Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Grünstäudl über die Berufung des Herrn Erich P vom 11.7.1997 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 11.6.1997, Zl MBA 4/5 - S 12115/96, betreffend mehrere Übertretungen der Verordnung (EWG) Nr 3820/85 und Nr 3821/85 iVm § 28 Abs 1a Arbeitszeitgesetz entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben sowie das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Begründung:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis war dem Berufungswerber angelastet worden:
"Sie haben als Arbeitgeber des Einzelunternehmens Erich P mit Sitz in Wien, S-gasse, zu verantworten, daß
1) dem Arbeitnehmer Novo M, der den Lastkraftwagen mit dem Kennzeichen W-22 mit dem Anhänger (SW-43) auf der A 1, Gemeinde St iA bei Kilometer 250 in Fahrtrichtung S gelenkt hatte:
a) vom 22.7.1996 bis 23.7.1996 (Beginn des 24 Stunden Zeitraumes: 04:15 Uhr) eine Ruhezeit von 4 Stunden und 30 Minuten gewährt wurde;
b) vom 23.7.1996 bis 24.7.1996 (Beginn des 24 Stunden Zeitraumes: 08:40 Uhr) eine Ruhezeit von 7 Stunden und 20 Minuten gewährt wurde;
2) am 22.7.1996 von dem Arbeitnehmer Novo M das Schaublatt des von ihm gelenkten Lastkraftwagens mit Anhänger (Kennzeichen W-22, SW-43) über den dafür bestimmten Zeitraum (24 Stunden) hinaus verwendet wurde;
3) von dem Arbeitnehmer Novo M auf dem Schaublatt des von ihm gelenkten Lastkraftwagens mit Anhänger (Kennzeichen W-22, SW-43) mangelhafte Eintragungen vorgenommen wurden, da am 22.7.1996 die gefahrenen Gesamtkilometer und am 23.7.1996 die gefahrenen Gesamtkilometer und die Ankunftseintragung fehlten;
4) der Arbeitnehmer Novo M am 25.7.1996 das Schaublatt des von ihm gelenkten Lastkraftwagens mit Anhänger (Kennzeichen W-22, SW-43) des letzten Lenktages der Vorwoche nicht mitgeführt hat und dem Kontrollbeamten nicht ausgehändigt hat.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
1) Art 8 Abs 1 VO (EWG) Nr 3820/85; 2) Art 15 Abs 2 VO (EWG) Nr 3821/85; 3) Art 15 Abs 5 VO (EWG) Nr 3821/85; 4) Art 15 Abs 7 VO (EWG) Nr 3821/85;"
Gemäß § 28 Abs 1a AZG wurden über den Berufungswerber daher 4 Geldstrafen im Ausmaß von jeweils S 4.000,-- und Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils einem Tag verhängt. In seiner dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung wendet er Verfolgungsverjährung und mangelndes Verschulden an den gegenständlichen Übertretungen ein. Insbesondere verweist er dazu auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach für Verstöße gegen die "Verordnung EWG Nr 3821/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr" nicht der Arbeitgeber strafbar ist.
Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien erwogen:
Zu Punkt 2.), 3.) und 4.) des Straferkenntnisses:
Dem Berufungswerber wird als Arbeitgeber angelastet, sein Arbeitnehmer und gleichzeitig Lenker eines näher genannten Lastkraftwagens hätte zu den Tatzeitpunkten das Schaublatt betreffend Lenkzeiten über den dafür bestimmten Zeitraum hinaus verwendet, Eingetragungen darin mangelhaft vorgenommen bzw dieses überhaupt nicht mitgeführt. Dadurch habe er gegen Art 15 der Verordnung (EWG) Nr 3821/85 verstoßen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof allerdings mit Erkenntnis vom 25.6.1996, Zl 96/11/0062-0065 dargelegt hat, handelt es sich bei den unter Art 15 dieser EWG-Verordnung zumsammengefaßten Vorschriften um solche kraftfahrrechtlichen Inhaltes, die entsprechend ihrem Wortlaut keine Pflichten des Arbeitgebers sondern vielmehr der Fahrer (= der Arbeitnehmer) normieren. Daher ist es ausgeschlossen, wegen Übertretung der hier in Rede stehenden Verordnungsbestimmungen Verwaltungsstrafen nach dem AZG gegen den Arbeitgeber zu verhängen.
Anzumerken bleibt in diesem Zusammenhang, daß das Arbeitsinspektorat die - vom Landesgendarmeriekommando für O erstattete - Anzeige gerade aus den genannten Gründen bereits mit erstinstanzlichem Schreiben vom 17.3.1997 lediglich betreffend die Ruhezeitverletzungen (= Punkt 1) des Straferkenntnisses) aufrechterhalten hat.
Zu Punkt 1) des Straferkenntnisses:
Im Gegensatz zur genannten Verordnung (EWG) Nr 3821/85 hat der Verwaltungsgerichtshof mit dem zitierten Erkenntnis vom 25.6.1996 die Verordnung (EWG) Nr 3820/85 grundsätzlich als Sozialvorschrift (und damit nicht als Vorschrift kraftfahrrechtlichen Inhaltes) eingeordnet, für deren Einhaltung der nationale Gesetzgeber die Verantwortlichkeit des Unternehmers (Arbeitgebers) normieren kann. Der Berufungswerber wendet nun hinsichtlich dieser Tatanlastung Verfolgungsverjährung ein, wohingegen das Arbeitsinspektorat - zumindest in seiner erstinstanzlichen Stellungnahme - auf die einjährige Verfolgungsverjährungsfrist des § 28 Abs 4 AZG für Verstöße im internationalen Straßenverkehr verwies. Außer Streit steht jedenfalls, daß die Verfolgungsverjährungsfrist gegenständlich zufolge § 31 Abs 2 VStG mit dem Zeitpunkt begann, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen wurde (das war zu Punkt 1)a) der 23.7.1996, zu Punkt 1)b) der 24.7.1996). Aktenkundig und unbestritten ist weiters, daß eine erste Verfolgungshandlung gegenüber dem Berufungswerber mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7.4.1997 (abgefertigt am 14.4.1997) gesetzt wurde, somit deutlich nach Ablauf der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs 2 VStG.
§ 28 Abs 4 AZG sieht allerdings für Verstöße ua gegen die in § 28 Abs 1 a AZG (worunter auch zufolge der dortigen Ziffer 2 ein Verstoß gegen die tägliche Ruhezeit gemäß der hier angelasteten Bestimmung des Art 8 Abs 1 der Verordnung (EWG) Nr 3820/85 fällt) angeführten Rechtsvorschriften im "internationalen Straßenverkehr" eine Verjährungsfrist von einem Jahr vor.
Entscheidungsrelevant und auslegungsbedürftig ist daher der Begriff "Verstoß ...im internationalen Straßenverkehr" iS des § 28 Abs 4 AZG sowie die Frage, ob die gegenständlichen Sachverhalte hierunter subsumierbar sind.
Gegenständlich trifft zwar zu, daß der Arbeitnehmer und Lenker des Berufungswerbers zum Zeitpunkt seiner Kontrolle am 25.7.1996 auf der Westautobahn in Fahrtrichtung S bei Kilometer 250 (Gemeinde St) unterwegs war und das Landesgendarmeriekommando für O in seinem Anzeigeformular durch Ankreuzen der entsprechenden Rubrik eine Fahrt im "internationalen Verkehr" anzeigte.
Aus diesem Umstand alleine, nämlich daß der Fahrer zum Kontrollzeitpunkt auf der A1 - Westautobahn und damit auf einem "internationalen Hauptverkehrsweg" im Sinne des § 53 Z 18 StVO unterwegs war, ist allerdings noch nichts für die Frage zu gewinnen, ob es sich dabei um einen Verstoß im "internationalen Straßenverkehr" im Sinne des § 28 Abs 4 AZG handelte. Letztgenannter Begriff kann nämlich nicht danach beurteilt werden, auf welcher Art von Straße im Inland der Lenker unterwegs ist, da es keine gerechtfertigten Gründe für eine Unterscheidung der Dauer der Verjährungsfrist nach dem Kriterium gäbe, ob ein Lenker beispielsweise auf einer österreichischen Landesstraße oder eben einer im Inland gelegenen Autobahn unterwegs ist.
Kriterium für die Frage, ob eine Vorschriftsverletzung "im internationalen Straßenverkehr" begangen wurde, ist vielmehr ausschließlich der Umstand, ob die von der Gesetzesübertretung betroffene Fahrt in Österreich oder außerhalb der österreichischen Staatsgrenzen erfolgte.
So gehen auch die Erläuterungen der Regierungsvorlage zur in Rede stehenden Bestimmung des § 28 Abs 4 AZG (vgl 1596 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen des Nationalrates XIII. GP) davon aus, daß die Verlängerung der Verfolgungsverjährungsfrist dagegen Abhilfe schaffen soll, daß Übertretungen der in Rede stehenden EWG-Verordnung in anderen EU-Staaten nur deswegen nicht verfolgt werden können, weil die Anzeigen aus diesen EU-Staaten in Österreich erst verspätet einlangen.
Damit aber ergibt sich durch teleologische Interpretation des § 28 Abs 4 AZG, daß unter "internationalem Straßenverkehr" jedenfalls solche Fahrten nicht zu subsumieren sind, die ausschließlich in Österreich und somit nicht die Staatsgrenzen überschreitend erfolgen.
Im gegenständlichen Fall zeigen nun sowohl die Ermittlungen der Berufungsbehörde als auch bereits die erste in der Anzeige genannte Aussage des Kraftwagenlenkers, daß die gegenständlichen Ruhezeitunterschreitungen ausschließlich aufgrund von Transportfahrten des in Rede stehenden Lenkers zu Filialen der Firma L in den Bundesländern O und S erfolgten. Dies wies der Berufungswerber auch durch Vorlage der "Tagesjournale und Tourenlisten" betreffend die angelasteten Tage nach. Ungeachtet der zu beachtenden Begriffsinterpretation zeigt der gegenständliche Fall aber weiters, daß auch angesichts des Kontrollzeitpunktes der Landesgendarmerie O (25.7.1997) mangels weiterer Anhaltspunkte noch keineswegs darauf geschlossen werden konnte, daß die am Tag zuvor bzw zwei Tage zuvor erfolgten Fahrten (vgl die Tatzeitpunkte 23./24.7.1997) im internationalen Straßenverkehr durchgeführt wurden.
Zusammenfassend ergibt sich damit, daß § 28 Abs 4 AZG im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung gelangt, da die Verstöße nicht im internationalen Straßenverkehr gesetzt wurden, weshalb die Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 31 Abs 2 VStG (nur) sechs Monate betrug und die Übertretungen folgedessen mangels rechtzeitiger Verfolgungshandlung verfolgungsverjährt waren.