Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied MMagDr Tessar über die Berufung des Herrn Stephan G gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Josefstadt, vom 10.10.1996, S 152155/J/95, wegen Übertretung der §§ 1) 38 Abs 5 StVO, 2) 9 Abs 6 StVO, 3) 52 Z 15 StVO, 4) 9 Abs 1 StVO, 5) 52 Z 2 StVO, 6) 8 Abs 1 StVO, 7a) 66 Abs 2 Z 2 StVO, 7b) 66 Abs 2 Z 3 StVO, 7c) 66 Abs 2 Z 4 StVO, 7d) 66 Abs 2 Z 5 StVO und 8) 68 Abs 2 StVO, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird nach Zurückziehung der Berufung zu den Spruchpunkten 1), 3), 4), 5) und 8) der Berufung zu den Punkten 2) und 6) insoweit Folge gegeben, als das Straferkenntnis zu den Spruchpunkten 2) und 6) behoben und das Verfahren hinsichtlich der Spruchpunkte 2) und 6) gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt wird. Der lediglich gegen das Strafausmaß gerichteten Berufung gegen die Spruchpunkte 7a bis 7d) wird insoweit Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe zu jedem dieser Spruchpunkte von S 500,-- auf S 300,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe zu jedem dieser Spruchpunkte von 12 Stunden auf 10 Stunden herabgesetzt wird. Dementsprechend wird der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens auf S 120,--, ds 10 % der verhängten Geldstrafe, reduziert.
Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Begründung:
Der Schuld- und Strafausspruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses lautet wie folgt:
"Sie haben am 24.08.1995 um 01.45 Uhr das Fahrrad der Marke B gelenkt, obwohl Sie
1) in Wien, J-Straße Krzg L-Gürtel das Rotlicht der aVLSA nicht beachteten, indem Sie die Kreuzung überquerten, was besonders rücksichtslos war;
2) in Wien, J-Straße die auf der Fahrbahn angebrachte Bodenmarkierung gem § 9/6 StVO - Richtungspfeil nach rechts - nicht beachteten, indem Sie die Fahrt in gerader Richtung fortsetzten; trotz Grünlichtes mußten zahlreiche Fahrzeuge und der Stkw BP 18 abbremsen, um einen VU zu verhindern;
3) in Wien, L-Gürtel das beim Stadtbahnbogen deutlich sichtbar angebrachte Verkehrszeichen "Vorgeschriebene Fahrtrichtung nach rechts" nicht beachteten;
4)
in Wien, L-Gürtel eine Sperrlinie überfahren haben;
5)
in Wien, L-Gürtel mißachteten Sie das Verkehrszeichen "Einfahrt verboten";
6) in Wien, L-Gürtel befuhren Sie die Nebenfahrbahn in der falschen Fahrtrichtung und zwar Richtung S-straße; Dieses Verhalten war besonders rücksichtslos gegenüber anderen Straßenbenützern;
7) in Wien, L-Gürtel konnten Sie zu einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle angehalten werden, wobei festgestellt werden konnte, daß
a)
die helltönende Glocke fehlte;
b)
die vordere Lampe fehlte;
c)
das rote Rücklicht fehlte;
d)
der rote Rückstrahler fehlte;
8) von Wien, J-Straße bis Wien, L-Gürtel sind sie nebeneinander gefahren (2. Angezeigte - siehe S 152156/J/95), was gem § 68/2 StVO vorschriftswidrig ist;
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
1)
§ 38/5 StVO; 2) § 9/6 StVO; 3) § 52 Z 15 StVO; 4) § 9/1 StVO;
5)
§ 52/2 StVO; 6) § 8/1 StVO; 7a) §66/2/2 StVO; 7b) § 66/2/3 StVO; 7c) § 66/2/4 StVO; 7d) § 66/2/5 StVO; 8) § 68/2 StVO;
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:
Geldstrafe von ad 1) S 3.000,--, ad 2) und 3) je S 2.000,--, ad 4) bis 6) je S 1.000,--, ad 7a) bis 7d) je S 500,--, ad 8) S 1.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von ad 1) 3 Tagen, ad 2) und 3) je 2 Tagen, ad 4) bis 6 je 1 Tag, ad 7a) bis 7d) je 12 Stunden, ad 8) 1 Tag gemäß ad 1) § 99/2c StVO, ad 2) bis 5) § 99/3a StVO, ad 6) § 99/2c StVO, ad 7a) bis 8) § 99/3a StVO"
In der gegen dieses Straferkenntnis fristgerecht erhobenen Berufung brachte der Berufungswerber vor, keine strafbare Handlung begangen zu haben.
Am 24.8.1995 erfolgte durch die erstinstanzliche Behörde eine Anzeige, in welcher dem Berufungswerber folgendes zur Last gelegt wurde:
Vorschriftswidriges Nebeneinanderfahren von Radfahrern gem § 68/2 StVO.
Nichtbeachten des roten Lichtes einer Verkehrsampel gem § 38/5 StVO.
Weiterfahrt entgegen der Bodenmarkierung gem § 9/6 StVO. Nichtbeachten des Gebotszeichens "Vorgeschriebene Fahrtrichtung" gem § 52/15 StVO.
Überfahren einer Sperrlinie gem § 9/1 StVO.
Nichtbeachten eines Verbotszeichens "Einfahrt verboten" gem § 52/2
StVO.
Befahren der Nebenfahrbahn in der falschen Richtung gem § 8/1 StVO.
Besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern
gem § 99/2c.
Mangelhafte Ausrüstung eines Fahrrades:
Fehlen einer Glocke gem § 66/2/2 StVO.
Fehlen der vorderen Lampe gem § 66/2/3 StVO.
Fehlen des roten Rücklichtes gem § 66/2/4 StVO.
Fehlen des roten Rückstrahlers gem § 66/2/5 StVO.
Mit Strafverfügung vom 5.12.1995 wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, 1) § 38 Abs 5 StVO, 2) § 9 Abs 6 StVO, 3) § 52 Z 15 StVO, 4) § 9 Abs 1 StVO, 5) § 52 Z 2 StVO, 6) § 8 Abs 1 StVO, 7a) § 66 Abs 2 Z 2 StVO, 7b) § 66 Abs 2 Z 3 StVO, 7c) § 66 Abs 2 Z 4 StVO, 7d) § 66 Abs 2 Z 5 StVO und 8) § 68 Abs 2 StVO verletzt zu haben.
Mit Schriftsatz vom 22.12.1995 erhob der Berufungswerber fristgerecht Einspruch.
Am 8.4.1997 wurde vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien eine mündliche Verhandlung durchgeführt.
Zu dieser Verhandlung erschienen der Berufungswerber, die Berufungswerbervertreterin sowie die Zeuginnen Insp Yüksel K und Bettina U.
Die entscheidungsrelevanten Abschnitte des bezughabenden
Verhandlungsprotokolls lauten wie folgt:
"Der Berufungswerber gab folgendes zu Protokoll:
Der Berufungswerber beruft sich auf sein Vorbringen im Berufungsschriftsatz und erhebt dieses zu seiner heutigen Parteienaussage.
Mit einem Bleistift zeichne ich auf, wie ich mit meinem Fahrrad während des verfahrensgegenständlichen Zeitraumes gefahren bin. Ich und die Zeugin U fuhren während der ganzen Strecke bis auf den Bereich der letzten Hälfte der Nebenfahrbahn hintereinander und erst in diesem letzten Hälftenbereich nebeneinander. Meiner Erinnerung nach befand sich die Polizeistreife unter dem von mir mit Bleistift als X gekennzeichneten Ort.
Ich hatte kein Licht am Fahrrad, wie auch keine Glocke, kein Rücklicht und keinen Rückstrahler.
Die Polizeistreife fiel mir erst auf, als ich in der Nebenfahrbahn fuhr und ich deren Wegfahren mit Blaulicht wahrnahm. Als ich in den Gürtel einfuhr, schaltete die Ampel gerade auf Grün blinkend. Ich kann daher mit Sicherheit sagen, nicht bei Rot in die Kreuzung eingefahren zu sein.
Mein Fahrrad ist eine Art Mountainbike. Das ist aber etwas übertrieben, da es kein Sportrad ist. Es hat einen breiten Reifen und einen geraden Lenker.
Aufgerufen wird die Zeugin Insp Yüksel K.
Diese gibt zeugenschaftlich einvernommen folgendes an:
Unter X zeichne ich ein, wo der Streifenwagen gestanden war, als der Berufungswerber die Kreuzung querte.
Am verfahrensgegenständlichen Tag hatte ich Nachtdienst, welcher jeweils von 19.00 bis 7.00 Uhr dauert. Ich kann mich nicht mehr erinnern, zu welcher Uhrzeit dies war, es war jedenfalls während des Nachtdienstes.
Infolge der Position des Streifenwagens (ich saß entweder am Beifahrersitz oder Lenkersitz), und der Dunkelheit, konnte man nicht nur die Ampelsignale für den am Gürtel fahrenden Verkehr, sondern auch die für den von der J-Straße kommenden Verkehr wahrnehmen.
Ich zeichne mit Kugelschreiber die Fahrtstrecke der beiden Fahrräder auf, wobei ich mir sicher bin, daß diese zuerst die Sperrlinie im Bereich der Straßenbahngleise überquerten und dann erst in die Einbahnstraße einbogen.
Ich zeichne mit blauen Strich ein, wo in diesem Bereich eine Sperrlinie angebracht ist.
Weiters zeichne ich als Verkehrszeichen, wo das Verkehrszeichen "vorgeschriebene Fahrtrichtung nach rechts" sich befindet. Unter Beilage A lege ich ein Foto dieses Verkehrszeichens bei. Zur nur leicht sichtbaren Sperrlinie möchte ich bemerken, daß der Vorfall vor über 1 1/2 Jahren gewesen ist, und daß damals diese Sperrlinie deutlich sichtbar war. Ich habe mir damals diese Sperrlinie angeschaut, um mich zu vergewissern, daß diese auch deutlich sichtbar ist. Unter Beilage B lege ich ein Foto des Verkehrszeichens "Einfahrt verboten" vor. Unter Beilage C lege ich ein Foto der Kreuzung J-Straße/L-Gürtel vor, nämlich aus der Sicht der J-Straße. Ich weiß nicht, ob während des Zeitraums seit damals die Haltelinie neu angebracht worden ist. Zum damaligen Zeitpunkt war die Haltelinie deutlich sichtbar. Ich bin wegen der ganzen Delikte nachher nochmals hingefahren, wobei ich damals besonders darauf geachtet habe, ob die von mir genannten Bodenmarkierungen gut sichtbar sind und ob die Haltelinie vor der Ampel (Beilage C) deutlich sichtbar ist.
Anmerkung:
Nachdem die Meldungslegerin im Laufe der Verhandlung mitgeteilt hatte, daß sie unmittelbar nach der Anhaltung die Sichtbarkeit der Bodenmarkierungen und die Tatörtlichkeiten angesehen hatte, erinnert sich der Verhandlungsleiter, daß seiner Erinnerung nach die Meldungslegerin zuvor nur seine Frage, ob sie später die Bodenmarkierungen auf Sichtbarkeit kontrolliert hätte, bejaht hatte, jedoch nicht sagte, wann sie dies getan hatte. In der Protokollierung ging der Verhandlungsleiter davon aus, daß die Meldungslegerin sowohl an einem anderen dies kontrolliert hatte, doch wurde sie diesbezüglich anläßlich der obigen Aussage von ihm nicht dazu konkret befragt, sodaß die obige Aussage wie in der Anmerkung dargestellt zu korrigieren ist.
Demgegenüber führt die Berufungswerbervertreterin aus, daß sie ihrer Erinnerung nach sehr wohl gesagt hatte, daß sie am nächsten Tag die Bodenmarkierungen kontrolliert hatte.
Zu diesen Ausführungen befragt, gibt die Meldungslegerin an:
Ich weiß nicht, wann ich die Anzeige erstattet habe, doch ich habe die Markierungen sicher nicht am nächsten Tag kontrolliert, da ich in der Früh nach Hause ging und beim Morgengrauen sicher nicht hingefahren bin. Dies ist schon deshalb nicht denkbar. Nach Vorhalt der Anzeige gibt die Meldungslegerin an, daß sie immer an dem Tag die Anzeige schreibt, an dem diese datiert ist. Bezüglich des Einlaufstempels 25.8. gibt sie an, daß dieser nicht von ihr gemacht wird, sondern erst beim Einlauf ins Kommissariat angebracht wurde. Es werden nämlich alle Anzeige eines Tages gesammelt. Einmal am Tag (Mo - Fr), von Sofortmeldungen abgesehen, was aber die vorliegende Anzeige nicht war, werden die Anzeigen entweder vor 7.00 Uhr in der Früh oder unmittelbar nachher ins Kommissariat gebracht.
Wenn ich eine Anzeige lege, lege ich sie dem Wachkommandanten neben den Computer, damit dieser im Tagesbericht die entsprechenden Eintragungen machen kann und damit er die Anzeige gegenzeichnet. Wann dieser meine Anzeige gegengezeichnet hat, kann ich nicht sagen, doch vor 7.00 Uhr.
Wenn ich einen Nachtdienst habe, habe ich am Tag, an dem der Dienst aufhört frei, und habe in der Regel am nächsten Tag ab 7.00 Uhr wieder Dienst.
Auf Befragen der Berufungswerbervertreterin, ob ich jemals während meiner Freizeit ins Wachzimmer gegangen bin, um dort Anzeigen zu schreiben, gebe ich an, daß ich das nie getan habe. Als wir vor der Kreuzung standen, es war Rotlicht, schaltete die Ampel auf Grünlicht. Daraufhin fuhren wir und die übrigen Fahrzeuge an bzw los. Doch daraufhin mußten nach sehr kurzer Zeit alle Fahrzeuge deutlich abbremsen, da der Berufungswerber und Fr U mit ihren Fahrrädern in die Kreuzung einfuhren.
Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wann ich diese Fahrräder zum ersten mal wahrnahm.
Ich kann mich aber mit Sicherheit erinnern, daß sie zum ersten Zeitpunkt, als sie mir ansichtig waren, nebeneinander und nicht hintereinander gefahren sind.
Daraufhin führten wir eine Anhaltung durch.
Ich bin mir sicher, daß für die beiden Radfahrer, als sie in die Kreuzung einfuhren, bereis Rotlicht war, dies deshalb, da ich, als ich danach die Anzeige machte, mir überlegte, daß bei jeder Ampel es genügend Zeit gibt, um bei Grünblinkend noch die Kreuzung zu queren, ohne daß der Querverkehr bereits Grün hat.
Meines Wissens, fuhren der Berufungswerber und Fr U bis zur Anhaltung nebeneinander.
Über Frage durch die Berufungswerbervertreterin:
Ich kann mich nicht erinnern, an welchem genauen Ort sich die beiden Fahrräder befanden, als die Ampel von Gelb auf Grün schaltete, bzw als der Streifenkraftwagen zum Stillstand gebracht worden ist. Sie waren jedenfalls vor mir. Ich kann mich auch nicht mehr erinnern, an welchem genauen Ort ich die beiden Fahrräder zum ersten mal wahrnahm. Ich nahm sie jedenfalls vor mir wahr. Meiner Erinnerung nach befanden sich auf dem zweiten und dritten Fahrstreifen, daher links von unserem Fahrzeug, andere Fahrzeuge. Alle Fahrzeuge, die am Anfang standen, mußten abrupt abbremsen, waren also zuvor losgefahren.
Zum damaligen Zeitpunkt bin ich mir sicher, daß der erste
Fahrstreifen nicht verparkt war.
Die Fotos wurden heute in der Früh aufgenommen.
Zum damaligen Zeitpunkt waren die Bodenmarkierungen alle gut sichtbar. Ich habe mich vergewissert. Befragt, ob meines Erachtens die Bodenmarkierung auf Beilage A gut sichtbar ist, so gebe ich an, daß diese jetzt nicht mehr gut sichtbar ist.
Ich kontrollierte die Bodenmarkierungen und die Tatörtlichkeiten unmittelbar nach der Anhaltung, daher in der Nacht.
Über Frage durch den Berufungswerber:
Ein selbständiger Gleiskörper liegt erst dann vor, wenn er durch bauliche Maßnahmen getrennt ist, dies liegt im vorliegenden Fall erst dann vor, wenn der Gleiskörper von den beiden erhöhten Fußgängerbereichen umfaßt ist, in diesem Bereich ist aber der Berufungswerber nicht gefahren, sodaß ich auch keine Anzeige wegen Befahrens eines selbständigen Gleiskörpers gelegt habe. Daraufhin führt der Berufungswerber aus, daß der Streifenkraftwagen an dem mit Bleistift als FDSZ bezeichneten Ort angehalten hatte und von dort aus die Anhaltung durchgeführt wurde. Der Streifenkraftwagen fuhr nicht gegen die Einbahnstraße. Aufgerufen wird die Zeugin Bettina U.
Diese gibt zeugenschaftlich einvernommen folgendes an:
Mit roter Farbe zeichne ich die ungefähre Fahrtstrecke ein. Ich kann mich erinnern, daß wir etwa im Bereich der Kreuzungsampel unter dieser durchgefahren sind.
Ich zeichne auch ein, wo in etwa die Anhaltung erfolgt ist. Als das Blaulicht eingeschaltet wurde, waren wir in etwa dem Bereich, den ich mit einem Kreis einzeichne.
Der Streifenkraftwagen war meiner Erinnerung nach zu diesem Zeitpunkt von anderen Fahrzeugen umringt, er stand sohin nicht in der ersten Fahrspur. Wir fuhren zuerst in der Nebenfahrbahn nebeneinander.
Unter X zeichne ich den Ort ein, wo ich zum letzten Mal auf die Ampel sah. Zu diesem Zeitpunkt blinkte die Ampel gerade grün. Ich weiß nicht, zum wievielten Mal sie zu diesem Zeitpunkt geblinkt hatte. Ich kann auch nicht genau angeben, wann die Ampel zum ersten Mal blinkte.
Über Frage durch die Berufungswerbervertreterin:
Der Streifenkraftwagen stand meines Wissens nicht als erstes Fahrzeug an der Kreuzung. Es stand mindestens zuvor ein anderes Fahrzeug.
Wir waren im Bereich des Zebrastreifens (bei F12), als die ersten
Fahrzeuge des Gürtels losfuhren.
Ich habe keine Bodenmarkierung bemerkt.
Ich kann mich nicht erinnern, daß ich anders auf die Bodenmarkierungen geachtet habe, wie ich sonst fahre. Wenn ich aber eine frischgestrichene Bodenmarkierung sehe, fällt sie mir auf.
Wenn ich irgendeine Bodenmarkierung gesehen hätte, könnte ich mich wahrscheinlich erinnern.
Unmittelbar nach der Anhaltung sagten die Meldungsleger:
Ausweiskontrolle, sie sagten uns, daß wir bei Rot über die Kreuzung gefahren waren und gegen die Einbahn gefahren waren und daß eine Anzeige gelegt würde. Auch kontrollierten sie die Fahrräder.
Nach längerem Überlegen korrigiere ich mich insoferne, als bemängelt wurde, daß die Fahrräder nicht in Ordnung sind, ob sie auch noch andere Übertretungen uns vorgeworfen haben, kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Ich weiß auch nicht, warum sie uns gesagt haben, warum wir angehalten werden. Als der Verhandlungsleiter dies diktiert, korrigiert die Zeugin dahingehend, daß wohl schon gesagt wurde, warum sie angehalten werden, nämlich daß sie bei Rotlicht in den Gürtel eingefahren wären.
Gestern fuhr ich vom 16. Bezirk in der B-gasse Richtung 1. Bezirk. Ich kann mich nicht an alle Bodenmarkierungen in der B-gasse erinnern.
Nachdem der Verhandlungsleiter das diktiert, korrigiert die Zeugin dahingehend, daß sie nicht beschwören kann, wo überall Bodenmarkierungen sind.
Anläßlich der Anhaltung habe ich gar nicht an die Bodenmarkierung gedacht. Das einzige warum ich dachte, warum wir aufgehalten worden sind, war, weil wir in der Nebenfahrbahn gefahren sind. Ich bin mir sicher, daß ich so gefahren bin wie ich es als rot eingezeichnet habe, daher, daß ich nicht so gefahren bin, wie es blau eingezeichnet ist.
In der Nebenfahrbahn fuhr zum damaligen Zeitpunkt kein anderes Fahrzeug außer unsere beiden Fahrräder."
Der Verhandlungsleiter erteilt der Partei das Wort zu ihren
Schlußausführungen.
Die Beweisaufnahme wird geschlossen.
Nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage zieht der Berufungswerber seine Berufung zu den Punkten 1), 3), 4), 5) und
8) zurück und schränkt seine Berufung zu den Punkten 7a), 7b, 7c und 7d) auf die Strafhöhe ein."
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:
Zum Spruchpunkt 2):
§ 9 Abs 6 StVO lautet:
"Sind auf der Fahrbahn für das Einordnen zur Weiterfahrt Richtungspfeile angebracht, so haben die Lenker ihre Fahrzeuge je nach der beabsichtigten Weiterfahrt einzuordnen. Die Lenker von Fahrzeugen müssen jedoch auch dann im Sinne der Richtungspfeile weiterfahren, wenn sie sich nicht der beabsichtigten Weiterfahrt entsprechend eingeordnet haben. Radfahrer können durch Hinweiszeichen von der Verpflichtung des Einordnens nach Richtungspfeilen befreit werden; sie haben sich entsprechend den Hinweiszeichen zu verhalten."
Zu diesem Paragraph wird im StVO-Kommmentar von Messiner (Messiner, StVO 9. Auflage (1995)) unter der Anmerkung 14 ausgeführt wie folgt:
"Zweck dieser Bestimmung ist, eine Behinderung des Verkehrs insbesondere auf Straßen zu vermeiden, auf denen etwa durch Spurensignalisation (§ 39 Abs 2) eine für einzelne Fahrstreifen gesonderte Verkehrsregelung erfolgt. Vgl auch § 53 Abs 1 Z 23 (dieses Zeichen hat jedoch keinen normativen Charakter) und § 21 BodenmV (Anh IX). Die Verpflichtung zur Weiterfahrt im Sinne der Richtungspfeile besteht erst ab Beginn der Kreuzung; vorher werden die zur Trennung der einzelnen Fahrstreifen angebrachten Sperrlinien überfahren.
Richtungspfeile zum Vorsortieren (§ 53 Abs 1 Z 23) sind durch Sperrlinien voneinander zu trennen (§ 21 BodenmV).
Das Verbot des Fahrstreifenwechsels gilt erst hinsichtlich der Weiterfahrt über die Kreuzung hinaus.
Das Rechts- oder Linkseinbiegen kann mit Bodenmarkierungen (§ 23 Abs 2 BodenmV) allein nicht verboten werden; es ist eine Verordnung gemäß § 52 Z 3a, 3b oder 15 erforderlich."
Aus diesen Ausführungen ergibt sich, daß die Bestimmung des § 9 Abs 6 StVO das Verhalten im Straßenverkehr für den Fall regelt, wenn in einer Fahrtrichtung mehrere Fahrstreifen gegeben sind und einerseits diese Fahrstreifen durch Sperrlinien voneinander getrennt sind und andererseits auf diesen Fahrstreifen einander unterscheidende Richtungsbodenmarkierungen aufgetragen sind. In diesem Fall sind Fahrzeuglenker verpflichtet in die Kreuzung nur entsprechend des auf ihrem Fahrstreifen befindlichen Richtungspfeiles einzufahren.
Nur in diesem Falle wäre das der Bodenmarkierung widersprechende Einfahren in die Kreuzung eine Erfüllung des Tatbildes des Paragraphen 9 Abs 6 StVO.
Im vorliegenden Fall ist aber nur ein in eine Richtung führender Fahrstreifen vorgelegen, welcher eine Richtungsbodenmarkierung (Pfeil nach rechts) aufwies. In diesem Fall ist diese Bodenmarkierung nur ein Hinweis auf das gemäß § 52 Z 15 StVO normierte Abbiegegebot, und kommt diesem Pfeil sohin kein selbständiger normativer Charakter zu.
Da sohin die obgenannte Bestimmung im vorliegenden Fall nicht verletzt worden ist, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Spruchpunkt 6):
§ 8 Abs 1 StVO lautet:
"Nebenfahrbahnen sind zum Ziehen oder Schieben von Handwagen, Handkarren oder Handschlitten sowie zum Schieben von einspurigen Fahrzeugen zu benützen. Radfahrer dürfen in Nebenfahrbahnen auch fahren, wenn kein Radfahrstreifen, Radweg oder Geh- und Radweg vorhanden ist. Sonst dürfen Nebenfahrbahnen, sofern sich aus Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen nichts anderes ergibt, nur zum Zu- oder Abfahren benützt werden. Nebenfahrbahnen dürfen nur in der dem zunächst gelegenen Fahrstreifen der Hauptfahrbahn entsprechenden Fahrtrichtung befahren werden, sofern sich aus Straßenverkehrszeichen nichts anderes ergibt."
Im vorliegenden Fall fuhr der Berufungswerber gegen eine gemäß § 52 Z 2 StVO kundgemachte Einbahn. Wenn eine Straße infolge des obgenannten Verkehrszeichens oder infolge des Verkehrszeichens "Einbahn" ausdrücklich als Einbahn qualifiziert ist, ergibt sich das Gebot, in einer bestimmten Fahrtrichtung ein Fahrzeug zu lenken aus dem Verkehrszeichen "Einfahrt verboten" bzw aus dem Verkehrszeichen "Einbahnstraße". Hinsichtlich der vorgeschriebenen Fahrtrichtung ist sohin in diesem Fall eine vorgeschriebene Fahrtrichtung infolge des Verkehrszeichens "Einfahrt verboten" bzw "Einbahnstraße" eine lex spezialis zu der in gemäß § 8 Abs 1 StVO normierten Verpflichtung, ein Fahrzeug in eine bestimmte Fahrtrichtung zu lenken.
Sohin war eine Bestrafung auf Grund der obgenannten Ausführung
unzulässig.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zu den Spruchpunkten 7a), 7b), 7c), 7d):
Infolge der im Verlauf der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Einschränkung des Berufungsumfanges ausschließlich auf die Strafhöhe ist seitens der erkennenden Behörde auf die in der Schuldfrage ergangene erstinstanzliche Entscheidung nicht mehr einzugehen, sondern ausschließlich die von der Erstbehörde vorgenommene Strafbemessung zu überpüfen.
Zur Strafbemessung ist auszuführen:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist die Grundlage der Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Gemäß Abs 2 leg cit sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Als mildernd wurde zudem der Milderungsgrund des Geständnisses und der Schuldeinsicht berücksichtigt.
Die der Bestrafung zugrundeliegende Handlung schädigte das als sehr bedeutend einzustufende öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit, weshalb der objektive Unrechtsgehalt der Tat an sich, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, nicht als geringfügig zu bewerten war.
Das Ausmaß des Verschuldens kann im vorliegenden Fall in Anbetracht der offensichtlichen Außerachtlassung der im gegenständlichen Fall objektiv gebotenen und dem Berufungswerber zuzumutenden Sorgfalt nicht als geringfügig bezeichnet werden, da weder hervorgekommen ist, noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen ist, daß die Einhaltung der verletzten Rechtsvorschrift durch den Berufungswerber im konkreten Fall eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder daß die Verwirklichung des Straftatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können. Die Strafe wurde spruchgemäß herabgesetzt, da dem Berufungswerber der Milderungsgrund des Geständnisses und der Schuldeinsicht zugute kommt und da er über ein außerordentlich geringes Einkommen verfügt.
Angesichts der bisherigen Darlegungen war sohin die Geldstrafe auf das im Spruch ersichtliche Ausmaß herabzusetzen.
Gemäß § 16 Abs 2 letzter Satz VStG ist die Ersatzfreiheitsstrafe ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen. Gemäß diesen sich aus § 19 VStG ergebenden Regeln sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen.
Die Ersatzfreiheitsstrafe war in Anbetracht der bereits genannten Strafzumessungsgründe um das nunmehr im Spruch ersichtliche Ausmaß herabzusetzen.
Die Strafhöhe erscheint unter Zugrundelegung der im konkreten Fall zu berücksichtigen gewesenen Spezial- und Generalprävention als geboten.
Aus den angeführten Gründen erscheint unter Zugrundelegung eines monatlichen Einkommens von ÖS 6000,-- bis 7000,--, bei gleichzeitig vorliegender Vermögenslosigkeit und keiner bestehenden Sorgepflicht das verfügte Strafausmaß durchaus als angemessen und nicht als überhöht.
Eine weitere Strafherabsetzung kam unter Bedachtnahme auf die vorangeführten Strafbemessungsgründe, die generalpräventive Funktion einer Verwaltungsstrafe und den Strafrahmen bzw Strafsatz nicht in Betracht.
Auf die Möglichkeit der Einbringung eines mit S 120,-- Bundesstempelmarken zu versehenden Raten- und/oder Stundungsansuchens bei der Behörde erster Instanz wird hingewiesen.