TE UVS Steiermark 1997/09/16 30.16-14/97

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Veröffentlicht am 16.09.1997
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl Heinz Liebenwein über die Berufung der Frau Martina S, vertreten durch Rechtsanwaltspartnerschaft W & K, in W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 20.12.1996, GZ.:

15.1 1996/13176, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde der Berufungswerberin zur Last gelegt, sie habe es als bevollmächtigte Beauftragte und daher gemäß § 9 VStG Verantwortliche der Firma B Warenhandels AG, Filiale 661 in K, Hauptstraße, zu verantworten, daß am 6.8.1996 um 9.15 Uhr im genannten Geschäft "10 Stück Frische Eier aus Bodenhaltung" feilgehalten wurden, obgleich laut Gutachten der BALMU Graz vom 6.9.1996 diese Ware infolge abgelaufener Mindesthaltbarkeitsfrist gemäß § 8 lit f LMG als falsch bezeichnet worden wäre und somit dem Verbot des § 7 Abs 1 lit c LMG 1975 unterliege.

Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 8 lit f iVm. § 7 lit c LMG 1975 begangen und wurde über sie deshalb auf der Rechtsgrundlage des § 74 Abs 5 Z 1 LMG eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (20 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt, gemäß § 45 Abs 2 LMG 1975 ein Untersuchungskostenersatz in der Höhe von S 650,--, sowie schließlich gemäß § 64 VStG S 100,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.

In der fristgerecht gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung wurde im wesentlichen, bezogen auf den Beschwerdeführer, dessen Angaben zufolge in Verbindung mit dem Gutachten der BALMU Graz das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet wurde, ausgeführt, daß es sich um einen "amtsbekannten" Kunden in den B-Filialen handle, der es sich zur Aufgabe gemacht hätte, gewissermaßen exzessiv den Slogan der Firma B "frisch oder gratis", auszunützen. So habe ein Gerichtsverfahren, denselben Beschwerdeführer und dieselbe Berufungswerberin betreffend, mit einem Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO geendet und habe der zuständige Richter in der Hauptverhandlung anklingen lassen, daß der Beschwerdeführer bewußt zu beanstandende Lebensmittel zum Marktamt bringe, um diesbezüglich das Unternehmen in Mißkredit zu bringen. Ähnlich habe sich auch ein Marktaufsichtsorgan des Amtes für Lebensmittelkontrolle in Graz geäußert, dessen zeugenschaftliche Einvernahme ebenfalls beantragt würde. Es liege daher der Verdacht nahe, daß die der Behörde übergebene Ware, deren Haltbarkeitsdatum tatsächlich überschritten war, nicht am 6.8.1996 mit einem derart lang überschrittenen Mindesthaltbarkeitsdatum in der Filiale vorgefunden worden wäre. Es werde daher der Antrag gestellt, eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen und in Stattgebung der Berufung das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat erwogen:

Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51 c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben.

Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte unter Hinweis auf § 51 e Abs 1 VStG 1991 entfallen.

Da der angefochtene Bescheid bereits aus nachstehenden Erwägungen zu beheben war, erübrigen sich weitere

Ausführungen und Erhebungen, inwieweit die Berufungswerberin überhaupt als verantwortlich Beauftragte im Sinne des § 9 Abs 2 VStG die ihr angelastete Verwaltungsübertretung zu verantworten hat, fehlen doch diesbezüglich im Akt der belangten Behörde jegliche objektivierbaren Feststellungen und blieben auch sämtliche Schreiben um Vorlage entsprechender Nachweise an die Firma B in K, als seinerzeitige Arbeitgeberin der Berufungswerberin - diese ist nämlich nunmehr in der Filiale Graz-Puntigam beschäftigt - unbeantwortet.

Aus verfahrensökonomischen Gründen erübrigen sich darüber hinaus aber auch langwierige Erhebungen zur Aufklärung allenfalls ansonsten verfahrensrelevanter Widersprüche zwischen der Anzeige schlechthin einerseits und der dieser angeschlossenen Unterlagen bzw. Untersuchungszeugnisse andererseits. So ist nur beispielshaft darauf hinzuweisen, daß die Tatzeit betreffend von einer Probenentnahme um 9.15 Uhr am 6.8.1996 die Rede ist (siehe amtliches Untersuchungszeugnis vom 6.9.1996 der BALMU Graz) - im Spruch des angefochtenen Bescheides wird diese Uhrzeit und dieser Tag mit dem Feilhalten der gegenständliche Ware gleichgesetzt, während den Beilagen des Untersuchungsgutachtens zunächst zu entnehmen ist, daß der ohne Datum versehene Rechnungsbeleg der angeblichen Tatortfiliale der Firma B als Eingang bei der Fachabteilung für das Gesundheitswesen die Zeit 8.15 Uhr aufweist.

Viel bedeutsamer ist in diesem Zusammenhang jedoch, daß der als Beweismittel für den Einkauf der verfahrensgegenständlichen Ware (10 Stück Eier) in der Filiale der Firma B in K offensichtlich vom Beschwerdeführer vorgelegte Rechnungsbon das Datum 5.8.1996 trägt. Berücksichtigt man aber darüber hinaus noch, daß es sich bei den untersuchten Proben um eine sogenannte Parteienprobe handelt, so ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, daß weder die Uhrzeit noch die Angaben des Tages, an dem die untersuchte Ware feilgehalten worden sein soll, stimmen können. Nicht zuletzt erscheint die Annahme, daß der Beschwerdeführer, der im Probenbegleitschreiben mit Herrn Josef K angegeben wird, in ein und derselben B-Filiale im Rahmen eines durch den erwähnten Kassenbons vom 5.8.1996 nachgewiesenen Einkaufes, wie aus dem erwähnten Kassenbon hervorgeht, für vier entdeckte, das Mindesthaltbarkeitsdatum betreffend offensichtlich abgelaufenen Waren, darunter auch 20 Stück Eier (!), auch die dem Verfahren zugrundeliegenden Eier (zusätzlich) erwirbt und diese ihm angesichts der erwähnten übrigen Reklamationen auch noch mit einem deutlich überschrittenen Mindesthaltbarkeitsdatum verkauft worden sein sollen (siehe Kassenbon der Firma B vom 5.8.1996).

Ebenso unrealistisch, im Lichte des Berufungsvorbringens jedoch allenfalls von Bedeutung, weshalb kurz darauf eingegangen werden soll, wäre aber auch die spekulative Annahme, daß sich die Firma B im Rahmen der Gewährung ihrer Frischegarantie einer sie möglicherweise auch nur in einem Verwaltungsstrafverfahren belastenden Ware dadurch begibt, daß sie bei einer wie im gegenständlichen Fall erfolgten Reklamation nicht nur die inkriminierte Ware dem "Entdecker" (Konsumenten) durch kostenlosen Ersatz einer neuen bzw. frischen Ware ersetzt, darüber hinaus aber die zurecht beanstandete Ware (zusätzlich) dem Kunden ausfolgt, was dieser dann zum Anlaß nehmen könnte, gegebenenfalls einen Tag später, gestützt auf den jeweiligen Mangel, Anzeige zu erstatten. Ein derartiger Usus widerspricht mit Sicherheit den Ablaufmodalitäten bei Inanspruchnahme der sogenannten "B-Frischegarantie". Zur Verfahrenseinstellung ist im konkreten aber nunmehr auszuführen:

Der Berufungswerberin wurde, wie dem Spruch des

angefochtenen Straferkenntnisses, aber auch dem der dieser vorangegangenen Strafverfügung unzweifelhaft zu entnehmen ist, das Feilhalten einer falsch bezeichneten Ware angelastet und diese Handlung unter die Bestimmungen des § 8 lit f LMG bzw. § 7 Abs 1 lit c LMG 1975 subsumiert.

Gemäß § 7 Abs 1 lit c LMG ist es u.a. verboten, Lebensmittel in Verkehr zu bringen, die falsch bezeichnet sind.

Gemäß § 8 lit f LMG 1975 sind u.a. Lebensmittel falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht, oder in solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9) in Verkehr gebracht werden.

Im konkreten Fall war auf der verfahrensgegenständlichen Packung mit Eiern, wann (5.8. oder 6.8.1996) und wo auch immer tatsächlich gekauft, eine Klebeetikette angebracht, aus der hervorgeht, daß die Ware einerseits bis zum 12.7. zu verkaufen ist und andererseits wird die Mindesthaltbarkeitsfrist mit 19.7. (gemeint wohl 1996) angegeben; es waren somit beide angeführten Fristen bei weitem abgelaufen. Die Tatsache der Überschreitung der Mindesthaltbarkeitsfrist wird aber dann deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht (§ 7 Abs 1 lit b LMG 1975) sein, wenn die Datumsangabe (§ 4 Z 4 LMKV) leicht verständlich und deutlich lesbar (§ 3 Abs 1 lit a LMKV) und daher auch eindeutig erkennbar ist, worauf sich die Zeitangabe bezieht.

Aus der Sicht der erkennenden Behörde waren durch die zuvor beschriebene Etikette sämtliche diesbezügliche Voraussetzungen gegeben bzw. erfüllt. Im übrigen ist nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums - wenn die Ware ansonsten in Ordnung ist; entsprechende Mängel wurden aber laut Gutachten der BALMU Graz nicht festgestellt - diese nicht nur nicht wertgemindert, sondern auch nicht falsch bezeichnet (siehe Kommentar zu § 7 LMG, S 5 in Barfuß, Smolka, Onder, Lebensmittelrecht, 2. Auflage, Manz Verlag Wien).

Vielmehr könnte, worauf sowohl die Gutachterin als auch die belangte Behörde am Rande hinwiesen, durch das der

nunmehrigen Berufungswerberin angelastete Verhalten eine Übertretung des § 10 Abs 2 der LMKV, die nach § 74 Abs 5 Z 2 LMG unter Strafsanktion steht und keinesfalls eine Verwaltungsübertretung wegen Feilhaltens falsch bezeichneter Lebensmittel verwirklicht worden sein.

§ 10 Abs 2 der LMKV regelt nämlich, daß bei Ablauf der Mindesthaltbarkeitsfrist dieser Umstand deutlich und allgemein verständlich kenntlich zu machen ist. Die erkennende Behörde hat jedoch aus nachstehenden Gründen Bedenken in mehrfacher Hinsicht, daß im konkreten Fall eine Bestrafung diesbezüglich überhaupt möglich wäre.

So stehen zunächst formale Gründe einer Bestrafung nach § 10 Abs 2 LMKV entgegen, würde es doch - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß im Spruch des angefochtenen Bescheides § 10 Abs 2 LMKV eingangs unter Wiedergabe des Gesetzestextes zitiert wird - bei der gegebenen Sach- und Rechtslage durch die notwendigerweise

vorzunehmende Spruchänderung zu einer Auswechslung der als erwiesenen angenommenen Tat kommen, zu der die Berufungsbehörde nach § 66 Abs 4 AVG nicht berechtigt ist (VwGH 27.9.1962, Slg. 5871A, 15.3.1979, 3055/78).

Des weiteren kommen Barfuß, Smolka und Onder in ihrem Kommentar zu § 10 LMKV, Lebensmittelrecht, Manz Verlag Wien, 2. Auflage, S 113, zum Ergebnis, daß mit dieser Bestimmung, die formell zwar neu ist, inhaltlich keine Veränderungen gegenüber der alten Rechtslage nach der LMKV 1973 eingetreten sind. So hat sich insbesonders nichts daran geändert, daß bei Überschreitung der Mindesthaltbarkeitsfrist dieser Umstand bei richtiger Kennzeichnung schon durch die Datumsangabe selbst deutlich und allgemein verständlich hervorgekommen ist. § 10 Abs 2 LMKV schreibt weder einen bestimmten Ort, noch eine bestimmte Form der Kenntlichmachung, insbesonders keine zusätzliche

Kennzeichnung vor.

Schließlich hat aber auch der Verwaltungsgerichtshof erkannt, wobei dieses auf ein wertgemindertes Produkt bezogene Erkenntnis umso mehr analog auch auf den konkreten Fall Anwendung finden kann, daß der Informationspflicht den Konsumenten gegenüber bereits damit Genüge getan wird, als bei entsprechenden Produkten schon aufgrund des Ablaufdatums klar für jedermann ersichtlich sei, daß es sich nicht mehr um frische Waren handeln könne. Es bedarf daher keines zusätzlichen ausdrücklichen Hinweises auf diesen Umstand. Ein solcher hätte für die Konsumenten keine zusätzliche Information bedeutet und würde im übrigen auf einen überzogenen Verbraucherschutz hinauslaufen (siehe VwGH 3.8.1995, 94/10/0026 sowie UVS Wien v. 10.3.1997, UVS 07/L/45/00109/97).

Gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

Im Sinne der obigen Ausführungen war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Falschbezeichnung Verbraucherschutz Packung Frischgarantie Ablaufdatum Kennzeichnung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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