TE UVS Wien 1997/10/10 07/L/36/332/97

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Veröffentlicht am 10.10.1997
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Fritz über die Berufung der Frau Annemarie S, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 3. Bezirk, vom 7.7.1997, Zl MBA 3-S 3835/96, betreffend Übertretung der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Gemäß § 65 VStG wird der Berufungswerberin kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Text

Begründung:

Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens erließ der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 3. Bezirk, als Strafbehörde erster Instanz das nunmehr vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien angefochtene Straferkenntnis vom 7.7.1997, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Sie haben es als verantwortlicher Beauftragter der H-KG zu verantworten, daß diese Gesellschaft mit Standort in S am 14.11.1995 in der weiteren Betriebsstätte in Wien, L-straße, 4 Kartons Eierteigwaren (Spiralen) zu je 10 Packungen zu je 1 kg mit der Bezeichnung "Eierteigwaren" gewerbemäßig verkauft und diese somit in Verkehr gebracht hat,

I) ohne die folgend angeführten Kennzeichnungselemente gemäß § 4

der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993

Z 1 die handelsübliche Sachbezeichnung

Z 3 die Nettofüllmenge der zur Verpackung gelangenden Ware nach metrischem System

Z 5 der Zeitpunkt, bis zu dem die Ware ihre spezifischen Eigenschaften behält (Mindesthaltbarkeitsdatum)

im Sinne des § 3 Abs 2 der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993, vollständig im gleichen Sichtfeld angebracht zu haben II) ohne die gg Ware mit dem Kennzeichnungselement gemäß § 4 Z 7 der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 (Der Auflistung der Zutaten - Bestandteile und Zusatzstoffe - ist eine Bezeichnung voranzustellen, in der das Wort "Zutaten" enthalten ist) versehen zu haben.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

I) § 74 Abs 5 Z 2 des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl Nr 86/1975,

in der Fassung BGBl Nr 78/1987, in Verbindung mit § 4 Z 1, Z 3, Z 5 iVm § 3 Abs 2 der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 - LMKV, BGBl Nr 72/1993, in der Fassung BGBl Nr 555/1995, in Verbindung mit § 9 Abs 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG. II) § 74 Abs 5 Z 2 des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl Nr 86/1975, in der Fassung BGBl Nr 78/1987, in Verbindung mit § 4 Z 7 der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 - LMKV, BGBl Nr 72/1993, in der Fassung BGBl Nr 555/1995, in Verbindung mit § 9 Abs 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über sie folgende Strafe

verhängt:

ad I und II)

Geldstrafe von je Schilling 1.000,--, das sind insgesamt Schilling 2.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von je 1 Tag, das sind insgesamt 2 Tage, gemäß § 74 Abs 5 Z 2 des Lebensmittelgesetzes 1975.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

200,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10% der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag beträgt daher 2.200,-- Schilling (Strafe/Kosten).

Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen. Sie haben ferner auf Grund des § 42 Abs 5 des Lebensmittelgesetzes, BGBl Nr 86/1975 iVm der Verordnung des BM für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 30.06.1994, BGBl Nr 477/1994 die Untersuchungskosten von öS 313,-- einzuzahlen."

In ihrer gegen dieses Straferkenntnis innerhalb offener Frist erhobenen Berufung brachte die Berufungswerberin (Bw) vor, sie sei als Prokuristin für den Einkauf für die H-KG, Zweigniederlassung T, verantwortlich. Die über die Zentrale angekaufte Ware werde an die Filialen weitergeleitet, wo sie dann an den Konsumenten gelange. Wie aus dem beigelegten Arbeitsvertrag ersichtlich sei, umfasse ihr Aufgabengebiet die verantwortliche Leitung des Einkaufs. Sie beantrage die Einstellung des Verfahrens.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Nach § 9 Abs 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Nach § 9 Abs 2 leg cit sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

Nach § 9 Abs 4 VStG kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Im Zuge des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahrens wurde ein mit 3.11.1979 datierter Dienstvertrag der Bw, dem "die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung entnommen" (so heißt es im Begleitschreiben) werden könne, vorgelegt, nach der der Bw (mit Wirkung vom 1.1.1979) die Stellung einer Einkäuferin in der Zweigniederlassung T übertragen werde. Das Aufgabengebiet umfasse die verantwortliche Leitung des Einkaufs. Die Angestellte habe im Rahmen ihrer Aufgabenstellung und die ihr eingeräumten Befugnisse die Geschäfte der Gesellschaft nach den Grundsätzen eines ordentlichen Kaufmanns zu führen. Sie trage für ihren Bereich - auch soweit dieser ihr über den Rahmen von Satz 1 hinaus übertragen sei - die volle Verantwortung in gesetzmäßiger, organisatorischer und kaufmännischer Hinsicht nach innen und nach außen. Sie habe sich über alle gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen, die ihren Tätigkeitsbereich berühren, selbst zu informieren und sie genauestens zu beachten. Dies gelte auch bei der Durchführung von Weisungen der Geschäftsführung. Hiebei sei sie jedoch im übrigen nur für die ordnungsgemäße und sachkundige Durchführung verantwortlich.

Im vorliegenden Fall geht es nach den Annahmen der Erstbehörde um die Einhaltung der LMKV 1993 durch die H-KG (konkret:

Übertretungen der LMKV 1993 am 14.11.1995 in der Betriebsstätte in Wien, L-straße).

Hiefür sind zunächst die zur Vertretung dieser KG nach außen Berufenen verantwortlich. Diese können ihre verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit aber durch Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten überwälzen. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien geht davon aus, daß im vorliegenden Fall von einer rechtlich relevanten Bestellung der Bw zur verantwortlichen Beauftragten im Sinne des VStG keine Rede sein kann. Die als Einkäuferin in der Zweigniederlassung T beschäftigte Bw hat zu einem Zeitpunkt eine (wie die Erstbehörde offenbar vermeint: "verwaltungsrechtliche") Verantwortung übernommen, zu dem es die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit für im Betrieb einer juristischen Person begangene Verwaltungsübertretungen durch andere Personen als zur Vertretung nach außen befugte Organe nicht gegeben hat. Ihre mit Unterfertigung des Dienstvertrages erklärte Zustimmung erfolgte auf Grund einer anderen Rechtslage, nach welcher die von ihr übernommene Verantwortlichkeit (welchen Inhalt sie auch immer nach Absicht der Parteien des Dienstvertrages gehabt haben mag) niemals auch ihre mögliche Bestrafung wegen der Begehung von Verwaltungsübertretungen mitumfaßt hat. Die bloße Übernahme einer Verantwortlichkeit in der Zeit vor dem Inkrafttreten des § 9 Abs 4 VStG (vor dem 1.4.1983) kann nur als interne Übernahme einer Verpflichtung als Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber verstanden werden. Daß damit mit dem Inkrafttreten des § 9 Abs 4 VStG sozusagen eine automatische Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten erfolgt wäre, ist ausgeschlossen (vgl dazu das Erkenntnis des VwGH vom 22.11.1994, Zl 94/11/0318). In der Person der Bw (Prokuristin und Einkäuferin) kann daher keine verantwortliche Beauftragte, die die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit übernommen hätte, erblickt werden. Da das Verwaltungsstrafverfahren gegen die Bw als verantwortliche Beauftragte im Sinne des § 9 Abs 2 VStG geführt wurde, ohne daß die Voraussetzungen hiefür vorlagen, war spruchgemäß zu entscheiden. Auf das weitere Berufungsvorbringen brauchte angesichts dieses Sachverhaltes nicht mehr eingegangen zu werden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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