Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied
Dr Traxler über die Berufung des Herrn , geboren am ,
wohnhaft in D- , vertreten durch
Rechtsanwalt , vom 17 03 1997, gegen
das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom 27 02 1997, Zl 300-4302-1996, wegen Bestrafung nach § 103 Abs 2 Kraftfahrgesetz (KFG) 1967 zu Recht erkannt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs 1 VStG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit
der Maßgabe bestätigt, daß es in der 5 Zeile des Spruches anstelle von 16 20 Uhr richtig 16 12 Uhr zu lauten hat.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG ist ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens von 20 % der Strafhöhe, das sind S 500,--, zu leisten.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber für schuldig erkannt, er habe als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges mit dem deutschen Kennzeichen dem Verlangen der Behörde vom
11 09 1996, innerhalb von zwei Wochen nach erfolgter Zustellung der Aufforderung, Auskunft darüber zu erteilen, wer am 30 07 1996 um 16 20 Uhr das Fahrzeug auf der S 31 Burgenland-Schnellstraße im Gemeindegebiet von Oberpetersdorf auf Höhe des Strkm 66,850 in Richtung Mattersburg gelenkt habe, insofern nicht entsprochen, als er
nicht den Namen und die Anschrift dieser Person angegeben habe. Er habe dadurch § 103 Abs 2 KFG 1967 verletzt.
Es wurde über ihn eine Geldstrafe von S 2500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden) verhängt.
In der Berufung vorgebracht:
1) Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 07 07 1989, Zahl 89/18/055, ausgesprochen, daß die Nichterteilung der Lenkerauskunft eines in Deutschland eingetragenen Fahrzeughalters nicht strafbar sei.
2) Es sei zwar richtig, daß der Verwaltungsgerichtshof zum Wiener Parkometergesetz die Meinung vertreten habe, daß Tatort einer nichterteilten Lenkerauskunft der Sitz der anfragenden Behörde sei. Diese Judikatur könne aber nur angewendet werden, wenn die anfragende
Behörde bzw die Wohnsitzbehörde des Kraftfahrzeughalters im selben Staat liegen.
3) Der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der BRD über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl Nr 526/1990, spreche nicht davon, daß eine österreichische
Verwaltungsstrafbehörde
I Instanz direkt im Staatsgebiet des Vertragsstaates Deutschland Verwaltungshandlungen hoheitlicher Art setzen dürfe. Dies bedeute, daß die österreichische Behörde nur die Möglichkeit habe, die deutschen Verwaltungsbehörde zu ersuchen, eine Lenkerauskunft von dem
in Deutschland eingetragenen Fahrzeughalter zu erwirken. Eine direkte
Amtshandlung der österreichischen Behörde in Deutschland sei durch das Abkommen nicht vorgesehen und stelle eine unzulässige Souveränitätsverletzung dar. Im übrigen wäre eine Anfrage bei der zuständigen deutschen Behörde um Lenkerauskunft unzulässig, da es dieses Institut in Deutschland nicht gebe. Die Nichterteilung der von
der österreichischen Behörde geforderten Lenkerauskunft für einen in Deutschland eingetragenen Fahrzeughalter sei somit sanktionslos.
Hierüber hat der Verwaltungssenat erwogen:
Gemäß § 103 Abs 2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen
bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann
er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen
nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. ( Verfassungsbestimmung ) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.
Der Anzeige des Landesgendarmeriekommandos für das Burgenland, Verkehrsabteilung, vom 12 08 1996 ist zu entnehmen, daß der Lenker des PKW's mit dem deutschen Kennzeichen laut Radarmessung am 30 07 1996 um 16 12 Uhr auf der S 31 bei Strkm 66,850 im Gemeindegebiet von Oberpetersdorf mit einer Geschwindigkeit von 142 km/h in Richtung Mattersburg fuhr. Unter Abzug einer Fehlergrenze von
5 % wurde eine Geschwindigkeit von 135 km/h angelastet. Im Akt erliegt ein Radarfoto, auf dem das Kennzeichen des Fahrzeuges deutlich sichtbar ist. Weiters ist dem Foto zu entnehmen, daß eine männliche Person der Lenker war.
In weiterer Folge wurde seitens der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf am 11 09 1996 eine Lenkeranfrage an den Berufungswerber, der Zulassungsbesitzer des genannten Kraftfahrzeuges
ist, gestellt. Diese Lenkeranfrage wurde vom Berufungswerber am 14 09
1996 übernommen. Die zweiwöchige Frist für die Beantwortung der Lenkeranfrage war sonach am 30 09 1996 abgelaufen.
Mit Schreiben vom 11 10 1996, das am 14 10 1996 zur Post gegeben wurde, teilte der Rechtsvertreter des Berufungswerbers mit, daß es völlig unerklärlich sei, wer das Fahrzeug am fraglichen Tag zur fraglichen Zeit am fraglichen Ort gelenkt habe. Der Berufungswerber sei zwar heuer im Urlaub im Burgenland gewesen, er habe sich jedoch in Mörbisch und Umgebung und nie in der fraglichen Gegend aufgehalten.
Schon aus der obigen Sachverhaltsschilderung ergibt sich, daß der Berufungswerber den Tatbestand einer Übertretung des § 103 Abs 2 verwirklicht hat. Dies schon deshalb, weil er nicht innerhalb der ihm
gesetzten Frist eine Antwort erteilte. Darüberhinaus wird dann, wenn die Auskunft, wonach sich das in Rede stehende Fahrzeug zum angefragten Zeitpunkt nicht an dem in der Anfrage genannten Ort befunden hat, unrichtig ist, die Bestimmung des § 103 Abs 2 KFG 1967 verletzt (VwGH vom 31 03 1993, Zahl 93/02/0018).
Im übrigen ist zu den Berufungsausführungen folgendes zu sagen:
Die unter Punkt 1 des Berufungsschriftsatzes zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ist durch die neue Rechtsprechung überholt.
Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31 01 1996, Zl 93/03/0156, sieht § 103 Abs 2 KFG 1967 keine bestimmte Form für die Erfüllung der Auskunftspflicht vor. Dem Zulassungsbesitzer stehen damit verschiedene Handlungsalternativen zur Verfügung:
Er kann die Auskunft mündlich, schriftlich durch Abgabe in der zuständigen Kanzleistelle, durch Einwurf in einen vorhandenen Einlaufkasten, per Post oder auch fernmündlich erteilen, wobei er sich allenfalls auch eines Bevollmächtigten oder eines Boten bedienen
kann. Allen diesen Handlungsalternativen ist gemeinsam, daß die Auskunftspflicht nur dann erfüllt ist, wenn die geschuldete Auskunft auch tatsächlich bei der Behörde einlangt. Erfüllungsort dieser öffentlich-rechtlichen Verpflichtung ist daher der Ort, an dem die geschuldete Handlung vorzunehmen ist, somit der Sitz der anfragenden Behörde, der auch der Tatort der Unterlassung der Erteilung einer richtigen und rechtzeitigen Auskunft ist.
Ausgehend von dieser Rechtsprechung hätte daher der Berufungswerber gemäß § 2 Abs 2 VStG seine Verpflichtung im Inland erfüllen müssen.
Eine Verpflichtung zur Beantwortung der Lenkeranfrage des Berufungswerbers, der seinen Wohnsitz in der BRD hat und dessen Fahrzeug auch dort zugelassen ist, besteht nach Ansicht des Verwaltungssenates deshalb, weil durch das Grunddelikt (hier: eine Übertretung der StVO) ein ausreichender Inlandsbezug für die Anfrage besteht. Dieser Inlandsbezug hat zur Folge, daß der Berufungswerber zur Beantwortung der Lenkeranfrage verpflichtet war. So wie der ausländische Zulassungsbesitzer auch bei anderen Übertretungen nach dem KFG haftet, trifft ihn bei Inlandsbezug auch eine Verpflichtung zur Beantwortung der Lenkeranfrage. Es ist hier nicht anders als bei sonstigen Handlungspflichten, bei denen aufgrund einer Inlandsbeziehung eine Verpflichtung der im Ausland wohnenden bzw dort
ihren Sitz aufweisenden Rechtsperson besteht.
Festzuhalten ist, daß die Behörde eine Lenkeranfrage gemäß § 103 Abs 2 KFG nur vornehmen darf, wenn zB der Verdacht einer strafbaren Handlung im Inland besteht. Ist dies aber der Fall, haben auch ausländische Zulassungsbesitzer die Anfrage zu beantworten.
Zu den Ausführungen des Berufungswerbers unter Punkt 3 des Berufungsschriftsatzes ist auf Artikel 1 Abs 1 des Rechtshilfevertrages mit der Bundesrepublik Deutschland (BRD), BGBl Nr 526/1990, zu verweisen. Danach leisten die Vertragsstaaten im
öffentlich-rechtlichen Verfahren ihrer Verwaltungsbehörden, im österreichischen Verwaltungsstraf- und im deutschen Bußgeldverfahren,
soweit sie nicht bei einer Justizbehörde anhängig sind, ferner im Verfahren vor den österreichischen Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit und den deutschen Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit nach Maßgabe dieses Vertrages Amts- und Rechtshilfe.
Zwar handelt es sich bei der Lenkeranfrage nicht um ein Verwaltungsstrafverfahren, sondern um ein Administrativverfahren. Dies ist aber deshalb unerheblich, weil auch solche Verfahren in den Anwendungsbereich des Artikel 1 Abs 1 des Rechtshilfevertrages fallen. Die letztgenannte Bestimmung zeigt sehr deutlich, daß die beiden Vertragsstaaten jeweils im Hoheitsgebiet des anderen Staates Hoheitsakte setzen dürfen, wobei entgegen der Meinung des Berufungswerbers gemäß Art 10 Abs 1 des Vertrages eine direkte Zustellung von Schriftstücken durch die Post zulässig ist. Die vom Berufungswerber vorgebrachten Bedenken gegen die Vornahme der
Lenkeranfrage auf deutschem Hoheitsgebiet können sonach nicht
geteilt
werden.
Was die Spruchkorrektur anbelangt, so handelt es sich um eine Richtigstellung, die deshalb zulässig war, weil der richtige Tatzeitpunkt des Grunddeliktes dem Berufungswerber sowohl von der Lenkeranfrage her als auch durch die Übermittlung des Radarfotos im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens bekannt war.
Zur Strafbemessung:
Die der Bestrafung zugrundeliegende Handlung schädigte in nicht unerheblichem Maße das an der jederzeit und ohne unnötige Verzögerung
möglichen Ermittlung von Personen, die im Verdacht stehen, eine straßenpolizeiliche oder kraftfahrrechtliche Übertretung begangen zu haben sowie das an einer raschen und lückenlosen Strafverfolgung bestehende Interesse, dem die Strafdrohung dient.
Der objektive Unrechtsgehalt der Tat kann selbst bei Fehlen sonstiger
nachteiliger Folgen nicht als gering angesehen werden.
Daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder, daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, ist weder hervorgekommen noch auf Grund besonderer Tatumstände anzunehmen
und kann daher das Verschulden des Berufungswerbers nicht als geringfügig angesehen werden.
Bei der Strafbemessung war der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zu berücksichtigen. Erschwerend war kein Umstand zu werten.
Gleichzeitig war auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Berufungswerbers Bedacht zu nehmen (Einkommen: DM 2800,-- mtl; Vermögen: keines; Sorgepflichten:
keine).
Unter Bedachtnahme auf den gesetzlichen Strafsatz, den Unrechtsgehalt
der Tat und das Verschulden des Berufungswerbers ist die verhängte Strafe als angemessen anzusehen.
Eine Strafe muß geeignet sein, den Berufungswerber von einer Wiederholung der Tat ausreichend abzuschrecken und generalpräventive Wirkungen zu entfalten.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.