TE UVS Wien 1997/08/29 02/13/43/97

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Veröffentlicht am 29.08.1997
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Betreff

Abweisung einer - an sich zulässigen - Beschwerde des Eigentümers eines Kfz gegen die Abnahme der Kennzeichentafeln wegen nicht vorschriftsmäßiger Bereifung.

Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr Helm über die auf § 67a Abs 1 Z 2 AVG gestützten Beschwerde des Herrn Kurt P, wegen Abnahme der Kennzeichen seines Kraftfahrzeuges am 24.2.1997 durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien, entschieden:

Die Beschwerde wird gemäß § 67c Abs 4 AVG als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde Kosten in der Höhe von S 6.865,-- (Sechstausendachthundertfünfundsechzig) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenbegehren des Beschwerdeführers wird gemäß § 79a AVG abgewiesen.

Text

1.1. In der mit Schriftsatz vom 7.4.1997 eingebrachten Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bringt der Beschwerdeführer folgenden Sachverhalt vor:

"Ich habe am 22.2.1997 von Frau Claudia S, S-straße, Wien, den Pkw Audi 100, Bj 1980, Fgst-Nr 43A gekauft. Das Fahrzeug war auf die Vorbesitzerin zugelassen, mit Spikereifen versehen und in Wien, K-gasse abgestellt.

Da ich mit Glatteis nicht mehr rechnete, kam ich am 23.2.1997 zum Fahrzeug und tauschte die hinteren am Fahrzeug befindlichen Reifen gegen gebrauchte Sommerreifen. Vor der Montage vergewisserte ich mich, daß sowohl die geforderte Mindestprofiltiefe gegeben war als auch Laufflächen und Seitenwände keine Verletzungen aufwiesen. Als ich am 24.2.1997 kam, um die Vorderreifen gegen Sommerreifen zu wechseln, waren die Kennzeichentafeln durch ein Organ der Bundespolizeidirektion Wien wegen angeblich mangelhafter Verkehrs- und Betriebssicherheit entfernt.

Im danach angelegten gegenständlichen Verwaltungsstrafakt berief sich der einschreitende Beamte auf Mischbereifung sowie angebliche Risse und Beulen an den Hinterrädern, ohne dies jedoch ausreichend zu konkretisieren.

Der Beamte mußte wissen, daß gemäß ECE-Regelungen jeder Reifen Name, Marke, DOT-Datumscode, Genehmigungszeichen und Prüfnummer aufweist. Durch Nichtangabe dieser wesentlichen und für eine Zuordnung des betreffenden Reifens notwendigen Daten hat er es verabsäumt, seine Angaben mit der im Verwaltungsstrafverfahren notwendigen Sicherheit unter Beweis zu Stellen. Vielmehr erhebt sich der Verdacht, er meinte, in einem eventuellen Beweisverfahren bei gegenteiligen Behauptungen unter Berufung auf persönliche dienstliche Wahrnehmung mir gegenüber als der Glaubwürdigere zu erscheinen.

Ich werde die beanstandeten Reifen bis zum Ende des Verfahrens für die Begutachtung durch einen Sachverständigen zur Verfügung halten.

Da in der Tat keine die Kennzeichenabnahme rechtfertigenden Reifenmängel vorlagen, beantrage ich, der UVS möge die durch ein Organ der Bundespolizeidirektion Wien am 24.2.1997 erfolgte Abnahme der Kennzeichentafeln W-26 für rechtswidrig erklären und mir Kostenersatz (Schriftsatzaufwand) zuerkennen. Sollte es notwendig sein, beantrage ich die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung unter Ladung des Meldungslegers und eines Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen. Die beanstandeten Reifen werde ich mitbringen."

1.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien ersuchte mit Schreiben vom 16.6.1997 die Bundespolizeidirektion Wien als belangte Behörde um Erstattung einer Gegenschrift, welche unter der AZ: B 1565/a/97, am 24.7.1997, gemeinsam mit der Anzeige und den Akten des parallel durchgeführten Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt wurde. In der Gegenschrift wird ausgeführt, daß sich die maßgebliche Bereifung des Kraftfahrzeuges mit dem polizeilichen Kennzeichen W-26 am Vorfallstag in einem derart desolaten Zustand befunden habe, daß eine über die erfolgte Bezeichnung der Reifen hinausgehende vollständige Nummern- oder Buchstabenangabe nicht möglich sei. In rechtlicher Hinsicht wird ausgeführt, daß ein gesetzlich gewährleistetes Recht auf Benützung öffentlicher Verkehrsflächen mit einem aufrecht zugelassenen Kraftfahrzeug nur dem Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges zukomme. Dem Beschwerdeführer fehle es daher an der Legitimation. Auch durch sein Eigentum an dem Kraftfahrzeug werde eine solche Legitimation nicht begründet, da der vom Verfassungsgerichtshof in derartigen Fällen festgestellte Eigentumseingriff nur in dem Falle vorliegen könne, wenn der Eigentümer zugleich auch Zulassungsinhaber sei. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer nicht einmal im Besitz einer Lenkerberechtigung.

In der Sache verweist die belangte Behörde darauf, daß auch bei nicht vorschriftsgemäßem Zustand nur eines Reifens an einem Kraftfahrzeug bei dessen Weiterverwendung die Verkehrssicherheit gefährdet werden könne. Bei befürchteter Gefährdung der Verkehrssicherheit infolge einer Inbetriebnahme, werde für die Vorgangsweise des einschreitenden Organs kein Ermessensspielraum eingeräumt. Am gegenständlichen Kraftfahrzeug haben beide Hinterreifen nicht den Bestimmungen des § 7 Abs 1 KFG iVm § 4 Abs 4 KDV entsprochen, zumal beide Reifen in äußerst porösem (brüchigem) Zustand gewesen seien. Dies insoferne, als das Längs- und Quergewebe beschädigt gewesen sei und die Reifen einige Beulen aufgewiesen haben. Dem einschreitenden Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes sei es wegen des desolaten Zustandes der Reifen nicht möglich gewesen, die in der Beschwerde angeführten Identifikationsmerkmale abzulesen. Weiters seien auf den Vorderrädern - im Gegensatz zu den Hinterrädern - Spikereifen montiert gewesen.

1.3. Die Zulassungsinhaberin des gegenständlichen Kraftfahrzeuges, die eine ursprünglich gleichlautend eingebrachte Beschwerde mittlerweile zurückgezogen hat, übersandte dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien auf Anfrage, ob sie dem Beschwerdeführer das Lenken jenes Kraftfahrzeuges überlassen hat, kommentarlos eine Kopie des Kaufvertrages, in dem sie als Verkäuferin aufscheint.

2. Am 20.8.1997 fand die öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien statt. Geladen waren der Beschwerdeführer, die belangte Behörde, die durch Herrn Mag M vertreten war, sowie RevI Herbert T, der die Abnahme der Kennzeichentafeln durchgeführt hatte, als Zeuge. Der Beschwerdeführer gab bei seiner Vernehmung an, er habe die Reifen sowohl hinsichtlich der Profiltiefe als auch hinsichtlich der Seitenwände kontrolliert und weder Beulen oder Blasen noch eine mangelnde Profiltiefe festgestellt. Die Reifen seien aus seiner Sicht

in Ordnung gewesen, sie seien allerdings mehrere Jahre alt gewesen. Da das Fahrzeug schon über 100.000 km gefahren worden sei, glaube er nicht, daß es sich um den 1. Reifensatz dieses Fahrzeugs handle, möglicherweise habe es sich aber um den 2. Reifensatz gehandelt. Er habe das Fahrzeug mitsamt diesen Reifen von Frau S ein halbes Jahr vor dem Vorfall gekauft. Sie seien nicht auf einem anderen Fahrzeug verwendet und nicht auf einer anderen Felge montiert gewesen. Inzwischen seien sie mitsamt dem Fahrzeug von der Behörde entsorgt worden. Der Zeuge Insp Herbert T erinnerte sich, im Zuge des Außendienstes in der K-gasse ein Fahrzeug mit nicht zusammenpassenden Reifen gesehen zu haben, bei dem die Bereifung teilweise schadhaft gewesen sei. Es habe sich bei der gegenständlichen Maßnahme um einen Routinevorgang gehandelt; aus seiner Sicht sei die Verkehrs- und Betriebssicherheit nicht mehr gegeben gewesen. Von den beiden hinten montierten

Sommerreifen habe der eine tiefe Risse auf der Lauffläche aufgewiesen, der andere sei lediglich porös gewesen. Mit porös meine er, daß der Reifen altersbedingt feine Rißmuster nicht nur seitlich, auch auf der Lauffläche aufgewiesen habe. Auf Vorhalt konnte sich der Zeuge auch an seitlich sichtbare Beulen erinnern, die seiner Annahme nach auf die Beschädigung des Metallgewebes im Reifen zurückzuführen gewesen seien. Der Zeuge gab weiter an, seit mehr als vier Jahren Außendienst zu machen und vier bis sechs Mal pro Halbjahr Anzeige wegen schadhafter Bereifung zu erstatten. Dabei habe er im gegenständlichen Fall die 3. oder 4. Kennzeichenabnahme vorgenommen, seit er in Simmering sei (September 1996). Sein Aufgabenschwergewicht liege bei der Kontrolle des Kraftfahrgesetzes, was die Prüfung von Bereifungen einschließt. Ausschlaggebend für die Entscheidung des Zeugen, die Kennzeichentafeln abzunehmen, seien die Risse auf der Lauffläche des rechten Hinterreifens gewesen. Er habe aus einer Hockposition von weniger als einem Meter Entfernung auf diesen Reifen geschaut und in den Rillen des Profils Risse entdeckt, in denen er etwas glänzen sah. Es sei ihm daher klar gewesen, daß der Riß sehr tief gehen mußte. An das Vorhandensein dieser Risse erinnere er sich genau. Diese haben aus seiner Sicht die Verkehrssicherheit beeinträchtigt. Die Beulen habe er zwar der Vollständigkeit halber angeführt, habe sie aber nicht für erheblich gehalten.

Der Beschwerdeführer stellte folgende Anträge:

Auf Ladung eines Vertreters der Firma Mi zum Beweis dafür, daß die Ausführungen in der Gegenschrift, wonach die Beschriftung der Reifen nicht mehr lesbar sei, nicht der Wahrheit entsprechen könne.

Auf Ladung eines Vertreters der Firma Mi oder alternativ Ladung eines Sachverständigen zum Beweis dafür, daß die Schilderung des Zeugen T betreffend des Aussehens der Risse nicht den Tatsachen entsprechen könne.

Die Ladung von Herrn Franz Sch, Wien, K-gasse, als Zeugen zum Beweis dafür, daß dieser eine Diskussion über die Kennzeichenabnahme mit dem Meldungsleger geführt habe, deren Thema lediglich die Mischbereifung und eine kaputte Rückleuchte gewesen sei.

Dieser Antrag wird nach der Vernehmung des Zeugen T dahingehend erweitert, daß der Zeuge Franz Sch auch den Zustand der Reifen beschreiben könne, da er mit dem Zeugen T über diesen Zustand diskutiert habe. Auf den Widerspruch zwischen dem letztgenannten Antrag und seiner Erweiterung hingewiesen gab der Beschwerdeführer an, daß es sich bei Herrn Sch um einen gelernten Kraftfahrzeugmechaniker handle, der sicherlich in der Lage sei, auch andere Aussagen über den Zustand des Fahrzeuges zu machen.

Die Beweisanträge wurden abgewiesen. Der erstgenannte Antrag betreffend Beschriftung der Reifen ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kennzeichenabnahme irrelevant, der zweitgenannte Antrag erweist sich als untauglich zu beweisen, daß die gegenständlichen Reifen keine Schäden, insbesondere keine Risse aufgewiesen haben, die die Verkehrssicherheit beeinträchtigten. Er erweist sich aber auch als ungeeignet, die Glaubwürdigkeit des Zeugen T zu erschüttern, da dieser die Risse lediglich als "tief" beschrieben hatte und unten nach eigener Aussage etwas glänzen sah; da damit keine Aussage über ein glänzendes Material oder dessen Beschaffenheit verbunden ist, sondern lediglich ein Sinneseindruck geschildert wird, ist ein Sachverständigengutachten nicht geeignet, diesen Sinneseindruck als falsch zu erweisen.

Was den dritten Beweisantrag anlangt, wurde spätestens bei der Erweiterung dieses Beweisantrages deutlich, daß es sich lediglich um einen Erkundungsbeweis handelt. Dem Beschwerdeführer ist offensichtlich nicht bekannt, welche Themen die von ihm behauptete Diskussion zwischen Herrn Franz Sch und dem Zeugen

T zum Inhalt hatte, sondern er erhofft sich lediglich, aus der Aussage dieses gelernten Kraftfahrzeugmechanikers irgendetwas für seinen Standpunkt Verwertbares zu gewinnen. Darüber hinaus würde die erste Version dieses Beweisantrages, wonach nur über die Mischbereifung und das Rücklicht diskutiert worden sei, bei gegebenem Zustand der Sommerreifen nichts an der Rechtmäßigkeit einer Kennzeichenabnahme ändern. Die geänderte Version dieses Beweisantrages bestätigt dessen Erkundungscharakter.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat dazu erwogen:

3.1. Die Beschwerde ist zulässig. Die Abnahme der Kennzeichentafeln beeinträchtigt auch das Recht des Eigentümers, sein Eigentum bestimmungsgemäß zu verwenden, ungeachtet der Tatsache, daß er sich zur Ausübung dieses Rechts einer dritten Person bedient haben mag. Dies wird umso deutlicher, als das gegenständliche Kraftfahrzeug - nunmehr rechtmäßig - kurz darauf von der Behörde entfernt wurde.

Außerdem ist die Überlassung des Fahrzeuges durch die Zulassungsinhaberin und frühere Eigentümerin Claudia S offenbar Bestandteil des Kaufvertrages gewesen; diese hat vor Zurückziehung ihrer gleichlautenden Beschwerde auf diesbezügliche Anfrage den Kaufvertrag kommentarlos übersendet, woraus zweifellos zu entnehmen ist, daß sie die Überlassung des Fahrzeuges an den Beschwerdeführer bis zur Änderung der Zulassung als stillschweigend mitvereinbart betrachtete. Zwar war sie an diese Vereinbarung bis zum Übergang der Zulassung auf den Beschwerdeführer nur im Innenverhältnis gebunden und hätte die Überlassung jederzeit widerrufen können; da sie dies aber nicht tat, wirkte sie mit ihrem Einverständnis an der

Ausübung des Eigentumsrechts durch den Beschwerdeführer mit. Für diesen wirkte sich unter den gegebenen Umständen die Kennzeichenabnahme ebenso aus, wie wenn er selbst der Zulassungsinhaber gewesen wäre.

3.2. Die Beschwerde ist unbegründet.

3.2.1. Einem Straßenaufsichtsorgan kann zugemutet werden, festzustellen, ob die Bereifung den Anforderungen der Verkehrssicherheit entspricht oder dies nicht der Fall ist (VwGH 6.7.1965, 1671/64). Diese gilt insbesondere dann, wenn - wie im gegenständlichen Fall - das Aufsichtsorgan bereits über längere Erfahrung in diesem Bereich verfügt. Es kann daher kein Zweifel daran bestehen, daß der Zeuge RevI T zum Zeitpunkt des Vorfalles in der Lage war, tiefe Risse in der Lauffläche eines Reifens zweifelsfrei als solche zu erkennen und daraus zu folgern, daß dieser Reifenzustand die Verkehrssicherheit gefährde.

3.2.2. Auch an der Glaubwürdigkeit des Zeugen besteht kein Zweifel. Insbesondere ist nicht einzusehen, warum der Zeuge dem Beschwerdeführer etwa hätte Schaden zufügen wollen, da die beiden einander bei der mündlichen Verhandlung ersichtlich zum ersten Mal begegnet sind. Der Umstand, daß die geschilderten Risse in der Anzeige nicht erwähnt sind, sondern die Beschreibung des rechts hinten montierten Sommerreifens lediglich lautet:

"Gesamter Reifen im äußerst porösem Zustand. Längs- und Quergewebe beschädigt, da der Reifen einige Beulen aufweist", kann ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Zeugenaussage erwecken, zumal der Zeuge ausdrücklich angab, den Begriff "porös" bedeute für ihn die feine Rißstruktur alter Reifen. In diesem Sinne kann in der Anzeigebeschreibung eines äußerst porösen Zustandes ohne weiteres das Vorhandensein tiefer Risse gemeint gewesen sein.

3.2.3. Unter diesen Umständen, mögen sie auch nur einen einzigen Reifen betroffen haben, war das Straßenaufsichtsorgan gemäß § 58 Abs 1 iVm § 57 Abs 8 KFG geradezu verpflichtet, in der vom Beschwerdeführer beanstandeten Art und Weise vorzugehen und die Kennzeichentafeln abzunehmen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Dementsprechend war das Kostenbegehren des Beschwerdeführers abzuweisen. Hingegen waren der belangten Behörde gemäß § 79a AVG für Schriftsatzaufwand,

Vorlageaufwand und Verhandlungsaufwand S 6.865,--

antragsgemäß zuzusprechen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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