Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Mag Zotter über die Berufung des Herrn Gustav V, vertreten durch Rechtsanwälte, vom 29.1.1996 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 5.10.1995, Zl MA 4/7-70598/5/1, wegen Übertretung des § 5 Abs 1 Wiener Getränkesteuerverordnung 1992 sowie § 9 Abs 1 des Verwaltungsstrafgesetzes, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Begründung:
Das angefochtene Straferkenntnis enthält folgenden Spruch:
"Sie haben als Geschäftsführer der O-GesmbH die Getränkesteuer in Wien für den Monat Jänner 1995, fällig gewesen am 15. März 1995, bis zum 5. April 1995 nicht entrichtet und dadurch eine Verwaltungsübertretung begangen.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 5 Abs 1 Wiener Getränkesteuerverordnung 1992 - GStV sowie § 9 Abs 1 des Verwaltungsstrafgesetzes - VStG.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von Schilling 200,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Stunden gemäß § 5 Abs 2 GStG. Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
20,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10 % der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 220,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."
In der dagegen erhobenen Berufung wird nicht in Abrede gestellt, daß die Getränkesteuer zum Fälligkeitszeitpunkt nicht entrichtet wurde. Allerdings sei die Nichtentrichtung der Getränkesteuer nicht schuldhaft erfolgt. Die O-GesmbH sei eine Tochtergesellschaft der K-GenmbH. Der in Liquiditätsschwierigkeiten befindlichen Unternehmensgruppe sei mit Kreditvertrag vom 23.1.1995, abgeschlossen zwischen der I-AG als Vertreterin des die K-Unternehmensgruppe finanzierenden Gläubigerbankenkonsortiums und der K-GenmbH, ein einmal ausnutzbarer Konsortialkredit in Höhe von 2 Mrd S eingeräumt worden, der in verschiedenen Tranchen ausgenützt hätte werden können. In der Nacht vom 8. auf 9.3.1995 sei von den Vertretern des Gläubigerbankenkonsortiums beschlossen worden, keine weiteren Mittel aus dem vertraglich zugesicherten oben erwähnten Konsortialkredit auszuzahlen. Damit sei die Unternehmensgruppe K-GenmbH inklusive aller Konzernunternehmen über Nacht zahlungsunfähig geworden. In einem an den Vorstand der K gerichteten Brief vom 9.3.1995 habe die I-AG in Vertretung des Bankenkonsortiums klargestellt, daß die der K-Unternehmensgruppe nunmehr zur Verfügung gestellten Finanzierungsmittel ausschließlich dem Zukauf neuer Waren oder Dienstleistungen gewidmet seien. Die Bedienung bereits bestehender Verbindlichkeiten sei wegen drohender Verletzung der Parität der Gläubiger untersagt worden.
In einem weiteren Brief vom 13.3.1995 sei dies präzisiert und darauf hingewiesen worden, daß das Bankenkonsortium die Tilgung von Forderungen der Lieferanten für Warenlieferungen in der Zeit vom 9.3.1995 bis zur ersten Ausgleichstagsatzung im beabsichtigten Ausgleichsverfahren, längstens jedoch bis zum 30. Juni 1995, garantiert hätte. Die Befriedigung von Altverbindlichkeiten außerhalb eines Ausgleichsverfahrens sei ausgeschlossen worden. In einer überarbeiteten, ebenfalls mit 13.3.1995 datierten Version, sei die Garantie des Bankenkonsortiums dahingehend erweitert worden, daß nicht nur die Befriedigung der Forderungen von Lieferanten für Warenlieferungen, sondern außerdem die Tilgung sämtlicher sonstiger Forderungen aus der Fortsetzung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes in der Zeit ab 9.3.1995 bis zur ersten Ausgleichstagsatzung im beabsichtigten Ausgleichsverfahren, längstens jedoch bis 30.6.1995 garantiert worden sei. Die K-GenmbH bilde mit ihren Tochter- und Enkelgesellschaften und damit auch mit der O-GesmbH einen Konzern. Die Vorgaben der K als des beherrschenden Unternehmens beschränkten sich dabei nicht bloß auf strategische Leitlinien hinsichtlich der Unternehmenspolitik, sondern erreichten eine Intensität, die den Tatbestand der Eingliederung erfüllt hätten. Die rechtlich selbständigen Tochtergesellschaften, die zum größten Teil aus gesellschaftsrechtlichen Ausgliederungen aus der K-GenmbH hervorgegangen seien, seien seitens der K wie unselbständige Betriebsabteilungen geführt worden. Der Berufungswerber sei als handelsrechtlicher Geschäftsführer der verfahrensgegenständlichen O-GesmbH erst am 9.3.1995 von dem seitens des Bankenkonsortiums verkündeten Kreditstop und der dadurch bewirkten Zahlungsunfähigkeit der gesamten Unternehmensgruppe in Kenntnis gesetzt worden. Die Mitglieder des Gläubigerbankenkonsortiums, insbesondere die Vertreter der B hätten sich trotz massiver Interventionen seitens der Vertreter der K nicht bereit erklärt, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu überweisen und die entsprechenden Überweisungsersuchen bankmäßig zu bearbeiten, da sie sich hinsichtlich der bereits vor 9.3.1995 fällig gewesenen Abgaben und Beiträge auf den Standpunkt gestellt hätten, die Befriedigung von Altverbindlichkeiten sei eine strafbare Gläubigerbegünstigung nach § 158 StGB. Sie hätten damit argumentiert, daß derartige Abgaben nicht unmittelbar der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes zwecks Verhinderung eines Konkurses dienten, keine Zug um Zug Leistungen beträfen und damit nicht in den Anwendungsbereich der Bankgarantien fielen. Für Sozialversicherungsbeiträge für Februar 1995 und Lohnsteuer für 1995 seien trotz der bereits angekündigten Widerstände ausgefüllte Überweisungsbelege zur B gebracht worden, deren weitere Bearbeitung die Bank jedoch unter Verwendung dieser Argumente verweigert hätte.
Grundsätzlich müsse ein Geschäftsführer, der an der Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten gehindert sei, unverzüglich alles erforderliche vorkehren, um seine Pflichten ungestört wahrnehmen zu können und falls ihm dies in angemessener Frist nicht gelinge, sein Mandat niederlegen. Was die angemessene Frist anlange, gestehe der Verwaltungsgerichtshof dem Geschäftsführer etwa zwei bis drei Monate zu, um versuchen zu können, die ordnungsgemäße Ausübung seiner Funktion zu erreichen. Übertragen auf den gegenständlichen Fall sei klar, daß aus der unterlassenen Niederlegung der Geschäftsführerfunktion dem Einschreiter kein verwaltungsstrafrechtlich relevanter Vorwurf gemacht werden könne. Die Behinderung durch die Mitglieder des Gläubigerbankenkonsortiums, insbesondere durch die Vertreter der B, hätte sich bloß auf den Zeitraum 9.3.1995 bis 4.4.1995, das heißt nicht einmal auf den Zeitraum von einem Monat erstreckt. Die auf Zeiträume ab dem 5.4.1995 entfallenden Abgaben seien als bevorrechtete Forderungen im Rahmen des Ausgleichs anstandslos und in voller Höhe beglichen worden. Die Behinderung durch die Banken hätte deutlich kürzer als die vom VwGH einem Geschäftsführer zugestandene, angemessene Frist für die Abstellung der Behinderungen gedauert. Eine Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion innerhalb des Behinderungszeitraumes hätte auf die Entrichtung der Getränkesteuer für Jänner 1995 somit keinen wie immer gearteten Einfluß gehabt.
Ergänzend führt der Berufungswerber aus, daß er selbst ohne Behinderung nicht berechtigt gewesen wäre, die Getränkesteuer zum Fälligkeitszeitpunkt 15.3.1995 zu entrichten. Dies ergebe sich aus dem Umstand, daß Zahlungen nach Insolvenzreife grundsätzlich rechtswidrig seien, sodaß die Unterlassung von Zahlungen an Gläubiger dem Geschäftsführer nicht vorgeworfen werden könnten. Lediglich Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar seien, dürften in einem derartigen Fall geleistet werden. Es entspreche der Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsführers, wenn er nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit lediglich solche Zahlungen leiste, die für nach Insolvenzreife erbrachte Leistungen und Lieferungen durchzuführen seien. Im Insolvenzrecht sei nämlich die Gleichstellung von Forderungen, die vor Insolvenzverfahrenseröffnung und nach Insolvenzverfahrenseröffnung entstanden seien, nicht vorgesehen. Vielmehr seien solche nach Insolvenzeröffnung bevorrangt. Da bereits am 9.3.1995 praktisch Zahlungsunfähigkeit vorgelegen hätte, sei der Berufungswerber berechtigt gewesen, die Zahlung der am 15.3.1995 fällig gewesenen Getränkesteuer für Jänner 1995 zu verweigern.
Im Berufungsverfahren hat der Berufungswerber die in der Berufung erwähnten Unterlagen vorgelegt.
Zur Klärung des Sachverhaltes führte der Unabhängige Verwaltungssenat Wien am 8.3.1996, 18.4.1996 und 23.5.1996 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.
In der Verhandlung vom 8.3.1996 bekräftigte der Vertreter des Berufungswerbers das Vorbringen, wonach ab 9.3.1995 keine freie Verfügungsmöglichkeit über die Konten bestanden hätte. Die Einnahmen aus dem laufenden Geschäftsbetrieb wären dem Zugriff der Gesellschaft entzogen gewesen. Interventionen der Vertreter der Gesellschaft sowie der Rechtsvertreter beim Bankenkonsortium betreffend fällige Abgaben hätten das Bankenkonsortium nicht zur Freigabe der Mittel bewegen können. Auch vor dem Fälligkeitstag der Getränkesteuer sei eine diesbezügliche Kontaktaufnahme seitens der Geschäftsführer erfolgt.
Der Vertreter der Erstbehörde stellte in der Verhandlung fest, daß die Getränkesteuer gegenüber anderen Forderungen benachteiligt worden sei. Wenn die Banken am 9.3.1995 die Zahlungen eingestellt hätten, wäre der Berufungswerber verpflichtet gewesen, seine Geschäftsführerfunktion zurückzulegen.
In der fortgesetzten Verhandlung vom 18.4.1996 und 23.5.1996 wurden Dr Stefan S, Dr Uta Kr und Dr Harald R als Zeugen einvernommen. Ihre Angaben werden in der Folge bei Beurteilung des Verschuldens zusammengefaßt wiedergegeben.
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ist vorweg erwiesen, daß die von der O-GesmbH abzuführende Getränkesteuer für den Monat Jänner 1995, fällig gewesen am 15. März 1995, bis zum Fälligkeitszeitpunkt nicht entrichtet wurde. Diese Tatsache blieb im gesamten Verwaltungsstrafverfahren unbestritten. Gemäß § 5 Abs 1 der Wiener Getränkesteuerverordnung 1992 in der geltenden Fassung hat der Steuerpflichtige bis zum 15. Tag eines jeden Monates die Steuer für den Vormonat zu entrichten. Im vorliegenden Fall war die Fälligkeit der Getränkesteuer für Jänner 1995 auf Grundlage einer gemäß § 3 des Wiener Getränkesteuergesetzes zulässigen Vereinbarung zwischen dem Magistrat der Stadt Wien und der abgabepflichtigen Gesellschaft mit 15.3.1995 festgelegt worden.
Gemäß § 5 Abs 2 des Wiener Getränkesteuergesetzes begeht unter anderem eine Verwaltungsübertretung und ist, soweit die Tat nicht nach Abs 1 zu bestrafen ist, mit Geldstrafen bis zu S 6.000,-- zu bestrafen, wer die Getränkesteuer nicht bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit entrichtet.
Indem im vorliegenden Fall die Getränkesteuer bis zum Fälligkeitszeitpunkt nicht entrichtet wurde, wurde ein Sachverhalt verwirklicht, der dem objektiven Tatbestand des § 5 Abs 2 des Wiener Getränkesteuergesetzes entspricht.
Der Berufungswerber ist als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der abgabepflichtigen Gesellschaft gemäß § 9 Abs 1 VStG für diese Verwaltungsübertretung strafrechtlich verantwortlich. Da das Getränkesteuergesetz über das Verschulden nichts anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten (§ 5 Abs 1 zweiter Satz VStG).
Gemäß § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG ist Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikte).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28.9.1995, Zl 93/17/0317, zu erkennen gibt, besteht im Falle der Nichtentrichtung der Getränkesteuer zum Fälligkeitszeitpunkt für den Beschuldigten die Pflicht zur Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens nach § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG. Der Beschuldigte hat daher initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch die Beibringung von Beweismitteln bzw die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Diesen Vorgaben ist im vorliegenden Fall der Berufungswerber dadurch nachgekommen, daß er vorgebracht hat, die Gläubigerbanken hätten sämtlichen Gesellschaften der K-Gruppe die Möglichkeit genommen, Zahlungen im Rahmen eigener unternehmerischer Entscheidungen zu leisten. Um die Belieferung des Handelsunternehmens mit Waren sicherzustellen, hätten die Gläubigerbanken beschlossen, nur mehr Forderungen zu begleichen, die nach 9.3.1995 entstanden seien und den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb betroffen hätten. Insbesondere hätte die Absicht bestanden, Zahlungen für nach dem genannten Zeitpunkt erbrachte Leistungen und Lieferungen durchzuführen, um die Versorgung des Handelsunternehmens mit Waren sicherzustellen. Der gesamte Zahlungsverkehr sei im Rahmen eines Cash-Managements über ein Konto der größten Gläubigerbank, der B abgewickelt worden und sei der Geschäftsführung des Unternehmens die Möglichkeit genommen gewesen, von sich aus Überweisungen zu veranlassen. Auch sämtliche Einnahmen nach 9.3.1995 seien auf diesen Konten verbucht worden und sei jedes Ersuchen der Unternehmensführung um Überweisung von den zuständigen Personen bei der Gläubigerbank daraufhin geprüft worden, ob eine Zahlung den erwähnten Vorgaben entspreche. Sei dies nicht der Fall gewesen, sei eine Zahlung nicht durchgeführt worden. Hinsichtlich öffentlicher Abgaben wie zB Sozialversicherungsbeiträge, Lohnsteuer oder auch Getränkesteuer sei von den Gläubigerbanken der Standpunkt vertreten worden, daß derartige Forderungen, die vor dem 9.3.1995 entstanden seien, trotz Fälligkeit nicht geleistet würden, da ab genanntem Zeitpunkt praktisch Zahlungsunfähigkeit bestanden und die Begleichung einer Altschuld den Tatbestand der Gläubigerbegünstigung verwirklicht hätte.
Dazu ist einem Brief der I in Vertretung des die K-Gruppe finanzierenden Bankenkonsortiums vom 9.3.1995 zu entnehmen, daß nunmehr zur Verfügung gestellte Finanzierungsmittel ausschließlich dem Zukauf neuer Waren oder Dienstleistungen gewidmet seien. Die Bedienung bereits bestehender Verbindlichkeiten sei wegen drohender Verletzung der Parität der Gläubiger untersagt. Weiters hätte diese Finanzierungszusage zur Voraussetzung, daß sich die Verantwortlichen der K-Gruppe verpflichteten, für die ordnungsgemäße Eröffnung eines Ausgleichsverfahrens bis spätestens 3.4.1995 Sorge zu tragen. In einem weiteren Brief des Banken-Konsortiums vom 14.3.1995 an die K-Gruppe wird ergänzend festgehalten, daß sich die genannten Entscheidungen auch auf die O-GesmbH beziehen und daß aus zwingenden rechtlichen Gründen die Befriedigung von Altverbindlichkeiten außerhalb eines Ausgleichsverfahrens ausgeschlossen sei.
In einer Aktennotiz vom 16.3.1995 ist festgehalten, daß ein Vertreter des Bankenkonsortiums und sämtliche anwesenden Bankenvertreter bestätigten, daß Zahlungsunfähigkeit der K-Gruppe längstens am 9.3.1995 eingetreten sei.
Die Leiterin der Rechtsabteilung der B Dr Uta Kr sagte als Zeugin aus, daß es nicht möglich gewesen wäre, am 15.3.1995 seitens der O-GesmbH die Getränkesteuer abzuführen, da es sich dabei um keine Lieferung oder Leistung nach dem 9.3.1995 gehandelt hätte. Bezüglich öffentlicher Abgaben wußte sie noch, daß in einem Schreiben der I vom 4.4.1995 festgehalten wurde, daß die Überweisung von Sozialversicherungsarbeitnehmeranteilen und Lohnsteuer für Februar 1995 für nicht zulässig erachtet worden sei.
Dr Stefan S hat als Mitarbeiter der I-AG zeugenschaftlich ausgesagt, daß betreffend der Leistung von Sozialversicherungsbeiträgen für bereits im Februar 1995 ausbezahlte Löhne die Frage aufgetaucht sei, inwiefern nach dem 9.3.1995 deren Zahlung erfolgen sollte. Die I hätte den Standpunkt vertreten, daß das den Geschäftsführern überlassen werden sollte, wobei die Verwirklichung zweier verschiedener Straftatbestände alternativ zu befürchten gewesen wäre (Verletzung der Abfuhrpflicht, Gläubigerbegünstigung). Die B hätte sich diesem Standpunkt nicht angeschlossen und die Konten betreffend Sozialversicherungsbeiträge gesperrt, sodaß, selbst wenn die Geschäftsführer die Überweisung vornehmen wollten, dies nicht möglich gewesen wäre. Der Zeuge ging mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, daß die Vorgehensweise bei der Getränkesteuer die gleiche gewesen wäre. Wenn die am 15.3.1995 fällig gewordene Getränkesteuer vor 9.3.1995 entstanden wäre, wäre sie von der Garantie, sämtliche sonstige Forderungen aus der Fortsetzung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes in der Zeit ab 9.3.1995 abzudecken, nicht umfaßt gewesen. Im Zuge der Abwicklung des Cash-Managements hätte die B in jedem Einzelfall vor der Überweisung geprüft, ob es sich um eine Altverbindlichkeit gehandelt hätte. In diesem Fall wäre die Überweisung nicht durchgeführt worden.
Die einzige Möglichkeit für die Geschäftsführer, derartige Zahlungen zu leisten, hätte darin bestanden, ein Guthaben bei einer anderen Bank, sofern vorhanden, dafür zu verwenden und die Bereitschaft dieser Bank abzuklären, im Gegensatz zur B die Überweisung durchzuführen. Im Zuge des Cash-Managements hätten sich aber sämtliche Banken, bei denen Konten des K und der Tochtergesellschaften bestanden hätten, verpflichtet, zwecks zentralen Cash-Managements die Guthaben abzuschöpfen und an die B zu überweisen.
Einem Brief der I an die K-Gruppe vom 4.4.1995 ist zu entnehmen, daß die B auf Basis der Cash-Management Vereinbarung und aufgrund des Schreibens vom 9.3.1995 betreffend die Gewährleistung der Finanzierung von Lieferungen ab 9.3.1995, aus rechtlichen Gründen die Durchführung der von der K-Gruppe in Auftrag gegebenen Überweisungen betreffend Sozialversicherungsarbeitnehmeranteile und Lohnsteuer für Februar 1995 nicht für zulässig erachtet. Die I kommentiert dies dahingehend, daß eine Überprüfung der Rechtsmeinung der B in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit unmöglich sei, zumal von allen damit befaßten Rechtsanwälten die Meinung vertreten worden sei, daß hiefür die Einholung zumindest eines Gutachtens eines Universitätsprofessors für Strafrecht notwendig wäre.
Der Zeuge Dr Harald R, Angestellter der B, hat dazu angegeben, daß im Rahmen des Cash-Managements die Aufgabe der B darin gelegen hätte, die Bezahlung von Lieferungen und Leistungen ab dem 9.3.1995 zu gewährleisten und dafür zu sorgen, daß Altverbindlichkeiten, also solche die vor dem 9.3.1995 entstanden seien, nicht mehr beglichen würden. Am 9.3.1995 sei ein neuer Kontenkreis eröffnet und für jede Tochtergesellschaft ein eigenes Konto eingerichtet worden. Um die Kontrollmöglichkeit zu sichern, seien sämtliche Zahlungsströme von anderen Instituten auf die B konzentriert worden. Wenn die O-GesmbH zum Fälligkeitstag am 15.3.1995 angewiesen hätte, die Getränkesteuer für Jänner 1995 zu bezahlen, wäre diese Überweisung nicht durchgeführt worden. Der Zeuge konnte keine Vorgehensweise aufzeigen, die die genannte Gesellschaft in die Lage versetzt hätte, diese Verpflichtung anderweitig zu erfüllen, da lediglich ein Konto bei der B zur Verfügung gestanden sei. Ein Ersuchen, die Getränkesteuer am 15.3.1995 zu überweisen, wäre abgelehnt worden. Nach dem 9.3.1995 sei das bezahlt worden, was zur Fortführung des Geschäftsbetriebes unabdingbar notwendig gewesen sei, dies wäre die Bezahlung für Lieferungen und Leistungen gewesen. Betreffend eine Abgabe, die nach dem 9.3.1995 entstanden wäre, hätte eine Besprechung der Verantwortlichen im Konsortium stattfinden müssen. Persönlich vertrat der Zeuge den Standpunkt, daß auch eine derartige Abgabe nicht bezahlt hätte werden können.
Die vom Berufungswerber beigebrachten Beweismittel bestätigen somit seine Behauptung, eine Zahlung der Getränkesteuer zum 15.3.1995 sei ihm aus den ins Treffen geführten Gründen nicht möglich gewesen. An der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu zweifeln bestand kein Anlaß, da ihre Aussagen mit den vorliegenden Urkunden übereinstimmen. Dem Berufungswerber ist daher gelungen, zumindest glaubhaft zu machen (Glaubhaftmachung bedeutet in diesem Zusammenhang die Richtigkeit einer Tatsache bloß wahrscheinlich zu machen, also weniger als beweisen), daß ihm die Zahlung der Getränkesteuer zum Fälligkeitszeitpunkt aus tatsächlichen Gründen nicht möglich war.
Da der Berufungswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer durch die geschilderten Umstände gehindert war, seinen abgabenrechtlichen Pflichten nachzukommen, war in weiterer Folge zu prüfen, ob er es verabsäumt hat, sonstige Maßnahmen zu setzen, die sein Verschulden ausschließen, insbesondere ob er bei gegebener Konstellation verpflichtet gewesen wäre, seine Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer zurückzulegen. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25.6.1990, 89/15/015, in Zusammenhang mit der Inanspruchnahme eines Haftpflichtigen nach §§ 7 Abs 1 und 54 ff WAO Stellung genommen. Da in diesem Verfahren vom Verwaltungsgerichtshof ein mögliches Verschulden des Haftpflichtigen zu prüfen war, kommt den getroffenen Feststellungen auch für die Beurteilung einer schuldhaften Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens Bedeutung zu. Der Verwaltungsgerichtshof führt unter anderem aus, daß es einem Geschäftsführer im Falle der Behinderung bei Ausübung seiner abgabenrechtlichen Pflichten freisteht, sein Haftungsrisiko durch unverzügliche Niederlegung seiner Funktion auszuschließen. Ob ein Rücktritt unverzüglich erfolgt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Auch ein Zeitraum von nahezu drei Monaten zwischen der Bestellung zu einem Geschäftsführer und dessen Rücktritt wegen einer Behinderung in der Ausübung seiner Funktion schließt eine Beurteilung des Rücktritts als unverzüglich nicht von vornherein aus, weil die Verpflichtung zum Rücktritt erst durch die Erkennbarkeit der Behinderung und die Ergebnislosigkeit der Bemühungen, diese zu beseitigen, ausgelöst wird. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß der Berufungswerber am 9.3.1995 davon in Kenntnis gesetzt wurde, daß nunmehr die vorhandenen Mittel zur Aufrechterhaltung des Betriebes für laufende Lieferungen und Leistungen zu verwenden sind. Die verfahrensgegenständliche Getränkesteuer war am 15.3.1995 fällig. Dem Berufungswerber ist sohin lediglich ein Zeitraum von wenigen Tagen zur Verfügung gestanden, um abzuklären, ob die verfahrensgegenständliche Getränkesteuer eine Altverbindlichkeit im Sinne der Vorgaben des finanzierenden Bankenkonsortiums darstellt, ob eine Überweisung im Zuge des Cash-Managements erfolgen wird und insbesondere, ob durch eine allfällige Zahlung zum Fälligkeitszeitpunkt der Tatbestand der Gläubigerbegünstigung verwirklicht worden wäre. Zu letzterem ist darauf hinzuweisen, daß unter den Mitgliedern des finanzierenden Bankenkonsortiums diesbezüglich unterschiedliche Auffassungen vertreten wurden und zur Klärung der Frage ein Gutachten eines Universitätsprofessors für Strafrecht als erforderlich angesehen wurde. Weiters wäre lediglich diese kurze Frist zur Verfügung gestanden, um allenfalls die Zahlung über ein Kreditinstitut außerhalb des Gläubigerbankenkonsortiums zu veranlassen.
Erst die Klärung dieser Fragen bzw die Erfolglosigkeit diesbezüglicher Bemühungen hätte für den Berufungswerber die Verpflichtung ausgelöst, seine Funktion zurückzulegen. Auf Grundlage der angeführten Judikatur und der Tatsache, daß dem Berufungswerber lediglich ein Zeitraum von sechs Tagen zur Verfügung stand, um Maßnahmen zu treffen, die geeignet gewesen wären, die Behinderung in der Wahrnehmung seiner Aufgaben zu beseitigen, kann angesichts der gegebenen Begleiterscheinungen eine Verletzung der Verpflichtung, seine Funktion im Falle der Behinderung unverzüglich zurückzulegen, nicht angenommen werden. Insgesamt ist dem Berufungswerber daher gelungen glaubhaft zu machen, daß ihn an der angelasteten Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft. Es erübrigte sich daher, darauf einzugehen, ob die Bezahlung der Getränkesteuer auf Grundlage gesellschaftsrechtlicher Bestimmungen (§ 25 Abs 3 Z 2 GmbH-Gesetz, § 84 Abs 3 Z 6 Aktiengesetz) in Zusammenhang mit der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit ohnedies rechtlich unzulässig gewesen wäre.