Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Pipal über die Berufung der Frau RA Dr Vera K gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4 - Referat 5, vom 23.9.1996, Zl MA 4/5-PA-189770/5/7, mit welchem der Einspruch gegen die Strafverfügung zu o Zl wegen einer Übertretung des Parkometergesetzes gemäß § 49 Abs 1 VStG wegen Verspätung zurückgewiesen wurde, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Zurückweisungsbescheid bestätigt.
Begründung:
I. Der Berufung liegt folgendes Verfahren in der ersten Instanz zugrunde:
1. Der Magistrat der Stadt Wien richtete an die Berufungswerberin eine Strafverfügung vom 24.10.1995, Zl MA 4/5-PA-189770/5/7, mit dem Tatvorwurf, sie habe am 22.9.1995 um 9.50 Uhr das mehrspurige Kraftfahrzeug Peugeot 7 D mit dem behördlichen Kennzeichen W-14 in Wien, R-platz in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt, ohne für seine Kennzeichnung mit einem richtig entwerteten Parkschein zu sorgen, da sich im Fahrzeug der Parkschein Nr 215721CG befunden habe, auf welchem frühere Entwertungen bei Tag, Stunde und Minute entfernt worden seien; demnach habe sie die Parkometerabgabe hinterzogen; wegen Verletzung der Bestimmung des § 1 Abs 3 iVm § 4 Abs 1 Parkometergesetz wurde eine Geldstrafe von S 2.100,-- und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Stunden verhängt.
Diese Strafverfügung wurde der Berufungswerberin als RSa-Brief an der Adresse ihrer Kanzlei als Rechtsanwältin, Wien, S-ring, zugestellt und dort am 9.11.1995 von einer Angestellten der Kanzlei übernommen.
Mit Schreiben vom 14.11.1995 teilte ein Rechtsanwalt-Partner der Berufungswerberin der Erstbehörde mit, die Berufungswerberin befinde sich vom 7.11.1995 bis 4.12.1995 auf einer Auslandsreise, weshalb er um neuerliche Zustellung nach ihrer Rückkehr ersuche. Daraufhin wurde die Strafverfügung nochmals an derselben Adresse zugestellt und am 17.5.1996 wiederum von einer Angestellten der Kanzlei übernommen.
In dem am 30.5.1996 zur Post gegebenen Einspruch brachte die Berufungswerberin ua vor, sie sei zum Zeitpunkt der ersten Zustellung ortsabwesend gewesen, als Beweismittel wurde eine Rechnung über die Südamerikareise vom 9.11.1995 bis 4.12.1995 vorgelegt, weiters wurde der Ehegatte als Zeuge angeführt. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Erstbehörde den Einspruch als verspätet zurück.
2. In der rechtzeitigen Berufung wurde ua vorgebracht, eine "Postsperre" an dem Kanzleisitz sei bei einer Abwesenheit von nahezu einem Monat unmöglich, weil sonst keinerlei Zustellungen an die Kanzlei der Berufungswerberin als Rechtsanwältin möglich wären und damit der Kanzleibetrieb zum Erliegen käme. Eine wirksame Zustellung im Sinne des Zustellgesetzes sei nicht erfolgt, die Berufungswerberin habe wegen ihrer über die Einspruchsfrist hinaus dauernden Ortsabwesenheit keinerlei Möglichkeit gehabt, ein Rechtsmittel einzulegen. Die in der Kanzlei beschäftigten Kollegen haben weder die Ermächtigung noch die Möglichkeit gehabt, ohne Bevollmächtigung sozusagen "sicherheitshalber" einen Einspruch zu verfassen und dadurch Mehrkosten zu verursachen.
II. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:
Gemäß § 49 Abs 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.
Gemäß Abs 3 der angeführten Bestimmung ist die Strafverfügung zu vollstrecken, wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben wird.
Gemäß § 33 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG kann die gesetzliche Rechtsmittelfrist nicht verlängert werden.
§ 13 Abs 4 Zustellgesetz (ZustG) bestimmt: "Ist der Empfänger eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person, so ist die Sendung in deren Kanzlei zuzustellen und darf an jeden dort anwesenden Angestellten des Parteienvertreters zugestellt werden; durch Organe der Post darf an bestimmte Angestellte nicht oder nur an bestimmte Angestellte zugestellt werden, wenn der Parteienvertreter dies schriftlich bei der Post verlangt hat. Die Behörde hat Angestellte des Parteienvertreters wegen ihres Interesses an der Sache oder auf Grund einer zuvor der Behörde schriftlich abgegebenen Erklärung des Parteienvertreters durch einen Vermerk auf der Sendung und dem Rückschein von der Zustellung auszuschließen; an sie darf nicht zugestellt werden."
§ 13 Abs 4 ZustG findet auch dann Anwendung, wenn einem Rechtsanwalt ein an ihn persönlich (und nicht als Parteienvertreter) gerichtetes Schriftstück in seiner Kanzlei zugestellt wird, weshalb es dort auch (selbst bei eigenhändigen Zustellungen) an seinen Angestellten zugestellt werden darf (siehe
VwGH 21.2.1990, 89/02/0161 = ZfVB 1991/1/231 mit Zitierung VwGH
9.11.1988, 88/03/0137; 19.4.1989, 89/02/0018 = ZfVB 1990/1/272).
Die Zustellung an den Kanzleiangestellten ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unabhängig davon wirksam, ob sich der Parteienvertreter an der Abgabestelle aufhält oder ortsabwesend, etwa auf Urlaub, ist (vgl dazu Ritz, ÖJZ 1992, 145 und die dort zitierte Literatur und Rechtsprechung); diese Umstände können allerdings in einem Verfahren auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein.
Aus diesen Gründen war die Zustellung der Strafverfügung am 9.11.1995 wirksam, der Einspruch vom 30.5.1996 also verspätet, sodaß seine Zurückweisung zu Recht erfolgte.