Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Mag Zotter über die Berufung des Herrn Dr Michael G vom 16.1.1997 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 3.1.1997, Zl MA 67-RV-159947/5/5, wegen Übertretung des § 24 Abs 1 lit a der Straßenverkehrsordnung, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22.7.1997, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
Der Berufungswerber hat daher gemäß § 64 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von S 260,--, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen.
Begründung:
Das angefochtene Straferkenntnis enthält folgenden Spruch:
"Sie haben am 28.09.1995 um 12.50 Uhr in Wien, E-gasse als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen W-78 folgende
Verwaltungsübertretung begangen:
Abstellen des Fahrzeuges im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" ("Ladezone"), ohne eine Ladetätigkeit vorzunehmen.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 24 Abs 1 lit a Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) Gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO wird gegen Sie eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.300,--, im Falle der Uneinbringlichkeit 31 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) zu zahlen:
S 130,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher S 1.430,--.
In der dagegen erhobenen Berufung wird vorgebracht, daß die Ladezonenverordnung in Wien, E-gasse gesetzwidrig geworden sei. Sie sei auf Ersuchen der Firma L und ausschließlich für diese errichtet worden. Die Firma sei seit Jahren in Konkurs, dennoch seien die Tafeln stehengeblieben. Die Verordnung sei infolge Wegfallens der Voraussetzungen gesetzwidrig geworden. Der Berufungswerber regt an, der Unabhängige Verwaltungssenat Wien wolle beim Verfassungsgerichtshof die Prüfung der Ladezonenverordnung beantragen und ersucht in Stattgebung der Berufung das Strafverfahren kostenpflichtig einzustellen. Im Berufungsverfahren wurde der bezughabende Verordnungsakt eingeholt und wie folgt erwogen:
In seinem Erkenntnis vom 20.1.1993, 92/02/0237, hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit dem vom Berufungswerber aufgezeigten Problem auseinandergesetzt und folgendes festgestellt:
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann eine straßenpolizeiliche Verordnung durch Änderung des Sachverhaltes gesetzwidrig werden, mag sie auch im Zeitpunkt ihrer Erlassung gesetzmäßig gewesen sein. Zwar muß die Anpassung einer Verordnung an den geänderten Sachverhalt nicht unverzüglich erfolgen. Vielmehr ist dem Verordnungsgeber hiefür eine gewisse Zeitspanne zuzubilligen. Die Verzögerung ist jedoch im allgemeinen nur so lange tolerabel, bis der Verordnungsgeber von der Änderung des Sachverhaltes Kenntnis erlangte oder erlangen mußte und es ihm sodann zumutbar ist, die Anpassung der Norm vorzunehmen. Dafür, daß sich der Verordnungsgeber von einer möglichen Änderung des Sachverhaltes innerhalb angemessener Zeiträume informiert, sorgt § 96 Abs 2 StVO. Danach hat die Behörde alle zwei Jahre unter Beiziehung des Straßenerhalters alle angebrachten Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs daraufhin zu überprüfen, ob sie noch erforderlich sind; nicht mehr erforderliche Einrichtungen dieser Art sind zu entfernen. Daraus ergibt sich einerseits die Verpflichtung der Behörde, alle zwei Jahre von Amts wegen (auch ohne daß besondere Hinweise vorliegen) zu überprüfen, ob die seinerzeit für die Erlassung etwa eines Halteverbotes gegebenen Voraussetzungen weiterhin vorliegen; andererseits aber, daß eine derartige Verordnung zwei Jahre hindurch (ab ihrer Erlassung oder ihrer letzten Überprüfung) vom Gesetz regelmäßig auch dann gedeckt ist, wenn die zum Zeitpunkt ihrer Erlassung gegebenen Voraussetzungen in der Folge wegfallen; es sei denn, daß der Behörde früher auf Grund besonderer Umstände bekannt war oder bekannt sein mußte, der der Verordnung zugrunde liegende Sachverhalt habe sich geändert. Die Verletzung der durch § 96 Abs 2 StVO ausgesprochenen Verpflichtung der Behörde begründet für sich allein aber noch keine Gesetzwidrigkeit jener Verordnungen zur Regelung oder Sicherung des Verkehrs, bei denen die Kontrolle nach § 96 Abs 2 StVO unterblieben ist (vgl die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 1990, V 34/89 und VfSlg 9588/1982).
Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar ausgesprochen, es gebe keine Bestimmung, welche die Behörde verpflichte, sich mit der Frage der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung auseinanderzusetzen, darüber Beweise abzuführen und in diesem Zusammenhang ihre Erwägungen in die Bescheidbegründung aufzunehmen. Eine dem Art 89 Abs 2 B-VG, wonach ein Gericht, wenn es gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken hat, den Antrag auf Aufhebung dieser Verordnung beim Verfassungsgerichtshof zu stellen hat, entsprechende Regelung in Bezug auf Verwaltungsbehörden sei der österreichischen Rechtsordnung fremd (vgl das Erkenntnis vom 17. Dezember 1982, Zl 82/02/0164, sowie auch das Erkenntnis vom 11. Mai 1990, Zl 89/18/0193).
Aus dieser Rechtsprechung ist für einen unabhängigen Verwaltungssenat aber in Hinblick auf die geltende Rechtslage nichts zu gewinnen.
Für diesen gilt gemäß Art 129a Abs 3 B-VG die Bestimmung des Art 89 B-VG sinngemäß. Eine Verfahrenspartei hat zwar kein subjektives Recht darauf, daß der unabhängige Verwaltungssenat von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch macht. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides könnte daher darin, daß der unabhängige Verwaltungssenat Bedenken der Partei gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung nicht teilt, nicht gelegen sein. Im beim VwGH zur genannten Zahl anhängigen Beschwerdefall ist der Beschwerdeführer in seinen Rechten aber dadurch verletzt worden, daß der Unabhängige Verwaltungssenat sein Vorbringen in Verkennung seines Anfechtungsrechtes überhaupt für unbeachtlich gehalten hat. Damit wurde die rechtliche Position des Beschwerdeführers insoweit nachteilig berührt, als die Möglichkeit einer - die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens nach sich ziehenden - Aufhebung der Verordnung durch den Verfassungsgerichtshof bereits anläßlich des Berufungsverfahrens von vornherein ausgeschlossen wurde. Auf Grundlage dieser Entscheidung hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien den bezughabenden Verordnungsakt, Zl MA 46-V-1-3151/95, angefordert, dem folgendes zu entnehmen ist:
Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 15.12.1994 wurde zu 3 S 306/95K das Konkursverfahren über die Julius L GmbH & Co KG, in deren Interesse die Einrichtung der verfahrensgegenständlichen Ladezone erfolgt ist, eröffnet. Am 8.9.1995 hat die Behörde aufgrund einer Beschädigung der Verkehrszeichen davon Kenntnis erlangt, daß gegen den Hauptbewilligungsträger (Firma Julius L) ein Konkursverfahren eingeleitet wurde. Daher hat die Behörde eine Überprüfung gemäß § 96 Abs 2 StVO eingeleitet. In deren Zuge wurde am 18.9.1995 für den 5.10.1995 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt. Im Rahmen der Verhandlung wurde nach Besichtigung der Örtlichkeit und eingehender Diskussion festgestellt, daß infolge Konkurses der Firma L die Ladezonen in Wien, E-gasse nicht mehr benötigt werden.
Die Verhandlung zeitigte daher das Ergebnis, daß die genannten Ladezonen aufgehoben und entfernt werden. Laut einem im Verordnungsakt einliegenden Aktenvermerk gemäß § 44 Abs 1 StVO wurden die Verkehrszeichen am 15.1.1996 entfernt.
Aufgrund dieser Feststellungen sieht sich der Unabhängige Verwaltungssenat Wien nicht veranlaßt, gemäß Artikel 89 Abs 2 B-VG den Antrag auf Aufhebung dieser Verordnung beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. Wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis ausgeführt hat, ist die Behörde nicht verpflichtet, die Anpassung einer Verordnung an den geänderten Sachverhalt unverzüglich herzustellen. Die Verzögerung ist im allgemeinen solange tolerabel, bis der Verordnungsgeber von der Änderung des Sachverhaltes Kenntnis erlangte oder erlangen mußte und es ihm sodann zumutbar ist, die Anpassung der Norm vorzunehmen. Diesen Vorgaben hat die Behörde im vorliegenden Fall entsprochen, da sie unmittelbar nach Kenntnisnahme und Überprüfung des geänderten Sachverhaltes die Verordnung aufgehoben hat. Da die Aufhebung erst nach dem verfahrensgegenständlichen Beanstandungszeitpunkt erfolgte, hat sie zum Zeitpunkt der Abstellung des Fahrzeuges Gültigkeit besessen und war der Berufungswerber zu ihrer Beachtung verpflichtet. Diese Beurteilung ändert sich auch nicht im Lichte des § 96 Abs 2 StVO. Aus dieser Bestimmung folgt, daß die darin angeführten Verordnungen zwei Jahre hindurch vom Gesetz regelmäßig auch dann gedeckt sind, wenn die zum Zeitpunkt ihrer Erlassung gegebenen Voraussetzungen vor Ablauf dieses Zeitraumes wegfallen. Da im vorliegenden Fall das Konkursverfahren über die Firma L erst ca neun Monate vor dem Beanstandungszeitpunkt eröffnet worden ist, bestehen auch in dieser Hinsicht keine Bedenken hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit der in Rede stehenden Verordnung. Anhaltspunkte dafür, daß die Voraussetzungen für die Einrichtung der Ladezone schon vor Konkurseröffnung weggefallen sind, haben sich nicht ergeben und wurden auch vom Berufungswerber nicht moniert.
Gemäß § 24 Abs 1 lit a StVO ist das Halten und Parken im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" nach Maßgabe der Bestimmung des § 52 Z 13b untersagt.
Indem der Berufungswerber sein Fahrzeug in einem Bereich abgestellt hat, in dem Halten und Parken verboten war, ausgenommen Ladetätigkeit, und er keine Ladetätigkeit durchgeführt hat, hat er gegen § 24 Abs 1 lit a StVO verstoßen.
Gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu S 10.000,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer unter anderem als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes verstößt.
Indem der Berufungswerber gegen § 24 Abs 1 lit a StVO verstoßen hat, hat er einen Sachverhalt verwirklicht, der dem Tatbild der angeführten Bestimmung entspricht.
Bei der verfahrensgegenständlichen Übertretung handelt es sich um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt, sodaß der Berufungswerber angehalten ist, glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, widrigenfalls die Behörde berechtigt ist, von fahrlässiger Begehung auszugehen (§ 5 Abs 1 zweiter Satz VStG).
Ungeachtet des Vorbringens zur vermeintlichen Gesetzwidrigkeit der in Rede stehenden Verordnung, hat der Berufungswerber kein weiteres Vorbringen zum Verschulden erstattet. Die Behörde war daher berechtigt, von fahrlässiger Begehung auszugehen. Die Erstbehörde hat bei dem bis zu S 10.000,-- reichenden Strafsatz eine Geldstrafe von S 1.300,-- verhängt. Diese Strafe ist nicht überhöht, da zehn zum Tatzeitpunkt rechtskräftige, einschlägige Verwaltungsvorstrafen erschwerend zu werten waren und keine Milderungsgründe hervorgekommen sind.
Schon aus diesem Grund ist die Strafe selbst bei Annahme ungünstiger Einkommensverhältnisse und unter Berücksichtigung der bloß fahrlässigen Begehung sowie des durchschnittlichen Unrechtsgehaltes jedenfalls angemessen, da der Strafrahmen ohnehin zu bloß 13 % ausgeschöpft wurde.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs 1 und 2 VStG.