort seiner beruflichen Tätigkeit, nämlich in Stainach, setzen. Es mangle daher dem angefochtenen Bescheid an der Angabe des richtigen Tatortes und der richtigen Tatzeit und damit an wesentlichen Tatbestandsmerkmalen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens erforderlich seien, was einen Verstoß gegen § 44 a Z 1 VStG darstelle. Der Aufrechterhaltung der Bestrafung stehe der Eintritt der Verfolgungsverjährung entgegen, weshalb das Verfahren einzustellen sei.

Über Aufforderung durch die Berufungsbehörde legte der Beschuldigte 32 Lieferscheine betreffend den Zeitraum 28.6.1994 bis 28.2.1995 vor. Daraus seien sämtliche Lieferungen zu entnehmen, die unter Berücksichtigung der Aufbrauchfrist am 29.3.1995 in der H-Filiale in Bischofshofen vorgefunden werden konnten. Da er ausschließlich die H-Zentrale in Sattledt beliefere, könne er nicht angeben, wann die beanstandeten Waren von Sattledt nach Bischofshofen geliefert worden seien. Er könne auch nicht angeben, ob immer die am längsten einlagernde Ware weitergeliefert werde. Die von ihm zu verantwortende Tathandlung sei ausschließlich eine Lieferung von Stainach nach Sattledt am 28.2.1995 gewesen. Sämtliche theoretisch in Frage kommenden Lieferungen seien von Stainach aus erfolgt.

Nach Überprüfung der Berufungssache anhand der Aktenlage gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark zu folgenden Feststellungen:

Der Beschuldigte ist verantwortlicher Beauftragter der Afleisch-Kommanditgesellschaft der Landgenossenschaft Ennstal, reg. Genossenschaft mit beschränkter Haftung und der Fleischergenossenschaft Ennstal, reg.

Genossenschaft mit beschränkter Haftung (A-fleisch KG) mit Sitz in politischer Gemeinde Stainach.

Die KG lieferte von ihrem Erzeugungsbetrieb in Stainach aus am 6.9., 11. und 18.10., 7., 16. und 30.11.1994, 15.12.1994, 2. und 17.1.1995 "Balkangemüse" an die H KG, Zweigniederlassung 4642 Sattledt 39. Von dort aus wurde die Ware - vermutlich nur zum Teil- an die Filiale 9 der H KG in Bischofshofen geliefert, wo sie unter anderem am 29.3.1995 um 11.30 Uhr (durch Bereithaltung zum Verkauf) in Verkehr gebracht wurde, wie dies bei einer Lebensmittelkontrolle durch das Amt der Salzburger Landesregierung festgestellt wurde.

Nach § 1 Abs 1 Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 - LMKV 1993 ist diese Verordnung mit Ausnahme bestimmter Waren und Erzeugnisse auf alle verpackten Waren gemäß den §§ 2 und 3 LMG 1975, die ohne

weitere Verarbeitung für den Letztverbraucher bestimmt sind, anzuwenden; dem Letztverbraucher sind Einrichtungen der Gemeinschaftsversorgung gleichzustellen.

Das Gebot der Kennzeichnung wird unter gleichzeitiger Umschreibung der davon betroffenen Waren ausgesprochen, ohne daß an dieser Stelle oder

anderswo im Verordnungstext der Normadressat genannt wird. Dieser muß vielmehr aus dem Gesamtinhalt der Verordnung und aus dem Kreis derjenigen, die eine im Sinne der LMKV verpackte Ware in Verkehr bringen (§ 1 Abs 2 LMG 1975), abgeleitet werden. Im Gegensatz zur LMKV 1973, die den jeweils Verantwortlichen ausdrücklich bestimmte (§ 6 LMKV 1973), ist jeder verantwortlich, der Lebensmittel und Verzehrprodukte in Verkehr bringt. Für die Einhaltung der LMKV sind verantwortlich: Der "verpackende" Erzeuger, der Verpacker, derjenige, der die verpackte Ware kennzeichnet bzw. kennzeichnen läßt, der Importeur, der Vertreiber und der (Letzt)Verkäufer (Barfuß-Smolka-Onder, Kommentar zur LMKV 1993, 51).

Bei den Verstößen gegen die LMKV 1993 handelt es sich ebenso wie bei Verstößen gegen die LMKV 1973 um eine Begehung der Tat durch Unterlassung (vgl. das die LMKV 1973 betreffende Erkenntnis vom 26.11.1990, 89/10/0244), der Eintritt eines Erfolges wird nicht gefordert (VwGH 18.2.1991, 90/10/0011). Ein "Inverkehrbringen" wird u.a. durch ein "Liefern" von Lebensmitteln verwirklicht (vgl. VwGH 21.12.1992, 92/10/0184). In dem ebenfalls zur LMKV 1973

ergangenen Erkenntnis vom 18.2.1991, 90/10/0011, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer verpflichtet sei, in dem Moment, in dem eine von ihm hergestellte und verpackte Ware seinen Erzeugungsbetrieb verlasse, für deren vollständige und richtige Kennzeichnung zu sorgen. Die Verwaltungsübertretung sei daher bereits am Sitz des Erzeugungsbetriebes und in dem Augenblick begangen worden, als die Ware an das Verkaufsgeschäft expediert worden sei. Mit dem "Inverkehrsetzen" der nicht gesetzmäßig gekennzeichneten Ware sei das strafbare Verhalten abgeschlossen.

Auf den vorstehenden Fall übertragen bedeutet dies, daß zwar der Beschuldigte "Balkangemüse" am 6.9., 11. und 18.10., 7., 16. und 30.11.1994, 15.12.1994, und 2. und 17.1.1995 durch Lieferung von Stainach aus an die H KG, Zweigniederlassung Sattledt, in Verkehr gebracht hat, nicht aber zu dem im Straferkenntnis genannten Tatzeitpunkt, dem 29.3.1995. Er hat diese Ware auch nicht in der H-Filiale Bischofshofen in Verkehr gebracht, sondern wie angeführt in Stainach. Der Berufungswerber ist daher mit seinem Vorbringen, daß dem angefochtenen Bescheid die Angabe des richtigen Tatortes und der richtigen Tatzeit fehle, im Recht.

Da nach § 44 a Z 1 VStG der Spruch eines Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten hat und der den Deliktstatbestand erfüllende Sachverhalt mit allen rechtserheblichen Merkmalen nach Ort und Zeit konkretisiert umschrieben werden muß, liegt ein Verstoß gegen diese Bestimmung vor, der wegen Ablaufs der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist nach § 74 Abs 6 LMG nicht mehr saniert werden kann.

Nach § 45 Abs 1 VStG ist die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen, wenn (Ziffer 2) der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder (Ziffer 3) Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen. Weder hat der Berufungswerber die ihm im Straferkenntnis zur Last gelegte Verwaltungsübertretung - nämlich das Inverkehrbringen von "Balkangemüse" am 29.3.1995 in der H-Filiale Bischofshofen - begangen, noch wurde ihm das Inverkehrbringen des "Balkangemüses" zu jener Tatzeit, da diese Ware vom Erzeugungsbetrieb ausgeliefert wurde, und an jenem Tatort, an dem dies geschah, vorgeworfen, was zur Behebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens nach § 45 Abs 1 Z 2 und 3 VStG zu führen hat. Diese Entscheidung konnte ohne öffentliche mündliche Verhandlung getroffen werden, da bereits aufgrund der ergänzenden Erhebungen ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51 e Abs 1 VStG).

Schlagworte
Inverkehrbringen Kennzeichnung Lebensmittel Erzeuger Filiale Tatort Tatzeit Verantwortlichkeit Verfoglugngsverjährung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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