Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Einzelmitglied Dr. Herbert Thaller über die Beschwerde des Herrn V G U, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. K K, G, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wie folgt entschieden:
Gemäß § 67 a Abs 1 Z 2 iVm § 67 c und d AVG wird die am 19.07.1996 von Organen der Bundespolizeidirektion Graz vorgenommene Verklebung des Mundes des Beschwerdeführers mit einem Klebeband für rechtswidrig erklärt. Die restliche Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die belangte Behörde hat gemäß § 79 a AVG iVm der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl. Nr. 855/1995 S 8.400,-- als Aufwandersatz der obsiegenden Partei binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Mit der am 30.08.1996 beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark eingelangten Beschwerde machte der Beschwerdeführer geltend, daß ihm in rechtswidriger Weise der Mund mit einem Klebeband zugeklebt worden war. Dies, nachdem der Beschwerdeführer passiven Widerstand gegen seine Abschiebung geleistet habe und schon beim Wegtransport von Graz lautstark zu erkennen gegeben habe, daß er mit der beabsichtigten Vorgangsweise der Behörde nicht einverstanden gewesen sei. Dennoch habe der Beschwerdeführer keinerlei Gewalt oder sonstiges aggressives Verhalten gesetzt. Es sei ihm in der Folge der Mund zugeklebt worden, um weitere akustische Äußerungen des Beschwerdeführers zu verhindern. Das Klebeband sei etwa bis zur Autobahnabfahrt Wiener Neustadt angebracht gewesen. Zudem macht der Beschwerdeführer geltend, daß er dadurch in seinen Rechten verletzt worden sei, daß er von einem Polizeibeamten am Kopf erfaßt worden sei und diesen gegen einen Gegenstand gestoßen habe, wodurch ein Teil eines Schneidezahnes ausgebrochen sei. Ebenso sei der Beschwerdeführer durch die einschreitenden Polizeibeamten im Bereich der linken Körperseite verletzt worden, sodaß er sich nach dem 10.07.1996 wegen dieser Verletzungen habe ärztlich behandeln lassen müssen. Der Beschwerdeführer beantragte, daß das Zukleben des Mundes von Graz bis zur Autobahnabfahrt Wiener Neustadt als rechtswidrig festgestellt werde, sowie daß der Unabhängige Verwaltungssenat feststellen möge, daß der Beschwerdeführer am 19.07.1996 durch rechtswidrige Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in seiner körperlichen Integrität verletzt worden sei. Zusätzlich begehrte der Beschwerdeführer den Kostenzuspruch, welcher zugleich mit einem Antrag auf Befreiung der Stempelgebühren verbunden war. Die belangte Behörde erstattete nach Kenntnisnahme des Inhaltes der Beschwerde eine Gegenschrift und legte den Fremdenakt des Beschwerdeführers vor. In der Gegenschrift wird im wesentlichen darauf hingewiesen, daß sich der Beschwerdeführer anläßlich seiner Verbringung von der Schubhaftzelle zum Flughafen Schwechat nicht nur lautstark gegen die beabsichtigte Abschiebung gewehrt hätte, sondern er sich durch Treten und Schlagen mit den Händen auch tatkräftig zur Wehr gesetzt habe. Nach dem Anlegen von Hand- und Fußfesseln habe der Beschwerdeführer seine aggressiven Handlungen dahingehend fortgesetzt, daß er weiterhin versucht habe, auf die Anwesenden einzubeißen. Dies sei Grund dafür gewesen, das Klebeband auf dem Mund des Beschwerdeführers anzubringen. Das Klebeband sei danach am ersten Autobahnparkplatz unmittelbar nach der Stadtgrenze entfernt worden. Die belangte Behörde beantragte in der Folge, die Maßnahmenbeschwerde unter Absehung der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung kostenpflichtig abzuweisen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat beraumte eine öffentliche, mündliche Verhandlung an, anläßlich welcher der Beschwerdeführer, der in der Verhandlung durch seinen ausgewiesenen Rechtsanwalt nicht vertreten war, dem für die gesamte Dauer der Verhandlung ein Dolmetsch zur Verfügung gestellt wurde, und drei von den eingeschrittenen Polizeibeamten einvernommen wurden. Aufgrund der durchgeführten Verhandlung ergibt sich daher folgender als erwiesen angenommener Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsangehöriger und war erstmalig 1991 nach Österreich eingereist. Über den Beschwerdeführer wurde mit Bescheid vom 03.07.1996 die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. zur Sicherung des Verfahrens einer Ausweisung bzw. der Abschiebung verhängt. Am 19.07.1996 sollte der Beschwerdeführer auf dem Flugwege von Wien-Schwechat in seine Heimat abgeschoben werden. Zu diesem Zweck wurde der Beschwerdeführer um 02.30 Uhr durch RI W geweckt und aufgefordert, sich zur Abfahrt zur nigerianischen Botschaft fertig zu machen. Der Beschwerdeführer erklärte dem Polizeibeamten, daß er weder in seine Heimat noch zu einer Vertretungsbehörde seiner Heimat gehen will. Er legte sich daraufhin wieder nieder. Nachdem der Mithäftling aus der Zelle entfernt worden war, erschienen neben zwei Polizeihundeführern mit Hund sechs weitere Polizeibeamte (unter ihnen auch RI W), die den Beschwerdeführer erneut aufforderten, mitzukommen. Der Beschwerdeführer blieb in seiner liegenden Position, zog sich die Decke über den Kopf und versuchte, sich so gut wie möglich am Bett festzuhalten. Daraufhin erfolgte der Zugriff durch die Polizeibeamten, indem RI M und RI B den Beschwerdeführer, der ursprünglich in Seitenlage gelegen war, auf den Bauch drehten und ihm in einem Zeitraum von ca. 30 bis 60 Sekunden die Handfesseln am Rücken anlegten. Währenddessen wurden von RI W und RI W die Füße fixiert und von RI G und RI L die Fußfesseln angelegt. Der Beschwerdeführer hatte sich beim Anlegen der Hand- und Fußfesseln entsprechend gewehrt und mußte er zu diesem Zwecke festgehalten werden. Da sich der Beschwerdeführer mit den Händen so gut es ging am
Bettgestänge festgehalten hatte, mußte zuvor durch Anwendung von Körperkraft ein Loslösen der Hände vom Bettgestänge erfolgen und die Position des Beschwerdeführers geändert werden. Ob dabei der Beschwerdeführer mit seinem Kopf am Bettgestänge anstieß, oder ob die Polizeibeamten den Kopf des Beschwerdeführers gegen das Bettgestänge gestoßen haben, konnte nicht ermittelt werden. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht aber davon aus, daß es aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers wahrscheinlich ist, daß der Kopf des Beschwerdeführers mit dem Bettgestänge zusammenstieß, ohne daß dies von den Polizeibeamten in irgendeiner Form gewollt gewesen war. Ob dabei dem Beschwerdeführer ein Teil seines Schneidezahnes ausgebrochen war, konnte nicht ermittelt werden. Daß beim Anlegen der Hand- und Fußfesseln jeweils ein zweites Paar Hand- bzw. Fußfesseln Verwendung gefunden hat - wie der Beschwerdeführer behauptet - war ebenfalls nicht erweisbar. Es wird daher davon ausgegangen, daß lediglich ein Paar Hand- und ein Paar Fußfesseln Verwendung fanden, welche bis nach Wien angelegt waren. Infolge der Fesselung war der Beschwerdeführer nicht mehr gehfähig und mußte von der im Keller des Polizeigefangenenhauses gelegenen Zelle in das Parterre getragen werden. Dabei wurde die Decke des Beschwerdeführers auf dessen Kopf belassen, da sich der Beschwerdeführer weiterhin lautstark gegen den Zugriff und gegen seine Verbringung äußerte. Im Parterre angelangt, wurde der Beschwerdeführer vor der Aufnahmekanzlei auf den Boden gelegt und ein Beamter mit der Decke des Beschwerdeführers in den Keller geschickt. RI L kam dann auf die Idee, dem Beschwerdeführer ein Klebeband auf dem Mund anzubringen, welche von ihm geäußerte Absicht von den anderen anwesenden Polizeibeamten stillschweigend gutiert wurde. Auch der die Amtshandlung leitende RI B hatte gegen das Anbringen des Klebebandes keine Einwände. Er erfaßte den am Boden auf dem Bauch liegenden Beschwerdeführer am Kopf und hielt ihn in einer Armwinkelsperre so fest, daß RI L das ca. 5 cm breite Klebeband auf dem Mund des Beschwerdeführers so positionieren konnte, daß ein Atmen des Beschwerdeführers durch die Nase möglich war. In der Folge wurde der Beschwerdeführer in das von der Aufnahmekanzlei ca. 12 m entfernte Polizeifahrzeug gebracht. Den Transport nach Wien nahmen RI L und RI G vor, wobei auf dem Weg nach Wien einige Fahrpausen eingelegt wurden, in denen dem Beschwerdeführer wenig Beachtung geschenkt wurde. Knapp vor Wien wurde dem Beschwerdeführer bei einem neuerlichen Stop das Klebeband entfernt, nachdem die Polizeibeamten "durch gutes Zureden den Widerstand des Beschwerdeführers gebrochen hatten und sich nicht vor Tätlichkeiten fürchten mußten". Von der Abschiebung, welche letztlich aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers am Widerstand des Flugkapitäns scheiterte, wurde von RI G ein Bericht angefertigt und ausgeführt, es habe keine besonderen Vorkommnisse gegeben. In diesem Bericht scheint weder die Verwendung des Klebebandes noch das besonders aggressive Verhalten des Beschwerdeführers in der Form der Beißangriffe auf. Erst aufgrund eines Artikels in der Tageszeitung "Kleine Zeitung" vom 13.08.1996, in welchem über die versuchte Abschiebung unter dem Titel "Nigerianer: 'Ich wurde geknebelt' " berichtet wurde, mußten die Beamten nach Aufforderung durch die Zentralinspektion der belangten Behörde einen erneuten Bericht verfassen. In diesem scheint erstmals die Verwendung des Klebebandes auf. Rechtfertigend wird erwähnt, daß diese Vorgangsweise dem Schutz vor Beißangriffen des Beschwerdeführers gedient habe.
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich im wesentlichen aus den in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Aussagen des Beschwerdeführers und der Polizeibeamten. Dabei war insbesondere die Version des Beschwerdeführers hinsichtlich der Verwendung von einem weiteren Paar Fuß- und Handfesseln nicht glaubhaft, sowie nicht glaubhaft, daß er sich körperlich gegen den Zugriff nicht zur Wehr gesetzt hätte. Glaubhaft hingegen erschien dem Unabhängigen Verwaltungssenat, daß das Klebeband, mit welchem dem Beschwerdeführer der Mund verklebt worden war, erst kurz vor Wien entfernt wurde. Ob dies auf Höhe der Ausfahrt Wiener Neustadt oder etwas später geschehen ist, konnte nicht eindeutig ermittelt werden. Diesbezüglich erschienen jedenfalls die Angaben der Polizeibeamten, das Klebeband sei bereits bei der ersten Autobahnauffahrt unmittelbar nach Graz entfernt worden, nicht glaubwürdig, zumal der Beschwerdeführer glaubhaft angeben konnte, vor dem Entfernen des Klebebandes einen Vorwegweiser mit der Aufschrift "Wiener Neustadt" erblickt zu haben. Glaubhaft hingegen erschien es dem Unabhängigen Verwaltungssenat, daß der Beschwerdeführer sich aus Leibeskräften - auch wenn er sich bereits seit ca. einer Woche im Hungerstreik befunden hatte - gegen die Verbringung aus seiner Zelle gewehrt hat, ebenso glaubhaft und schlüssig war, daß der Beschwerdeführer seinen Widerstand dadurch fortzusetzen versuchte, indem er auf die Beamten einzubeißen versuchte. Dies erklärt sich daraus, daß der Beschwerdeführer auch vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat angegeben hatte, er hätte alles getan, um nicht zur nigerianischen Botschaft gebracht, bzw. in sein Heimatland abgeschoben zu werden.
Bezüglich des Zweckes der Klebebandverwendung konnte den Polizeibeamten nur insofern geglaubt werden, daß sie sich bei der Verbringung des Beschwerdeführers von der Aufnahmekanzlei bis zum Transportfahrzeug (12 Meter) vor dem Gebissenwerden schützen wollten; nicht jedoch, was den ohne jeglichen weiteren Körperkontakt stattfindenden Transport nach Wien-Schwechat anbelangt. Dies, da die Anzahl der Transportbegleiter mit zwei begrenzt war und bei einer entsprechenden Gegenwehr des Beschwerdeführers den zwei Beamten ein gefahrloses Abnehmen des Klebebandes unmöglich gewesen wäre, zumal beim Anlegen des Klebebandes - glaubt man den Ausführungen hinsichtlich der Gegenwehr - immerhin fünf Beamten gebraucht wurden. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat daher in freier Beweiswürdigung angenommen, daß zumindestens das Verbleiben des Klebebandes am Mund nach dem Ablegen des Beschwerdeführers in den Transporter nicht dem angegebenen Zwecke dienlich war, sondern dazu, dem Beschwerdeführer "den Mund zu verbieten".
Die Rechtsbeurteilung ergibt:
Gemäß § 67 a Abs 1 Z 2 AVG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen. Gemäß § 67 c Abs 1 AVG sind Beschwerden nach § 67 a Abs 1 Z 1 AVG innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat, sofern er aber durch sie behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, ab dem Wegfall dieser Behinderung bei dem Unabhängigen Verwaltungssenat
einzubringen, in dessen Sprengel dieser Verwaltungsakt gesetzt wurde.
Der Vorfall trug sich am 19.07.1996 zu und zwar in Graz und hinsichtlich des Verbleibens des Klebebandes auf dem Mund des Beschwerdeführers auf dem Weg von Graz nach Wien, sodaß sich mit dem Einlangen der Beschwerde am 30.08.1996 beim Unabhängigen Verwaltungssenat jedenfalls die Einhaltung der sechswöchigen Frist ergibt und die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark gegeben ist. Zur Zuständigkeit ist anzumerken, daß die Abschiebung von der Bundespolizeidirektion Graz veranlaßt und durchgeführt wurde, sodaß auch für die auf dem Weg zur Abschiebung erfolgten Handlungen der Organe die Bundespolizeidirektion Graz als belangte Behörde in Betracht kam, bzw. aufgrunddessen die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark begründet war.
Da weder aus der Beschwerde erkennbar war, daß diese a limine zurückzuweisen ist, noch aus der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären war, war eine öffentliche, mündliche Verhandlung anzuberaumen, die am 20.02.1997 stattfand.
Zur geltend gemachten Handlung des Zuklebens des Mundes des Beschwerdeführers:
Aus dem Sachverhalt ist bekannt, daß dem Beschwerdeführer der Mund mittels eines 5 cm breiten Klebebandes zugeklebt wurde. Die übliche Verwendung dieses Klebebandes ist das dichte Verschließen von Behältnissen, wie etwa Kartonagen. Der Zweck des Zuklebens des Mundes des Beschwerdeführers wurde von den einvernommenen Polizeibeamten damit erklärt, daß sie sich gegen die Beißangriffe des Beschwerdeführers gewehrt hätten. Es sei für sie das gelindeste Mittel gewesen, um den Beschwerdeführer weder in seinen Rechten einzuschränken, noch sich selbst der Gefahr des Gebissenwerdens auszusetzen. Die Polizeibeamten haben allerdings auch andere Methoden angegeben, welche ebenfalls geeignet gewesen wären, Beißangriffe hintanzuhalten. Dazu wurde ein spezieller im polizeilichen Selbstverteidigungskurs gelehrter Kopffesthaltegriff angegeben, welcher nach Angabe des RI B deshalb nicht zur Anwendung gelangte, da er bei der Verwendung dieses Festhaltegriffes nicht mehr in der Lage gewesen wäre, den Beschwerdeführer gleichzeitig auch zu tragen. Als weitere Möglichkeit wurde von den eingeschrittenen Polizeibeamten das Tragen eines "Gummimantels" genannt. Dieser sei aber nicht zur Verfügung gestanden.
Diesen angegebenen Rechtfertigungsangaben kann der Unabhängige Verwaltungssenat im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit nichts abgewinnen:
Gemäß Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner ständigen Judikatur zu Artikel 3 EMRK ausgesprochen hat, widerspricht die Anwendung von körperlicher Kraft bzw. von Waffengewalt durch ein polizeiliches Organ dann dem Verbot des Artikel 3 EMRK, wenn sie in der gegebenen Situation nicht notwendig war oder nicht maßhaltend angewendet wurde und/oder nicht auf ein legitimes Ziel gerichtet war und wenn qualifizierend hinzutritt, daß dem behördlichen Verhalten eine, die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Mißachtung des Betroffenen als Person eigen war (siehe dazu unter anderem VfSlg 11.329/87, VfSlg 11096/86 u.a.). Was das Verkleben des Mundes bis zum Polizeifahrzeug anbelangt, ergibt sich unter Heranziehung der vom Verfassungsgerichtshof aufgestellten Kriterien zur Beurteilung eines Verhaltens am Maßstabe des Artikel 3 EMRK, daß es zwar einem legitimen Zweck diente, nämlich dem Schutz der Polizeibeamten vor dem Gebissenwerden durch den Beschwerdeführer. Dabei verkennt der Unabhängige Verwaltungssenat in Anbetracht der gegebenen Situation nicht, daß der Schutz notwendig war. Es waren jedoch nicht die anderen Kriterien des Artikel 3 EMRK erfüllt: Der Unabhängige Verwaltungssenat kann nämlich weder finden, daß das Zukleben notwendig war, noch daß das Klebeband
maßhaltend zum Einsatz gelangte, noch daß das Zukleben des Mundes eines abzuschiebenden Fremden dessen Menschenwürde nicht beeinträchtigt. Es hätte auch andere Methoden und andere Möglichkeiten gegeben, welche schon von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift eingeräumt wurden. Diese wurden auch von den einvernommenen Polizeibeamten in der Verhandlung dargestellt. So hatten sich die Polizeibeamten auf dem Weg von der Zelle des Beschwerdeführers bis zur Aufnahmekanzlei ein Stockwerk darüber auch entsprechend schützen können, wobei dies durch die auf dem Kopf des Beschwerdeführers zu liegen gekommene Decke zu erklären ist. Des weiteren kommt dem Verhalten der Polizeibeamten qualifizierend hinzu, daß durch das Zukleben des Mundes eine, die Menschenwürde
beeinträchtigende gröbliche Mißachtung des Betroffenen als Person zu eigen war. Mag sein, daß das Mundzukleben aus der Sicht der Polizisten ein rasches und zuverlässiges - somit für die Polizisten ein gelindes - Mittel war. Doch kann die Frage der Eingriffsintensität (gelinde oder nicht gelinde) nicht am Maßstab des Handelnden, sondern nur des zu Behandelnden beurteilt werden. Insofern war die gewählte Vorgangsweise aus der Betrachtungsweise des Betroffenen nicht als gelindes Mittel zu werten: Immerhin verhindert es den Gebrauch der Stimme, um sich z.B. verbal zu Handlungen Dritter zu äußern oder Wünsche zu artikulieren, aber auch, um im Falle des plötzlichen Unmöglichwerden der Nasalatmung alternativ die
lebenserhaltende Atmung durch den Mund vorzunehmen. Aus dem oben dargestellten Sachverhalt nimmt der Unabhängige Verwaltungssenat an, daß das Zukleben des Mundes des Beschwerdeführers dem behaupteten Zweck des Eigenschutzes nur bis zum Verbringen bis in das Polizeiauto diente. Dennoch war diese Handlungsweise rechtswidrig, da sie menschenverachtend erfolgte und aufgrund der Möglichkeit der Inanspruchnahme von Alternativmethoden nicht notwendig war.
Hinsichtlich der Klebebandverwendung auf dem Transport nach Wien vertritt der Unabhängige Verwaltungssenat die Meinung, daß dies überhaupt keinem legitimen Zwecke, sondern ausschließlich dazu diente, nicht durch lautstarke Äußerungen des Beschwerdeführers weiter gestört zu werden. Daß dies als eine gröbliche Mißachtung des Betroffenen als Person zu werten ist, ergibt sich von selbst. Aus dem Fremdenpolizeiakt stellt sich dar, daß den eingeschrittenen Polizeibeamten die von ihnen gesetzte Handlung nicht ganz geheuer war, zumal sie sie im ersterstellten Bericht über die Abschiebung mit keiner Silbe erwähnt hatten. Erst aufgrund des Artikels in der Kleinen Zeitung wurde ein erneuter Bericht erstattet, der sowohl das Zukleben als auch die dazu abgegebenen Begründungen enthielt. Die Scheu vor dem Erwähnen im ersten Bericht wurde zwar von einem Polizeibeamten damit begründet, daß es sich um eine Maßnahme gehandelt hat, die den Beschwerdeführer in keiner Weise beeinträchtigt habe und daher nicht erwähnenswert gewesen sei, kann aber auch - so sieht es der Unabhängige Verwaltungssenat - darin gelegen sein, daß diese Vorgangsweise nicht der eines Polizeibeamten würdig war; ist doch das Verwenden des Klebebandes zum Stillschweigen der davon betroffenen Personen vorwiegend aus Kriminalfilmen und Vorgangsweisen von Verbrechern bekannt.
Zur geltend gemachten Anwendung von Körpergewalt:
Die vom Beschwerdeführer angegebene und als rechtswidrig angefochtene Anwendung der polizeilichen Körpergewalt gegenüber dem Beschwerdeführer derart, daß ihm dadurch ein Teil eines Schneidezahnes ausgebrochen sei, konnte innerhalb der Verhandlung nicht erwiesen werden. Der Unabhängige Verwaltungssenat nahm daher in freier Beweiswürdigung an, daß das Ausbrechen des Zahnes im Zuge des Tumultes der erfolgten Zugriffshandlungen geschehen ist, und dabei keinerlei beabsichtigte Handlung derart geschehen ist, daß dem Beschwerdeführer in Mißachtung des Artikel 3 EMRK Gewalt angetan wurde. Ebenso verhält es sich mit den von dem Beschwerdeführer angegebenen Schlägen ihm gegenüber. Daß im Zuge eines Zugriffes, bei welchem sich der Beschwerdeführer mit immanenter Körpergewalt dagegen wehrte, auch ungewollte körperliche Attacken passierten, wohnt jeder körperlichen Verwaltungshandlung inne. Es ist daher auch durchaus möglich, daß die vom Beschwerdeführer in dieser Hinsicht angezogenen Rechtswidrigkeiten die Folge von Amtshandlungen der Polizeibeamten waren, welche in der "Hitze des Gefechtes" ungewollt geschehen sind. Darin kann aber keine besondere Rechtswidrigkeit erkannt werden. Zwar ist der Unabhängige Verwaltungssenat verhalten, bei der Beurteilung der faktischen Amtshandlungen nicht nur das "ob" sondern auch das "wie", das heißt die konkrete Ausgestaltung des jeweiligen Verwaltungsaktes zu prüfen (siehe VfSlg. 8126/77, 8580, 1979), doch konnte in den genannten Handlungen vom Unabhängigen Verwaltungssenat keinerlei Übergriffe erkannt werden. Da sich die behaupteten Handlungen nicht zugetragen haben, war in Ermangelung einer verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt die Beschwerde in diesen Punkten zurückzuweisen.
Gemäß § 79 a AVG steht der obsiegenden Partei ein Anspruch auf Ersatz derjenigen Kosten zu, die ihr aufgrund dieses Verfahrens erwachsen sind. Dies bedeutet, daß die belangte Behörde der obsiegenden beschwerdeführenden Partei die Kosten an Schriftsatzaufwand gemäß der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 855/1995 zu bezahlen hat. Dem Beschwerdeführer waren daher in der Folge nur die Aufwendungen des Schriftsatzes zuzusprechen, zumal hinsichtlich des Verhandlungsaufwandes der Beschwerdeführerrechtsvertreter an der Verhandlung nicht teilgenommen hatte und im Bezug auf die S 120,-- an Stempelgebühren ein Antrag auf Gebührenbefreiung eingebracht worden war.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.