TE UVS Wien 1997/06/18 03/P/15/2275/97

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Veröffentlicht am 18.06.1997
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Hrdliczka über die Berufung der Frau Gertrud P vom 21.5.1997 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, vom 12.5.1997, Zahl S 41965-D/97, wegen Übertretung von 1) § 76b Abs 1 StVO und

2) § 76b Abs 3 StVO, entschieden: Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. Die Berufungswerberin hat gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von zu 1) und 2) jeweils S 160,-- (zusammen S 320,--), das sind jeweils 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen.

Text

Begründung:

Im angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin zur Last gelegt, sie habe am 4.3.1997 um 16.02 Uhr in Wien, R-gasse als Lenker des KFZ mit dem Kennzeichen W-AS 1) diese Wohnstraße vorschriftswidrig durchfahren, da sie nicht zum Zwecke des Zu- oder Abfahrens, sondern lediglich zum Durchfahren benützt worden sei, obwohl genügend freie Parkplätze vorhanden gewesen seien,

2) die in Wohnstraßen vorgeschriebene Fahrgeschwindigkeit (Schrittgeschwindigkeit) erheblich überschritten. Wegen Übertretung von zu 1) § 76b Abs 1 StVO und zu 2) § 76b Abs 3 StVO wurden gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO zwei Geldstrafen zu je S 800,-- (zwei Ersatzfreiheitsstrafen zu je 32 Stunden) verhängt und gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag von insgesamt S 160,-- (= 10 % der verhängten Geldstrafen) vorgeschrieben. In der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung wandte die Berufungswerberin ein, sie habe die Wohnstraße nicht vorschriftswidrig durchfahren. Da sie bei ihrem Arzt Dr G Rezepte habe holen wollen, sei sie von der S-gasse kommend in die R-gasse eingebogen, in der Absicht dort zu parken. Der Eingang zur Ordination bzw das Schild mit den Ordinationszeiten befinde sich in der R-gasse. Als sie sich in der R-gasse auf der Höhe des Eingangs befunden habe, sei sie zum rechten Fahrbahnrand zugefahren, habe dort angehalten und gesehen, daß Dr G an diesem Nachmittag (4.3.1997 = Dienstag) keine Ordination gehabt habe, folglich habe sie auch keinen Parkplatz benötigt. Sie habe die R-gasse also zum Zu- bzw Abfahren benutzt. Die vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit habe sie sicher nicht erheblich überschritten. Sie sei im allgemeinen eine langsame Autofahrerin und fahre in Wohnstraßen bewußt sehr langsam. Die örtlichen Gegebenheiten (Bodenwelle, leichte Kurven) ließen für sie nur eine sehr langsame Geschwindigkeit zu. Dem Straferkenntnis liegen die Anzeige des Meldungslegers BzI D vom 7.3.1997 und seine Stellungnahme vom 3.4.1997 zugrunde. Demnach sei am 4.3.1997 um 16.02 Uhr in Wien, R-gasse, der (bei der Anzeigeerstattung noch unbekannte) Lenker des Personenkraftwagens (VW Golf, grün) mit dem Kennzeichen W-AS vorschriftswidrig durch eine Wohnstraße gefahren. Diese sei nicht zum Zwecke des Zu- oder Abfahrens, sondern lediglich zum Durchfahren benutzt worden. Der Lenker habe die R-gasse von der S-gasse kommend bis zur B-straße durchfahren, obwohl vor und nach dem Standort des Meldungslegers freie Parkplätze vorhanden gewesen seien. Außerdem sei die in einer Wohnstraße vorgeschriebene Fahrgeschwindigkeit (Schrittgeschwindigkeit) nicht beachtet worden. Die Fahrgeschwindigkeit sei von ihm aufgrund seiner Straßendiensterfahrung während der Vorbeifahrt des Fahrzeuges auf mindestens 30 km/h geschätzt worden. Geschätzte Wegstrecke ca 80

m. Sein Standort habe sich in der R-gasse Nr 22 befunden. In seiner Stellungnahme verwies der Meldungsleger darauf, daß die Berufungswerberin im Einspruch selber angab, mit 30 km/h gefahren zu sein. Die Ordinationstafel befinde sich am Beginn der R-gasse und könne nur beim Überfahren der dort befindlichen Bodenschwelle abgelesen werden.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Zu Punkt 1): Gemäß § 76b Abs 1 StVO kann die Behörde, wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs erfordert, insbesondere des Fußgängerverkehrs, die Entflechtung des Verkehrs oder die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines Gebäudes oder Gebietes erfordert, durch Verordnung Straßenstellen oder Gebiete dauernd oder zeitweilig zu Wohnstraßen erklären. In einer solchen Wohnstraße ist der Fahrzeugverkehr verboten; ausgenommen davon sind der Fahrradverkehr, das Befahren mit Fahrzeugen des Straßendienstes und der Müllabfuhr sowie das Befahren zum Zwecke des Zu- und Abfahrens. Das kurzfristige Halten des Fahrzeuges am rechten Fahrbahnrand diente der Berufungswerberin dazu, sich erst über die Ordinationszeiten des Arztes zu informieren. Nachdem sie festgestellt hatte, daß der Arzt an diesem Nachmittag keine Ordination hatte und sie keinen Parkplatz benötigte, setzte sie ihre Fahrt sogleich fort. Von einem erlaubten Zu- bzw Abfahren kann bei diesem Sachverhalt keineswegs gesprochen werden, zumal die Berufungswerberin ohne vorherige (zB telefonische) Information über die Ordinationszeiten des Arztes das Risiko auf sich nahm, die Wohnstraße unverrichteter Dinge durchfahren zu müssen. Der Berufung war demnach zu Punkt 1) in der Schuldfrage keine Folge zu geben.

Zu Punkt 2): Nach § 76b Abs 3 StVO dürfen die Lenker von Fahrzeugen in Wohnstraßen Fußgänger und Radfahrer nicht behindern oder gefährden, haben von ortsgebundenen Gegenständen oder Einrichtungen einen der Verkehrssicherheit entsprechenden seitlichen Abstand einzuhalten und dürfen nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren. Beim Ausfahren aus einer Wohnstraße ist dem außerhalb der Wohnstraße fließenden Verkehr Vorrang zu geben.

In ihrem Einspruch vom 25.3.1997 gab die Berufungswerberin ihre Fahrgeschwindigkeit mit ca 30 km/h an. Der Meldungsleger schätzte die Geschwindigkeit des an ihm vorbeifahrenden Fahrzeuges auf mindestens 30 km/h. Somit kann davon ausgegangen werden, daß die Berufungswerberin beim Befahren der Wohnstraße im Tatortbereich eine Geschwindigkeit von ca 30 km/h eingehalten hat. Als Schrittgeschwindigkeit wird wohl eine Geschwindigkeit um die 5 km/h anzusehen sein, also jene Geschwindigkeit die ein erwachsener Mensch beim normalen Schreiten durchschnittlich erreicht. Eine Geschwindigkeit von 30 km/h, die von einem Kraftfahrzeuglenker zwar als gering empfunden wird, ist im Vergleich dazu jedoch bei weitem überhöht. Ein derartiger Geschwindigkeitsunterschied muß einem Kraftfahrer zu Bewußtsein kommen. Demnach war auch zu Punkt

2) der Berufung in der Schuldfrage keine Folge zu geben.

Zur Strafbemessung wird ausgeführt: Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen besonders zu berücksichtigen. Die Taten gefährdeten in nicht unerheblichem Maße das durch die Strafdrohungen geschützte Interesse an der Hintanhaltung unnötiger Belästigungen der Wohnbevölkerung in Wohnstraßen durch Kraftfahrzeugverkehr, weshalb der objektive Unrechtsgehalt der Taten, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, nicht gerade gering war. Auch das Verschulden der Berufungswerberin konnte nicht als geringfügig angesehen werden, war ihr doch ein rechtmäßiges Alternativverhalten durchaus zumutbar. Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und den pro Delikt bis S 10.000,-- reichenden Strafsatz sind die verhängten Geldstrafen auch im Hinblick auf die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit der Berufungswerberin und sogar für den Fall, daß die Berufungswerberin in ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen leben sollte und ihr gesetzliche Sorgepflichten oblägen, wofür sich allerdings kein Anhaltspunkt ergeben hat, durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, liegen sie doch ohnehin im untersten Strafbereich; die Ersatzfreiheitsstrafen sind nicht unverhältnismäßig. Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs 1 und 2 VStG.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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