TE UVS Steiermark 1997/07/01 30.12-26/97

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Veröffentlicht am 01.07.1997
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Hütter über die Berufung des Herrn Josef P, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Wolfgang R, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 19.02.1997, GZ.: 15.1 1996/5226, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) in Verbindung mit § 71 Abs 1 AVG wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Text

Mit dem angefochtenen Bescheid hatte die belangte Behörde den Antrag des Berufungswerbers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist betreffend das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 10.10.1996, GZ.: 15.1 1996/522 "5", abgewiesen.

In seiner dagegen erhobenen Berufung führte der Berufungswerber folgendes aus: Er habe mit der Einbringung der Berufung (gemeint gegen das Straferkenntnis) einen Rechtsanwalt beauftragt und daher annehmen können, daß dieser die für die Ermittlung der Rechtsmittelfrist erforderlichen Erhebungen durchführen würde. Ihn selbst treffe daher kein wie immer geartetes Verschulden an der Versäumung der Berufungsfrist. Den Rechtsvertreter des Beschuldigten treffe aber an der Versäumung der Berufungsfrist höchstens ein minderer Grad des Versehens im Sinne des § 71 Abs 1 AVG. Im Zeitpunkt seiner Erhebungen sei ihm eine Fotokopie der Strafverhandlungsschrift vorgelegen, in der der Vermerk, daß dem Beschuldigten das Straferkenntnis unmittelbar ausgefolgt wurde, zu Unrecht nicht aufgenommen worden sei. Auch wenn er anhand des Aktes hätte feststellen können, daß die Übergabe gleichzeitig (gemeint offenbar unmittelbar nach der Verkündung) erfolgt sei, so habe der Rechtsvertreter des Beschuldigten nicht damit rechnen müssen, daß das Protokoll von der belangten Behörde unrichtig ausgefüllt worden sei. Wenn daher (!) der Rechtsvertreter davon ausgegangen sei, daß das Straferkenntnis frühestens an dem der Verhandlung folgenden Tag zugestellt worden sein konnte, liege dieser Überlegung und damit der Versäumung der Berufungsfrist höchstens ein minderer Grad des Versehens zugrunde. Es werde daher beantragt, den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 19.02.1997 dahin abzuändern, daß dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 10.10.1996 Folge gegeben wird.

In seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hatte der

Berufungswerber - insoweit abweichend vom nunmehrigen Berufungsvorbringen - noch folgendes vorgebracht: Auf Seite 4 unten und Seite 5 oben der Strafverhandlungsschrift sei angekreuzt, daß der Beschuldigte zum mündlich verkündeten Straferkenntnis keine Erklärung abgegeben habe. Die Rubrik "eine schriftliche Ausfertigung verlangt und gleichzeitig die Übernahme derselben bestätigt" sei in der Strafverhandlungsschrift nicht angekreuzt gewesen. Daher (!) sei der gefertigte Anwalt bei Berechnung der Berufungsfrist davon ausgegangen, daß das Straferkenntnis dem Beschuldigten nicht gleichzeitig oder kurz nach der Verkündung übergeben, sondern im Postweg zugestellt worden sei, sodaß als Zustelltag der 11.10.1996 angenommen worden sei. Dieser Annahme sei er auch deshalb gewesen, weil "der übermittelten Fotokopie der Strafverhandlungsschrift ein Rückschein nicht in Fotokopie beigeschlossen war".

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark gelangt nach Überprüfung der Berufungssache anhand der Aktenlage zu folgender Beurteilung:

§ 71 Abs 1 AVG:

Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1.) die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft oder

2.) die Partei die Berufungsfrist versäumt hat, weil der Bescheid fälschlich die Angabe enthält, daß keine Berufung zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen 2 Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, zugestellt werden.

Das Hindernis - die irrige Annahme des Vertreters des Berufungswerbers über den Beginn der Berufungsfrist betreffend das Straferkenntnis vom 10.10.1996 - entfiel mit dem Zeitpunkt, als dem Vertreter dieser Irrtum bewußt wurde, das ist das Datum der Zustellung des Schreibens des Unabhängigen Verwaltungssenates mit der Aufforderung um Stellungnahme zur Versäumung der Berufungsfrist (27.11.1996), sodaß der am 11.12.1996 zur Post gegebene Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig gestellt wurde. Da der Beschuldigte durch Versäumung der Berufungsfrist einen Rechtsnachteil erlitt, war der Antrag auf Wiedereinsetzung zulässig. Desgleichen wurde die Berufung gegen den Abweisungsbescheid rechtzeitig eingebracht und im Sinne des § 63 Abs 3 AVG entsprechend begründet. Daher ist auch die Berufung zulässig. Neben § 71 AVG sind weiters folgende gesetzliche Bestimmungen relevant:

§ 46 Abs 1 VStG:

Den Parteien, denen gegen den Bescheid Berufung zusteht, ist von Amts wegen eine Ausfertigung des Bescheides mitzuteilen, wenn ihnen der Bescheid nicht mündlich verkündet worden ist. Sonst ist eine schriftliche Ausfertigung nur auf Verlangen einer Partei zuzustellen.

§ 62 Abs 3 AVG:

Eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides ist den bei der Verkündung nicht anwesenden und jenen Parteien zuzustellen, die spätestens 3 Tage nach der Verkündung eine Ausfertigung verlangen; über dieses Recht ist die Partei bei Verkündung des mündlichen Bescheides zu belehren.

§ 4 Zustellgesetz:

Abgabestelle im Sinn dieses Bundesgesetzes ist der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anläßlich einer Amtshandlung auch deren Ort.

Da das Straferkenntnis vom 10.10.1996 keine falsche Rechtsmittelbelehrung enthält, scheidet der Fall der Ziffer 2 des Abs 1 des § 71 AVG von vornherein aus.

Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes versteht unter einem für die Versäumung der Prozeßhandlung kausalen Ereignis nicht nur tatsächliches, in der Außenwelt stattfindendes Geschehen, sondern prinzipiell jedes, auch inneres, psychisches Geschehen (z.B. Vergessen, Irrtum) (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze 12, FN 3 zu § 71 AVG).

Wie bereits ausgeführt, liegt nach dem Vorbringen das Hindernis, das zur Versäumung der Berufungsfrist geführt hat, darin, daß der Vertreter des Berufungswerbers angenommen hat, die Frist für die Berufung gegen das Straferkenntnis vom 10.10.1996 habe nicht an diesem Tag, sondern erst am 11.10.1996 zu laufen begonnen. Die Strafverhandlungsschrift vom 10.10.1996 zu GZ.: 15.1 1996/5226 enthält auf Seite 4 unten folgende Ausführungen: "Nach Verkündigung des Straferkenntnisses wird vom Beschuldigten

0) eine schriftliche Ausfertigung verlangt und gleichzeitig die Übernahme derselben bestätigt

0) ausdrücklich auf eine Berufung verzichtet

0) keine Erklärung abgegeben

0) gegen den verkündeten Bescheid Berufung erhoben und

beantragt, (Leerfeld)"

Anders als in dem die Strafverhandlungsschrift GZ.: 15.1 1996/5225 betreffenden Fall, in dem das Feld für "keine Erklärung abgegeben" angekreuzt wurde, liegt in diesem Fall laut Verhandlungsschrift kein Ergebnis darüber vor, wie sich der Beschuldigte im Sinne der vier Wahlmöglichkeiten verhalten hat, was der Vertreter des Beschuldigten aber in seinem Wiedereinsetzungsantrag übersieht, wenn er dort vorbringt, der Beschuldigte habe laut Strafverhandlungsschrift keine Erklärung abgegeben. Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß der Vertreter des Beschuldigten die nur in jenem anderen Fall zutreffende Ansicht auch in diesem Fall vertreten hat und bei Stellung des Wiedereinsetzungsantrages der Meinung war, der Beschuldigte habe nach Verkündung des Straferkenntnisses keine Erklärung abgegeben.

Unabhängig von dieser subjektiv unrichtigen Annahme kann aber selbst bei Offenbleiben der vier Wahlmöglichkeiten auf Seite 4 unten der Verhandlungsschrift die Annahme des Vertreters des Beschuldigten, aus dem unterbliebenen Ankreuzen des Feldes "eine schriftliche Ausfertigung verlangt und gleichzeitig die Übernahme derselben bestätigt" gehe hervor, daß das Straferkenntnis im Postweg zugestellt worden sei und die Zustellung am 11.10.1996 erfolgt sei, nicht nachvollzogen werden. Denn der Vertreter des Beschuldigten übersieht dabei, daß das entsprechende Feld auch die Wendung gleichzeitig die Übernahme derselben bestätigt daher hinsichtlich des Beginnes der Berufungsfrist keinen Unterschied, ob der Beschuldigte eine Ausfertigung des Straferkenntnisses verlangte oder nicht, denn auch im ersteren Fall wäre ihm die Ausfertigung nach dem Wortlaut der dafür vorgesehenen Rubrik gleich zu übergeben und damit der Zustellvorgang vollzogen gewesen. Für die Annahme, es sei vom Beschuldigten die Zustellung einer Ausfertigung des Straferkenntnisses im Postweg verlangt worden, gibt der Vordruck der Strafverhandlungsschrift keinen Raum. Der Vordruck sagt auch nichts darüber aus, daß dem Beschuldigten die Möglichkeit offenstand, im Sinne des § 62 Abs 3 AVG binnen 3 Tagen nach Verkündung des Straferkenntnisses eine Zustellung zu verlangen, sodaß sich auch damit der Vertreter des Berufungswerbers nicht auf die Strafverhandlungsschrift stützen kann.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19.01.1977, Slg Nr. 9226/A) trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber (oder sein Vertreter) darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche oder ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen, als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist in einem bestimmten Fall ist in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Anwalt selbst verantwortlich. Der Rechtsanwalt selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender entweder selbst auszuführen oder im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen (vgl. VwGH vom 26.04.1976, Slg Nr. 9040/A). Eine korrekte Fristenvormerkung besteht nicht nur im rein technischen Vorgang der Eintragung der Frist, sondern auch in der Berechnung dieser Frist (VwGH 28.07.1995, Zl. 95/02/0168). Wenn nun der Vertreter des Berufungswerbers aus dem unterbliebenen Ankreuzen der Rubrik "..... und gleichzeitig die Übernahme derselben bestätigt" den Schluß zieht, die Ausfertigung des Straferkenntnisses sei seinem Mandanten nicht gleichzeitig übergeben worden, hätte er mit derselben Berechtigung aus dem Nichtankreuzen des ersten Teiles dieser Rubrik "eine schriftliche Ausfertigung verlangt" den Schluß ziehen müssen, daß keine schriftliche Ausfertigung verlangt wurde. Beide Annahme sind aber nicht haltbar, da der erste und der zweite Teil dieser Rubrik nur zusammen gelesen werden können und sowohl aus dem Ankreuzen als auch aus dessen Unterbleiben für den Beginn des Laufes der Berufungsfrist dieselbe Schlußfolgerung zu ziehen ist. Weiters hätte bei einem ordnungsgemäßen Fristberechnungsvorgang vom Vertreter des BW auch erwartet werden können, daß er diesen selbst befragt. Bei dieser Befragung wäre sofort geklärt worden, daß eine Ausfertigung des Straferkenntnisses dem Beschuldigten am 10.10.1996 übergeben wurde.

Aus diesem Grund liegt ein Verschulden vor, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht.

Die belangte Behörde hat den Antrag auf Wiedereinsetzung somit zu Recht abgewiesen. Die Berufung gegen diesen Bescheid war abzuweisen.

Schlagworte
Wiedereinsetzungsantrag Wiedereinsetzungsgrund mündliche Verkündung Fristberechnung Rechtsirrtum Strafverhandlungsschrift
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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