Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied
Dr Traxler über die Berufung des Herrn , geboren ,
wohnhaft in D- , vertreten durch
Rechtsanwalt , vom 02 05 1997, gegen
das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf vom 15 04
1997, Zl 300-1560-1997, wegen Bestrafung nach § 103 Abs 2 KFG 1967
zu
Recht erkannt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs 1 VStG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG ist ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens von 20 % der Strafhöhe, das sind S 200,--, zu leisten.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber für
schuldig erkannt, er habe als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges
mit dem deutschen Kennzeichen der Bezirkshauptmannschaft
Jennersdorf auf ihr schriftliches Verlangen vom 21 10 1996 nicht
binnen zwei Wochen nach der am 25 10 1996 erfolgten Zustellung der
schriftlichen Aufforderung in D- ,
Auskunft darüber erteilt, wer dieses Kraftfahrzeug am 02 06 1996 um 09 43 Uhr in Poppendorf, B 65, Höhe Haus Nr 2, gelenkt habe. Er habe dadurch § 103 Abs 2 KFG 1967 verletzt.
Es wurde über ihn eine Geldstrafe von S 1000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden) verhängt.
In der Berufung wird vorgebracht:
1) Nach dem Rechtshilfevertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl Nr 526/1990, könnten nur Verwaltungsbehörden direkt miteinander verkehren. Es sei jedoch nicht
vorgesehen, daß eine Verwaltungsstrafbehörde I Instanz direkt im Staatsgebiet des Vertragsstaates Deutschland Verwaltungshandlungen setzen könne. Die Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf habe jedoch mit der Anfrage gemäß § 103 Abs 2 KFG auf deutschem Hoheitsgebiet eine hoheitliche Verwaltungshandlung gesetzt, für die es keine rechtliche Grundlage gebe. Diese Anfrage verstoße daher gegen Art 18 B-VG und sei damit rechtswidrig. Ein Bestrafungsanspruch könne daraus nicht abgeleitet werden.
2) Die Anfrage gemäß § 103 Abs 2 KFG sei auch nicht als bloße Zustellung im Sinne des Art 10 des zitierten Vertrages zu werten, sondern als Beweisverfahren im Rahmen des Administrativverfahrens für
ein Verwaltungsstrafverfahren.
3) Auch eine Anfrage über die zuständige Verwaltungsbehörde in Deutschland wäre nach dem zitierten Vertrag unzulässig, da es eine Lenkerauskunft in Deutschland nicht gebe. Da nach dem Vertrag immer das Recht des ersuchten Staates zur Anwendung komme, hätte daher die deutsche Verwaltungsbehörde das Rechtshilfeersuchen der österreichischen Verwaltungsbehörde ablehnen müssen.
Hierüber hat der Verwaltungssenat erwogen:
Gemäß § 103 Abs 2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen
bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann
er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen
nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. ( Verfassungsbestimmung ) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.
Art 4 Abs 1 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl Nr 526/1990, bestimmt, daß Amts- und Rechtshilfe nicht geleistet wird, wenn sie nach dem Recht des ersuchten Staates unzulässig ist oder wenn die Erledigung des Ersuchens geeignet wäre, die Souveränität, die Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder andere wesentliche Interessen des ersuchten Staates zu beeinträchtigen.
Art 10 Abs 1 des zitierten Vertrages sieht vor, daß Schriftstücke in Verfahren nach Art 1 Abs 1 unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt werden.
Nach Abs 2 des Art 10 ist eine unmittelbare Zustellung durch die Post
bei Bescheiden im Zusammenhang mit der Feststellung der Eignung Wehrpflichtiger zum Wehrdienst, bei Bescheiden, die eine Person zur militärischen Dienstleistung oder das im ersuchenden Staat gelegenen Eigentum eines Angehörigen des anderen Vertragsstaates dauernd oder vorübergehend zu militärischen Zwecken heranziehen, sowie bei Bescheiden aufgrund der Konvention vom 28 07 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge nicht zulässig.
Der Anzeige des Landesgendarmeriekommandos für das Burgenland,
Verkehrsabteilung, ist zu entnehmen, daß der Lenker des PKW's mit
dem
deutschen Kennzeichen am 02 06 1996 um 09 43 Uhr auf der
Bundesstraße 65 in Poppendorf Fahrtrichtung Eltendorf auf Höhe des
Hauses Nr 2 eine Geschwindigkeit von 67 km/h fuhr. Dies ergibt sich
aus der Messung mit Verkehrsradar, wobei das diesbezügliche
Radarbild
einen PKW der Marke BMW zeigt. In weiterer Folge wurde seitens der
Behörde I Instanz der deutsche Zulassungsbesitzer um Lenkerauskunft
ersucht, wobei dieser mitteilte, daß sich sein Fahrzeug mit dem
Kennzeichen zur fraglichen Zeit nicht in Poppendorf
befunden haben könne. Es müsse sich um einen Fehler beim Ermitteln
des Kennzeichens handeln.
Aus der Stellungnahme der Verkehrsabteilung des
Landesgendarmeriekommandos für das Burgenland vom 24 09 1996 ergibt
sich, daß das Kennzeichen richtig lautet und es sich um
einen BMW, weißlackiert handle. Aufgrund der Bildqualität sei ein
Ablesefehler entstanden.
In weiterer Folge wurde der Berufungswerber als Zulassungsbesitzer
des BMW mit dem deutschen Kennzeichen eruiert und an ihn
eine Lenkeranfrage gemäß § 103 Abs 2 KFG gerichtet. Diese Lenkeranfrage wurde nicht beantwortet.
Vorerst ist festzuhalten, daß der Verwaltungssenat die vom Berufungswerber in seinem Schriftsatz vom 17 03 1997 geäußerten Zweifel, daß nicht erwiesen sei, daß sich der PKW des Berufungswerbers tatsächlich am Tatort befunden habe, nicht teilt. Auf den im Akt erliegenden Radarfoto ist nämlich das Kennzeichen erkennbar, wozu noch kommt, daß ersichtlich ist, daß es sich um einen
BMW handelt. Dies stimmt mit der Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes in Flensburg überein. Demgegenüber hat es sich bei dem Fahrzeug mit dem Kennzeichen um einen Opel Omega gehandelt. Trotz des Versehens in der Anzeige ist daher für die Berufungsbehörde erwiesen,
daß sich das Fahrzeug des Berufungswerbers am 02 06 1996 um 09 43 Uhr
in Poppendorf befunden hat. Da dabei eine Übertretung des § 20 Abs 2 StVO mittels Radarmessung festgestellt wurde, war die Behörde I Instanz berechtigt, eine Lenkeranfrage zu stellen.
Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31 01 1996, Zl 93/03/0156, sieht § 103 Abs 2 KFG 1967 keine bestimmte Form für die Erfüllung der Auskunftspflicht vor. Dem Zulassungsbesitzer stehen damit verschiedene Handlungsalternativen zur Verfügung:
Er kann die Auskunft mündlich, schriftlich durch Abgabe in der zuständigen Kanzleistelle, durch Einwurf in einen vorhandenen Einlaufkasten, per Post oder auch fernmündlich erteilen, wobei er sich allenfalls auch eines Bevollmächtigten oder eines Boten bedienen
kann. Allen diesen Handlungsalternativen ist gemeinsam, daß die Auskunftspflicht nur dann erfüllt ist, wenn die geschuldete Auskunft auch tatsächlich bei der Behörde einlangt. Erfüllungsort dieser öffentlich-rechtlichen Verpflichtung ist daher der Ort, an dem die geschuldete Handlung vorzunehmen ist, somit der Sitz der anfragenden Behörde, der auch der Tatort der Unterlassung der Erteilung einer richtigen und rechtzeitigen Auskunft ist.
Ausgehend von dieser Rechtsprechung hätte daher der Berufungswerber gemäß § 2 Abs 2 VStG seine Verpflichtung im Inland erfüllen müssen.
Eine Verpflichtung zur Beantwortung der Lenkeranfrage des Berufungswerbers, der seinen Wohnsitz in der BRD hat und dessen Fahrzeug auch dort zugelassen ist, besteht nach Ansicht des Verwaltungssenates deshalb, weil durch das Grunddelikt (hier: eine Übertretung der StVO) ein ausreichender Inlandsbezug für die Anfrage besteht. Dieser Inlandsbezug hat zur Folge, daß der Berufungswerber zur Beantwortung der Lenkeranfrage verpflichtet war. So wie der ausländische Zulassungsbesitzer auch bei anderen Übertretungen nach dem KFG haftet, trifft ihn bei Inlandsbezug auch eine Verpflichtung zur Beantwortung der Lenkeranfrage. Es ist hier nicht anders als bei sonstigen Handlungspflichten, bei denen aufgrund einer Inlandsbeziehung eine Verpflichtung der im Ausland wohnenden bzw dort
ihren Sitz aufweisenden Rechtsperson besteht.
Festzuhalten ist, daß die Behörde eine Lenkeranfrage gemäß § 103 Abs 2 KFG nur vornehmen darf, wenn zB der Verdacht einer strafbaren Handlung im Inland besteht. Ist dies aber der Fall, haben auch ausländische Zulassungsbesitzer die Anfrage zu beantworten.
Im übrigen ist zu den Berufungsausführungen folgendes zu sagen:
Zu Punkt 1):
Der Ansicht des Berufungswerbers, daß nach dem Vertrag über Amtsund
Rechtshilfe mit Deutschland nur Behörden miteinander verkehren dürfen, kann nicht beigetreten werden. Ergibt sich doch aus Art 10 Abs 1 des Vertrages, daß die Behörden berechtigt sind, Schriftstücke durch die Post im anderen Vertragsstaat zustellen zu lassen. Damit aber war für die Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf eine rechtliche Grundlage vorhanden, die Anfrage gemäß § 103 Abs 2 KFG an den deutschen Zulassungsbesitzer zu stellen. Daß auch hoheitliche Akte im Wege der Postzustellung übermittelt werden dürfen, zeigt Art 10 Abs 2 des Vertrages, weil danach die dort taxativ aufgezählten Hoheitsakte ausdrücklich von der unmittelbaren Postzustellung ausgeschlossen sind. Im Wege des Umkehrschlusses ergibt sich daraus, daß alle anderen Schriftstücke betreffend Hoheitsakte gemäß Art 10 Abs 1 zugestellt werden dürfen.
In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß sich Art 4 Abs 1 des Vertrages lediglich auf jene Fälle bezieht, in denen die Behörde des einen Staates die Behörde des anderen Staates um Rechtshilfe ersucht.
Art 4 Abs 1 findet daher nur auf Rechtshilfehandlungen und nicht auch
auf die direkte Postzustellung gemäß Art 10 Abs 1 des Vertrages Anwendung. Daraus ergibt sich wiederum, daß die Frage der Unzulässigkeit einer Zustellung nicht nach Art 4 Abs 1 zu beurteilen ist. Die Unzulässigkeit eines Zustellvorganges könnte sich höchstens aus Art 10 Abs 2 des Vertrages ergeben.
Zu Punkt 2):
Es ist zwar zutreffend, daß es sich bei der Lenkeranfrage nicht um ein Verwaltungsstrafverfahren, sondern um ein Administrativverfahren handelt. Dies ist aber im vorliegenden Fall deshalb ohne Bedeutung, weil auch solche Verfahren in den Anwendungsbereich des Art 1 Abs 1 des Vertrages fallen. Auch diese Bestimmung zeigt deutlich, daß die beiden Vertragsstaaten jeweils im Hoheitsgebiet des anderen Staates Hoheitsakte setzen dürfen, wobei, wie oben dargetan, gemäß Art 10 Abs 1 eine direkte Zustellung von Schriftstücken durch die Post zulässig ist.
Zu Punkt 3):
Die Lösung dieser Rechtsfrage kann deshalb dahingestellt bleiben, weil im vorliegenden Fall eine Lenkerauskunft nicht im Wege eines Rechtshilfeersuchens an eine deutsche Behörde gestellt wurde. Daß im übrigen eine direkte Postzustellung zulässig ist, wurde bereits oben dargelegt.
Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, daß der Berufungswerber mit diesem seinem Vorbringen nicht durchdringen kann.
Zur Strafbemessung:
Die der Bestrafung zugrundeliegende Handlung schädigte in nicht unerheblichem Maße das an der jederzeit und ohne unnötige Verzögerung
möglichen Ermittlung von Personen, die im Verdacht stehen, eine straßenpolizeiliche oder kraftfahrrechtliche Übertretung begangen zu haben sowie das an einer raschen und lückenlosen Strafverfolgung bestehende Interesse, dem die Strafdrohung dient.
Der objektive Unrechtsgehalt der Tat kann selbst bei Fehlen sonstiger
nachteiliger Folgen nicht als gering angesehen werden.
Daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder, daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, ist weder hervorgekommen noch auf Grund besonderer Tatumstände anzunehmen
und kann daher das Verschulden des Berufungswerbers nicht als geringfügig angesehen werden.
Bei der Strafbemessung war der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zu berücksichtigen. Erschwerend war kein Umstand zu werten.
Da der Berufungswerber seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse trotz Anfrage nicht bekanntgegeben hat, wird von
einem monatlichen Nettoeinkommen von S 10000,--, mangelnden Sorgepflichten und Vermögenslosigkeit ausgegangen.
Unter Bedachtnahme auf den gesetzlichen Strafsatz, den Unrechtsgehalt
der Tat und das Verschulden des Berufungswerbers ist die verhängte Strafe auch bei Vorliegen solcher persönlicher Voraussetzungen als durchaus angemessen anzusehen, zumal sie im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens liegt.
Eine Strafe muß geeignet sein, den Berufungswerber von einer Wiederholung der Tat ausreichend abzuschrecken und generalpräventive Wirkungen zu entfalten.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.