Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Hütter über die Berufung des Herrn Mag. pharm. Dieter G, B-gasse 32, J, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 7.3.1997, GZ.: 15.1 1996/968, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird
1.) der Berufung betreffend die Punkte 1.) und 2.) Folge gegeben und das Straferkenntnis behoben;
2.) der Berufung betreffend Punkt 3.) Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
Von der Bezirkshauptmannschaft Judenburg (der belangten Behörde) wurde dem Beschuldigten und nunmehrigen Berufungswerber im angeführten Straferkenntnis folgendes vorgeworfen: Er sei als Inhaber der Firma Mag. pharm. Dieter G, Geschäftsanschrift J, G-gasse 25, dafür verantwortlich, daß in der Gratiszeitung "Ihr Einkauf" Ausgabe Nr. 3/96 auf Seite 21 Melatonin-Kapseln als Arzneimittel beworben und diese im Versandhandel angeboten worden seien, obwohl 1.) Arzneimittelwerbung nur für zugelassene Arzneispezialitäten, nicht aber für in Österreich nicht zugelassene Arzneispezialitäten betrieben werden dürfe und zum Zeitpunkt des Erscheinens des Inserates/Zeitung es keine Zulassung für die oa. Arzneimittel gegeben habe; 2.) Laienwerbung für Arzneimittel keine Elemente enthalten dürfe, die darauf hinwirken, Arzneimittel im Versandhandel zu beziehen und bei diesem Inserat für eventuelle Anfragen und Bestellungen die Anschrift G Pharma, Postfach 52, J, ein Bestellkupon zum Ausschneiden und die Telefonnummer 03572/86996 abgedruckt bzw. angegeben gewesen seien; 3.) Arzneispezialitäten, unbeschadet des Arzneiwareneinfuhrgesetzes, im Inland erst abgegeben oder für die Abgabe im Inland bereitgehalten werden dürften, wenn sie vom Bundesminister zugelassen seien und zum Zeitpunkt des Erscheinens des Inserates/Zeitung es keine Zulassung für die oa. Arzneimittel gegeben habe.
Er habe zu Punkt 1.) § 50 Abs 1 Z 1 i.V.m. § 84 Z 5 Arzneimittelgesetz, zu Punkt 2.) § 53 Z 14 i.V.m. § 84 Z 9 Arzneimittelgesetz und zu Punkt 3.) § 11 i.V.m. § 84 Z 5 Arzneimittelgesetz verletzt. Zu allen drei Punkten wurden Geldstrafen von S 10.000,-- (Ersatzarrest je 1 Tag 12 Stunden) verhängt. Der Beschuldigte berief rechtzeitig und mit begründetem Berufungsantrag. Die Berufung ist zulässig.
Aufgrund der Aktenlage und der ergänzenden Erhebungen gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark zu folgender Beurteilung:
Zu den Punkten 1.) und 2.):
Nach § 27 Abs 1 VStG ist örtlich zuständig zu Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist. Nach Abs 2 ist, wenn danach die Zuständigkeit mehrerer Behörden begründet oder es ungewiß ist, in welchem Sprengel die Übertretung begangen worden ist, die Behörde zuständig, die zuerst eine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs 2) vorgenommen hat.
Nach § 28 VStG ist die Behörde, die zuerst von einer Verwaltungsübertretung Kenntnis erlangt, zur Verfolgung zuständig, solange nicht ein Umstand hervorgekommen ist, der nach § 27 Abs 1 die Zuständigkeit einer anderen Behörde begründet.
Nach § 50 Abs 1 Arzneimittelgesetz - AMG darf Arzneimittelwerbung nur für 1. zugelassene Arzneispezialitäten oder 2. Arzneimittel, die im Arzneibuch im Sinne des § 1 Arzneibuchgesetz genannt sind, betrieben werden.
Nach § 53 AMG darf Arzneimittelwerbung, die für Verbraucher bestimmt ist, keine Elemente enthalten, die ... Z 14 darauf hinwirken, Arzneimittel im Versandhandel zu beziehen. Nach § 84 Z 9 AMG macht sich, wenn die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist mit Geldstrafe bis zu S 100.000,--, im Wiederholungsfall bis zu S 200.000,-- zu bestrafen, wer Werbung betreibt, die nicht den §§ 50 bis 56 entspricht.
Im gegenständlichen Fall soll die verpönte Bewerbung eines Arzneimittels (Punkt 1.) bzw. dabei die Verwendung von Elementen, die sich auf den Versandhandel beziehen (Punkt 2.) in der Gratiszeitung "Ihr Einkauf", Ausgabe Nr. 3/96, stattgefunden haben. Laut Impressum ist die als Alleineigentümer, Herausgeber und Verleger firmierende "Die Information für Verbraucher, Zeitschriftenverlagsgesellschaft m.b.H. & Co KG", in W, H-gasse 16, situiert, gedruckt wurde die Zeitung in T, K-Straße 132. Von der Druckerei wurde die Zeitung zu den sechs Lagern (Zentrallagern) in W geliefert, von denen sich je eines in W 19., H-straße, W 10., Bgasse, W 10., L-gasse, W 2., D-gasse, W 14., R-gasse und W 14., P-straße, befindet. Von jedem Lager aus erfolgte die weitere Verteilung dann jeweils für ein bestimmtes Gebiet, wobei unter Benützung von sogenannten Kleindepots schließlich 2.000 bis 2.500 Personen der Firma F die Verteilung an 930.000 Haushalte in Wien, Niederösterreich und Burgenland vornahmen, und zwar 4 Tage lang, beginnend am Tag des Erscheinens, am 12.2.1996. In J wurde die Zeitung nicht verteilt (Aktenvermerk vom 20. Mai 1997 sowie Telefax von "Ihr Einkauf Info GmbH" vom 7. Mai 1997).
Nach VwGH 27.3.1991, Zl. 90/10/0189, ist Tatort jener Ort, von dem aus die Verbreitung des betreffenden Druckwerkes ihren Ausgang nimmt. Laut dem Erkenntnis VwGH 22. Februar 1979, Zl. 2435/76, bestand die Tat im dort genannten Fall im Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit in Zeitungen. Da von einem verbotenen Anbieten erst gesprochen werden kann, wenn die Zeitung ihren Abnehmern zugänglich ist, handelt der Täter danach jedenfalls auch dort, wo die Zeitung verbreitet wird (im gleichen Sinn VwGH 23.12.1974, Zl. 1428/74).
Die belangte Behörde wurde - zu Recht - aufgrund der an sie gerichteten Anzeige der Österreichischen Apothekerkammer vom 14. Februar 1996 tätig.
Im Sinne des § 28 VStG war die belangte Behörde aufgrund der Anzeige zunächst zur Verfolgung zuständig, dies aber nicht durchgehend für das gesamte Strafverfahren in I. Instanz. Denn die Zuständigkeit einer anderen Behörde wird im Sinne des § 28 VStG nicht nur durch einen Umstand begründet, der der belangten Behörde zur Kenntnis gelangt, sondern auch dann, wenn die Behörde diesen Umstand bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt hätte kennen müssen (vgl. VwGH 27.7.1994, Zl. 94/09/0064 bis 0070). Erhebungen über die Verbreitung der Gratiszeitung hat die belangte Behörde nicht gepflogen, sie hätte dies aber zur Ermittlung des Tatortes betreffend die Punkte 1.) und 2.) des Straferkenntnisses tun müssen. Dies führt dazu, daß sie zur Erlassung des Straferkenntnisses unzuständig war, wobei dieser Umstand in jeder Lage des Verfahrens, somit auch von der Berufungsbehörde wahrzunehmen ist (s.VwSlg 1232A/1950 u.a.). Der Berufungsbehörde ist es in einem solchem Fall versagt, das Rechtsmittel meritorisch zu erledigen, sie hat vielmehr den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Sache nach § 6 Abs 1 AVG an die zuständige Behörde weiterzuleiten (VwGH 15.9.1969, Zl. 1566/68). Es ließ sich zwar nicht klären, welcher (eine) Ort als jener Ort in Frage kommt, von dem aus die Verbreitung der Zeitung ihren Ausgang genommen hat, da dies von sechs Orten aus - den sechs Lagern - erfolgt ist. Andererseits sind aber diese sechs in vier Bezirken Wiens gelegenen Lager jene Orte, von denen aus - gleichzeitig - die Verteilung begonnen wurde, während die übrigen Orte des Verteilungsgebietes erst später abgedeckt wurden. Nachdem die Lager im 19., 10., 2. und 14. Wiener Gemeindebezirk situiert waren, war jedes Magistratische Bezirksamt dieser vier Bezirke zur Erlassung des Straferkenntnisses örtlich zuständig. Da keines dieser Magistratischen Bezirksämter die erste Verfolgungshandlung gesetzt hat, wurde bisher auch noch keine Zuständigkeit eines bestimmten Magistratischen Bezirksamtes im Sinne des § 27 Abs 2 VStG begründet.
Der Bescheid war daher in den Punkten 1.) und 2.) zu beheben und die Sache nach § 6 Abs 1 AVG an das (auch) zuständige Magistratische Bezirksamt für den 19. Bezirk in Wien weiterzuleiten. Bei diesem Verfahrensergebnis erübrigt es sich, auf die geltend gemachten Berufungsgründe einzugehen.
Zu Punkt 3.: Nach § 11 Abs 1 AMG dürfen Arzneispezialitäten im Inland erst abgegeben oder für die Abgabe im Inland bereitgehalten werden, wenn sie vom Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz zugelassen sind, es sei denn, es handelt sich um 1. gemäß der Verordnung (EWG Nr. 2309/93) zugelassene Arzneispezialitäten, 2. Arzneispezialitäten, für die eine Bewilligung nach dem Arzneiwareneinfuhrgesetz, BGBl. Nr. 179/1970, erteilt worden ist oder deren Einfuhr nach § 5 Arzneiwareneinfuhrgesetz nicht bewilligungspflichtig ist, oder 3. Arzneispezialitäten im Sinn des § 12 Tierseuchengesetz, RGBl. Nr. 177/1909. Die bereits zitierte Verwaltungsübertretung nach § 84 AMG begeht auch, wer nach Z 5 Arzneimittel, die gemäß §§ 11 oder 11a der Zulassung unterliegen, ohne Zulassung oder nicht entsprechend der Zulassung im Inland abgibt oder für die Abgabe im Inland bereithält oder die gemäß § 22 Abs 2 oder Abs 3 oder § 25 Abs 2 vorgeschriebenen Auflagen nicht erfüllt.
Nach § 44 a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes VwSlg 11894 (A) ist der Vorschrift des § 44 a Z 1 VStG dann entsprochen, wenn die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit den Beschuldigten in die Lage versetzt, au den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um diesen Tatvorwurf zu widerlegen und ihn rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens neuerlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Da die Tatumschreibung im Spruch eines Straferkenntnisses ausschließlich an diesen Rechtschutzüberlegungen zu messen ist, ist die Anforderung an die Tatort- und Tatzeitangabe sowohl von Delikt zu Delikt als auch nach den Begleitumständen jedes einzelnen Falles gesondert zu beurteilen.
Diesen Anforderungen genügt Punkt 3.) des Spruches in keiner Weise, denn die zu Beginn des Straferkenntnisses wiedergegebene Sachverhaltsumschreibung bezieht sich inhaltlich nur auf die Punkte
1.) und 2.), enthält aber keine Angaben darüber, wann und wo die Tat begangen worden sein soll, ob sie in einem Abgeben oder einem Bereithalten von Arzneispezialitäten bestanden hat und - im ersteren der beiden genannten Fälle - durch welches Verhalten (z.B. Verkauf) die Abgabe erfolgt ist (vgl. VwGH 18.5.1992, Zl. 92/10/0019, 28.2.1992, Zl. 92/10/0017, 20.3.1992, Zl. 92/10/0020). Anders als bei den Punkten 1.) und 2.) ist jedoch bei Punkt 3.) die Zuständigkeit der belangten Behörde aus folgendem Grund anzunehmen: Wie sich aus dem Akt ergibt, sollte der Stoff Melatonin den Kunden per Post vom Sitz des Einzelunternehmens des Berufungswerbers in J zugeschickt werden. Als Tatort kommt somit J als der Ort in Frage, an dem die Ware abgegeben oder zur Abgabe bereitgehalten oder abgeschickt wurde (VwGH 17.5.1993, Zl. 92/10/0066, 18.9.1992, Zl. 91/12/0159, 8.4.1983, Zl. 81/17/0199). Da die belangte Behörde somit betreffend Punkt 3.) ihre Zuständigkeit zu Recht wahrgenommen hat und die Berufungsbehörde in diesem Punkt zu einer meritorischen Entscheidung befugt ist und wie angeführt der Spruch des Straferkenntnisses den Anforderungen des § 44 a Z 1 VStG grundlegend nicht entspricht (und darüber hinaus die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist abgelaufen ist), war das Straferkenntnis in diesem Punkt aufzuheben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen. Auch betreffend diesen Punkt war auf das Berufungsvorbringen nicht mehr einzugehen. Da aufgrund des Aktes und der ergänzend vorgenommenen Erhebungen bereits ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte diese Entscheidung ohne öffentliche mündliche Verhandlung getroffen werden (§ 51 e Abs 1 VStG).