TE UVS Wien 1997/06/04 07/L/08/100/96

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Veröffentlicht am 04.06.1997
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Pipal über die Berufung des Herrn Willibald K, vertreten durch RA, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 21. Bezirk, vom 23.2.1996, Zl MBA 21-S 468/96, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 74 Abs 5 Z 3 iVm § 20 des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl Nr 86/1975 idgF, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis wegen örtlicher Unzuständigkeit der Erstbehörde aufgehoben.

Gemäß § 65 VStG wird daher kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vorgeschrieben.

Text

Begründung:

I. Der Berufung liegt folgendes Verfahren in der ersten Instanz zugrunde:

1. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lautet:

"Sie haben es als verantwortlicher Beauftragter der Firma H-Kommanditgesellschaft im Sinne des § 9 Abs 2 Verwaltungsstrafgesetzes, BGBl Nr 52/1991, zu verantworten, daß die vorangeführte Firma, die eine weitere Betriebsstätte in Wien, G-Straße (Tatort) für den Kleinhandel mit Waren aller Art, unter Ausschluß solcher, deren Verkauf an eine besondere Bewilligung (Konzession) gebunden ist, betreibt, zu verantworten, daß diese Firma in dieser weiteren Betriebsstätte am 24.3.1995 es insoferne unterlassen hat vorzusorgen, daß zum vorgenannten Zeitpunkt in dem vorangeführten Betrieb in Verkehr gebrachte Lebensmittel nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt wurden, obwohl das nach dem Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar gewesen wäre, als in zwei Boxen ("Semmelspendern") ca 200 Netze mit jeweils 10 Stück Semmeln und ca 40 Netze mit jeweils 4 Stück Kornlandspitz zum Verkauf mittels Selbstbedienung dargeboten wurden, somit nicht vorgesorgt wurde, daß diese Ware durch Verkaufspersonal abgegeben wurde, oder mittels griffdichten Umhüllungen, die auch von Kunden nicht zu öffnen sind, oder das Gebäck aus Entnahmeapparaten, die nur der Entnahme von Gebäck, nicht aber dessen Rückgabe, bzw dessen Zurücklassen nach Berührung ermöglichen, entnommen wurde. Durch die beschriebene Art des Inverkehrbringens hat folgende Gefahr bestanden: Durch diese Form der Selbstbedienung ist eine hygienisch nachteilige Beeinflussung der Ware durch Abtasten (Frischetest) und durch Übertragung etwaiger Schadkeime an den Händen (offene Wunden, verschmutzte Hände, uä) gegeben. Die Netze, in denen die Gebäckstücke verpackt waren, waren so großmaschig, daß die unhygienische Beeinträchtigung durch Betasten, Wühlen, Aussuchen, Anhusten und Anniesen gegeben war.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 74 Abs 5 Z 3 in Verbindung mit § 20 des Bundesgesetzes vom 23. Jänner 1975, BGBl 1986, über den Verkehr mit Lebensmitteln, Verzehrprodukten, Zusatzstoffen, kosmetischen Mitteln und Gebrauchsgegenständen (Lebensmittelgesetz 1975 - LMG 1975) in der derzeit geltenden Fassung.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Schilling 1.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag, gemäß § 74 Abs 5 leg cit Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

100,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10% der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 1.100,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."

2. Dieser Vorwurf ergab sich aus einer Anzeige der Magistratsabteilung 59 vom 3.4.1995.

Die H-KG übermittelte mit Schreiben vom 27.6.1995 folgende Bestellungsurkunde betreffend den verantwortlichen Beauftragten Willibald K:

"VERTRAG

Zwischen der Firma H-KG, S - Firma - und Herrn Willibald K, Ho, Gs-straße - Angestellter -

wird mit Wirkung vom 1. September 1988 folgender Vertrag

geschlossen:

§ 1

Der Angestellte ist bei der Firma als leitender Angestellter beschäftigt. Mit Wirkung vom 1.9.88 wird dem Angestellten die Stellung eines Geschäftsführers in der Zweigniederlassung St übertragen.

§ 2

Das Aufgabengebiet des Angestellten umfaßt die verantwortliche Leitung der ZNL St. Der Angestellte hat im Rahmen seiner Aufgabenstellung und der ihm eingeräumten Befugnisse die Geschäfte der Gesellschaft nach den Grundsätzen eines ordentlichen Kaufmanns zu führen. Er trägt für seinen Bereich - auch soweit dieser ihm über den Rahmen von Satz 1 hinaus übertragen ist - die volle Verantwortung in gesetzmäßiger, organisatorischer und kaufmännischer Hinsicht nach innen und außen. Er hat sich über alle gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen, die seinen Tätigkeitsbereich berühren, selbst zu informieren und sie genauestens zu beachten. Dies gilt auch bei der Durchführung von Weisungen der Geschäftsführung.

S, den 1.9.1988

H-Kommanditgesellschaft, Hauptniederlassung S - Arbeitgeber

Willibald K - Arbeitnehmer"

Im Einspruch gegen eine entsprechende Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft W wurde die Unzuständigkeit dieser Behörde eingewendet.

Nach weiteren Ermittlungsschritten und Abtretung des Verfahrens "gemäß § 27 VStG" an den Magistrat der Stadt Wien unter Hinweis auf das Erkenntnis des VwGH vom 29.5.1995, Zl 94/10/0173, erging das angefochtene Straferkenntnis.

3. In der rechtzeitigen Berufung wurde die Verwaltungsübertretung bestritten.

II. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

1. Zuerst war die Zuständigkeit der Erstbehörde zu überprüfen:

Gemäß § 27 Abs 1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

Gemäß § 28 VStG ist die Behörde, die zuerst von einer Verwaltungsübertretung Kenntnis erlangt, zur Verfolgung zuständig, solange nicht ein Umstand hervorgekommen ist, der nach § 27 Abs 1 die Zuständigkeit einer anderen Behörde begründet.

Zum Tatort einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 LMG 1975 erkannte der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 26.2.1996, Zl 95/10/0240, folgendes zu Recht:

"Der mit Hygiene im Lebensmittelverkehr überschriebene § 20 LMG 1975 bestimmt:

§ 20. Wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe in Verkehr bringt, hat vorzusorgen, daß sie nicht durch äußere Einwirkungen hygienisch nachteilig beeinflußt werden, soweit das nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar ist.

Wer gemäß § 74 Abs 5 Z 3 LMG 1975 unter anderem den Bestimmungen des § 20 zuwiderhandelt, macht sich, sofern die Tat nicht nach den §§ 56 bis 64 oder nach anderen Bestimmungen einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 25.000,-- zu bestrafen. Bei der Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs 5 Z 3 iVm § 20 LMG 1975 handelt es sich um die Begehung einer Tat durch Unterlassung (vgl zB das Erkenntnis vom 21. Dezember 1992, Zl 92/10/0189). Wird einem Beschuldigten die Unterlassung gebotener Vorsorgehandlungen angelastet (im Beschwerdefall etwa die Verwendung eines Gebäckspenders, bei dem nur Zugriff auf die gewählte Ware besteht und eine Rückgabe ausgeschlossen ist), so ist für die Bestimmung der örtlich zuständigen Behörde der Ort maßgebend, an dem der Beschuldigte tätig hätte werden bzw handeln hätte sollen. Der Tatort liegt daher dort, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen. Das ist im Beschwerdefall, in dem ein Vorstandsmitglied als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer Aktiengesellschaft zur Verantwortung gezogen worden ist, jener Ort, an dem die Unternehmensleitung ihren Sitz hat (vgl zB das Erkenntnis vom 25. März 1994, Zl 94/02/0026). Eine andere Betrachtungsweise wird hingegen dann geboten sein, wenn etwa ein verantwortlich beauftragter Filialleiter bestraft wird (vgl ua: das Erkenntnis vom 19. April 1994, Zl 94/11/0055). Im Beschwerdefall lag daher der Tatort der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verwaltungsübertretung am Sitz der Unternehmensleitung in N, weshalb die in erster Instanz eingeschrittene BH zu Erlassung des Straferkenntnisses zuständig war. Der Hinweis der belangten Behörde auf das Erkenntnis vom 29. Mai 1995, Zl 94/10/0173, geht schon deshalb ins Leere, da diesem Erkenntnis die Bestrafung wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs 2 Z 1 iVm § 7 Abs 1 lit b LMG 1975, also eines Begehungsdeliktes, zugrunde lag."

Über Anfrage des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien teilte der Berufungswerber mit, daß er "als leitender Prokurist der H-KG, Zweigniederlassung St, seine Tätigkeit am Sitze dieser Zweigniederlassung in St, R-Straße ausübt".

Da diese Auskunft plausibel ist und mit dem im Akt befindlichen Vertrag übereinstimmt, nimmt der Unabhängige Verwaltungssenat Wien den Sachverhalt als erwiesen an, daß der Berufungswerber zum Tatzeitpunkt seine Tätigkeit in St entfaltete.

Daher liegt dort der Ort, an dem der Berufungswerber seine Dispositionen zur Vermeidung der vorliegenden Verwaltungsübertretung hätte setzen müssen, und somit der Tatort. Somit war die Erstbehörde unzuständig.

2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 65 VStG.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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