Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Monika Gasser-Steiner über die Berufung des Herrn Franz Sch, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Siegfried L, Dr. Rudolf H, aus G, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 19.12.1996, GZ.:
15.1-1996/11834, wie folgt entschieden:
Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
I.) Mit dem bekämpften Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 16.7.1996 in der Zeit von 9.45 Uhr bis 10.15 Uhr in Nestelbach, auf der Gemeindestraße "Schulstraße", Kreuzung L 305, als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen GU 7 BBA (PKW) außerhalb eines Parkplatzes das Fahrzeug nicht parallel der Fahrbahn zum Parken aufgestellt.
Wegen Übertretung der Rechtsvorschrift des § 23 Abs 2 StVO wurde über den Berufungswerber gemäß § 99 Abs 3 lit. a StVO eine Geldstrafe von S 2.000,--, im Uneinbringlichkeitsfalle 3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt sowie als Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens der Betrag von S 200,-- vorgeschrieben. II.) In seinem fristgerecht erhobenen Rechtsmittel knüpfte der Berufungswerber an seine Einspruchsangaben im erstinstanzlichen Verfahren an: Er habe seinen PKW auf einer Parkfläche der Gemeinde Nestelbach abgestellt. Diese Parkfläche sei im Flächenwidmungsplan als Park- und Abstellfläche bewilligt. Weiters habe der Berufungswerber eine Ladetätigkeit außerhalb der Fahrbahn, also im Parkplatzbereich, durchgeführt, sodaß eine Übertretung der Straßenverkehrsordnung durch sein Verhalten nicht vorliege. Das Straferkenntnis lasse auch nicht mit Sicherheit erkennen, wo exakt der Berufungswerber seinen PKW abgestellt habe. Eine Begründung, warum dem Vorbringen des Berufungswerbers in seinem Einspruch kein Glaube geschenkt worden sei, fehle zur Gänze. Die belangte Behörde sei den Einwänden des Berufungswerbers (gewidmete Parkfläche) überhaupt nicht nachgegangen, sodaß aufgrund eines mangelhaft gebliebenen Verfahrens eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorgenommen worden sei.
Der Berufungswerber beantragte, der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark wolle in Stattgebung der Berufung das angefochtene Straferkenntnis beheben und das gegenständliche Strafverfahren einstellen.
III.) Am 9.10.1997 hat vor Ort - Kreuzung Gemeindestraße
Schulstraße
Mitwirkung des Berufungswerbers und seines Rechtsvertreters stattgefunden, in der als Zeuge der seinerzeitige Meldungsleger, RI Gerald R vom Gendarmerieposten Laßnitzhöhe, als Zeuge befragt wurde. Aufgrund des Ortsaugenscheines und der Ergebnisse der Verhandlung werden folgende Feststellungen getroffen:
Die Gemeindestraße "Schulstraße" führt durch die Ortschaft Nestelbach und mündet nach einer Steigung in die L 305. Im Kreuzungsbereich ist die Gemeindestraße rechtsseitig - aus Richtung Ortskern kommend - trichterförmig verbreitet. Die Gemeindestraße wie auch die Verbreiterung ist asphaltiert; anschließend an den Asphaltrand stehen Sträucher und geht das Gelände nach einem leichten Gefälle in Wiese und Ackerland über. Die asphaltierte Verbreiterung wurde vor Jahren von der Gemeinde Nestelbach angelegt, um ein paar Parkplätze für Pendler zu schaffen sowie auch den Streusplitt der Gemeinde für die Wintermonate dort zu lagern. Im derzeit gültigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde Nestelbach, rechtskräftig seit dem 18.6.1994, ist die Abstellfläche als Parkplatz ausgewiesen. Bis zum 18.2.1996 war auch ein Hinweiszeichen Parkplatz angebracht. Pendler aus der näheren Umgebung benützten diesen Parkplatz, indem sie ihre PKW, beginnend bei der trichterförmigen Erweiterung, schräg zum Fahrbahnrand aufstellten. Im Jahre 1994 errichtete der Berufungswerber im letzten Drittel der Abstellfläche einen Würstelstand, dessen Betreiben zu mehreren Anzeigen am Gendarmerieposten Laßnitzhöhe führte, weil der fließende Verkehr auf der Schulstraße durch ungeordnet abgestellte Fahrzeuge im Würstelstand-Bereich behindert worden wäre. Bei seinem ersten Einschreiten Ende 1995 fand RI Gerald R unterschiedliche Nutzungen der Abstellfläche - im unteren Drittel parkten Pendler, das zweite Drittel wurde als Splittablageplatz von der Gemeinde benützt, im oberen Drittel stand die Würstelbude samt den dahinterliegenden Sitzgelegenheiten, der ein Holzablageplatz folgte - vor. Gleichzeitig bestand ein Schilderwald widersprüchlichen Inhaltes:
Einige Schilder erlaubten das Parken, andere Schilder wiederum verboten es. Eine Nachfrage bei der Gemeinde ergab, daß keines der vorhandenen Verkehrszeichen verordnet war. Daraufhin erhielten alle Pendler (Dauerparker) einen Lenkerverständigungszettel, in dem sie aufmerksam gemacht worden sind, daß sie auf einer Gemeindestraße parken und entsprechend der Parkordnung - das heißt parallel zum Fahrbahnrand - ihre Fahrzeuge abzustellen hätten. Die gleiche Vorgangsweise wurde dem Berufungswerber nahegelegt. Dieser parkte sein Fahrzeug aber meistens parallel zur Breitseite seines Würstelstandes, weil er seinen PKW gleichzeitig als Lagerort für Getränke und Lebensmittel benützte. Mehrmalige Urgenzen des Gendarmeriepostens Laßnitzhöhe bei der Gemeinde Nestelbach, eine Parkordnung herzustellen, blieben reaktionslos.
IV.) Die rechtliche Beurteilung ergibt folgendes:
§ 23 Abs 2 StVO bestimmt im hier maßgeblichen ersten Satz, daß außerhalb von Parkplätzen ein Fahrzeug, sofern sich aus Bodenmarkierungen oder Straßenverkehrszeichen nichts anderes ergibt, zum Halten oder Parken am Rand der Fahrbahn und parallel zum Fahrbahnrand aufzustellen ist.
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß die gegenständliche Abstellfläche außerhalb eines nach der Straßenverkehrsordnung verordneten Parkplatzes gelegen ist und auch Bodenmarkierungen oder Straßenverkehrszeichen keine andere Parkordnung vorsehen. Das Abstellen des PKW kann auch als Parken bezeichnet werden, nachdem das Fahrzeug quasi als Lagerraum benützt und somit nicht nur zur Durchführung einer Ladetätigkeit abgestellt worden ist. Die schon näher beschriebene Örtlichkeit wirft aber die Frage auf, wo der Fahrbahnrand gelegen ist, an dem sich der Berufungswerber beim Aufstellen seines Fahrzeuges entsprechend der Bestimmung des § 23 Abs 2 StVO orientieren hätte sollen.
Gemäß § 2 Abs 1 Z 2 StVO umfaßt der Begriff Fahrbahn den für den Fahrzeugverkehr bestimmten Teil der Straße. Dazu zählen grundsätzlich alle befahrbaren Teile der Straße, sofern nicht die Widmung bestimmter Teile ausschließlich für andere Zwecke auffällig ist (OGH 16.4.1985, 2 ob 13/85, ZVR 1986/26). Zur Fahrbahn zählen nach der Judikatur der Höchstgerichte auch Fahrstreifen, Parkstreifen, Radfahrstreifen, Schutzinseln, Haltestellenbereich für Omnibusse, Ausweichstellen und Autobusbuchten). Nicht zur Fahrbahn gehört ein an die Fahrbahn anschließender Vorplatz eines Gebäudes (ZVR 1990/143).
Der Fahrbahnrand wird durch objektive Merkmale, wie z.B. Gehsteigränder, große Pflastersteine, Grünflächen u.dgl., nicht aber durch gedachte Linien gebildet.
Gemäß § 44 a Z 1 VStG hat der Spruch eines Bescheides, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet dies, daß die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben ist, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht. Der Umfang der notwendigen Konkretisierung ist vom einzelnen Tatbild abhängig; sie soll gewährleisten, daß über Art, Zeit und Ort der Tat, die der Bestrafung zugrundeliegt, kein Zweifel bestehen kann. Insbesondere sollte der Berufungswerber dem Spruch entnehmen können, wie er sich verhalten hätte sollen bzw. was zu unterlassen gewesen wäre.
Bezogen auf den hier zu beurteilenden Fall ist davon auszugehen, daß durch die rechtsseitige Straßenerweiterung der Schulstraße an der Kreuzung zur L 305 eine Verkehrsfläche geschaffen wurde, die unterschiedlichen Zwecken dienen sollte. Durch die schon in den Sachverhaltsdarstellungen näher beschriebenen Nutzungsformen sind Teile der Verkehrsfläche unbefahrbar geworden, sodaß sie rechtlich nicht mehr der Fahrbahn zuzuzählen sind. Der rechte Fahrbahnrand der Schulstraße ist demnach im unteren Drittel der Abstellfläche gleichzusetzen mit dem Asphaltende; im mittleren Drittel wird der Fahrbahnrand als Grenze zwischen asphaltierter Fläche und Splittablageplatz anzusiedeln sein; im oberen Drittel begrenzt der Würstelstand bzw. der daran anschließende Holzhaufen die Fahrbahn. Der zwischen Splittablageplatz und Würstelstand freibleibende asphaltierte Teil (Standort des Fahrzeuges des Berufungswerbers) ist noch Teil der Fahrbahn, deren Rand über eine Länge von etwa drei bis vier Metern parallel zu den Sitzgelegenheiten hinter dem Würstelstand verläuft. Im Hinblick auf die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten ist dem Konkretisierungsgebot nicht Genüge getan worden. Die Behörde hat als Tatort lediglich die Kreuzung Gemeindestraße "Schulstraße" - Landesstraße 305 genannt, die eine Reihe von Abstellmöglichkeiten auf der rechten und linken Fahrbahnseite umfaßt. Aufgrund der unterschiedlichen Fahrbahnrandbeschaffenheiten im Tatortbereich wäre eine nähere Umschreibung des Abstellortes erforderlich gewesen, um das vorschriftswidrige Abstellen des PKW's im Sinne der Bestimmung des § 23 Abs 2 StVO darzustellen. In diesem Sinne hätte der Tatort dahingehend konkretisiert werden können, daß das Fahrzeug an der Kreuzung mit der L 305 auf der rechten Seite der Schulstraße im oberen Teil des verbreiterten Bereiches zwischen dem Würstelstand und der Splittablagestelle senkrecht zum Fahrbahnrand abgestellt war.
Es war daher dem Berufungsantrag im Ergebnis zu folgen, das Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Berufungswerber wegen Verfolgungsverjährung zur Einstellung zu bringen.