Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Einzelmitglied Dr. Herbert Thaller über die Berufung des Herrn Christian K, geb. am 27.10.1970, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Wolfgang R, N-gasse 12-14, W, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 18.02.1997, GZ.: III/S-16.686/95, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Mit dem oben bezeichneten und angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurden über den Berufungswerber je eine Geldstrafe wegen der Übertretung des § 82 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz und des § 1 1. Fall LGBl. Nr. 158/1975. Konkret wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe am 19.08.1996 (wohl richtig 1995), in der Zeit von 17.20 Uhr bis 17.25 Uhr, in Graz 6, Sturmplatz, Karl-Maria-von-Weber-Gasse, Nordsektor 1.) trotz vorausgegangener Abmahnung sich gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzlichen Aufgaben vornahm, aggressiv verhalten und dadurch die Amtshandlung behindert, indem er die einschreitenden Sicherheitswachebeamten wegstieß und
2.) durch den Gebrauch der Worte "Ich wasch euch eine, ihr Idioten, kommt's her, ihr Scheißer", den öffentlichen Anstand verletzt.
Wegen der Übertretung zu Punkt 1.) wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall 36 Stunden Ersatzarrest und zu Punkt 2.) eine Geldstrafe in der Höhe von S 800,--, im Uneinbringlichkeitsfall 24 Stunden Ersatzarrest, verhängt. Gemäß § 19 a Abs 1 VStG wurde die am 19.08.1995 von 17.25 Uhr bis 18.00 Uhr erlittene Vorhaft auf Punkt 1.) der Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe angerechnet. Infolgedessen wurde unter Berücksichtigung der Verfahrenskosten dem Berufungswerber ein Betrag von S 1.962,50 zur Zahlung vorgeschrieben. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz und Wiedergabe der Zeugenaussagen der einvernommenen drei Polizeibeamten und des vom Berufungswerber namhaft gemachten Zeugen V aus, daß sie es aufgrund der Anzeige und den niederschriftlichen Einvernahmen der Zeugen und des Beschuldigten als erwiesen ansehe, daß der Berufungswerber die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen begangen habe. Dabei habe die belangte Behörde den unter Wahrheitspflicht gemachten Angaben der Polizeibeamten mehr Glauben geschenkt, als den Angaben des Zeugen V sowie den Angaben des Berufungswerbers.
Dagegen erhob der Berufungswerber durch seinen ausgewiesenen Rechtsanwalt rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung, in welcher er im wesentlichen vorbrachte, daß er die Tat nicht begangen habe und er dies mit Ausnahme des Zeugen V nur durch allfällig existierende Videoaufnahmen belegen könne. Diese müßten bei der Bundespolizeidirektion aufliegen. Er beantragte daher die Stattgebung seiner Berufung.
Der Unabhängige Verwaltungssenat - das ist die gemäß § 51 Abs 1 sachlich und örtlich zuständige Berufungsbehörde - beraumte eine öffentliche, mündliche Verhandlung an, zu der neben den Polizeibeamten, welche im Verfahren erster Instanz als Zeugen einvernommen worden waren, der Zeuge V und der Berufungswerber geladen wurden. Die Polizeibeamten sind zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Sie haben sich aufgrund ihres Urlaubes und der damit bedingten Abwesenheit vor Beginn der Verhandlung entschuldigt. In der öffentlichen, mündlichen Verhandlung wurde das von der Bundespolizeidirektion Graz zur Verfügung gestellte Videoband abgespielt, welches die Vorgänge rund um den gegenständlichen Vorfall und den gegenständlichen Vorfall selbst zeigt. Aufgrund des in der Videoaufnahme dargestellten Sachverhaltes, der Angaben des Berufungswerbers und den glaubhaften Angaben des Zeugen V war eine weitere Einvernahme der anzeigenden Polizeibeamten aufgrund der Eindeutigkeit der Videoaufnahmen in Verbindung mit den Angaben des Berufungswerbers und des Zeugen V nicht erforderlich. Es wird daher folgender, als erwiesen angenommener Sachverhalt der Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates zugrundegelegt:
Der Berufungswerber besuchte am 19.08.1995 das Fußballspiel Sturm-Graz gegen Austria-Wien und hielt sich dabei im Nordsektor des Sturmplatzes, in Graz 6, Karl-Maria-von-Weber-Gasse auf. Nach Ende des Spiels kletterte der Berufungswerber - wie üblich - auf den Zaun, der als Absperrung zwischen Fußballspieler und Zuschauerrängen vorgesehen ist. Dabei stand er mit den Füßen am Podest des Zaunes, während seine Arme über den Zaun gelegt waren und zwar so, daß die Oberkante des Zaunes unter seinen Achselhöhlen zu liegen kam. Ein auf dem Spielfeld befindlicher Polizeibeamter sprach mit dem Berufungswerber, der Inhalt dieses Gespräches konnte nicht ermittelt werden. Offensichtlich ging es darum, daß dieser Polizeibeamte den Berufungswerber aufforderte, den Bereich des Zaunes zu verlassen. Aufgrund der auf dem Videoband zu erkennenden Handbewegung des Berufungswerbers, welche in Richtung des Spielfeldes zeigt, ist anzunehmen, daß der Berufungswerber dem Polizeibeamten erklären wollte, daß er sich von seinen Spielern, gemeint sind damit die Austria-Wien Spieler verabschieden wollte. Daraufhin wurde der Berufungswerber von Polizeibeamten von hinten erfaßt, vom Zaun gezogen und von einem Beamten sofort in den Halsfesthaltegriff genommen und ihm in der Folge beide Arme von insgesamt 3 Polizeibeamten auf den Rücken gedreht wurden. Abwehrhandlungen hat der Berufungswerber nicht gesetzt. Ebensowenig hat er die Polizeibeamten beschimpft. Der Berufungswerber erkundigte sich bei den Polizeibeamten in lautem Ton, was sie von ihm wollten und was sie ihm vorwarfen, er hat jedoch keine Antwort erhalten. Eine Abmahnung des Berufungswerbers ist nicht erfolgt. Der Berufungswerber wies während seines Abführens darauf hin, daß er nichts angestellt habe und daß die Polizeibeamten zu diesem Zwecke die umstehenden Personen befragen sollten. Der Berufungswerber wurde von den drei Polizeibeamten die Zuschauerränge hochgeführt und zwar so, daß ihm ein Bewegen nur mit den Beinen möglich war, ein Diensthund befand sich nicht in der Nähe des Berufungswerbers. Eine für den Berufungswerber erkennbare Abmahnung ist nicht erfolgt. Der sohin festgestellte Sachverhalt ergibt sich im wesentlichen aus den von der Bundespolizeidirektion Graz zur Verfügung gestellten Videoaufnahmen. Diese unterstützen die vor dem Abspielen der Videoaufnahmen gemachten Angaben des Berufungswerbers und des Zeugen V. Es ist daher den Angaben der Polizeibeamten vor der belangten Behörde keinesfalls zu glauben, wonach der Berufungswerber versucht hätte, den Absperrzaun zu überklettern. Auf der Videoaufnahme ist eindeutig erkennbar, daß der Berufungswerber lediglich am Zaun "hängt" und seine Beine am Podest des Zaunes stehen. Eine für das Überklettern eines Zaunes typische Fuß- oder Handbewegung ist darauf keinesfalls erkennbar. Daß der Berufungswerber aufgefordert worden sei, sich vom Zaun zu entfernen, ist auf dem Videoband allerdings nicht erkennbar, da mit Ausnahme der allgemeinen Geräusche anläßlich eines Fußballspieles sonst keine direkten Äußerungen des Berufungswerbers oder der ihn amtshandelnden Sicherheitswachepersonen zu vernehmen sind. Mag sein, daß andere Personen versucht haben den Absperrzaun zu überklettern, dies ist aber - wie bereits ausgeführt - beim Berufungswerber nicht der Fall. Daß der Berufungswerber versucht hätte, mit den Grazer Fans eine Rauferei zu beginnen, ist schlichtweg unrichtig. Diese auf eine mögliche Verwechslung zurückzuführende Aussage der Polizeibeamten kann jedoch nicht zum Nachteil des Berufungswerbers gereichen. Auf den Videoaufnahmen ist erkennbar, daß nach dem mit maßhaltender Gewalt durchgeführten Herunterlösen des Berufungswerbers vom Absperrzaun dieser ein äußerst passives Verhalten gesetzt hat, und nur versucht hat, sein Gleichgewicht, welches durch die drei amtshandelnden Polizeibeamten offenkundig außer Kontrolle geraten war, beizubehalten. Diese Ausgleichsbewegungen sind jedoch nicht als Angriffe auf Polizeibeamten oder als Tritte gegen Polizeibeamten zu werten. Es ist nämlich aufgrund des Stoßens der Polizeibeamten dem Berufungswerber gegenüber immer eine unmittelbar daraufhin erfolgte Ausgleichsbewegung des Berufungswerbers auf der Videoaufnahme erkennbar. Insbesondere ergibt sich aus den Videoaufnahmen, daß die Polizeibeamten anläßlich ihrer Amtshandlung ein eher unkoordiniertes Verhalten an den Tag gelegt haben, zumal von verschiedenen Seiten gegen den Berufungswerber körperlich vorgegangen wurde und es dabei dem vor dem Berufungswerber stehenden Polizeibeamten nicht erkennbar war, welche Handlungen der hinter dem Berufungswerber stehende Polizeibeamte gerade setzt. Aufgrund der durch die Videoaufnahmen belegten Angaben des Berufungswerbers ist auch seinen Angaben dahingehend zu folgen, daß er die ihm vorgeworfenen Worte nicht geäußert hat. Die von RI Domanyi angegebene versuchte Tätlichkeit des Berufungswerbers in der Form von Tritten gegenüber den amtshandelnden Polizeibeamten sind durch das Videoband widerlegt. Ebensowenig konnte auf dem Videoband die Behauptung verifiziert werden, der Berufungswerber hätte versucht die Polizeibeamten wegzustoßen, um zu den Grazer Fans zu gelangen und dort eine Rauferei zu beginnen. Das äußerst passive Verhalten des Berufungswerbers ist unter anderem darin erkennbar, daß er das Abführen und gegen das von drei Polizeibeamten vorgenommene Festhalten der Hände und des Halses ohne jegliche Gegenwehr erduldete und er den abführenden Polizeibeamten in keiner Weise irgendwelche Handlungen entgegensetzte. Daher ist auch ein Versuch des Berufungswerbers, anläßlich seiner Eskortierung aus dem Stadion immer wieder auf die Polizeibeamten einzutreten, in keiner Weise glaubhaft, zumal jener Teil, der auf dem Videoband zu sehen ist, keine solche Handlungen des Berufungswerbers belegt. Sollten sich die Zeugenaussagen jedoch auf jenen Teil des Abführens beziehen, der auf dem Videoband nicht mehr dargestellt ist, so ist diesen Angaben jedenfalls die glaubhafte Zeugenaussage des Zeugen V entgegenzuhalten, der den Berufungswerber anläßlich der Eskortierung zum Arrestantenwagen folgte und sich erkundigte, wohin der Berufungswerber gebracht werde. Zeuge V hat ausgesagt, daß der Berufungswerber die Polizeibeamten weder beschimpfte, noch sonst ein aggressives Verhalten den Polizeibeamten gegenüber gezeigt hat.
Die Rechtsbeurteilung ergibt:
Gemäß § 82 Abs 1 des Sicherheitspolizeigesetzes (im folgenden SPG genannt) begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 3.000,-- zu bestrafen, wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzlichen Aufgaben wahrnimmt, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert.
Das Verwaltungsdelikt des aggressiven Verhaltens gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht beinhaltet mehrere Voraussetzungen (Tatbestandsmerkmale), welche zusammen erfüllt sein müssen, um das Delikt zu Recht anzunehmen. Die im Gesetz geforderte vorausgegangene Abmahnung ist sachverhaltsmäßig nicht belegt. Diese ist weder einfach noch mehrfach erfolgt. Selbst wenn der auf dem Spielfeld stehende Polizeibeamte den Berufungswerber aufforderte, sich vom Zaun wegzubegeben, beinhaltet dies noch nicht die Aufforderung das aggressive Verhalten einzustellen. Für die Amtshandlung danach wird aufgrund der Aussage des Berufungswerbers angenommen, daß keine weitere Abmahnung hinsichtlich eines allenfalls aggressiven Verhaltens getätigt wurde. Dies ergibt sich allein schon daraus, da der Berufungswerber keinerlei Aggressivitäten gesetzt hat. Im übrigen ist aufgrund der Aufnahme auf dem Videoband eindeutig erkennbar, daß die körperliche Kontaktaufnahme durch die Polizeibeamten, die möglicherweise auch durch verbale Äußerungen unterstützt wurde, vom Berufungswerber nicht erkennbar war. Er hat schließlich darauf nicht reagiert. Der Berufungswerber selbst erklärte diese von ihm gesetzte Passivität damit, daß er die Kontaktaufnahme möglicherweise als gegenseitiges Gerangel und Schupfen von anderen Fans interpretiert hat. Dies war als glaubhaft zu werten. In der von den Polizeibeamten durchgeführten Kontaktaufnahme aber eine Abmahnung wegen des vermeintlichen aggressiven Verhaltens zu sehen, entbehrt aber der vom Gesetz geforderten Voraussetzung der vorangegangenen aggressiven Verhaltensweise des Berufungswerbers. Es war daher davon auszugehen, daß der Berufungswerber keinesfalls ermahnt worden war. Allein aus diesem Grunde ist die von der belangten Behörde angenommene Verwaltungsübertretung nicht vorliegend. Darüber hinaus ermangelte es an einem aggressiven Verhalten des Berufungswerbers. Die vom Berufungswerber als Gleichgewichtskorrekturbewegung zu erkennenden Arm- bzw. Fußbewegungen sind jedoch in keiner Weise als aggressives Verhalten zu deuten, zumal sie nicht Ausdruck eines Angriffes gegenüber den Beamten waren. Es war daher davon auszugehen, daß der Berufungswerber die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs 1 SPG nicht begangen hat. Was schließlich die dem Berufungswerber vorgeworfene Anstandsverletzung anbelangt, war - wie bereits oben ausgeführt - den Angaben des Berufungswerbers zu folgen, wonach dieser die Polizeibeamten weder beschimpfte, noch ihnen gegenüber Schimpfworte gebrauchte.
Gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG ist das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, wenn die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat von ihm nicht begangen wurde. Die obigen Ausführungen ergaben, daß die zuletzt zitierte Gesetzesbestimmung zur Anwendung gelangte. Dies bedeutete aber auch, daß der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben war.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.