Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Hütter über die Berufung des Herrn Ing. Gustav H, vertreten durch die Rechtsanwaltssozietät E-H-N-F & Partner, in G, gegen Punkt 1.) des Straferkenntnisses des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 03.03.1997, GZ.: A 4 - St 609/1996/304, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird die Berufung abgewiesen. Nach § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von S 2.000,-- binnen vier Wochen bei Exekution zu bezahlen.
Der Spruch des Straferkenntnisses wird bezüglich des Punktes 1.)
1.) in der Sachverhaltsumschreibung wie folgt neu gefaßt:
Herr Ing. Gustav H hat es als verantwortlicher Beauftragter der Arbeitgeberin, der STR Österreich AG mit Sitz in L, unterlassen, für den 24.07.1996 auf der Baustelle Kanal Vasoldsberg vor dem Haus Kerscheckstraße 41 einen auf dieser Baustelle beschäftigten, geeigneten Arbeitnehmer zu bestellen, der in Abwesenheit der Aufsichtsperson auf die Einhaltung des notwendigen Arbeitnehmerschutzes zu achten hat. Sowohl Herr Ing. Gustav H als Bauleiter als auch Herr Heinrich R als Polier waren am 24.07.1996 von dieser Baustelle abwesend und hatten für ihre Abwesenheit nicht entsprechend vorgesorgt."
2.) wie folgt korrigiert:
a) Bei den verletzten Rechtsvorschriften entfällt der Text "§ 130 Abs 5 Z 1".
b) Es wird ausgesprochen, daß die Verhängung der Geldstrafe nach § 130 Abs 1 Z 3 ASchG erfolgte.
Die belangte Behörde (Bürgermeister der Stadt Graz als erste Instanz) erließ zu Punkt 1.) im angeführten Straferkenntnis sachverhaltsmäßig folgenden Spruch:
Sie haben es ............... als verantwortlicher Beauftragter des Arbeitgebers, der Str Österreich AG mit dem Sitz in L, zu verantworten, daß, wie anläßlich einer am 24.7.1996 vom Arbeitsinspektionsorgan auf der Baustelle Kanal Vasoldsberg vor dem Haus Kerscheckstraße 41 festgestellt worden ist,
1.) wenn die Aufsichtsperson auf der Baustelle nicht ständig anwesend ist (verantwortlicher Bauleiter war Herr Ing. Gustav H und der Polier Herr Heinrich R), welche zum Zeitpunkt der Inspektion nicht auf der Baustelle anwesend waren, sondern auf der Baustelle LKH-G Ostspange) ist ein auf der Baustelle beschäftigter, geeigneter Arbeitnehmer zu bestellen, der in Abwesenheit der Aufsichtsperson auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat; es darf nur ein Arbeitnehmer bestellt werden, der a) die Gewähr für eine gewissenhafte Durchführung der übertragenen Aufgaben bietet, b) die für die ausführenden Arbeiten erforderlichen praktischen Kenntnisse besitzt, c) von der Aufsichtsperson über die bei den auszuführenden Arbeiten zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen nachweislich besonders unterwiesen worden ist und d) seiner Bestellung nachweislich zugestimmt hat;"
Als verletzte Rechtsvorschrift wurde konstatiert: § 4 Abs 4 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) BGBl. Nr. 340/1994 i.V.m. § 118 Abs 3, § 130 Abs 5 Z 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) BGBl. Nr. 450/1994 idgF und § 9 Abs 2 VStG 1991.
Gemäß § 130 Abs 5 Einleitungssatz ASchG leg. cit. Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) zu Punkt
1.) des Straferkenntnisses verhängt.
Der Beschuldigte berief und führte bezüglich des Punktes 1.) begründend folgendes aus:
Unter "Mangelhaftigkeit des Verfahrens" wird geltend gemacht, daß die Behörde trotz Antrages den Strafakt 3 U 503/96 des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz nicht beigeschafft habe. Aus diesem Akt und der Einvernahme des Zeugen, Herrn Heinrich R, hätte sich ergeben, daß der (beim Arbeitsunfall getötete) Herr Walter Sch zur Aufsichtsperson bestellt worden sei und als erfahrener, verläßlicher und qualifizierter Mitarbeiter gegolten habe, dessen zum Unfall führende Nachlässigkeit nicht vorherzusehen und abzuwenden gewesen sei.
Weiters sei die Einvernahme des Zeugen L, dessen Aussage vor der Gendarmerie ihn, den Berufungswerber, belastet habe, unterblieben. Dieser Zeuge habe schon im gerichtlichen Strafverfahren die Richtigkeit seiner Verantwortung bestätigt.
Seinem Verteidiger sei (gemeint: vor der belangten Behörde) keine Möglichkeit geboten worden, die vernommenen Zeugen zu befragen, was einen Ausschluß von einem wesentlichen Teil des Verfahrens darstelle, obwohl die Beiziehung des Verteidigers beantragt gewesen sei. Dies stelle einen gravierenden Verstoß gegen den Grundsatz des fair trial
Mangelhaft sei auch die Beweiswürdigung zu Punkt 1.), da die belangte Behörde ihre Schlußfolgerungen ausschließlich aufgrund einer von ihm (dem Berufungswerber) vor der Gendarmerie geleisteten Unterschrift gezogen habe. Der Bescheid lasse jede Auseinandersetzung mit den Angaben der Zeugen vermissen, da eine bloße Zitierung der Zeugenaussagen nicht ausreichend sei. Insbesondere habe die belangte Behörde eine Auseinandersetzung mit der Zeugenaussage des Herrn R unterlassen. Dieser habe bestätigt, daß er am Tag vor dem Unfall an der Unfallsbaustelle gewesen sei und dem verunglückten Dienstnehmer, Herrn Sch, beim Einmessen der Schächte geholfen habe. "Er habe Sch für die Baustelle als Aufsichtsperson bestellt, Sch seien die anwesenden Arbeiter unterstellt gewesen, Sch sei für die Einhaltung der Dienstnehmerschutzvorschriften verantwortlich gewesen. Noch am Vortag des Unfalltages sei Sch von ihm, R, hierauf hingewiesen worden."
Die Baustelle sei von ihm - somit von Herrn R - nahezu täglich, darüberhinaus aber auch von ihm, dem Beschuldigten, kontrolliert worden. Die Dienstnehmer hätten strikte Anweisung gehabt, bei Tiefen wie den gegenständlichen jedenfalls zu pölzen. Dies sei auch vom Zeugen Roland St "unterstützt" worden, da auch dieser Zeuge die Verantwortlichkeit des Herrn Sch bestätigt habe. Daß Herrn Ing. Z gegenüber (gemeint: bei der Kontrolle) Herr Sch nicht als Verantwortlicher genannt worden sei, sei insofern zu relativieren, als Herr Ing. Z weder den Polier noch den Bauleiter befragt habe. Er habe am 24.07.1996 um 10.38 Uhr, also kurz nach dem Unfall, naturgemäß ohne Rücksprache mit Herrn R noch nicht gewußt, wen dieser tatsächlich zum Verantwortlichen bestellt habe. Er habe aber schon bei seiner ersten Einvernahme auf die grundsätzliche Verantwortlichkeit des Herrn R und dessen Möglichkeit, die Verantwortung zu delegieren, aufmerksam gemacht. Der Zeuge R sei von der Gendarmerie überhaupt nicht befragt worden, seine vor der belangten Behörde gemachte Aussage sei ohne nähere Begründung als nicht glaubwürdig bezeichnet worden. Richtigerweise bestehe kein Grund, an der Aussage des Herrn R zu zweifeln.
Auch die rechtliche Beurteilung sei falsch vorgenommen worden, wenn im Straferkenntnis ausgeführt werde, daß zum Zeitpunkt der Inspektion kein verantwortlicher Arbeitnehmer auf der Baustelle gewesen sei, da der Verunfallte, Herr Sch, der verantwortliche Dienstnehmer gewesen sei. Da im Bescheid der Polier, Herr Heinrich R, als verantwortlicher Bauleiter bezeichnet werde, was als verantwortliche Aufsichtsperson gemeint sei, könne schon aus diesem Grund das Straferkenntnis nicht richtig sein. Herr R habe seine Verantwortlichkeit an den Facharbeiter Sch delegieren können und müssen. Eine Unverläßlichkeit des Herrn Sch habe auch die belangte Behörde nicht feststellen können.
Weiters habe die Behörde überhöhte Strafen verhängt, da er unbescholten sei. Es sei auch nicht erkennbar gewesen, inwieweit auf die Einkommens- und Familienverhältnisse Bedacht genommen worden sei.
Er beantrage daher die Behebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens.
Die Entscheidung über die gegen Punkt 2.) des Straferkenntnisses erhobene Berufung obliegt der zuständigen Kammer des Unabhängigen Verwaltungssenates.
Der Akt 3 U 503/96 wurde vom Unabhängigen Verwaltungssenat vom Bezirksgericht für Strafsachen beigeschafft. Er enthält insbesondere das Protokoll über die Hauptverhandlung am 12.11.1996 und die dortigen Aussagen des Berufungswerbers, des Herrn Heinrich R, des Herrn Manfred P und des Herrn Roland St. Dieser Akt wurde verlesen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark verhandelte die Berufungssache am 25.09.1997 in Gegenwart des Berufungswerbers, seines Vertreters, eines Vertreters der mitbeteiligten Partei (des Arbeitsinspektorates Graz), vernahm den Berufungswerber als Partei und folgende Personen als Zeugen: Ing. Reinhold Z (Meldungsleger des Arbeitsinspektorates Graz), Heinrich R, Manfred P und Roland St. Aufgrund der Beweisergebnisse gelangt die Berufungsbehörde zu folgenden Feststellungen:
Der Berufungswerber kam am 03.10.1994 zur Firma STR Österreich Aktiengesellschaft und nimmt dort die Position eines Bauleiters ein. Am 25.04.1996 erteilte er schriftlich seine Zustimmung zu seiner Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten für den räumlichen Bereich Kanal Vasoldsberg und Kanal Attendorf. Die STR Österreich AG war am 24.07.1996 unter anderem Arbeitgeberin des Berufungswerbers, des Poliers, Herrn Heinrich R, des Facharbeiters und Partieführers, Herrn Walter Sch, sowie des Hilfsarbeiters und gelernten Landmaschinenmechanikers, Herrn Roland St. Das Bauvorhaben Kanal Vasoldsberg umfaßte eine Länge von etwa 10 km und wurde am 16.10.1995 begonnen.
Der Kanalbau war mit drei bis vier Partien begonnen und im Lauf der Zeit auf sieben bis acht Partien erweitert worden. Es waren dann 4 Hausanschlußpartien in Aktion, der Rest arbeitete beim Hauptstrang. Die Partie des Herrn Sch war beim Hauptstrang tätig. Eine Hauptstrangpartie bestand aus einem Vorarbeiter oder Facharbeiter als Partieführer, einem Hilfsarbeiter und zwei Baggerfahrern (wobei ein Bagger beim Aufgraben und einer beim Zuschütten eingesetzt wurde). Die Hauptstrangpartien hatten den Hauptkanal zu graben. Jede dieser Partien hat extra einen Strang gegraben. Wo ein Vorarbeiter nicht zur Verfügung stand, wurde der Facharbeiter zum Partieführer ernannt. Herr Walter Sch war kein Vorarbeiter, sondern Facharbeiter, der eine Stufe unter dem Vorarbeiter steht. Parallel zur Hauptstrangpartie arbeitete in der Regel eine Hausanschlußpartie. Diese Partien blieben das ganze Jahr über gleich. Sie arbeiteten nicht direkt nebeneinander, sondern waren bis zu einem Umkreis von 10 bis 15 km verstreut. Am 24.07.1996 war das Kanalbauvorhaben bis auf eine Länge von ca. 80 m fertiggestellt. Auf Höhe des Hauses Kerscheckstraße 41 arbeitete als eine von dreien oder vieren eine Partie, die aus dem Facharbeiter, Herrn Walter Sch als Partieführer, dem Maschinisten, Herrn Roland St als Hilfsarbeiter, dem Baggerfahrer, Herrn Egon L, und einem weiteren Baggerfahrer bestand.
Der Partieführer war für den kompletten Ablauf vor Ort zuständig. Die Betrauung eines Vorarbeiters oder Facharbeiters als Partieführer beim Kanal Vasoldsberg war ein grundsätzliches Prinzip, da mehrere Partien tätig waren.
Die grundsätzliche Verantwortlichkeit - einschließlich der Arbeitnehmerschutzvorschriften - für das Kanalbauvorhaben lag beim Berufungswerber. Er war auch dem Arbeitsinspektorat Graz gegenüber in der Baustellenmeldung nach § 3 BauV als Aufsichtsperson genannt worden. Er war selbst von vornherein nicht ständig bei diesem Kanalbauvorhaben an Ort und Stelle anwesend, da er weiterhin das Kanalbauvorhaben Attendorf bei Hitzendorf, Peugen bei Frohnleiten und zuletzt auch LKH-Graz-Ostspange zu betreuen hatte. Der Berufungswerber hatte daher für den Fall seiner Abwesenheit den Polier, Herrn Heinrich R, - mündlich - mit der Leitung des Baugeschehens an Ort und Stelle betraut. Auch dieser hatte aber ab Frühjahr 1996 zusätzlich zum Kanalbauvorhaben Vasoldsberg den Kanal Attendorf bei Hitzendorf und ca. 1 Woche vor dem 24.07.1996 den Kanal LKH-Graz-Ostspange zu betreuen. Dieser Vorgang (Bestellung eines Verantwortlichen im Falle der Abwesenheit des Berufungswerbers) ging so vor sich, daß der Berufungswerber jeweils am Vortag zum Polier kam und ihm sagte, daß er am nächsten Tag keine Zeit habe. Wenn der Polier ebenfalls nicht da war, waren die Partieführer verantwortlich. Der Berufungswerber hat dem Polier dies für jeden Tag, an dem er nicht da war, gesagt, und zwar immer nur mündlich, nie schriftlich.
Herr Heinrich R ist gelernter Maurer und seit 1992 Hilfspolier, er hat aber keine Polierschule besucht. Er ist seit 1994 bei der Firma STR als Hilfspolier beschäftigt und war als Arbeiter eingestuft. Er hatte keine Meisterprüfung, sondern hatte nur den WIFI-Kurs "Sicherheit am Bau" in Übelbach besucht. Die Aufgabe des Herrn R bestand darin zu schauen, ob alles läuft, daß ein jeder seine Arbeit hat, die Materialbestellungen zusammen mit dem Berufungswerber durchzuführen und die Aufsicht und Messungen zu machen. Im Rahmen der Aufsicht hatte er jedem Arbeitnehmer zu sagen, wie er zu arbeiten hatte. Bezüglich der Sicherheitsvorschriften hatte er eine Warnpflicht
Arbeitnehmer in eine Künette hineingeht, ohne daß ein Verbau gesetzt ist. Er hatte vom Berufungswerber den Auftrag aufzupassen, daß jeder Verbau verwendet wird, wenn dies nicht geschah, hatte er den Berufungswerber sofort anzurufen. Den Partien gegenüber gab er jedoch nicht die strikte Anweisung, daß nur Verbaue angebracht werden dürfen, denn es blieb im Ermessen der jeweiligen Partien, Verbaue anzubringen oder abzuböschen. So konnten die Partien auch abböschen, wenn der Platz dafür ausgereicht hat. Der BW und der Polier (Hilfspolier) wechselten einander bei der Kontrolle der Baustelle insoferne ab, als entweder der eine oder der andere täglich vorbeischaute oder ausnahmsweise auch beide zusammen kamen. Der Berufungswerber selbst war dann 10 bis 20 Minuten bei jeder Partie. Herr R fuhr von einer Partie zur anderen. Die Jausen- und Mittagszeit verbrachte er gemeinsam mit den Arbeitnehmern in der Bauhütte. Weiters standen der BW und Herr R fast stündlich in Telefonverbindung. Herr R blieb bei jeder Partie ca. eine halbe bis eine dreiviertel Stunde. Die auszuhebenden Künetten wiesen laut Plan eine Tiefe von 2 m bis 4,20 m auf, die Breite war mit 1,20 m konstant.
Vor Beginn der Arbeiten gab es Besprechungen mit allen Partien, die der Berufungswerber gemeinsam mit Herrn Heinrich R abhielt. Es wurde da allgemein über die Arbeit gesprochen, daß alles ordnungsgemäß abläuft und zweitens auch über die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften.
Auf diese Vorschriften wird auch wöchentlich hingewiesen, wie z.B. auf die Helmtragepflicht. Für das Pölzen waren bei jeder Partie 5 Verbauboxen ständig vor Ort anwesend, nämlich drei Grundelemente, die jeweils 2,60 m hoch sind, und zwei Aufstockboxen.
Die Nominierung der Partieführer erfolgte immer nur mündlich, weil sich dies von heute auf morgen, z. B. wegen Krankheit eines Partieteilnehmers, ändern konnte. Ein schriftlicher Nachweis für die Bestellung des Herrn Sch zum Partieführer ist nicht vorhanden. Herr R sagte den Partieführern, daß jeder für seine Partie verantwortlich sei. Für den Fall, daß das nicht funktionieren sollte, wurde dem Partieführer die Entlassung angedroht, was diesem durchaus klar war. Diese Verantwortlichkeit wurde den Partieführern fast jeden Tag eingeschärft. Jeder Partieführer bekam - so wie jeder andere Arbeitnehmer auch - das Merkblatt der AUVA ("Bücherl"), das auch öfters mit dem Polier durchgegangen wurde.
Die Bautagesberichte für 23. und 24.07.1996 enthalten keinen Hinweis darauf, daß Herr Sch am 24.07.1996 als verantwortlicher Partieführer Aufgaben des Arbeitnehmerschutzes übertragen bekam. Kurz nach Beginn des Bauvorhabens am 06.11.1995 hatte laut Bautagesbericht der Berufungswerber unter anderem dem Polier, Herrn Heinrich R, und dem Herrn Walter Sch folgende generelle Belehrung erteilt:
Eintragung der Bauleitung der Fa. STR. Die Mitarbeiter der Fa. Str und sonstige am Bau beschäftigte Professionisten werden zum wiederholten Male aufgefordert, den Vorschriften lt. BauV bzw. den Bestimmungen der Merkblätter der AUVA vollinhaltlich nachzukommen. Insbesonders betrifft dies die Arbeiten in Gruben und Künetten und die damit lt. § 48 Abs 2 BauV geforderte Pölzung der Künettenwände. Weiters werden die Dienstnehmer nochmals auf die gemäß § 27 Abs 1 BauV bestehende Helmtragepflicht hingewiesen (Bei Nichteinhaltung Strafen bis zu 5.000,-- ÖS). Die Arbeitnehmer bestätigen den Erhalt des Merkblattes M 223 der AUVA und die Belehrung durch den Bauleiter."
Am 08. und 16.11.1995 hatten Kontrollen der Baustelle durch den Arbeitsinspektor des Arbeitsinspektorates Graz, Herrn Ing. Karl G, stattgefunden. Die letztere Kontrolle führte zur Strafanzeige vom 22.11.1995, da im Bereich vor dem Schacht 372 in der bereits fertiggestellten Künette (Länge: 4 m, Tiefe: 1,9 m) Arbeiten (Tiefenkontrollarbeiten) durch einen Arbeitnehmer vorgenommen worden waren, obwohl keine Maßnahmen getroffen waren, die eine Gefährdung von Arbeitnehmern durch abrutschendes Material hintangehalten hätten.
Es kam weitere Male wiederholt vor, daß aus Bequemlichkeit (z.B. weil die Arbeiter eine Verbaubox nicht über einen Zaun heben wollten) oder weil sich die Arbeiter für Experten hielten, die die Bodenverhältnisse kennen, was jedoch nicht der Fall war, ordnungsgemäße Pölzungen oder Abböschungen unterblieben sind. In einem solchen Fall führte die Beanstandung vom 01.03.1996 dazu, daß mehrere Arbeitnehmer, und zwar Hilfsarbeiter und Vorarbeiter, Verwarnungsschreiben durch den Berufungswerber erhielten.
Dieser Sachverhalt stützt sich auf folgende Beweismittel:
Die das Baulos Vasoldsberg betreffenden Feststellungen ergeben sich in erster Linie aus den Aussagen des Berufungswerbers und des Zeugen R, die, abgesehen von der Zahl der dort tätigen Partien, im wesentlichen miteinander übereinstimmen. Da Herr R in der Regel häufiger an Ort und Stelle anwesend war, ist anzunehmen, daß seine Aussage, es seien im Höchstfall sieben bis acht Partien zugleich tätig gewesen, gegenüber der Aussage des Berufungswerbers, daß nur drei Partien, davon zwei Hauptstrangpartien, gleichzeitig arbeiteten, als richtig anzusehen ist.
Daß der Berufungswerber selbst als Aufsichtsperson beim Baulos Vasoldsberg agierte, geht übereinstimmend aus dessen Aussage, der Aussage des Zeugen R und der an das Arbeitsinspektorat erstatteten Baustellenmeldung (Beilage ./7 zur Verhandlungsschrift) hervor. Weiters ergibt sich aus den Aussagen übereinstimmend, daß der Polier, Herr R, für den Fall der Abwesenheit des Berufungswerbers die Aufsicht über das Geschehen an Ort und Stelle zu führen hatte.
Daß Herr Walter Sch als Partieführer jener Hauptstrangpartie, die am 24.07.1996 vor dem Haus Kerscheckstraße arbeitete, eingesetzt war, ergibt sich ebenso übereinstimmend aus den Aussagen. Bezüglich der den Partieführern bzw. den Arbeitnehmern vom Berufungswerber bzw. Herrn R gegebenen Anweisungen gehen die Aussagen auseinander. Der Berufungswerber und Herr R sagten aus, es habe die strikte Anweisung gegeben, daß Künetten in jedem Fall zu pölzen seien. Der Zeuge, Herr Roland St, sagte aber aus, daß es dem Partieführer freigestellt worden sei, zu pölzen oder abzuböschen. Dieser Zeuge hatte diese Aussage bereits vor der belangten Behörde gemacht und bestätigte sie vor der Berufungsbehörde. Er war als Hilfsarbeiter der gegenständlichen Partie ein Akteur an Ort und Stelle, der aus der Sicht des Weisungsempfängers über die Verhältnisse Bescheid wissen mußte. Seine Aussage war widerspruchsfrei, nachvollziehbar und glaubwürdig und wird auch durch den Bautagesbericht vom 06.11.1995, in dem es heißt:
"Insbesondere betrifft dies die Arbeiten in Gruben und Künetten und die damit lt. § 48 Abs 2 BauV geforderte Pölzung der Künettenwände", nicht widerlegt. Es liegt auf der Hand, daß eine einmal - punktuell - von Arbeitnehmern unterschriebene Erklärung nicht dieselbe Wirkung ausüben kann wie allenfalls täglich an Ort und Stelle von den Verantwortlichen getroffene Veranlassungen. Überdies steht die Wahl zwischen Pölzen und Abböschen auch im Einklang mit den im Merkblatt der AUVA enthaltenen Instruktionen. Die tägliche (abwechselnde) Anwesenheit des Berufungswerbers und des Poliers auf der Baustelle ergibt sich aus den Aussagen dieser beiden Personen und des Zeugen Roland St. Aus den Bautagesberichten vom 23. und 24.07.1996 ergibt sich kein Hinweis auf die Übertragung irgendwelcher Verantwortlichkeiten. Der Arbeitsinspektor, Herr Ing. Z vom AI Graz, hatte bei der Baustellenkontrolle am 24.07.1996 durch Befragung an Ort und Stelle festgestellt, daß von den Beteiligten (es waren dies: Herr Manfred P, Herr Roland St und Herr Egon L) niemand wußte, wer an diesem Tag die Aufsicht auf der Baustelle führte. Bei seiner ersten Befragung durch die Gendarmerie Hausmannstätten am Unfallstag hatte der Berufungswerber angegeben, er habe als Bauleiter unter sich einen Polier, der die Aufsicht führe, wenn er selbst nicht da sei. Dieser - Herr Heinrich R - sei jedoch heute (am 24.07.1996) mit ihm bei der Baustelle LKH Graz gewesen. Aus diesem Grund müßte Herr R einen Facharbeiter als Vorarbeiter (Verantwortlichen) bestimmt haben, der dann anstatt ihm die Aufsicht führt. Wer dies im konkreten Fall sei, wäre erst von "uns" zu eruieren. Vor Gericht hatte der Berufungswerber aber folgendes ausgesagt: Am 23.07.1996 war mir bereits bekannt, daß ich zusammen mit Heinrich R die Baustelle LKH Graz aufsuchen werde, weshalb ich mit ihm vereinbart habe, daß er noch am selben Tag zur Baustelle Vasoldsberg fährt und dort einen Vertreter für den 24.07.1996 bestimmt, der dann die Bauaufsicht an diesem Tag durchführen sollte. Noch am 23.07.1996 teilte mir Heinrich R mit, daß er für den Baustellenbereich, an welchem sich dann der Unfall ereignete, den Facharbeiter Walter Sch als seinen Vertreter für die Bauaufsicht bestellt hatte."
Bei der Verhandlung vor der Berufungsbehörde auf den Widerspruch zwischen diesen zwei Aussagen aufmerksam gemacht, gab der Berufungswerber folgendes an:
P sollte nur Bestellungen für den Bauablauf machen. Ich wollte nicht so viel aussagen, weil R am Vortag abends auf der Baustelle war und den Ablauf des Baugeschehens mit den Partien durchgesprochen hat.
Mir war bekannt, daß Sch aufgrund der grundsätzlichen Vereinbarung Partieverantwortlicher war. Der Polier Herr R hätte aber jederzeit die Möglichkeit gehabt dies zu ändern zum Beispiel die Partie zu splitten. Es kam nie vor, daß ein Hilfsarbeiter alleine arbeitete. Eine solche Splittung der Partien ist tatsächlich auch vorgekommen zum Beispiel wenn jemand krank war. Sobald ich den Herrn R getroffen habe, hat er mir dann von dieser Änderung der Verantwortlichkeit berichtet. Herr R hat am 23.07.1996 speziell den Herrn Sch aufgefordert, den tiefen Bereich zu pölzen."
Bei dieser Gelegenheit ist darauf hinzuweisen, daß laut Aussage des Herrn R die Partie Sch schon lange dabei war, er aber sonst beim Bauvorhaben Vasoldsberg viele neue Arbeiter hatte. Diese widersprüchlichen Aussagen des Berufungswerbers sind auch im Zusammenhang mit dem durch die Aussagen des Poliers, Herrn R, gegebenen Widerspruch zu sehen, der vor dem Bezirksgericht für Strafsachen folgendes aussagte:
Diese Übernahme der Bauaufsicht durch Sch war nicht das erste Mal, sondern hatte Sch bereits zuvor etliche Male die Bauaufsicht geführt. Sch hat an diesem 23.07.1996 meinen Auftrag ohne besonderen Kommentar zur Kenntnis genommen. Ich war letztmals am 23.07.1996 nachmittags auf der Unfallbaustelle, als ich, wie eben geschildert, Walter Sch den Auftrag erteilte, die Bauaufsicht am nächsten Tag für seine Gruppe zu übernehmen."
Zunächst ist darauf zu verweisen, daß der in der gerichtlichen Vernehmung generell verwendete Begriff "Bauaufsicht" nicht zutreffend ist, denn diese Bauaufsicht war Sache des Auftraggebers, im vorliegenden Fall des Zivilingenieurbüros U & Bau. Es ist hier an sämtlichen Stellen des Hauptverhandlungsprotokolles die Aufsicht für die gesamte Baustelle bzw. die Partieaufsicht gemeint. Wäre nun, wie dies aus den Aussagen des Berufungswerbers und des Herrn R vor Gericht und vor der Berufungsbehörde hervorgeht, Herr Walter Sch als Partieführer generell mit der "Aufsicht" betraut worden, hätte es keiner zusätzlichen Veranlassung, speziell für den 24.07.1996, bedurft, da die Abwesenheit des Poliers von der Baustelle ja nichts Außergewöhnliches war. Der Partieführer Sch hätte demnach die Partieaufsicht nicht nur "etliche Male" vor dem 24.07.1996 zu führen gehabt, sondern täglich seit Beginn der Arbeiten am Baulos am 16.10.1995, da er von Anfang an dabei war. Der Hinweis auf eine allfällige Erkrankung eines Partiemitgliedes, der dazu geführt haben könnte, daß anstelle des Partieführers Sch ein Vorarbeiter die Partie geführt haben könnte und aus dem Anlaß einer solchen Erkrankung eine neuerliche Betrauung des Herrn Sch erforderlich gewesen sei, ist reine Spekulation, da es in diese ichtung weder ein zielbringendes Vorbringen noch eine Aussage gibt. Diese beiden Aussagen beweisen daher nicht, daß Herr Sch für 24.07.1996 zur Aufsichtsperson bestellt wurde.
Der ebenfalls als Zeuge einvernommene Arbeitnehmer Manfred P gehörte nicht zur Partie des Herrn Walter Sch. Seine Aussagen haben daher bezüglich des Sachverhaltes nur marginale Bedeutung.
Im vorstehenden Fall sind folgende Rechtsvorschriften relevant:
Aus § 4 BauV ("Aufsicht und Koordination") der Abs 1:
Bauarbeiten dürfen nur unter Aufsicht einer geeigneten Aufsichtsperson, mit der erforderlichen Sorgfalt und nach fachmännischen Grundsätzen durchgeführt werden. Als Aufsichtsperson kann der Arbeitgeber oder eine von ihm bevollmächtigte, mit entsprechenden Befugnissen ausgestattete Person tätig sein. Als Aufsichtsperson ist nur geeignet, wer
1.) die für die auszuführenden Arbeiten erforderlichen theoretischen und praktischen Kenntnisse und Erfahrungen in allen Fragen besitzt, die mit den in Betracht kommenden Arbeiten vom Standpunkt der Sicherheit zusammenhängen,
2.) Kenntnisse über die in Betracht kommenden Arbeitnehmerschutzvorschriften besitzt und
3.) die Gewähr für eine gewissenhafte Durchführung der übertragenen Aufgaben bietet."
Abs 4:
Wenn die Aufsichtsperson auf der Baustelle nicht ständig anwesend ist, ist ein auf der Baustelle beschäftigter geeigneter Arbeitnehmer zu bestellen, der in Abwesenheit der Aufsichtsperson auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es darf nur ein Arbeitnehmer bestellt werden, der
1.) die Gewähr für eine gewissenhafte Durchführung der übertragenen Arbeiten bietet,
2.) die für die auszuführenden Arbeiten erforderlichen praktischen Kenntnisse besitzt,
3.) von der Aufsichtsperson über die bei den auszuführenden Arbeiten zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen nachweislich besonders unterwiesen worden ist und
4.) seiner Bestellung nachweislich zugestimmt hat."
Nach § 3 Abs 6 ASchG ist für eine Arbeitsstätte, Baustelle oder auswärtige Arbeitsstelle, in/auf der der Arbeitgeber nicht im notwendigen Umfang selbst anwesend ist, eine geeignete Person zu beauftragen, die auf die Durchführung und Einhaltung der notwendigen Schutzmaßnahmen zu achten hat.
Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von S 2.000,-- bis S 100.000,--, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von S 4.000,-- bis S 200.000,-- zu bestrafen ist, begeht, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen
..........
3.) die Verpflichtung zur Bestellung einer geeigneten Person gemäß § 3 Abs 6 verletzt."
Nach § 2 Abs 1 BauV sind Baustellen im Sinn dieser Verordnung jene Bereiche, in denen Arbeitnehmer Arbeiten nach § 1 Abs 2 durchführen. Als Bauarbeiten gelten danach auch Erdarbeiten. Nach § 2 Abs 3 ASchG sind Baustellen im Sinne dieses Bundesgesetzes zeitlich begrenzte oder ortsveränderliche Baustellen, an denen Hoch- und Tiefbauarbeiten durchgeführt werden.
Das Baulos Vasoldsberg mit einer Länge von 10 km war dadurch gekennzeichnet, daß die verschiedenen Arbeitspartien in einem Umkreis von 10 bis 15 km verstreut waren. Da es auf den Bereich ankommt, in dem Arbeiten ausgeführt werden, ist im vorliegenden Fall eine Baustelle durch den Tätigkeitsbereich der jeweiligen Arbeitspartie begrenzt. Es kann somit nicht das gesamte Baulos als eine Baustelle gesehen werden.
Als Aufsicht im Sinne des § 4 Abs 1 BauV ist der Berufungswerber als Bauleiter anzusehen.
Aus der Bestimmung des § 4 Abs 4 BauV ergibt sich sinngemäß, daß die für den Fall, daß die Aufsichtsperson auf der Baustelle nicht ständig anwesend ist bestellte Person ständig anwesend zu sein hat bzw. nur eine solche Person bestellt werden kann. Eine Bestellung des Poliers, Herrn Heinrich R zur Aufsichtsperson war daher von vornherein unwirksam, da Herr Heinrich R nicht nur für sämtliche Partien des Bauloses Vasoldsberg zuständig war und damit seine Anwesenheit nicht ausschließlich der Baustelle einer Arbeitspartie widmen konnte, sondern auch deswegen, weil er ab einem gewissen Zeitpunkt ein zweites und dann noch ein drittes Baulos zu betreuen hatte.
§ 4 Abs 4 verlangt als kumulative Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Bestellung eines auf der Baustelle beschäftigten Arbeitnehmers (argum: darf nur ein Arbeitnehmer bestellt werden, der .............) die Gewähr für eine gewissenhafte Durchführung der Aufgaben, die erforderlichen praktischen Kenntnisse, die nachweisliche besondere Unterweisung des Bestellten durch die Aufsichtsperson und die nachweisliche Zustimmung des Bestellten. Sollten die beiden Voraussetzungen der Ziffer 1 und 2 vorgelegen sein, trifft dies auf die beiden weiteren Ziffern aus folgendem Grund nicht zu: Das Gesetz verlangt einen Nachweis. Dieser Nachweis konnte schriftlich nicht erbracht werden. Zu Recht hat aber der Vertreter des Berufungswerbers in seinem Schlußwort darauf hingewiesen, daß ein Nachweis nicht nur in Schriftform zu erbringen ist. Zu § 9 Abs 1 und 4 VStG hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen (VwGH 91/06/0084, 12.12.1991), daß erst ab dem Zeitpunkt, zu dem den Behörden die Zustimmung der vom Unternehmer zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person nachgewiesen wird, diese Bestellung in dem Sinn wirkt, daß der namhaft gemachte verantwortliche Beauftragte in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnormen an die Stelle des sonst Verantwortlichen tritt. Zur Frage, wie dieser Nachweis zu erbringen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, daß es sich dabei um ein Beweisergebnis handeln muß, das schon vor der Begehung der Tat vorhanden war (etwa in Form einer Urkunde, aber auch einer Zeugenaussage etc.). Es genügt daher nicht, wenn sich der Beschuldigte auf die erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegenden Aussage des verantwortlichen Beauftragten beruft, mit der dessen Zustimmung zur Bestellung unter Beweis gestellt werden soll. Was der Verwaltungsgerichtshof zum Zustimmungsnachweis des verantwortlichen Beauftragten gefordert hat, wird auch für den vorliegenden Fall des Nachweises der besonderen Unterweisung und des Nachweises der Zustimmung des Bestellten zu gelten haben. Damit wird auch insofern eine Beweislastumkehr statuiert, als der Arbeitgeber den entsprechenden Nachweis zu erbringen hat. Es liegen aber im vorliegenden Fall weder schriftliche Beweisergebnisse vor noch Zeugenaussagen noch Beweise anderer Art, die aus der Zeit vor der Tatbegehung stammen. Der Bautagesbericht vom 06.11.1995 ist eine generelle Weisung und kommt als spezielle Unterweisung nicht in Frage. Auch die Übergabe des Merkblattes der AUVA "Gruben, Gräben, Künetten" stellt keinen Nachweis einer besonderen Unterweisung dar. Das zum fehlenden Nachweis der Unterweisung Gesagte gilt auch bezüglich der Zustimmung. Fehlen schon zwei der vier Voraussetzungen, daß überhaupt eine Bestellung des Herrn Walter Sch - sei es durch den Berufungswerber, sei es durch den Polier - zulässig war, kann die Bestellung selbst aus folgendem Grund auch nicht als ausreichend angesehen werden:
Nach Ziffer 3 ist eine besondere Unterweisung erforderlich. Das Beweisverfahren ergab aber lediglich, daß Herr Walter Sch zum Partieführer bestellt worden war und ihm aufgetragen worden war, die Künetten zu pölzen oder für eine Abböschung zu sorgen. Eine besondere Unterweisung kann darin nicht erblickt werden. Eine solche hätte ausschließlich dem Bestellten zuteil werden und auch die üblichen Schwierigkeiten beim Künettenpölzen ("Bequemlichkeit" der Arbeiter, Selbstüberschätzung) umfassen müssen. Es liegt daher ein Verstoß gegen § 4 Abs 4 BauV vor. Hiefür haftet aufgrund des Verantwortungsüberganges der verantwortliche Beauftragte, der Berufungswerber, im Grunde des § 9 Abs 2 und 4 VStG.
Zum Verschulden ist auszuführen, daß es sich beim Verstoß gegen § 4 Abs 4 BauV um ein Ungehorsamsdelikt handelt, zu dessen Begehung Fahrlässigkeit genügt. Im Rahmen seiner Mitwirkungsverpflichtung zur Darlegung der Maßnahmen, die er getroffen hat, um die Einhaltung der Vorschrift sicherzustellen, hätte der Berufungswerber auch darzulegen gehabt, daß er die Einhaltung des § 4 Abs 4 überwacht hat. Seine vor der Gendarmerie am Unfallstag gemachte Aussage, daß er naturgemäß noch nicht wisse, wen R bestellt habe, zeigt aber, daß eine Überwachung seiner Anordnung - sollte er eine solche gegeben haben - nicht stattgefunden hat. Abgesehen davon wäre der Berufungswerber selbst als Aufsichtsperson verpflichtet gewesen, den Bestellten entsprechend zu unterweisen, wie dies Abs 4 Z 3 verlangt. Der Berufungswerber hat daher Fahrlässigkeit zu verantworten. Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Es liegt auf der Hand, daß eine mangelnde Unterweisung des Partieführers Sch früher oder später zu einer Verletzung der Pölzungsvorschriften führen mußte. Es war vorhersehbar, daß ein Unfall, der auf mangelnde Pölzung einer 4 m tiefen Künette zurückzuführen ist, schwerwiegende Folgen haben muß. Der gegenständliche Unfall, der zum Tod eines Arbeitnehmers geführt hat, kann daher dem Versäumnis der mangelhaften Unterweisung zugeschrieben werden.
Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Als mildernd ist die Unbescholtenheit zu werten, der keine Erschwerungsgründe gegenüberstehen. Neben der Fahrlässigkeit sind folgende Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse zu berücksichtigen:
Monatliches Nettoeinkommen: ca. S 22.000,--, Hälfteeigentum an einem Einfamilienhaus im Gesamtwert von ca. S 2 Mio. und an einem Grundstück im Wert von S 500.000,--, Schulden in der Höhe von S 1,2 Mio., Sorgepflichten für Ehegattin und ein Kind. Die belangte Behörde bemaß die Geldstrafe mit S 10.000,-- (Ersatzarrest 2 Tage) insofern richtig, als damit ein gravierender Unfall verbunden war, dies bei Anwendung des ersten, von S 2.000,-
- bis S 100.000,-- reichenden Strafsatzes.
Der Spruch war zunächst in der Sachverhaltsumschreibung zu korrigieren, da im Text der Mangel der Bestellung eines auf der Baustelle beschäftigten Arbeitnehmers nicht zum Ausdruck kommt. Da aber die Strafanzeige des Arbeitsinspektorates vom 26.06.1996 dies hinreichend ausführt und diese Anzeige dem Vertreter des Beschuldigten am 23.09.1996 zur Kenntnis gebracht wurde, liegt eine rechtzeitige Verfolgungshandlung vor. Der Spruch war diesbezüglich neu zu fassen.
Unzutreffend ist auch die Anführung des § 130 Abs 5 Z 1 ASchG bei den verletzten Rechtsvorschriften und bei der bei Verhängung der Geldstrafe angewendeten Gesetzesbestimmung. Dies aus folgenden Gründen:
Nach § 130 Abs 5 Z 1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt. Nach § 118 Abs 3 ASchG gilt die BauV aber ausdrücklich (nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz. Sie trat zugleich mit dem ASchG am 01.01.1995 in Kraft. Im Einleitungssatz des § 130 Abs 1 ASchG wiederum heißt es, daß eine Verwaltungsübertretung begeht, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen diverse Handlungen oder Unterlassungen setzt. Da § 4 Abs 4 BauV eine nähere Ausführung zu § 3 Abs 6 ASchG bildet und eine Verletzung dieser Verpflichtung nach Ziffer 3 des Abs 1 des § 130 zu bestrafen ist, waren die verletzte Rechtsvorschrift und die Bestimmung, auf der die Verhängung der Geldstrafe fußt, entsprechend zu korrigieren. Beizufügen ist, daß sich das Berufungsvorbringen, wonach die Tat bereits im gerichtlichen Strafverfahren erschöpfend geprüft worden sei, nur auf Punkt 2.) des Straferkenntnisses bezieht. Die Berufung war daher abzuweisen.
Der Kostenausspruch stützt sich auf § 64 Abs 1 und 2 VStG.