Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Monika Gasser-Steiner über die Berufung des Herrn Rupert S, wohnhaft in F, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld vom 6.11.1996, GZ.: 15.1 1996/2332, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verfügt.
I.) Mit dem bekämpften Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 25.8.1996 um 00.10 Uhr im Gemeindegebiet von 8280 Fürstenfeld auf dem Stadtbergweg vor dem Haus Nr. 8 das Motorfahrrad mit dem Kennzeichen St 111.693 in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und sei dabei zu Sturz gekommen. Er habe sich in der Folge am 25.8.1996 gegen 01.00 Uhr im LKH Fürstenfeld im Erstversorgungsraum nach Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organes der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.
Wegen Übertretung der Rechtsvorschriften des § 99 Abs 1 lit. b StVO iVm § 5 Abs 2 StVO wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von S 8.000,--, im Uneinbringlichkeitsfalle 7 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt sowie als Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens der Betrag von S 800,-- vorgeschrieben.
Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung auf die Anzeige des Gendarmeriepostens Ilz vom 26. August 1996 sowie auf die Aussagen des als Zeugen vernommenen Sicherheitswachebeamten: Aufgrund von Alkoholisierungsmerkmalen sei der Berufungswerber sofort nach seiner ambulanten Behandlung im LKH Fürstenfeld in Anwesenheit des Oberarztes Dr. K von RI G zur Durchführung eines Alkotestes aufgefordert worden, welche er mit der Begründung, er blase in keinen Alkomaten hinein, da diese Geräte zu ungenau seien, er mache nur eine Blutabnahme, verweigert habe. Die Rechtfertigung des Berufungswerbers, er habe den Alkomaten nicht beblasen können, weil er starke Schmerzen gehabt und auch keine Luft bekommen habe, hätten die Sicherheitswachebeamten nicht bestätigen können. Für sie sei außer Zweifel gestanden, daß der Berufungswerber in der Aufforderungssituation in der Lage gewesen wäre, den geforderten Alkotest durchzuführen. Daran könne der erst Tage nach dem Unfall beim Berufungswerber festgestellte Serienrippenbruch nichts ändern. Der dazu befragte Oberart Dr. K habe es für möglich gehalten, daß zum Zeitpunkt der Erstversorgung im LKH Fürstenfeld für den Berufungswerber noch keine Schmerzen spürbar gewesen seien. Daraus schloß die belangte Behörde, daß zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Ablegung des Alkotestes keine in der Person des Berufungswerbers gelegenen Gründe vorhanden gewesen seien, die einer Atemluftuntersuchung entgegengestanden wären. Erst der Versuch, einen Alkomaten zu beblasen, hätte mit großer Wahrscheinlichkeit gezeigt, daß der Berufungswerber nicht in der Lage gewesen wäre, den Test durchzuführen.
II.) In seiner rechtzeitig erhobenen Berufung wiederholte der Berufungswerber im wesentlichen sein Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren: Es sei ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen, einen Alkotest durchzuführen. Er habe jederzeit eine Blutabnahme angeboten; dies könne auch der Oberarzt Dr. K bezeugen. Der Berufungswerber sei sich keiner Schuld bewußt und möchte nicht für etwas bestraft werden, wofür er nichts könne. Der Berufungswerber beantragte, das bekämpfte Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
III.) Am 10. September 1997 hat vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Mitwirkung des Berufungswerbers und unter Beiziehung des gerichtlich beeideten Sachverständigen Dr. Friedrich R, Facharzt für gerichtliche Medizin, stattgefunden, in der als Zeugen die beteiligten Sicherheitswachebeamten vernommen wurden. Aufgrund der Ergebnisse des Beweisverfahrens - hier im besonderen aufgrund des abgegebenen Sachverständigengutachtens zur Frage, ob der Berufungswerber aus gesundheitlichen Gründen in der Lage gewesen wäre, zum Aufforderungszeitpunkt einen Alkotest abzulegen - werden folgende Feststellungen getroffen:
Der Berufungswerber lenkte am 25.8.1996 gegen 00.10 Uhr ein Motorfahrrad der Marke Puch Maxi mit dem Kennzeichen St
111.693 in 8280 Fürstenfeld, auf dem Stadtbergweg. Auf Höhe des Hauses Nr. 8 stürzte der Berufungswerber mit seinem Fahrzeug, wobei er sich bei diesem Sturz u.a. eine Knieverletzung und einen Serienrippenbruch, betreffend die Rippen 1 bis 9 links, zuzog. Die zum Unfallort gerufene Sektorstreife, bestehend aus RI Hans-Peter G und RI Franz Z, fanden Herrn Rupert S auf der Fahrbahn sitzend an, der über Schmerzen am Bein klagte. Die Beamten veranlaßten eine Einlieferung des Berufungswerbers in das LKH Fürstenfeld; sie folgten der Rettung mit dem Dienstwagen und beabsichtigten, mit dem Berufungswerber eine Amtshandlung nach § 5 StVO vorzunehmen, weil sie bereits am Unfallort beim Berufungswerber deutliche Alkoholisierungssymptome wahrgenommen hatten. Im LKH angekommen, wurde Herr S gleich von der Rettung in das Behandlungszimmer gebracht und erstversorgt; der diensthabende Arzt stellte eine Schädelprellung sowie eine Prellung des rechten Kniegelenkes in Verbindung mit Hautabschürfungen fest. Die ebenfalls schon zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Serienrippenbrüche wurden nicht diagnostiziert, nachdem der Berufungswerber bei der Aufnahme nur über unspezifische Schmerzen klagte und nicht ausdrücklich auf Schmerzen im Brustkorbbereich hinwies. Nachdem weder ärztliche Bedenken geäußert, noch die Beamten im Kontakt mit dem Berufungswerber Zweifel daran hatten, daß dieser gesundheitlich nicht in der Lage sein könnte, einen Test durchzuführen, forderte RI G den Berufungswerber nach seiner Erstversorgung im Behandlungsraum auf, sich einem Alkotest zu unterziehen. Der Berufungswerber kam dieser Aufforderung nicht nach; ihm sei das Gerät zu ungenau, er wäre jedoch - da er sich ohnehin im Krankenhaus befinde - mit einer Blutabhnahme einverstanden. Dieses Verhalten brachten die Beamten als Verweigerungstatbestand im Sinne des § 5 Abs 2 StVO zur Anzeige. Einige Tage nach dem Vorfall, am 3.9.1996 konnte anläßlich einer Kontrolluntersuchung beim Berufungswerber im Zuge ergänzender Röntgenuntersuchungen der Serienrippenbruch festgestellt werden, weshalb dem Patienten eine stationäre Aufnahme vorgeschlagen wurde, der dieser am 4.9.1996 zustimmte. Als Therapie wurden dem Berufungswerber elastische Bandagen sowie ein Rippengürtel angelegt und eine Infusionsbehandlung zur Schmerzlinderung eingeleitet. Am 6.9.1996 verließ der Berufungswerber gegen Unterzeichnung eines Revers das Krankenhaus.
IV.) Die rechtliche Beurteilung ergibt folgendes:
Die Bestimmung des § 5 Abs 2 StVO 1960 in der Fassung der 19. StVO-Novelle ordnet an, daß Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt sind, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluftuntersuchungen bei Personen vorzunehmen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben. Eine Verweigerung bzw. Nichtmitwirkung bei der Messung der Atemluft auf Alkoholgehalt ist gemäß § 99 Abs 1 lit b StVO 1960 mit einer Geldstrafe von S 8.000,-- bis S 50.000,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen.
Im vorliegenden Fall haben die Aufforderungsvoraussetzungen vorgelegen; eine Verweigerung der Atemluftuntersuchung ist dem Berufungswerber aus nachstehenden Gründen nicht vorzuhalten:
An der Kausalität Motorradsturz-Rippenbrüche wird nicht gezweifelt, zumal keine anderen Verletzungsursachen aufgezeigt werden und die Art der Verletzung aus ärztlicher Sicht in einem Mopedsturz geradezu einen idealtypischen Verletzungsmechanismus findet.
Wie der Sachverständige in seinem Gutachten ausführte, hat für den Berufungswerber wegen des Serienrippenbruches bereits am 25.8.1996, um 01.00 Uhr morgens, eine Unfähigkeit zur Vornahme eines regulären Alkotestes bestanden. Etwaige Versuche wären mit extremen Schmerzzuständen verbunden gewesen und hätten überdies aus dem Grund eines
ungenügenden Ausblasvolumens nicht zum Erfolg führen können:
Gerade das Auspressen von Luft aus der Lunge, wie es zur Förderung eines konstanten Blasvolumens unter entsprechendem Druck notwendig ist, erfordert die Zuhilfenahme der sogenannten Atemhilfsmuskulatur, d.h. daß die Funktion des Zwerchfelles alleine unzureichend ist und die Ausatmung durch die Zwischenrippenmuskulatur bzw. die Muskulatur der Bauchdecke unterstützt werden muß. Gerade die Verwendung der Zwischenrippenmuskulatur zu diesem Zweck ist durch die dabei zwangsläufig eintretenden Schmerzen, die durch die Bewegungen des knöchernen Brustkorbes (der Rippen) erzeugt werden, nicht möglich, da es reflektorisch zu einer Unterbrechung der Muskelkontraktion kommt.
Mit anderen Worten: Aufgrund eines vorliegenden Serienrippenbruches ist der Berufungswerber zum angeblichen Tatzeitpunkt nicht in der Lage gewesen, so viel Atemluft forciert in den Testschlauch zu blasen, die erforderlich gewesen wäre, um ein gültiges Meßergebnis zu erzielen. Eine aus medizinischen Gründen bestehende Unfähigkeit, eine Atemluftprobe abzulegen, stellt aber einen Tatbestandsmangel (§ 99 Abs 1 lit b iVm § 5 Abs 2 StVO) dar, der eine Bestrafung - basierend auf diesen Tatvorwurf - ausschließt.
Im konkreten Fall ist das Unvermögen des Berufungswerbers in der Aufforderungssituation nicht manifest geworden, weil er keinen Blasversuch durchgeführt hat. Die Verweigerung der Atemluftuntersuchung ist aber auch nicht - wie dies die belangte Behörde indirekt zu erkennen gibt - an der Zumutbarkeit eines Blasversuches zu messen, sondern ausschließlich darin gelegen, ob ein solcher Versuch ein Ergebnis zeitigen hätte können. Die Äußerungen des Berufungswerbers im LKH Fürstenfeld gegenüber den Sicherheitswachebeamten, er mache keinen Test, die Geräte seien zu ungenau, er wolle eine Blutabnahme, können an der getroffenen rechtlichen Beurteilung des Falles ebenfalls nichts ändern, weil eine Verpflichtung des Aufgeforderten, sofort die Gründe darzulegen, weshalb er den Test nicht durchführe, aus dem Gesetz nicht abgeleitet werden kann. Beruft sich daher der Betroffene im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens darauf, es sei ihm aus konkret angeführten Gründen - wie hier Serienrippenbrüche - unmöglich gewesen, einen Alkomattest durchzuführen, so bedarf es einer entsprechenden Überprüfung der Stichhaltigkeit des Vorbringens. Die belangte Behörde hat sich im vorliegenden Fall damit begnügt, den behandelnden Arzt zu befragen und aus seinen Angaben, es könne durchaus sein, daß der Patient zum Zeitpunkt der Erstversorgung noch keine Schmerzen verspürt hat, abgeleitet, daß der Berufungswerber zum Aufforderungszeitpunkt in der Lage gewesen ist, dem Ersuchen aus medizinischer Sicht nachzukommen. Diese Schlußfolgerung ist für sich schon nicht zwingend, da sich der Berufungswerber beim Sturz nachweislich weitere schmerzhafte Verletzungen zugezogen hat, die - so der Sachverständige - zumindest anfänglich eine klare Schmerzwahrnehmung und -zuordnung verhindern hätten können. Die anstehende Frage war aber nur unter Einholung eines medizinischen Sachverständigenbeweises zu beantworten. Dadurch, daß diese Beweisaufnahme unterblieben ist, ist die belangte Behörden von einem unvollständig erhobenen Sachverhalt ausgegangen, der in der Folge zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sachlage geführt hat.
Es war daher dem Berufungsantrag Folge zu geben, das Straferkenntnis unter Verweis auf § 45 Abs 1 Z 1 VStG zu beheben und das Strafverfahren gegen den Berufungswerber einzustellen.