Einstellung des Verfahrens hinsichtlich zweier Tatvorwürfe (nicht beidseitige Anbringung der Kennzeichentafeln, Nichtbefestigung der einen), da sie durch den dritten Vorwurf (Verwendung der Wechselkennzeichen für zwei Fahrzeuge gleichzeitig) konsumiert sind.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Helm über die Berufung des Herrn Dr Gerald K gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, vom 10.1.1997, Zahl
S 214362/D/96, wegen Verwaltungsübertretungen nach § 103 Abs 1 Z 1 KFG iVm 1) § 49 Abs 7 KFG, 2) § 49 Abs 6 KFG und
3) § 48 Abs 2 KFG, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung
1.) zu den Punkten 1 und 2 Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt,
2.) zu Punkt 3 insoferne Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von S 2000,-- auf S 600,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen auf 20 Stunden herabgesetzt wird.
Demgemäß wird der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens von S 200,-- auf S 60,-- reduziert.
Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber für schuldig erkannt, er habe am 22.10.1996 mindestens von 15.50 bis 18.50 Uhr als Zulassungsbesitzer der Pkws BMW 730i und Jeep Grand Cherokee mit dem Wechselkennzeichen W-53 nicht dafür gesorgt, daß 1.) an dem dort abgestellten Pkw BMW 730i vorne und hinten die Kennzeichentafeln fest am Fahrzeug angebracht gewesen wären, da nur eine Kennzeichentafel im Fahrzeug hinter der Windschutzscheibe gelegen ist, 2.) an dem dort abgestellten Pkw Jeep Grand Cherokee vorne und hinten die Kennzeichentafeln fest am Fahrzeug angebracht gewesen wären, da nur eine Kennzeichentafel am Fahrzeug hinten montiert gewesen ist, und 3.) das Wechselkennzeichen zur selben Zeit nur an einem der beiden Fahrzeuge geführt worden wäre. Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 103 Abs 1 Z 1 KFG iVm
1) § 49 Abs 7 KFG, 2) § 49 Abs 6 KFG und 3) § 48 Abs 2 KFG verletzt, weshalb über ihn gemäß § 134 Abs 1 KFG für jede der Übertretungen (somit dreimal) eine Geldstrafe von S 2.000,--, im Nichteinbringungsfall je drei Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt wurde. Außerdem wurde er zu einem Beitrag von
S 600,-- zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet. In ihrer Begründung gibt die erstinstanzliche Behörde die ratio der gesetzlichen Wechselkennzeichens-Regelung und ihrer Einschränkung wieder; bezüglich der weiteren Delikte wird von der Behörde "..... auf das Kumulationsprinzip des Verwaltungsverfahrens hingewiesen.".
Gegen diese rechtliche Beurteilung wendet sich die Berufung, während der verfahrensrelevante Sachverhalt ohne weiteres zugestanden wird. Der Berufungswerber rügt aber auch, daß die Strafe für die ihm seiner Meinung nach allein zu Recht angelastete Übertretung des § 48 Abs 2 KFG weder seinem Verschulden noch seinen wirtschaftlichen Verhältnissen entspreche.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat dazu in rechtlicher Hinsicht erwogen:
Die Begründung der erstinstanzlichen Behörde zeigt, daß die Einwendungen des Berufungswerbers nicht richtig verstanden wurden. Daß im Verwaltungsstrafverfahren - zum Unterschied vom gerichtlichen - das Kumulationsprinzip gilt, ist völlig unbestritten, trifft aber den Kern der Sache nicht. Eine Kumulation ist nämlich nur dann vorzunehmen, wenn durch mehrere selbständige Taten oder durch eine einzige Tat - also in Real- oder Idealkonkurrenz - mehrere Delikte begangen wurden. Dies ist nicht automatisch gleichzusetzen mit dem Fall, daß eine Tat unter mehrere Tatbestände subsumiert werden kann, müßte doch sonst bei vollendeter Tat der Täter auch wegen des Tatversuchs oder - als Beispiel aus dem gerichtlichen Strafrecht - der Räuber zusätzlich wegen Nötigung belangt werden. Vielmehr stellt sich in solchen Fällen der Scheinkonkurrenz die Frage gar nicht, ob nun das Kumulations-, Asperations- oder Absorptionsprinzip anzuwenden ist.
Es hätte daher spätestens aufgrund des Einspruchs untersucht werden müssen, in welchem Verhältnis die drei Tatbestände stehen: ob es sich tatsächlich um voneinander unterschiedene Delikte handelt, die gesonderten Schutzzwecken dienen, oder ob - im Gegenteil - bei Anwendung des einen Tatbestands der andere als allgemeinere oder nachrangige Norm ausscheidet, oder ob etwa das eine Delikt das andere notwendig in sich schließt (zu den drei Haupttypen der Scheinkonkurrenz - Spezialität, Subsidiarität und Konsumption - vgl ausführl Burgstaller, Scheinkonkurrenz, JBl 1978, 394 ff u 459 ff, Leukauf-Steininger rechnen dazu in Komm3 StGB § 28 noch das fortgesetzte Delikt und Sonderfälle). In den genannten Fällen schließen einander die Strafdrohungen im Sinne des § 22 VStG nämlich aus.
Bei Prüfung des angefochtenen Bescheids zeigt sich zunächst, daß das zu Punkt 3) angelastete Delikt das zu Punkt 2) angelastete notwendig einschließt. Wechselkennzeichen - die ja auch nur paarweise ausgegeben werden - können gar nicht derart an zwei verschiedenen Fahrzeugen montiert werden, daß an beiden oder auch nur einem sowohl vorne als auch hinten je ein Kennzeichen angebracht wäre. Eine gesonderte Anlastung dieses - von Punkt 3) zur Gänze konsumierten und in diesem enthaltenen - Faktums ist schon aus simplen logischen Gründen regelrecht absurd. Demgemäß ist das Vorliegen einer Scheinkonkurrenz (Konsumption des zweitangeführten Delikts durch das drittgenannte), vollkommen offenkundig.
Auch das zu Punkt 1) angelastete Delikt kann aber neben dem im angefochtenen Erkenntnis drittgenannten nicht bestehen. Zwar mag es bei dem darin enthaltenen Vorwurf der Nichtbefestigung (loses Hineinlegen) der einen Kennzeichentafel nicht ganz so offensichtlich sein, daß eine Konkurrenz mit der Doppelverwendung des Kennzeichens nur dem Anschein nach besteht; dennoch müßte selbst ohne speziellere juristische Kenntnisse einleuchten, daß man jemanden, dem die gleichzeitige Führung eines Wechselkennzeichens an einem zweiten Fahrzeug vorgeworfen wird, nicht auch noch wegen mangelhafter Anbringung des rechtswidrig verwendeten Kennzeichens an diesem Fahrzeug bestrafen kann. Je besser dieses nämlich angebracht ist, umso schwerwiegender wird der erstgenannte Vorwurf. (Zum Vergleich: Jemandem, der einen fremden Ausweis im Sinne des § 231 StGB für sich selbst gebraucht, wirft man auch nicht erschwerend vor, daß das Lichtbild keinerlei Ähnlichkeit erkennen läßt - ein Austausch wäre ja Urkundenfälschung und somit gesteigertes Unrecht!)
Die Absicht des Berufungswerbers lag offenkundig darin, beim Hinausstellen des zweiten Fahrzeuges der irrtümlichen Annahme vorzubeugen, dieses wäre - mangels Kennzeichens - nicht zum Verkehr zugelassen; darin liegt eine Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsflächen und somit - im technischen Sinne - eine Verwendung auch dieses Fahrzeuges. Ebenso offenkundig ging der Tatvorsatz aber nicht weit genug, um mehr als ein vorübergehendes Abstellen außerhalb des Privatgrundes überhaupt in Erwägung zu ziehen, weshalb das lose Hineinlegen der Kennzeichentafel vielmehr als Indiz für einen geringen Unrechtsgehalt und geringe Schuld bezüglich der Doppelverwendung zu werten ist, keinesfalls aber als gegenüber dieser Doppelverwendung selbständig verwirklichtes Delikt. Die feste Anbringung eines rechtswidrigerweise zweitverwendeten Wechselkennzeichens liegt außerhalb der ratio des § 49 Abs 7. Daß in § 49 Abs 7 KFG unter den Ausnahmen nur Probe- und Überstellungskennzeichen erwähnt sind, bedeutet nicht, daß beim Erfordernis der festen Montage auf die Besonderheiten des in § 48 Abs 2 geregelten Wechselkennzeichens keine Rücksicht zu nehmen wäre. Vielmehr dient ja gerade die Vorschrift des § 48 Abs 2 letzter Satz dazu, der leichteren Entfernbarkeit von Wechselkennzeichen und dem Umstand, daß sie für zwei Fahrzeuge wechselweise bestimmt sind, Rechnung zu tragen, indem durch eine besondere Bestimmung für die eindeutige und klare Kennzeichnung des jeweils auf öffentlichem Straßengrund befindlichen Fahrzeuges vorgesorgt wird. Selbst wenn man nicht davon ausgeht, daß ein Verstoß gegen § 48 Abs 2 jede unzureichende Anbringung konsumiert (schon weil eine ordnungsgemäße Anbringung vorne und hinten ohnedies nicht mehr möglich ist), stünde diese Regelung daher jedenfalls im Verhältnis der Spezialität zu jener des § 49 Abs 7.
Der Unrechtsgehalt der gesamten Tat - sowohl bezogen auf die doppelte Führung des Kennzeichens, auf die sich zwangsläufig ergebende Anbringung nur (jeweils) eines Kennzeichens als auch auf das bloße Hineinlegen der Kennzeichentafel in das Zweitfahrzeug - erschöpft sich somit bereits in der Übertretung des § 48 Abs 2 letzter Satz, welcher die gleichzeitige Führung des Wechselkennzeichens auf zwei Fahrzeugen untersagt.
Zur Strafbemessung:
Wie die erstinstanzliche Behörde richtig ausführt, hat der Gesetzgeber für Personen, die mehrere Fahrzeuge abwechselnd in Betrieb nehmen wollen, die Möglichkeit des Wechselkennzeichens geschaffen, mit dem jeweils ein Fahrzeug auf öffentlichen Verkehrsflächen verwendet werden kann. Bereits ein Abstellen auf öffentlichen Verkehrsflächen stellt aber eine Verwendung dar, die zur Führung eines Kennzeichens verpflichtet, sodaß - wohl aus Gründen der Vollziehbarkeit und Kontrolle - nicht an den Betrieb des Fahrzeuges, sondern an die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsflächen angeknüpft wird. Daß die Abstellung nur stundenweise erfolgte und es keinerlei Indizien für die Annahme gibt, der Berufungswerbers habe beide Fahrzeuge gleichzeitig in Betrieb nehmen (lassen) wollen, ändert daher zwar nichts am Vorwurf der gleichzeitigen Führung des Kennzeichens auf beiden Fahrzeugen, verleiht aber der Tat einen eher geringen Unwert. Obwohl die Tat zweifellos vorsätzlich begangen wurde, ist die Umschreibung des Verschuldens mit dem Begriff "Versehen" (wie es der Berufungswerber nennt) durchaus nicht abwegig, da der Berufungswerber im Bewußtsein, nicht beide Fahrzeuge gleichzeitig betreiben zu wollen, fahrlässigerweise offenbar kein zureichendes Augenmerk auf den Umstand legte, daß er sie dennoch gleichzeitig - unter Führung des Wechselkennzeichens - auf öffentlicher Verkehrsfläche verwendete. Da ihn dies nach den Umständen des Falles keinesfalls wegen Rechtsirrtums entschuldigen kann, verantwortet er die vorsätzliche Begehung. Das Verschulden ist aber gleichfalls nicht sehr hoch zu veranschlagen.
Ein Absehen von der Strafe im Sinne des § 21 VStG kam dennoch nicht in Betracht, da die Inanspruchnahme der mit dem Wechselkennzeichen verbundenen gesetzlichen Begünstigung im Gegenzug eine entsprechende Aufmerksamkeit hinsichtlich der Einschränkungen dieses Vorrechts verlangt, und das durch die oben beschriebene Nachlässigkeit gegebene Verschulden daher nicht mehr als geringfügig gewertet werden kann.
Daß sich die allseitigen Verhältnisse angesichts der Sorgepflichten und der vom Berufungswerber beschriebenen Umstände (Auslandsverwendung, daraus resultierende hohe Ausbildungskosten der Kinder) nicht ganz so günstig darstellen, wie es die Einkommenssituation allein nahelegen würde, wurde bei der Strafbemessung berücksichtigt. Eine Geldstrafe von S 600,-- erschien unter diesen Umständen schuldangemessen, zumal die Unbescholtenheit des Berufungswerbers mildernd war.