Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Hollinger über die Berufung der Frau Agnes B, vertreten durch RAe, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 1./8. Bezirk, vom 29.8.1996, Zl MBA 1/8 - S 4189/96, wegen Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs 1 Ziffer 1 der Gewerbeordnung 1994, BGBl Nr 194/1994 in der geltenden Fassung iVm § 1 Abs 2, 3, 4 und 5 leg cit entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gem § 45 Abs 1 Z 2 VStG eigestellt.
Die Berufungswerberin hat daher gemäß § 65 VStG keine Kosten zu dem Berufungsverfahren zu leisten.
Begründung:
Das angefochtene Straferkenntnis vom 29.08.1996 enthält folgenden Spruch:
"Sie haben als gemäß § 9 Abs 1 VStG 1991 und somit zur Vertretung nach außen Berufener der ÖH zu verantworten, daß die ÖH am 15.02.1996 in Wien, U-straße, (NIG) insofern das Reisebürogewerbe ausgeübt hat, ohne die hiefür erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben, als unter anderem Tenniscamps, Reitcamps, Golfcamps, Yogacamps, Surf- und Segelkurse sowie Schiwochen angeboten werden, wobei in den Preisen zumeist die Hin- und Rückreise, die Unterkunft, die Verpflegung und andere Serviceleistungen (zB Schipaß, Trainerstunden,...) includiert sind und diese Angebote für jedermann ersichtlich vor dem NIG im Bereich des Gehsteiges auf 14 Dreieckständern mit Plakaten ausgestellt waren.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 366 Abs 1 Ziffer 1 der Gewerbeordnung 1994, BGBl Nr 194/1994 in der geltenden Fassung iVm § 1 Abs 2, 3, 4 und 5 leg cit Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von Schilling 2.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen, gemäß § 366 Einleitungssatz GewO 1994, in Verbindung mit § 9 VStG 1991.
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
200,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10% der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 2.200,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."
Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerechte Berufung der Beschuldigten, welcher aus folgenden Gründen der Erfolg nicht zu versagen war:
Gemäß § 366 Abs 1 Z 1 GewO 1994 (GewO) begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesbestimmung mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen ist, wer ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.
§ 1 Abs 4 2. Satz GewO bestimmt, daß das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen oder bei Ausschreibungen der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten wird.
Der Tatbestand des Anbietens einer gewerblichen Tätigkeit ist dann erfüllt, wenn einer an einen größeren Kreis von Personen gerichteten Ankündigung die Eignung zukommt, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, daß eine unter dem Wortlaut der Ankündigung fallende gewerblichen Tätigkeit entfaltet wird (VwGH 30.01.1981, 04/0988/80).
Im vorliegenden Fall wurde nicht die Ausübung des Gewerbes durch Handlungen, sondern die Ausübung des Gewerbes durch das Anbieten einer gewerblichen Tätigkeit der Berufungswerberin zur Last gelegt.
Aus der Anzeige und aus den der Anzeige beigelegten Originalinformationsblättern mit Preisangabe geht hervor, daß unter anderem Tenniscamps, Reitcamps, Golfcamps, Yogacamps, Surf- und Segelkurse und Schiwochen angeboten werden. In den Preisen inkludiert sind zumeist die Hin- und Rückreise, die Unterkunft, Verpflegung und andere Serviceleistungen (zB Schipaß). Als Veranstalter wird angeführt: "ÖH-Sportreferat UNI Wien NIG, U-straße, Wien, Fax 40, Telefon 40, Montag 10-12, Mittwoch 16-18, Freitag 10-12 Uhr". Laut Anzeige befanden sich vor dem NIG zum Zeitpunkt der Revision 14 Dreieckständer mit Plakaten, welche gleichlautende Angebote wie die Flugblätter aufwiesen. Trotz der Verwendung der Abkürzungen "ÖH" ist der Unabhängige Verwaltungssenat Wien der Auffassung, daß nicht die ÖH, sondern die Hochschülerschaft an der Universität Wien die oben angeführten Leistungen angeboten hat. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Hinweis auf die "UNI-Wien" und das "NIG" in der U-straße. Gemäß § 3 Abs 1 Hochschülerschaftsgesetz 1973 in der geltenden Fassung (HSG) sind die Hochschülerschaften an den Hochschulen Körperschaften öffentlichen Rechts.
Die Organe der Hochschülerschaften an den Hochschulen sind gemäß § 4 Abs 2 HSG:
a)
die Hauptausschüsse
b)
die Fakultäts(Abteilungs)vertretungen
c)
die Studienrichtungsvertretungen
d)
die Instituts(Klassen)vertretungen
e)
die Studienabschnittsvertretungen
f)
die Wahlkommissionen
Gemäß § 6 Abs 1 HSG ist der Hauptausschuß das oberste Organ der Hochschülerschaft an einer Hochschule.
Gemäß § 6 Abs 3 HSG obliegen den Hauptausschüssen die in § 3 Abs 4 umschriebenen Aufgaben für den Bereich der einzelnen Universitäten und Hochschulen künstlerischer Richtung, sofern diese nicht durch andere Organe (§§ 7 bis 10) wahrgenommen werden.
Insbesondere obliegen den Hauptausschüssen:
Abs c die Führung der für die Erledigung der Aufgaben aller Organe einer Hochschülerschaft notwendigen Verwaltungseinrichtungen. Gemäß § 14 Abs 1 HSG wählt jedes Organ der Österreichischen Hochschülerschaft sowie die Hochschülerschaften an den Hochschulen, mit Ausnahme der Wahlkommissionen, aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und 2 Stellvertreter.
Gemäß § 14 Abs 3 HSG vertreten die Vorsitzenden der Hauptausschüsse die Hochschülerschaft an der jeweiligen Hochschule nach außen.
Gemäß § 14 Abs 4 HSG obliegt den Vorsitzenden die Vertretung des jeweiligen Organes nach außen, die Durchführung der Beschlüsse der jeweiligen Organe und die Erledigung der laufenden Geschäfte. Da sich aus dem Text der Ankündiung eindeutig ergibt, daß nicht die "ÖH", sondern auch durch die Bezugnahme auf die Adresse: NIG, U-straße, vielmehr die Hochschülerschaft an der Universität Wien als diejenige Institution zu betrachten ist, welche die in Rede stehenden Leistungen angeboten hat, wären diese Handlungen nicht der Berufungswerberin als Vorsitzende des Zentralausschusses der ÖH, sondern Frau Claudia S, der Vorsitzenden des Hauptausschusses der Hochschülerschaft an der Uni-Wien zur Last zu legen gewesen. Schon aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.