TE UVS Steiermark 1997/03/24 30.12-20/97

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Veröffentlicht am 24.03.1997
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Wigbert Hütter über die Berufung der Frau Ines H, vertreten durch Dr. Heinz P, Rechtsanwalt in J, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 30.1.1997, GZ.: 15.1 1996/5183, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 1 und 2 VStG eingestellt.

Text

Im angeführten Straferkenntnis wurde der nunmehrigen Berufungswerberin folgende Tat vorgeworfen: "Sie sind als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als zur Vertretung nach außen Befugter gem. § 9 Abs 1 VStG 1991 der Firma "D Handels- und Vertriebs GmbH" mit Sitz in P, M 33, dafür verantwortlich, daß die oa. Firma die Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes 1975 nicht eingehalten hat, da, wie anläßlich einer Revision durch das Amt d. Stmk. Landesregierung, Fachabteilung für das Gesundheitswesen, am 8.7.1996 um 11.00 Uhr, bei der oa. Firma festgestellt wurde, die unter dem Probenzeichen 600 Ha 10296, aus dem Lagerraum am oa. Standort/Geschäftsanschrift entnommene Warenprobe, Bezeichnung D-Lite

aufschien, falsch bezeichnet war, da das Werbematerial zur entnommenen Probe gesundheitsbezogene Anpreisungen aufwies und somit die oa. Probe in Verkehr gebracht wurde, obwohl es verboten ist, Lebensmittel, die falsch bezeichnet sind, in Verkehr zu bringen."

Dadurch sei § 9 Abs 1 VStG i.V.m. § 7 Abs 1 lit. c und § 9 Abs 1 lit. c LMG 1975 verletzt worden.

Nach § 74 Abs 1 Lebensmittelgesetz 1975 wurde eine Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzarrest 1 Tag 12 Stunden) verhängt. In der Begründung führte die belangte Behörde u.a. aus, daß die dem Beschuldigten im Spruch zur Last gelegte Verwaltungsübertretung aufgrund "der schlüssigen und in sich widerspruchsfreien Angaben in der gegenständlichen Anzeige des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 18.9.1996 als erwiesen anzunehmen" sei.

Die Beschuldigte berief und brachte zur Begründung vor, daß sie zum fraglichen Zeitpunkt, nämlich am 8.7.1996, nicht handelsrechtliche Geschäftsführerin der Fa. D Handels- und ertriebs GmbH mit Sitz in P, M 33, gewesen sei, was aus dem Firmenbuch des Landesgerichtes Leoben ersichtlich sei. Geschäftsführer sei zu diesem Zeitpunkt Herr Hermann H gewesen. Das Straferkenntnis sei ihr daher zu Unrecht zugestellt worden. Der Ordnung halber werde jedoch auch darauf verwiesen, daß sie keinen Verstoß gegen die im Straferkenntnis genannten Rechtsvorschriften begangen habe. Die im Akt aufscheinenden Unterlagen, insbesondere Werbematerial und Flugblätter 1.) D-Lite - Kein Wundermittel - Kein Versprechen, 2.) Inhaltsstoffe und ihre Wirkung, 3.) D-Lite - Nehmen Sie Ihrer Gesundheit zuliebe, seien weder von der Beschuldigten noch von einer sonstigen Person je in Verkehr gebracht worden. Die genannten Unterlagen seien zwar bei der Revision durch das Amt der Steiermärkischen Landesregierung am 8.7.1996 am Firmensitz vorgefunden worden, es sei aber von den bei der Kontrolle Anwesenden erklärt worden, daß diese Unterlagen und deren Inhalt zwar von den Verantwortlichen aufgesetzt worden seien, jedoch nicht die Absicht bestanden habe, sie ohne Genehmigung des zuständigen Bundesministeriums in Verkehr zu bringen. Es gebe auch keinen Beweis dafür, daß die genannten Materialien in Verkehr gebracht worden seien. Aus diesem Grund sei auch auf die Aufforderung zur Rechtfertigung hin keine Stellungnahme durch die Beschuldigte abgegeben worden, da sie der Meinung gewesen sei, daß dieser Umstand amtlicherseits zur Kenntnis genommen worden sei. Der Berufungsantrag lautet auf ersatzlose Behebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens nach § 45 VStG. Als nach § 51 Abs 1 VStG örtlich zuständige Berufungsbehörde gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark nach Überprüfung der Berufungssache anhand der Aktenlage zu folgender Beurteilung:

Nicht daß die Berufungswerberin zum Tatzeitpunkt nicht handelsrechtliche Geschäftsführerin der D Handels- und Vertriebsgesellschaft m.b.H. war, ergibt sich aus dem Firmenbuchauszug FN 127691g, sondern daß sie seit 11.4.1996 diese Gesellschaft als handelsrechtliche Geschäftsführerin selbständig vertritt.

Im gegenständlichen Fall sind folgende Rechtsvorschriften relevant: Nach § 7 Abs 1 lit. c Lebensmittelgesetz 1975 - LMG ist es verboten, Lebensmittel und Verzehrprodukte in Verkehr zu bringen, die falsch bezeichnet sind.

Nach § 8 lit. f LMG sind Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung insbesondere nach der Verbrauchererwartung wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht oder in solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9 LMG), in Verkehr gebracht werden.

Nach § 9 Abs 1 lit. a LMG ist es verboten, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken.

Nach § 9 Abs 1 lit. c leg. cit. ist es verboten, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen gesundheitsbezogene, bildliche oder stilisierte Darstellungen von Organen des menschlichen Körpers, Abbildungen von Angehörigen der Heilberufe oder von Kuranstalten oder sonstige auf Heiltätigkeiten hinweisende Abbildungen zu verwenden. Nach § 44 a Z 1 VStG hat der Spruch des Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dabei muß der den Deliktstatbestand erfüllende Sachverhalt mit allen rechtserheblichen Merkmalen nach Ort und Zeit konkretisiert umschrieben werden. Nach VwGH 3.10.1985, 85/02/0053 (verstärkter Senat) muß dadurch der Beschuldigte in die Lage versetzt werden, auf den ihm vorgeworfenen Sachverhalt bezogene Beweise anzubieten, und er muß davor geschützt sein, wegen desselben Sachverhaltes neuerlich bestraft zu werden. Bei Beurteilung der Frage, ob eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des § 9 Abs 1 LMG 1975 vorliegt, kommt es entscheidend auf die Verkehrsauffassung an, also auf den Eindruck, der sich beim flüchtigen Lesen für einen nicht unbeträchtlichen Teil der Interessenten ergibt, wobei auch auf den Gesamteindruck der Mitteilung Bedacht zu nehmen ist. Zum Schutz der Konsumenten vor Täuschung sind jegliche, wenn auch an sich wahrheitsgemäße Angaben verboten, die irgendwie den Eindruck physiologischer Wirkungen erwecken. Darunter fallen zweifellos auch Generalisierungen, die zwar von kritischen Menschen nicht ernst genommen werden mögen, von denen aber nicht auszuschließen ist, daß sie bei der Masse der Konsumenten den beabsichtigten Eindruck erzielen (vgl. VwGH 23.1.1975, Zl. 91/10/0215, 0216 und die dort angeführte Vorjudikatur).

Im gegebenen Fall enthält das Straferkenntnis bezüglich der

relevanten Tathandlung folgende Ausführung: "... da, ... die ...

entnommene Warenprobe, Bezeichnung "D-Lite", ... falsch

bezeichnet war, da das Werbematerial zur entnommenen Probe gesundheitsbezogene Anpreisungen aufwies und somit die oa. Probe in Verkehr gebracht wurde, obwohl es verboten ist, Lebensmittel, die falsch bezeichnet sind, in Verkehr zu bringen". Die erste (rechtzeitige) Verfolgungshandlung (Aufforderung zur Rechtfertigung) vom 7.11.1996 weist folgende relevante Textierung auf: "... verantwortlich, daß die oa. Firma die Verwaltungsübertretung lt. Beilagen (11 Kopien, Schreiben d. Stmk.

Landesregierung vom 18.9.1996, GZ.: GW 30.0-8937/96-3; amtliches Untersuchungszeugnis d. Bundesanstalt f. Lebensmitteluntersuchung in Graz vom 22.7.1996, UZ 3328/96; Probenbegleitschreiben vom Amt d. Stmk. Landesregierung, Fachabteilung f. d.

Gesundheitswesen vom 8.7.1996; Schreiben Bundesministerium f. Gesundheit und Konsumentenschutz v. 7.5.1996, GZ.: 31.900/21-III/B/1/96; Werbematerial - Flugblätter, 1. D-Lite, kein Wundermittel - kein Versprechen, 2. Inhaltsstoffe und ihre Wirkung, 3. "D-Lite" - nehmen Sie ihrer Gesundheit zuliebe, 4. Inhaltsstoffe und ihre Wirkung) begangen hat."

In keinem der beiden behördlichen Akte kommt aber zum Ausdruck, worin die gesundheitsbezogene Angabe auf dem Werbematerial für das Verzehrprodukt "D-Lite" gelegen sein soll.

Dieser Mangel erscheint auch nicht verbesserungsfähig, auch wenn die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7.11.1996 auf das amtliche Untersuchungszeugnis der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Graz vom 22.7.1996, UZ  3328/96, verweist. Dieses amtliche Untersuchungszeugnis besteht aus Befund und Gutachten. In letzterem heißt es: "Das Werbematerial zu vorliegender Probe weist eine Reihe von gesundheitsbezogenen Anpreisungen auf (siehe beiliegende Kopie). Gesundheitsbezogene Angaben sind nur dann erlaubt, wenn diese mit Bescheid von der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz zugelassen sind. ... Die Probe verstößt somit gegen die Bestimmungen von § 9 Lebensmittelgesetz 1975 und ist nach den Begriffsbestimmungen des § 8 lit. f) LMG 1975 als falsch bezeichnet zu beurteilen." Zum Verweis auf die "beiliegende Kopie" ist festzustellen, daß nach dem Verwaltungsstrafakt der 1. Instanz dem Originalgutachten drei mit dem Stempel "Kopie" versehene Urkunden beigeschlossen sind, nämlich: 1. das Etikett (dieses enthält neben einer Einnahmeempfehlung, einem Hinweis betreffend die Aufbewahrung, einem Hinweis auf die Chargennummer, dem Mindesthaltbarkeitsdatum und dem Nettogewicht die Liste der Zutaten), 2. ein mit "D-LITE kein Wundermittel - kein Versprechen" überschriebenes Informationsblatt ("aus rein pflanzlichen Bestandteilen", "wirkt gegen Streß, Abgespanntheit, Energielosigkeit und Übergewicht", "Packungsinhalt 60 Stück", "D-LITE wurde in Österreich geprüft und analysiert und ist somit als Lebensmittelverzehrprodukt lt. § 18 Lebensmittelgesetz vom Bundesministerium für Gesundheit für den Handel freigegeben", "bei regelmäßiger Einnahme von D-LITE über den Zeitraum von mindestens 3 Monaten gibt es folgendes zu berichten:", "Durch die natürliche Aktivierung des Stoffwechsels stellen sich bei 90 % der Anwender meßbare Gewichtsverluste sowie enormer Energiezuwachs ein. Es gibt bei der Einnahme des Produktes D-LITE keine negativen Begleiterscheinungen und ist daher bedenkenlos zu empfehlen", weiters eine Aufforderung, 3-Monatspackungen um den Vorteilspreis von S 2.390,-- statt S 2.970,-- zu bestellen), 3. "Inhaltsstoffe und

ihre Wirkung" (in dieser Urkunde sind die einzelnen auf dem Etikett genannten Bestandteile auf der linken Seite untereinander angeführt und werden auf der rechten Seite korrespondierend dazu kommentiert).

Auch das Gutachten der Lebensmitteluntersuchungsanstalt sagt somit nichts darüber aus, worin die gesundheitsbezogenen Angaben bestehen, aber auch der im Gutachten enthaltene Verweis auf die beiliegende Kopie

verwiesene Urkunde ist nicht bezeichnet (es stehen wie angeführt drei Urkunden zur Wahl). Es ist zwar zulässig, im Spruch eines Straferkenntnisses "nicht in unbestimmter Form" auf andere Aktenteile zu verweisen (vgl. VwGH Zl. 87/03/0236 vom 9.11.1988 sowie Zl. 93/09/0048 vom 21.1.1994). Auch daraus ist aber der Schluß zu ziehen, daß eine Verweisung auf eine Kopie in unbestimmter Form nicht ausreicht. Weiters sind nicht alle Hinweise in den genannten drei Kopien als gesundheitsbezogen zu qualifizieren, wie z.B. jener auf die rein pflanzliche Natur. Aber selbst wenn man die Urkunde Inhaltsstoffe und ihre Wirkung kreislaufanregend bezeichnet werden, heranzieht, wird darin nicht zum Ausdruck gebracht, welche Charakterisierung welcher Zutat eine gesundheitsbezogene Angabe darstellt bzw. ob dies auf alle Charakterisierungen zutrifft. Indem die belangte Behörde dem Beschuldigten mit der Aufforderung zur Rechtfertigung 11 Kopien, darunter das Untersuchungszeugnis und die drei beigeschlossenen Kopien übermittelt hat, hat sie es ihm überlassen, daraus selbst den Sachverhaltsvorwurf zu ermitteln. Dies ist aber nicht Aufgabe des Beschuldigten, sondern der belangten Behörde. Damit wurde ihm die Möglichkeit genommen, konkrete Beweise anzubieten bzw. seine Verteidigung gezielt vorzunehmen.

Überdies ist zu beachten, daß aus der in Art. 6 Abs 2 MRK normierten Unschuldsvermutung ein Verbot des Zwanges zur Selbstbezichtigung abzuleiten ist. Danach ist jede wie immer geartete Verpflichtung, sich selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen, unzulässig (Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate2, 316). Die Aufforderung zur Rechtfertigung kann somit auch in diesem Sinn als bedenklich angesehen werden. Im Sinne des § 66 Abs 4 AVG ist die Berufungsbehörde nicht berechtigt, über eine andere Sache zu entscheiden, als die, welche im erstinstanzlichen Bescheid im Spruch festgelegt ist. Dieser Spruch weist wie ausgeführt einen unverbesserbaren Mangel in der Sachverhaltsumschreibung auf. Zu einer Verbesserung ist die Berufungsbehörde insbesondere deswegen nicht berechtigt, weil auch die Verfolgungshandlung die erforderliche Konkretisierung nicht aufweist. Obwohl die nach § 74 Abs 6 LMG einjährige Verfolgungsverjährungsfrist zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung noch nicht abgelaufen ist, hat die Berufungsbehörde dennoch nicht nur das Straferkenntnis zu beheben, sondern auch die Einstellung des Verfahrens zu verfügen, da eine Behebung des Bescheides ohne Verfahrenseinstellung nur im Falle der Unzuständigkeit der Erstbehörde möglich ist (Thienel; a. a.O., 340 ff). Nach der gegeben Sach- und Rechtslage konnte mangels Überprüfbarkeit des Tatvorwurfs die dem Berufungswerber zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden bzw. liegen Umstände vor, die deren Strafbarkeit aufheben.

Der Bescheid war daher zu beheben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 1 und 2 VStG einzustellen, ohne daß auf die vorgebrachten Berufungsgründe einzugehen war.

Auf das übrige Berufungsvorbringen war daher nicht mehr einzugehen.

Da dies bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, konnte die Entscheidung ohne öffentliche mündliche Verhandlung getroffen werden (§ 51 e Abs 1 VStG).

Schlagworte
Werbematerial Falschbezeichnung gesundheitsbezogeneAngabe Konkretisierung Gutachten Verfolgungshandlung Beilagen
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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