Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Findeis über
I. die Beschwerde gemäß § 67a Abs 1 Z 2 AVG des Herrn Gert L vom 12.10.1996,
II. dessen Antrag vom 25.12.1996 auf Entscheidung gemäß § 89 Abs 4 SPG wegen behaupteter Richtlinienverletzung und III. dessen Antrag vom 13.11.1996 (richtig wohl: 13.1.1997) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, entschieden:
I. Die Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wird gemäß § 67c Abs 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
II. Der Antrag vom 25.12.1996 wird gemäß § 89 Abs 4 SPG iVm § 67c Abs 4 AVG als verspätet zurückgewiesen.
III. Der Antrag vom 13.11.1996 (richtig: 13.1.1997) wird gemäß § 71 Abs 1 iVm Abs 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
Begründung:
Ad I.
Am 12.10.1996 richtete der Beschwerdeführer einen auf § 29f SPG gestützten Schriftsatz, den er mit "Einleitung eines Verfahrens auf Grund des nachstehenden Sachverhaltes" bezeichnete, an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien. Der Schriftsatz enthält eine umfangreiche Sachverhaltsdarstellung betreffend die "Handlungsweisen" mehrerer Sicherheitswachebeamter der Bundespolizeidirektion Wien in der Nacht vom 8.10.1996 zum 9.10.1996. In der unter A.) 1.) bis 30.), B.) 1.) bis 15.), C.) und D.) 1.) bis 12.) gegliederte Sachverhaltsmitteilung schildert der Beschwerdeführer "Handlungsweisen" ad A.) der Beamten des Fahrzeuges BP 14 (Lenker- und Fahrzeugkontrolle, Alkomatuntersuchung), ad B.) der Beamten Nr 25 und 37 (im Wachzimmer P), ad C.) der Beamten der BPD in Wien, A-straße und ad D.) die "fortgesetzten Handlungsweisen" der Beamten Nr 24 und 37. Da sich aus diesem Anbringen einerseits ergab, daß es sich nicht auf die Ausübung von Befugnissen im Rahmen der Sicherheitsverwaltung bezog, andererseits aber offen ließ, ob der Beschwerdeführer damit beabsichtige Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu erheben bzw nicht erkennbar war, ob damit (auch) eine Richtlinienbeschwerde eingebracht wurde, forderte der Verwaltungssenat den Beschwerdeführer gemäß § 67 c Abs 3 AVG auf,
das Vorbringen entsprechend § 67c Abs 2 Z 1 (= Bezeichnung des
angefochtenen Verwaltungsaktes), Z 4 (= Gründe auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt) und Z 5 AVG (= das Begehren, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären) binnen zwei Wochen zu ergänzen, widrigenfalls die Beschwerde gemäß § 67a Abs 1 Z 2 AVG als zurückgezogen gelte. Daraufhin teilte der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom 30.10.1996 mit, daß es seine Absicht gewesen sei eine Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt einzubringen. Weiters führte er aus, daß er schon ein gleichlautendes Schreiben an den Polizeipräsidenten gerichtet hätte. - Aus diesem Grund bedurfte es keiner Zuleitung des Schriftsatzes gemäß § 89 Abs 1 SPG an die Dienstaufsichtsbehörde durch den Verwaltungssenat.
Zum Mängelbehebungsauftrag führte der Beschwerdeführer im
einzelnen aus:
"Zu Z 1
Die beschuldigten Beamten haben eine Anzeige zur Zahl S 203.340/l/96 apa beim Bezirkspolizeikommissariat L eingebracht und ist dies laut meiner leihenhaften Meinung der diesbezügliche Verwaltungsakt.
Zu Z 4
Wie sich aus meiner Darstellung und aus der Anzeige vom 14.10.1996 zur Zahl S 203.340/L/96 apa ergibt, sind hier gravierende Dievergenzen vorhand.
Aus dem Vergleich der beiden Darstellungen ist dies zu entnehmen. Besonders muß aber hervorgerufen werden, daß der Meldungsleger mit der Dienstnummer 25 zur Zahl S 203.340/L/96 apa sogar so weit geht, daß er mit seiner Unterschrift behauptet den Alkotest am P selbst durchgeführt zu haben.
durchgeführt hatte, sondern der Beamte mit der DNr 37 dies durchgeführt hatte, so ist ein Zusammenspiel zwischen diesen beiden Beamten gegeben, das sogar soweit geht, daß mit falschen Unterschriften eine Behörde, die über strafrechtlich relevante Umstände zu entscheiden hat, bewußt getäuscht werden soll. Mit dieser Vorgangsweise wird aber nichts anderes bewiesen, als daß das gesamte Verhalten der Beamten nicht im Sinne des ausschließlich rechtmäßigen Verhalten, wozu Beamte gesetzlich verpflichtet sind, vorhanden ist.
Da aber die Leistungsaufgabe des Staates gegen den Bürger und die dadurch implizierte "Bürgernähe" höher zu bewerten ist, als die Ordnungsfunktion (vgl dazu Gerlich, Politik und Verwaltung) so ist das gesamte Verhalten dieser Beamten unverständlich. Versteht man den Staat nämlich als "Leistungsträger" und - ohne jede etische Überhöhung - rein "privatwirtschaftlich" so verliert auch die Idee von der Notwendigkeit einer Sonderstellung der verwaltenden Beamten an Prestige. (Adamowich, Krise des Staates-Krise des Beamtentuims, FWS-Melichar, 1983, 244)
Mit diesem Verhalten wurde eindeutig gegen die Bürgernähe durch diese Beamten verstoßen und man geht sogar soweit einen einen unbescholtenen Staatsbürger wegen Verwaltungsstraftaten anzuzeigen, nur weil dieser Bürger die Hilfe des Leistungsträgers gesucht hatte.
Man geht weiters sogar so weit Protokolle zu unterfertigen und damit zu bescheinigen, daß man diese Amtshandlung durchgeführt hatte, obwohl dies nicht der Fall war.
Dieses Verhalten ist aber vom UVS eindeutig zu entscheiden. Die restlichen Rechtswiedrigkeiten können aber nur im weiteren Verfahren unter Anleitung des UVS gegenüber einer unvertretenen Person behauptet werden.
Zu Z 5
Es ist also der Akt zur Zahl S 203.340/L/96 apa für rechtswidrig
zu erklären.
Weiters ist auch der Akt betreffend des Alkotestes, der Beamten mit dem Fahrzeug BP 14 die der Dienststelle P, der auch laut Anzeige dieser Dienststelle zugeteilt ist, für rechtswidrig zu erklären. Eine Aktenzahl dieses Aktes ist mir aber nicht bekannt und kann daher erst im fortgesetzten Verfahren im Zuge der Erhebungen durch den UVS ausfindig gemacht werden."
Dazu wurde erwogen:
Gemäß § 67a Abs 1 Z 2 iVm § 67c AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl 13.12.1988, Slg Nr 11935) ist Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde gegen eine behauptete "faktische Amtshandlung", daß sie gegen die Anwendung von Gewalt oder gegen eine normative Anordnung (bei deren Nichtbefolgung mit einer unmittelbaren Sanktion gerechnet werden mußte) gerichtet ist; es wird daher insoweit die "Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch" gefordert. Auch nach der Rechtsprechung (vgl VwGH 6.12.1993, Zl 92/17/0284) ist physischer Zwang oder unmittelbare Befehlsgewalt Voraussetzung für die Wertung einer Amtshandlung als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (siehe zum Ganzen auch VwGH 20.12.1996, Zl 96/02/0284).
Da der Beschwerdeführer weder behauptet, daß gegen ihn unmittelbarer physischer Zwang ausgeübt wurde noch eine Situation gegeben war, in der der Beschwerdeführer eine solche unmittelbare Sanktion - wozu die bloße Androhung einer Strafanzeige nicht gehört - zu gewärtigen hatte, war im konkreten Fall das Tätigwerden der Sicherheitswachebeamten nicht als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen.
Es war daher die Maßnahmenbeschwerde als unzulässig
zurückzuweisen.
Ad II und III
Mit Schreiben vom 10.10.1996 richtete der Beschwerdeführer an den Polizeipräsidenten der Bundespolizeidirektion Wien eine Dienstaufsichtsbeschwerde, die er als "Einleitung von Disziplinarverfahren gegen Beamten in Vollziehung der Gesetze" bezeichnete. Den Sachverhalt schilderte er wie in den Punkten A.)
1.) bis 30.), B.) 1.) bis 15.), C.) und D.) 1.) bis 12.) der Beschwerde vom 12.10.1996.
Die Bundespolizeidirektion Wien erachtete das Anbringen als eine Beschwerde wegen Richtlinienverletzung und stellte nach zahlreichen Erhebungen in ihrer Sachverhaltsmitteilung vom 3.12.1996, dem Beschwerdeführer am 11.12.1996 zugestellt, gemäß § 89 Abs 2 SPG fest, daß sie hinsichtlich der behaupteten Nichtbekanntgabe der Dienstnummern in allen Fällen keine Verletzung des § 9 Abs 1, 2 der in Ausführung des § 31 SPG erlassenen RLV erkenne.
Abschließend wies die Dienstaufsichtsbehörde in diesem Schreiben darauf hin, daß dem Beschwerdeführer gegen diese Sachverhaltsmitteilung das Recht zustehe, binnen 14 Tagen ab Zustellung, die Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien, Dresdner Straße 75, 1200 Wien zu verlangen.
Mit dem an die am 25.12.1996 zur Post gegebenen, an die Bundespolizeidirektion Wien, Generalinspektorat der Sicherheitswache gerichteten und dort am 30.12.1996 eingelangten Schriftsatz vom 25.12.1996 begehrte der Beschwerdeführer die Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien. Laut Aktenvermerk vom 8.1.1996 (richtig: 1997) teilte Hauptmann W dem Beschwerdeführer an diesem Tag telefonisch mit, daß der Antrag auf Entscheidung des Verwaltungssenates zwar fristgerecht, aber bei der unzutreffenden Behörde eingebracht worden sei. Auf Ersuchen des Beschwerdeführers wurde der Antrag mit Schreiben vom 9.1.1996 (richtig: 1997) an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien weitergeleitet.
Mit Schriftsatz vom 13.11.1996 (richtig wohl: 13.1.1997), zur Post gegeben am 14.1.1997, beantragte der Beschwerdeführer beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, "nämlich der Absendung des Begehrens auf Abtretung des Aktes GI-1-2100/36 bzw P 784/f/96 an den UVS, insbesonders weil das UVS Mitglied Dr Findeis über die Bekanntgabe dieses Sachverhaltes und an der Aufklärung dieses befürwortete."
Begründend führte der Beschwerdeführer aus, daß er zum ersten Mal mit dem SPG zutun gehabt habe, weshalb ihm die Bundespolizeidirektion Wien Generalinspektorat der Sicherheitswache auf den Umstand hinweisen hätte müssen, daß sie keine Behörde sei. Das Nichthinweisen, daß hier § 63 AVG nicht gelte, stelle sich als arglistige Irreführung dar.
Ad II
§ 89 Abs 4 erster Satz SPG normiert, daß jeder dem gemäß Abs 2 mitgeteilt wurde, daß die Verletzung einer Richtlinie nicht festgestellt worden sei, das Recht hat, binnen 14 Tagen die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates zu verlangen, in dessen Sprengel das Organ eingeschritten ist; dasselbe gilt, wenn eine solche Mitteilung (Abs 2) nicht binnen drei Monaten nach Einbringung der Aufsichtsbeschwerde ergeht.
§ 89 SPG sieht damit ein zweistufiges Kontrollverfahren hinsichtlich der Beachtung von Richtlinien gemäß § 31 SPG durch die Exekutivorgane vor. Primär sollen die Dienstaufsichtsbehörden behaupteten Richtlinienverletzungen nachgehen (Abs 2); erst wenn der Betroffene bei der Dienstaufsichtsbehörde nicht durchdringt, ist ihm der Weg zum Verwaltungssenat eröffnet (Abs 4). Letztgenannter entscheidet allerdings nicht als die der Dienstaufsichtsbehörde nachgeordnete Rechtsmittelbehörde, vielmehr hat der Gesetzgeber gleichsam eine "sukzessive Zuständigkeit" konstruiert (vgl Hauer-Keplinger Handbuch zum Sicherheitspolizeigesetz S 423).
Bei der Mitteilung gemäß Abs 2 leg cit handelt es sich auch nicht um einen Bescheid (vgl VfSlg 4113/1961), sondern um eine schlicht-hoheitliche Wissenerklärung (arg: "mitteilt" und "äußert"; Grabenwerter/Wiederin; Polizeirecht III, 148; vgl auch A Hauer, Fragen 184f).
Da das Verfahren der Dienstaufsichtsbehörde kein "behördliches" Verfahren zur Erlassung eines Bescheides ist, ist das AVG auf dieses Verfahren nicht anwendbar (Art II Abs 2 lit a EGVG, so auch Grabenwarter/Wiederin, Polizeirecht III, 148; vgl auch Thienel, Verfahren 393 ff).
Ein Antrag nach § 89 Abs 4 SPG stellt auch keine Berufung dar, sodaß der Antrag nur beim unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen ist (vgl Hauer-Keplinger Sicherheitspolizeigesetz Seite 426).
Die Weiterleitung von bei einer unzuständigen Behörde eingelangten Anbringen erfolgt auf Gefahr des Einschreiters (vgl § 6 AVG). Die Sachverhaltsmitteilung wurde dem Beschwerdeführer am 11.12.1996 zugestellt. Die zweiwöchige Frist zur Einbringung des Antrages nach § 89 Abs 4 SPG endete infolge der Feiertage am 25.12. und 26.12.1996 am 27.12.1996. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates wurde zwar fristgerecht (am 25.12.1996) zur Post gegeben, aber an die unzuständigen Behörde (Dienstaufsichtsbehörde) adressiert. Die Tage des Postenlaufes werden nur dann nicht gerechnet, wenn die Post an die zuständige Stelle in Lauf gesetzt wurde. Das Schriftstück langte laut Einlaufstempel am 30.12.1996 bei der Bundespolizeidirektion Wien ein. Die Weiterleitung an den Verwaltungssenat erfolgte am 9.1.1997.
Der Antrag vom 25.12.1996 auf Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien war daher - ohne darauf eingehen zu müssen, ob er den Anfordernissen des § 67c Abs 2 AVG entsprach - als verspätet zurückzuweisen.
Ad III
Gemäß § 71 Abs 1 Z 1 AVG, ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Verschuldens trifft. Der Beschwerdeführer argumentiert, er hätte mangels näherer Kenntnis des Sicherheitspolizeigesetzes und mangels ausdrücklichen Hinweises der Dienstaufsichtsbehörde, daß § 63 AVG keine Geltung besitze, den Antrag irrtümlich bei der Bundespolizeidirektion Wien eingebracht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl 17.2.1993, Zl 92/01/1053) können Unkenntnis des Gesetzes, mangelnde Rechtskenntnis oder ein Rechtsirrtum nicht als der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigende unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignisse gewertet werden (vgl hiezu der bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, Wien 1987, S 749f zitierte Judikatur).
Insbesonders können - wie auch im vorliegenden Fall - die Rechtsfolgen der Einbringung eines Antrage bei einer hierfür unzuständigen Behörde durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht beseitigt werden (vgl hiezu die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetz I, Wien 1987, S 752 zitierte Judikatur).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.