TE Vfgh Erkenntnis 1998/11/30 G127/98

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Veröffentlicht am 30.11.1998
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6160 Bodenschutz, Klärschlamm

Norm

Oö BodenschutzG 1991

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit des Oö BodenschutzG 1991 aufgrund Kundmachung im Landesgesetzblatt ohne neuerliche Beschlußfassung durch den Landtag trotz Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung

Spruch

Das Landesgesetz vom 3. Juli 1991 über die Erhaltung und den Schutz des Bodens vor schädlichen Einflüssen sowie über die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (O.ö. Bodenschutzgesetz 1991), LGBl. für Oberösterreich Nr. 115/1991, in der Fassung des LGBl. Nr. 19/1997, war verfassungswidrig.

Der Landeshauptmann von Oberösterreich ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich beantragt die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des §49 Abs1 Z9 des Landesgesetzes vom 3. Juli 1991 über die Erhaltung und den Schutz des Bodens vor schädlichen Einflüssen sowie über die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (O.ö. Bodenschutzgesetz 1991), LGBl. 115/1991. Nach dieser Bestimmung begeht eine Verwaltungsübertretung, wer "einem Ausbringungsverbot gemäß §15 Abs3 zuwiderhandelt" (§15 Abs3 verbietet die Ausbringung von Gülle oder Jauche unter näher bestimmten Umständen).

1. Der antragstellende Verwaltungssenat legt dar, er habe über die Berufung gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden zu erkennen, das dem Berufungswerber eine solche Übertretung zur Last lege. Gegen die dabei anzuwendende Strafbestimmung bestehe das Bedenken, daß sie Teil eines verfassungswidrig kundgemachten Gesetzes sei. Der Gesetzesbeschluß des Landtages sei unter Weglassung des Abs1 und Abs3 des §50, der die Mitwirkung von Bundesorganen vorgesehen hatte, kundgemacht worden. Dies deshalb, weil die Bundesregierung die nach dem B-VG hiefür notwendige Zustimmung verweigert hatte.

Mit dem am 11. Juni 1997 ausgegebenen und versendeten

39. Stück des Landesgesetzblattes 1997 sei inzwischen unter der Nr. 63 ein Gesetz mit dem Titel "Landesgesetz vom 10. April 1997, mit dem die O.ö. Fischereigesetz-Novelle 1990, das O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990, das O.ö. Behindertengesetz 1991, das O.ö. Bodenschutzgesetz 1991 und das O.ö. Spielapparategesetz neuerlich beschlossen werden" kundgemacht worden, wonach unter anderem das "Landesgesetz vom 3. Juli 1991 über die Erhaltung und den Schutz des Bodens vor schädlichen Einflüssen sowie über die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (O.ö. Bodenschutzgesetz 1991), LGBl. Nr. 115/1991, in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 19/1997" in der "angeführten Fassung in Geltung" stehe.

Dieser Gesetzesbeschluß sei folgendermaßen motiviert (AB Blg. 989/1997 zum kurzschriftlichen Bericht des Oberösterreichischen Landtages, 24. GP; vgl. auch die RV zu diesem Gesetz, Blg. 966/1997):

"Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 28. September 1996, G50/96-24, u.a. ausgesprochen, daß das (Tiroler) Gesetz vom 3. Juli 1996, mit dem das Grundverkehrsgesetz 1993 geändert wird, LGBl. für Tirol Nr. 74/1991, verfassungswidrig war. Damit erklärte er implizit die in fast allen Bundesländern für den Fall der Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung von Landesgesetzen durchgängig geübte und bislang unbeanstandet gebliebene Praxis für verfassungswidrig.

Ein Landesgesetz, welches eine solche Mitwirkung vorgesehen hätte, die in der Folge von der Bundesregierung verweigert wurde, wurde nämlich ohne neuerliche Befassung des Landtages in der Weise kundgemacht, daß die Verlautbarung jener Bestimmungen, welche die Mitwirkung beinhalteten, unterblieb, das Landesgesetz trat ohne die genannten Bestimmungen in Geltung. Im Sinn der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in diesem Erkenntnis wäre neuerlich der Landtag zu befassen gewesen, welcher sich damit auseinanderzusetzen hätte, ob das Gesetz auch ohne die Mitwirkungsbestimmungen unverändert belassen bleiben soll, oder ob diesfalls im Gesetz Änderungen vorgenommen werden müßten. Da der Verfassungsgerichtshof unter Berufung auf diesen Mangel annimmt, daß das gesamte Gesetz in verfassungswidriger Weise kundgemacht worden sei oder an einem gleichzuhaltenden Fehler leide, wären derart mangelhafte Gesetze zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben.

... Auch bei einigen Landesgesetzen wurde der nunmehr vom Verfassungsgerichtshof geforderte Weg nicht eingehalten, was dazu führen könnte, daß anläßlich eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit diesem Gesetz (etwa anläßlich einer Bescheidbeschwerde) dieses zur Gänze der Aufhebung verfallen wäre. ...

Um dieser nicht zu unterschätzenden Gefahr einer gänzlichen Auhebung der Gesetze zu begegnen, sollen die genannten Gesetze in ihrer jeweils geltenden Fassung, ohne inhaltliche Abänderung, ehestmöglich neu beschlossen werden. Es handelt sich dabei lediglich um eine auf Grund der oben dargelegten formaljuristischen Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes notwendige Wiederholung des Landtagsbeschlusses, um die Zeitspanne, in welcher Beschwerden deshalb erfolgreich sein könnten, als sie die Totalaufhebung der genannten Gesetze nach sich ziehen (und diese jedenfalls für die Anlaßfälle sofort wirksam wäre), möglichst kurz zu halten. ...

Im Sinne der oben dargelegten Ausführungen sollen die gegenständlichen Gesetze in der jeweils angeführten Fassung - ohne jegliche inhaltliche Abänderung - neuerlich beschlossen werden. Dabei ist klargestellt, daß die jeweilige Fassung jene ist, welche vom Landeshauptmann tatsächlich kundgemacht wurde, d. h. der jeweilige Gesetzestext ohne die Mitwirkungsbestimmungen. In genau dieser Form stehen die genannten Gesetze auch zur Zeit in Geltung."

Für die Zeit bis zur Kundmachung dieses Gesetzesbeschlusses stehe demgemäß auch die Verfassungswidrigkeit des Bodenschutzgesetzes fest. Die Oberösterreichische Landesverfassung enthalte keine besondere Bestimmung für das Vorgehen bei Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung und sehe kein Verfahren vor, das die Prärogative des Landtages in einem solchen Fall regelt. Das Zustandekommen und damit die Verfassungsmäßigkeit des O.ö. Bodenschutzgesetzes 1991 - und damit auch des §49 Abs1 Z9, der ein Teil dieses Gesetzes ist - sei daher unmittelbar an der Bundesverfassung zu messen.

2. Die Oberösterreichische Landesregierung führt in ihrer Äußerung aus:

"Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. September 1996, G50/96 u.a., wurde ausgesprochen, daß das (Tiroler)Gesetz vom 3. Juli 1991, mit dem das Grundverkehrsgesetz 1983 geändert wird, LGBl. für Tirol Nr. 74/1991, verfassungswidrig war. Die dort als verfassungswidrig beurteilte Vorgangsweise des Landes Tirol betreffend den Weg der Landesgesetzgebung im Fall der Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung von Landesgesetzen ist mit jener vergleichbar, die bei der Erlassung des (oö.) Landesgesetzes über die Erhaltung und den Schutz des Bodens vor schädlichen Einflüssen sowie über die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (Oö. Bodenschutzgesetz 1991), LGBl. Nr. 115/1991, gewählt wurde. Auch hier wurde die vom Verfassungsgerichtshof geforderte neuerliche Befassung des Landtags nach Verweigerung der Zustimmung nicht vorgenommen, sondern der Gesetzesbeschluß - unter Weglassung der Mitwirkungsbestimmungen - vom Landeshauptmann kundgemacht. Das Vorbringen des antragstellenden unabhängigen Verwaltungssenates bleibt daher, soweit es diesen Sachverhalt betrifft, unbestritten.

In Anbetracht der genannten Judikatur des Verfassungsgerichtshofs, insbesondere in Verbindung mit der - durchaus vergleichbaren - Rechtslage in Oberösterreich (vgl. dazu bereits die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs vom 12. März 1998, G366/97 u.a. (Oö. Spielapparategesetz), und vom 9. Juni 1998, G416/97u.a. (Oö. Abfallwirtschaftsgesetz 1990)), wird davon abgesehen, den Bedenken des unabhängigen Verwaltungssenates gegen das Oö. Bodenschutzgesetz, 1991, LGBl. Nr. 115/1991, welche sich nur auf die im oben angeführten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs aufgezeigte formell-rechtliche Grundlage stützen, entgegenzutreten.

Im übrigen stand, wie vom unabhängigen Verwaltungssenat treffend bemerkt, dem Landesgesetzgeber genau die oben genannte Problematik vor Augen, als er das Landesgesetz vom 10. April 1997, LGBl. Nr. 63/1997, erließ, mit welchem (unter anderem) das Oö. Bodenschutzgesetz neuerlich beschlossen wurde."

II. Der Antrag ist zulässig und begründet.

1. Es ist nichts hervorgekommen, was Zweifel daran wecken könnte, daß der antragstellende Verwaltungsenat die angegriffene Vorschrift in der bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte. Auch sonst sind die Prozeßvoraussetzungen gegeben.

2. Der Gesetzesbeschluß des Landtags vom 3. Juli 1991 betreffend ein Gesetz über die Erhaltung und den Schutz des Bodens vor schädlichen Einflüssen sowie über die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (O.ö. Bodenschutzgesetz 1991) wurde im Jahrgang 1991 des Landesgesetzblattes für Oberösterreich Nr. 115 unter Weglassung des Abs1 und Abs3 des §50, der die Mitwirkung von Bundesorganen vorsah, kundgemacht, weil die Bundesregierung die nach dem B-VG hiefür notwendige Zustimmung verweigert hatte.

Nachdem mit LGBl. 19/1997 die Bestimmung des §8 Abs9 novelliert worden war, wurde mit dem am 11. Juni 1997 ausgegebenen und versendeten 39. Stück des Landesgesetzblattes 1997 unter der Nr. 63 das "Landesgesetz vom 10. April 1997, mit dem die O.ö. Fischereigesetz-Novelle 1990, das O.ö. Abfallwirtschaftsgesetz, das O.ö. Behindertengesetz 1991, das O.ö. Bodenschutzgesetz 1991 und das O.ö. Spielapparategesetz neuerlich beschlossen werden", kundgemacht, wonach diese Landesgesetze in der jeweils angeführten Fassung, insbesondere das Bodenschutzgesetz in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. 19/1997, in Geltung stehen.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 28. September 1996, G50/96 ua. (VfSlg. 14605/1996) ausgesprochen, daß das Gesetz vom 3. Juli 1991, mit dem das Grundverkehrsgesetz 1983 geändert wird, LGBl. für Tirol 74/1991, deshalb verfassungswidrig war, weil es nach Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung ohne neuerliche Beschlußfassung durch den Landtag vom Landeshauptmann kundgemacht worden war und so Art38 Abs7 TLO 1989 widersprach, der bestimmt, daß ein Gesetzesbeschluß nicht kundgemacht werden darf, wenn eine im Sinne des Art97 Abs2 erster Satz B-VG erforderliche Zustimmung der Bundesregierung nicht erteilt wurde. Der Verfassungsgerichtshof erkannte,

   "daß durch die Verlagerung der Entscheidung an den

Landeshauptmann darüber, ob ein Gesetzesbeschluß auch ohne die

geplante, aber durch die Verweigerung der Zustimmung nicht

mögliche Mitwirkung von Bundesorganen Gesetz werden soll oder

nicht, die ... Gesetzesprärogative des Landtages unterlaufen

wird. Denn die Publikation eines mit dem beschlossenen

Gesetzestext nicht übereinstimmenden Textes ohne entsprechende

Ermächtigung durch den Landtag widerspricht dem ... Kerngehalt

des Art97 Abs2 B-VG."

In seinem Erkenntnis vom 12. März 1998, G366/97 ua., hat der Verfassungsgerichtshof außerdem bereits ausgesprochen, daß das O.ö. Spielapparategesetz, LGBl. 55/1992, verfassungswidrig war, da es nach Veweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung ohne neuerliche Beschlußfassung durch den Landtag vom Landeshauptmann kundgemacht wurde. Die Oberösterreichische Landesverfassung enthalte zwar keine dem Art38 Abs7 TLO 1989 entsprechende Bestimmung für das Vorgehen in einem solchen Fall. Sie sehe aber andererseits auch kein anderes Verfahren vor, das die Prärogative des Landtages bei Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung regelt. Das Zustandekommen und damit die Verfassungsmäßigkeit solcher Gesetze sei daher unmittelbar an der Bundesverfassung zu messen.

4. Dies gilt auch im vorliegenden Fall: Die angefochtene Bestimmung des Bodenschutzgesetzes, die nach Verweigerung der Zustimmung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung durch die Bundesregierung ohne neuerliche Beschlußfassung durch den Landtag kundgemacht wurde, widerspricht Art97 Abs2 B-VG und ist daher in verfassungswidriger Weise zustandegekommen.

Auch hier macht der Verfassungsgerichtshof von der Ermächtigung des Art140 Abs3 zweiter Satz und Abs4 B-VG Gebrauch, das ganze Gesetz einschließlich der vom Mangel nicht behafteten, aber nicht allein bestandfähigen novellierten Bestimmung als verfassungswidrig zu erklären (vgl. G366/97 ua. vom 12. März 1998).

Im Hinblick auf das den Mangel behebende Landesgesetz vom 10. April 1997, LGBl. 63, ist daher auszusprechen, daß das O.ö. Bodenschutzgesetz 1991, LGBl. 115/1991 idF LGBl. 19/1997, (bis zur Kundmachung des Landesgesetzes LGBl. 63/1997) verfassungswidrig war.

Von einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden (§19 Abs4 erster Satz VerfGG).

Schlagworte

Bodenschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G127.1998

Dokumentnummer

JFT_10018870_98G00127_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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